Klaviermusik
Klaviermusik ist ein Sammelbegriff für musikalische Ausdrucksformen, die auf einem Klavier ausgeführt werden. Er bezeichnet in der Regel Kompositionen und Improvisation, die in Europa seit dem 13. Jahrhundert allgemein für Tasteninstrumente, seit dem 16. Jahrhundert speziell für Saitenklaviere, seit dem 18. Jahrhundert für Hammerklaviere bestimmt war.
Die Geschichte der Klaviermusik ist eng mit der baulichen Entwicklung besaiteter Tasteninstrumente, ihren klanglichen Eigenschaften und spieltechnischen Möglichkeiten verbunden. Da das Klavier einem einzelnen Spieler viele Töne, Melodien und Harmonien zugleich auszuführen gestattet, haben viele Komponisten ihm besondere Werke gewidmet; manche haben sich diesem Instrument besonders zugewandt, andere haben es überhaupt zum Komponieren verwendet. Hinzu kommt eine große Vielfalt von Spielweisen und Interpretationen. Daher ist Klaviermusik ein eigenständiger Strang der Musikgeschichte mit eigenen Merkmalen, der zugleich ihre großen Linien reflektiert.[1]
Anfänge
Die älteste Aufzeichnung einer spezifischen Musik für Clavier (Tasteninstrumente) ist der englische Robertsbridge-Codex (entstanden nach 1314): die älteste bekannte Tabulatur, bei der Notenhöhen mit Buchstaben bezeichnet wurden. Er enthielt drei Motetten sowie drei Tanzlieder (Estampes), die instrumental auszuführen waren.
Der Codex Faenza 117 (entstanden 1420-1475 in Italien) enthielt hunderte Bearbeitungen von beliebten Motetten von Komponisten der französisch-italienischen Ars nova für Tasteninstrumente in Mensuralnotation. In den Koloratur-artigen Verzierungen der Oberstimme deutet sich der Beginn einer virtuosen Klaviermusik an, die auch außerhalb der dem Kirchenraum vorbehaltenen geistlichen Vokal- und Orgelmusik geübt werden konnte.[2]
Englische Virginalisten
Zwischen 1520 und 1640 gab es in England eine Blütezeit besonderer, gegenüber der Orgel eigenständiger Musik für das Virginal, dessen Name dort zugleich Oberbegriff für besaitete Tasteninstrumente war. Komponisten wie Hugh Ashton, John Bull, William Byrd, Giles Farnaby, Orlando Gibbons, John Monday, Thomas Morley, Peter Philips und Thomas Tomkins schrieben viele Tänze - etwa Galliarden, Pavanen und Grounds - sowie Variationszyklen über bekannte Lieder und programmatische Charakterstücke für musizierende Amateure.
Ihre Stücke hatten teils sehr virtuose, polyphone Passagen für beide Hände, wurden von wohlhabenden Musikliebhabern gesammelt und gedruckt veröffentlicht, etwa das Fitzwilliam Virginal Book von 1610. Sie beeinflussten kontinentale Klaviermusik, etwa die des Niederländers Jan Pieterszoon Sweelinck. Pianisten des 20. Jahrhunderts wie Glenn Gould haben englische Virginalmusik auf dem modernen Konzertflügel interpretiert.
Barock
In der Barockmusik entwickelte sich ausgehend von Frankreich die Suite als Abfolge von echten oder stilisierten Tänzen, die meistens in der gleichen Tonart stehen. In Deutschland wurde die Abfolge Allemande – Courante – Sarabande – Gigue festgelegt und von Johann Sebastian Bach in seinen Französischen und Englischen Suiten sowie den Partiten für Cembalo aus seiner Clavierübung aufgenommen. Neben den Goldberg-Variationen sei auch die harmonische Kühnheit der Präludien und Fugen aus Bachs Wohltemperiertem Klavier sowie seine Chromatische Fantasie und Fuge erwähnt. Auch Georg Friedrich Händel schrieb mehrere Suiten für Cembalo. In Frankreich pflegten François Couperin und Jean-Philippe Rameau die Tradition der Cembalosuiten; am spanischen Hof schrieb der Italiener Domenico Scarlatti über 500 einsätzige, zweiteilige Sonaten.
Klassik
Ab etwa 1775[3] komponieren Muzio Clementi, Joseph Haydn und Wolfgang Amadeus Mozart Werke, die ausdrücklich für das Hammerklavier bestimmt sind, nicht mehr für das Cembalo oder Clavichord. Seither widmen sich fast alle bedeutenden Komponisten der Klaviermusik.
In der Wiener Klassik, etwa ab 1780, wird die Klaviersonate besonders wichtig; zahlreiche Variationszyklen werden vor allem von Haydn und Mozart für den Tagesbedarf geschrieben, erreichen jedoch mit Beethovens Diabelli-Variationen einen neuen musikalischen Höhepunkt.
