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Emotion

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Eine Emotion (v. lat.: ex „heraus“ und motio „Bewegung, Erregung“) ist ein psychophysiologischer Prozess, der durch die kognitive Bewertung eines Objekts ausgelöst wird und mit physiologischen Veränderungen, spezifischen Kognitionen, subjektivem Gefühlserleben und einer Veränderung der Verhaltensbereitschaft einhergeht. Emotionen treten beim Menschen und bei höheren Tieren auf.

Mit Emotionen beschäftigen sich unter anderem die Soziologie, die Psychologie, die Psychiatrie und die Verhaltensforschung.

Begriffliche Abgrenzungen

Eine Emotion ist ein komplexer Prozess, der auf verschiedenen psychischen Funktionsebenen abläuft. Davon zu unterscheiden ist der Begriff Gefühl, der nur das subjektive Erleben der Emotion bezeichnet.

Im Gegensatz zu Stimmungen sind Emotionen relativ kurz und intensiv. Während Stimmungen und deren Auslöser oft unbemerkt bleiben, sind bei Emotionen das auslösende Objekt und die psychologischen und physiologischen Emotionskomponenten üblicherweise im Fokus der Aufmerksamkeit.

Klassifikation

Genaueres zur Klassifikation von Emotionen ist im Artikel Emotionstheorie zu finden.

Emotionen lassen sich grob in angenehme (euphorische, vergl. auch "Attractio") und unangenehme (disphorische, vergl. auch "Aversio") Gefühle einteilen. Sie haben meist eine Qualität („Welche Art von Emotion?“) und eine Stärke („Wie intensiv ist die Emotion?“).

Nach Auffassung des Psychologen Caroll E. Izard (1994) existieren zehn unterschiedliche Gefühle, die auf der ganzen Welt und in jeder Kultur vorkommen: Interesse, Leid, Widerwillen, Freude, Zorn, Überraschung, Scham, Furcht, Verachtung und Schuldgefühl.

Ältere Theorien teilen die Gefühle in vier Hauptgruppen ein:

Weitere Beispiele für Einzelemotionen sind Enttäuschung, Mitleid, Neid, Stolz und Verliebtheit.

Eine weitere Klassifikation besteht darin, zwischen Gefühlen und Affekten zu unterscheiden. Die Gefühle sind hiernach die Emotionen, die verbinden, während Affekte die Emotionen sind, die trennen. Zu den Gefühlen gehören somit: Liebe, Freundschaft, Mitgefühl, Verbundenheit, Gemeinschaftsgefühl. Zu den Affekten gehören: Neid, Hass, Angst, Eifersucht, Minderwertigkeitsgefühl, Schuldgefühl.

Auslösebedingungen

Emotionen werden, entsprechend der Zwei-Komponenten-Theorie, durch physiologische Reize ausgelöst (wie z.B. Herzrasen, Erröten, usw.), diese werden in der jeweiligen Situation interpretiert und so auf ein bestimmtes Objekt hin ausgerichtet. So würde Herzklopfen beim Sport als Anstrengung wahrgenommen, beim Flirten jedoch auf den Flirtpartner bezogen und so als Emotion interpretiert. Die Intensität der Emotion wird dabei durch die Stärke des physiologischen Reizes determiniert, während die Qualität der Emotion von der Interpretation. Dies wurde 1962 durch ein Experiment von Schachter und Singer teilweise nachgewiesen. Im Laufe des Experiments stellt sich jedoch heraus, dass die bloße subjektive Wahrnehmung eines physiologischens Reizes genügt um eine Emotion auszulösen, obgleich dieser Reiz objektiv überhaupt nicht vorhanden ist. Somit ist es möglich Emotionen hervorzurufen, wenn man bei einer Testperson lediglich physiologische Reize verursacht und dieser dafür einen Interpretationsansatz liefert.
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Komponenten der Emotion

Eine Emotion hat üblicherweise eine kognitive, eine physiologische, eine Gefühls- und eine motivationale Komponente. D.h., Personen, die eine bestimmte Emotion haben,

  • haben bewertende Gedanken
  • bemerken körperliche Veränderungen
  • erleben ein meist definierbares und benennbares Gefühl
  • zeigen in der Folge der Emotion häufig ähnliche Verhaltensweisen.

Emotionsregulation

Emotionen können sehr schnell ausgelöst werden oder sich langsam aufbauen. Sie sind nicht direkt beeinflussbar, wohl jedoch der eigene Umgang mit ihnen: man kann sie als Bereicherung oder Störung sehen, man kann sie ignorieren (nicht auf Dauer) oder sie jemandem mitteilen usw.

Da dies gewisse Rückwirkungen auf das Gefühlsleben hat, kann man die eigenen Emotionen durch Gedanken und Tun

Neuere Versuche mit dem so genannten EQ-Training ("EQ" für "emotionale Qualität" oder "emotionaler Intelligenzquotient") deuten auf eine in höherem Maße dem Willen unterworfene Beeinflussbarkeit des Fühlens und der Emotionen hin als erwartet. Voraussetzung dafür ist u.a. ein vertieftes Wissen über das Fühlen (Peter Schmidt 1999, 2005) (vergl. Gefühl).