Romantik
Am Übergang von der Klassik zur Romantik steht Franz Schubert, der in seinen drei letzten Sonaten eine ungeahnte Tiefe des Ausdrucks erreicht und daneben als Verfasser von Moments musicaux und der Wanderer-Fantasie bekannt geworden ist. Etwa ab 1830 wird das Charakterstück bei Schumann und Liszt bedeutsam. Chopin komponierte fast ausschließlich für das Klavier; besondere Bedeutung haben seine Etüden, Nocturnes, Balladen, Mazurkas und Préludes erlangt.
Impressionismus
Im Impressionismus, ab 1892, werden die traditionellen Formen aufgelöst; zentrale Namen sind Debussy und Ravel.
20. Jahrhundert
In der Neuen Musik, seit 1909, spielt zunehmend das Experiment eine Rolle; im Extremfall drückt der Klavierspieler keine einzige Taste, so in einer Schweigekomposition von John Cage, bekannt unter dem Namen 4'33", und in der Komposition Guero von Helmut Lachenmann, in der die Oberfläche der Tastatur mit den Fingernägeln überstrichen wird. Weitere Vertreter: Adorno, Schönberg.
Gattungen wie das Kunstlied, das Klaviertrio oder das Klavierkonzert gehören zur Vokal-, Kammer- respektive Orchestermusik.
In der Jahren nach dem Ersten Weltkrieg entstand im eigentlichen Sinne das, was wir heute mit dem Begriff Barpiano verbinden. Viele Faktoren waren dafür ausschlaggebend: Der Aufstieg Amerikas und damit einhergehend der Aufschwung von Jazz und Swing auch in Europa. Eine politisch, gesellschaftlich und moralisch radikal veränderte Gesellschaft, vor allem in Großstädten wie Berlin, etwas später dann die Entstehung des Tonfilms. Die klassischen Filme aus den 30er und 40er Jahren bestimmen unser Bild vom Bar-Pianisten auch heute noch. Die Zeit von 1920 bis 1960 gilt als goldene Zeit des Barpiano-Spiels. In den 30er und 40er Jahren blühte die Kunst der stilvollen Klavier-Unterhaltung vor allem in den USA, wo in New York die ersten klassischen Piano-Bars entstanden. Damals war in Cafés und Restaurants Musik von Tonträgern noch unbekannt. So war es Aufgabe der Live-Musiker, ob Tanzkapelle, oder Barpianisten, stets die aktuellsten Schlager präsent zu haben. Eine große Zahl von Liedern, viele davon heute vergessen, erzählen von der Allgegenwart der Klavierspieler und Musikanten in den Cafés und Tanzlokalen der 20er Jahre: (Wir machen Musik, Armer Musikant, Man müsste Klavier spielen können, uvm.) Nach dem Zweiten Weltkrieg nahm das Barklavier-Spiel zunächst einen Aufschwung. Paris wurde nun wieder zum Zentrum: dort war in den 50er Jahren etwa der legendäre deutsche Bar-Pianist Simon Schott tätig. Von den 60er Jahren bis um 1990 trat die Barmusik hingegen eher in den Hintergrund. Mit dem Siegeszug der Popmusik wirkte sie auf die junge Generation altmodisch, langweilig im Vergleich zur Rockmusik, elitär durch ihre Stilhöhe und ihre dezente Zurückhaltung. Wahrlich nichts für eine Generation, die sich als revolutionär, als Avantgarde fühlte. Ab den 90er Jahren hat sich die Situation wieder geändert. Die Gesellschaft ist vielfältiger, pluralistischer geworden. Vielzitierte "Retro-Wellen" lassen Stilrichtungen der Vergangenheit wieder aufleben. Neues verbindet sich mit Altem, "anything goes" und nicht mehr "Fortschritt", sondern Postmoderne ist das Wort der Stunde. Sänger wie Max Raabe und Roger Cicero stürmen mit alten und neukomponierten Liedern, die sich an Schlager und Swing orientieren, die Charts. Und der Bar-Pianist, vermeintlich schon dem Untergang geweiht, feiert fröhliche Auferstehung. Heute hat sich die Barklavier-Musik ebenbürtig neben die anderen Formen der Musik-Unterhaltung gestellt. Es gibt kein unerbittliches "richtig" oder "falsch", kein "modern" oder "hoffnungslos veraltet", sondern es kommt auf den Anlass an: Für feierliche und stilvolle Gelegenheiten wie Hochzeiten und Empfänge ist ein Barpianist genau richtig – für Parties oder Subkultur-Events wird eine Band oder ein DJ gewählt. Anspruchsvolle Fimenevents engagieren einen Barpianisten. Am Beginn des 21. Jahrhunderts ist vieles verschiedene gleichzeitig zu koexistieren imstande – insbesondere in Berlin gibt es wierder vermehrt Barpiano[4][5][6]. In Wien etabliert sich eine eigene Szene um die Wiener Bar Pianisten, die täglich in traditionellen Bars, Restaurants und Cafès spielen.
Wiener Barpiano Szene
Vor allem in Wien blüht die traditionelle Musikart des Barpianos wieder auf. Neben namhaften Hotels wie dem Hotel Imperial in der Bar Maria Theresia, dem Hotel Sacher, dem Grand Hotel Wien, dem Hotel am Kahlenberg, dem ältesten Hotel Wiens – Hotel Stefanie oder dem Hotel Savoyen bieten auch Wiener Cafehäuser wie Café Diglas, Cafe Wortner, Cafe Bellaria den Gästen regelmäßig Barpiano-Musik. Auch die älteste Pianobar von Wien, die Bonbonnière bietet seit ihrer Eröffnung 1938 Barklavier-Musik life. Die Vienna Broadway-Bar, die von vielen Künstlern wie Udo Jürgens, Billy Joel, Gerhard Bronner oder Julian Rachlin aufgesucht wurde, gibt es seit einigen Jahren nicht mehr.
Notation
Ein Großteil der Klaviermusik für zwei Hände wird auf zwei Notensystemen notiert, die mit einer Akkolade und mit Taktstrichen untereinander verbunden sind. Oft, aber nicht immer, steht im unteren System ein Bassschlüssel und die tieferen, von der linken Hand gespielten Töne, im oberen System ein Violinschlüssel und die höheren, von der rechten Hand gespielten Töne.
Unter den Noten für die linke Hand und über den Noten für die rechte Hand kann ein Fingersatz stehen (1 = Daumen, 2 = Zeigefinger usw.).
Die Verwendung der Pedale ist häufig dem Ermessen des Musikers überlassen. Das Zeichen fordert das Heben aller Dämpfer, so dass die Saiten frei schwingen; das Sternchen
fordert das Ende dieser Maßnahme; gemeint ist also das rechte Pedal. Ein neueres, ebenfalls häufig verwendetes Symbol ist die waagrechte eckige Klammer. Das Zeichen u. c. (una corda, ital. für „eine Saite“) fordert das Verschieben der Mechanik, so dass die Hämmer nur noch eine von zwei oder zwei von drei gleich gestimmten Saiten anschlagen; das Zeichen t. c. (tre corde, ital. für „drei Saiten“) oder t. l. c. (tutte le corde, ital. für „alle Saiten“) fordert das Ende dieser Maßnahme; gemeint ist also das linke Pedal des Flügels. Für das mittlere Pedal des Flügels gibt es kein eigenes Zeichen; gelegentlich wird 3. Ped. geschrieben.
Impressionistische Musik verwendet häufig nicht nur zwei, sondern drei Systeme, um den komplexen Klaviersatz übersichtlicher unterzubringen. In der Neuen Musik treten manchmal Textaufgaben oder Grafiken an die Stelle der traditionellen Notenschrift.
Typisch für den Jazz ist das lead sheet (engl. „Führungsblatt“), auf dem lediglich der Text eines Songs und die zugehörigen Akkordsymbole notiert sind, manchmal auch die Melodie; auf Grundlage dieser Informationen kann ein Jazzpianist sowohl solistisch spielen als auch begleiten.
Literatur
- Peter Hollfelder: Die Klaviermusik. Historische Entwicklungen - Komponisten mit Biographien und Werkverzeichnissen - nationale Schulen. Nikol, Hamburg 1999, ISBN 3-933203-12-0 (in anderen Ausgaben auch unter dem Titel Geschichte der Klaviermusik)
- Hartmut Krones: Klaviermusik. In: Oesterreichisches Musiklexikon. Online-Ausgabe, Wien 2002 ff., ISBN 3-7001-3077-5; Druckausgabe: Band 2, Verlag der Österreichischen Akademie der Wissenschaften, Wien 2003, ISBN 3-7001-3044-9.
Einzelnachweise
- ↑ Werner Oehlmann, Christiane Bernstorff-Engelbrecht (Hrsg.): Reclams Klaviermusikführer Band 1: Frühzeit, Barock und Klassik. Philipp Reclam junior, achte Auflage, Stuttgart 2005, ISBN 3-15-010112-3, S. 6-10
- ↑ Werner Oehlmann, Christiane Bernstorff-Engelbrecht (Hrsg.): Reclams Klaviermusikführer Band 1: Frühzeit, Barock und Klassik. Stuttgart 2005, S. 14f.
- ↑ Diese Angabe sowie die folgenden Jahreszahlen: Harvard Dictionary of Music. London 1970. Artikel Piano music und Impressionism.
- ↑ http://www.pianobar-vangogh.de/
- ↑ http://www.top10berlin.de/Location/294-Piano_Bar
- ↑ http://www.froschkoenig-berlin.de/