Emotionale Intelligenz

Da Emotionen starke Auswirkungen auf die Leistung einer Person haben können, rückt neben dem Begriff Intelligenz, der bisher eher auf die "technische" Leistung bzw. Intelligenz abzielte, auch die so genannte Emotionale Intelligenz immer mehr in den Mittelpunkt. Die Validität des Konstrukts Emotionale Intelligenz ist in der empirischen Psychologie allerdings umstritten.

Siehe auch:

Emotionsausdruck im Kulturvergleich

Das Studium verschiedener Kulturen hat gezeigt, dass Gefühle nicht zwangsläufig identisch mit der gezeigten Emotion sind. Die resultierende Unterscheidung betont die „Innerlichkeit“ des Gefühls gegenüber dem beobachtbaren Ausdruck von Emotionen, der von kulturellen Faktoren beeinflusst wird.

Eine Vielzahl an grundlegenden Emotionen existiert in jeder Kultur zu jeder Zeit. Diese Emotionen sind eng mit gleichzeitig auftretenden neuronalen Prozessen gekoppelt. Man geht davon aus, dass die fundamentalen Emotionen einen engen Zusammenhang zum dazugehörigen Gesichtsausdruck aufweisen.

In kulturvergleichenden Studien wurde Wut beispielsweise stets mit einem Senken und Zusammenziehen der Augenbrauen, schlitzförmigen Augen und einem zusammengepreßten Mund ausgedrückt. Man geht also davon aus, dass der mimische Ausdruck der Grundemotionen universal ist.

Emotionen in der Tierwelt

Nur der Mensch kann nach derzeitigen Wissensstand über seine Emotionen reflektieren. Die Signale der Emotionen sind aber auch bei höheren Tieren eindeutig zu beobachten und nur die Fremdheit der Emotionen bei uns ferner stehenden Arten hat uns der Einsicht verschlossen, dass Tiere fast zwanghaft auf ihre Emotionen zu reagieren scheinen. Aber auch beim Menschen deutet sich an, dass die Emotionen als Motivation für gezeigtes Verhalten nichts an Bedeutung verloren haben.

Emotionale Verhaltenssteuerung

Die Emotionen finden ihren Ursprung in phylogenetisch älteren Teilen des Gehirns und haben mit neuralen und neuroendokrinen Prozessen eine Schlüsselstellung für das Verhalten der betroffenen Art inne. Die vermeintliche Alternative einer Verhaltenssteuerung durch Intelligenz steht und fällt mit dem Nachweis der Einflüsse der Emotionen auf diese Intelligenz.

Anwendungen der Emotionsforschung

Emotion spielt in vielen angewandten Bereichen eine herausragende Rolle. Bei psychischen Störungen sind emotionale oder affektive Symptome oft das zentrale Problem. In der Psychotherapie sind Emotionen wichtig für die längerfristige Veränderung von Erleben und Verhalten. Die Werbepsychologie und Verkaufspsychologie versuchen v.a. positive Emotionen im Zusammenhang mit den angepriesenen Produkten zu erzeugen, um eine bessere Bewertung durch den Kunden zu erzeugen. Allgemein ist das gezielte Hervorrufen von Emotionen ein Mittel, das Erleben und Verhalten von Menschen und Tieren zu verändern. Allerdings sollte man darauf hinweisen, daß eine Steuerung von Emotionen durch intensives psychisches sowie physisches Training stark beeinflusst, ja sogar unterbunden werden kann.

Geschichte des Gefühlsbegriffs

Bereits im Altertum bezeichneten Philosophen wie Aristippos (435-366 v. Chr.) und Epikur (341-270 v.Chr.) "Lust", bzw. (je nach Übersetzung Epikurs) auch "Freude", "Vergnügen" (hdonia) als wesentliches Charakteristikum des Fühlens. Als "unklare Erkenntnisse" wurden die Gefühle dagegen von den Stoikern bestimmt. Auch Immanuel Kant (1724 - 1804) sah das Fühlen als seelisches Grundvermögen der Lust und Unlust: "Denn alle Seelenvermögen, oder Fähigkeiten, können auf die drei zurückgeführt werden, welche sich nicht ferner aus einem gemeinschaftlichen Grunde ableiten lassen: das Erkenntnisvermögen, das Gefühl der Lust und Unlust, und das Begehrungsvermögen". Friedrich Nietzsche (1844 - 1900) trennte noch nicht zwischen emotionalem und kognitivem Aspekt: "Hinter den Gefühlen stehen Urteile und Wertschätzungen, welche in der Form von Gefühlen (Neigungen, Abneigungen) uns vererbt sind ..."

Ein viel beachteter Versuch der Gegenwart war die mehrgliedrige Begründung der wesentlichen Faktoren des Gefühls von Wilhelm Wundt (1832 – 1920) durch Lust / Unlust, Erregung / Beruhigung, Spannung / Lösung. Ein anderer, einflussreicher Erklärungsversuch stammt von dem amerikanischen Psychologen und Philosophen William James (1842 – 1910). James glaubte, ohne starke körperliche Reaktionen seien keine Gefühle bzw. Emotionen wahrnehmbar. Emotionen sind für ihn nichts anderes als das Empfinden körperlicher Veränderungen. Nach James weinen wir nicht, weil wir traurig sind, sondern wir sind traurig, weil wir weinen. Wir laufen nicht vor dem Bären weg, weil wir uns fürchten, sondern wir fürchten uns, weil wir weglaufen. Psychologen wie Hermann Ebbinghaus (1850 – 1909) und Oswald Külpe (1862 – 1915) vertraten das eindimensionales Modell aus Lust und Unlust. Der Psychologe Philipp Lersch (1898 – 1972) argumentierte dagegen: "Dass dieser Gesichtspunkt zur Banalität wird, wenn wir ihn etwa auf das Phänomen der künstlerischen Ergriffenheit anwenden, liegt auf der Hand. Die künstlerische Ergriffenheit wäre dann ebenso ein Gefühl der Lust wie das Vergnügen am Kartenspiel oder der Genuss eines guten Glases Wein. Andrerseits würden Regungen wie Ärger und Reue in den einen Topf der Unlustgefühle geworfen. Beim religiösen Gefühl aber – ebenso auch bei Gefühlen wie Achtung und Verehrung – wird die Bestimmung nach Lust und Unlust überhaupt unmöglich." Lersch ist insofern recht zu geben, als die Gleichsetzung von Gefühl mit Lust und Unlust auf gar keinen Fall den gesamten Bereich positiver und negativer Gefühle abdeckt. Franz Brentano (1838 – 1917) nahm fälschlich an, die Zuordnung von Gefühl und Objekt könnte "richtig" sein ("als richtig erkannte Liebe"), tatsächlich aber ist sie kontingent. Als ähnlich problematisch erwiesen sich die Versuche Max Schelers (1874 – 1928) und Nicolai Hartmanns (1852 – 1950), Gefühle im so genannten "Wertfühlen" als zutreffende Charakterisierungen von Werterfahrungen anzusehen (vergl. "Materiale Wertethik", "Werte als ideales Ansichsein". Auch für Sigmund Freud (1856 - 1939) sind Gefühle im Wesentlichen Lust und Unlust ("Lust-Unlust-Prinzip"), mit der Variante, dass jede Lustempfindung im Kern sexuell ist. Freud war der Meinung: "Es ist einfach das Programm des Lustprinzips, das den Lebenszweck setzt – an seiner Zweckdienlichkeit kann kein Zweifel sein, und doch ist sein Programm im Hader mit der ganzen Welt." Carl Gustav Jung (1875 – 1961) betonte ebenfalls die Rolle von Lust und Unlust, bezweifelte jedoch, dass jemals eine Definition "in der Lage sein wird, das Spezifische des Gefühls in einer nur einigermaßen genügenden Weise wiederzugeben".

Siehe auch

Emotionstheorie

  • James-Lange-Theorie: William James (James 1884, Lange 1887)
  • Cannon-Bard-Theorie: Walter Cannon (Cannon 1927, Philip Bard 1934)
  • Schachter-Singer-Theorie: Stanley Schachter (15.04.1922-07.06.1997) (Schachter & Singer 1962)

Literatur

  • Martin Hartmann: Gefühle. Wie die Wissenschaften sie erklären. Campus, Frankfurt am Main 2005. 184 S.
  • Heiner Hastedt: Gefühle. Philosophische Bemerkungen. Reclam, Stuttgart 2005. 164 S.
  • Sighard Neckel: Emotion by design. Das Selbstmanagement der Gefühle als kulturelles Programm. In: Berliner Journal für Soziologie. 15. Jg., Heft 3/05. VS, Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden. 140 S.
  • Rainer Maria Kiesow und Martin Korte: Emotionales Gesetzbuch. Dekalog der Gefühle. Herausgegeben von Kiesow und a. Böhlau, Köln und Weimar 2005. 320 S.
  • Omega-Verlag: Der blaue Reiter. Journal für Philosophie Nr. 20 (2/05). Omega-Verlag, Stuttgart. 114 S.
  • Hermann Schmitz: Der Gefühlsraum. Bouvier, Bonn 2005. 560 S.,
  • Jürgen H Otto , Harald A Euler , Heinz Mandl: Emotionspsychologie. Ein Handbuch, Weinheim: Beltz, 2000.
  • James William: What is an emotion? Mind 9 (1884) 185-205.
  • Lange Carl: Über Gemühtsbewegungen. Leipzig: Thomas, 1887.
  • Cannon Walter B: The James-Lange theory of emotions: A critical examination and an alternative. American Journal of Psychology 39 (1927) 106-124.
  • Bard, Philip: On emotional expression after decortication with some remarks on certain theoretical views. Part II. Psychol. Rev. 41 (1934) 424-49.
  • Schachter, Stanley; Singer, Jerome (1962): Cognitive, social and physiological determinants of emotional state. Psychol. Rev. 69 (1962) 379-407.