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Force de dissuasion nucléaire française

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Force de frappe (wörtlich: "Abschreckungsstreitmacht", offizielle Bezeichnung: Force de dissuasion nucléaire de la France; von der Force de frappe ist im staatlichen Handeln nie die Rede - dissuaser, also "ausreden, abhalten von", mithin das Gegenteil von Persuasion, klingt wesentlich diplomatischer und zurückhaltender als frapper) ist die Bezeichnung für die Französische Atomstreitmacht. Sie war ursprünglich als Abschreckung gegen die damalige Bedrohung durch die UdSSR gedacht. Offiziell gibt es die Force de dissuasion nucléaire seit 1958, als auf dem Höhepunkt des Kalten Krieges die nukleare Bewaffnung der französischen Streikräfte beschlossen wurde.

Die Force de dissuasion erstreckt sich über alle Teilstreitkräfte (Luft, Land, See). Die französischen Atomstreitkräfte sind unter jenen der fünf "offiziellen" Atommächte die viertgrößten der Welt (nach denen der USA, Russland und China; mit einigem Abstand erst folgt Großbritannien, das nach Einschätzung einiger Experten für einen realen Einsatz seiner Kernwaffen zudem zwingend auf die technische und logistische Unterstützung der Vereinigten Staaten angewiesen wäre).

Geschichte

Eine mobile Abschussrampe für Pluton-Atomraketen

Mit Uran aus Belgisch-Kongo sowie Deuteriumoxid (D2O, so genanntes Schweres Wasser) aus Norwegen wurde am Bau einer französischen Atombombe begonnen, doch die deutsche Okkupation im Juni 1940 stoppte dieses Projekt und viele Wissenschaftler gingen ins Exil. Stattdessen eignete sich nun die Wehrmacht das Schwere Wasser aus dem besetzten Norwegen für die Atomprojekte deutscher Wissenschaftler an (vgl. Werner Heisenberg, Carl Friedrich von Weizsäcker).

Unmittelbar nach Ende des Zweiten Weltkriegs wurde auf Betreiben von General de Gaulle das französische Nuklearprogramm unter der Ägide des Commissariat à l´énergie atomique (CEA) wieder aufgenommen.

Am 13. Februar 1960 detonierte auf dem Testgelände Reganne in der algerischen Sahara der erste französische Atomsprengsatz. Wegen der Unabhängigkeit Algeriens 1962 wurden die Kernwaffenversuche in den Südpazifik nach Mururoa und Fangataufa (Tuamotu-Archipel) verlegt.

Parallel zu den ersten erfolgreichen Nukleartests wurde damit begonnen, Trägersysteme zu bauen.

Die Ausrüstung damals und heute

  • Die luftgestützte Funktion übernahm zunächst der Überschallbomber Mirage IV mit einer Reichweite von 1.500 Kilometern. Das Operationszentrum der Forces aériennes stratégiques (FAS; die 1964 gegründeten strategischen Luftstreitkräfte, vgl. [1]) befindet sich in unterirdischen Bunkern in Taverny in der Nähe von Paris. Von dort aus werden derzeit (Stand: 2005) 60 mit Kernwaffen bestückbare Mirage 2000N kommandiert.
  • Landgestützt waren mobile Kurzstreckenraketen vom Typ Pluton (bis 1993) und Hades (1984 bis 23. Juni 1997). Auf dem Plateau d´Albion in den Alpes de Haute-Provence entstanden 18 unterirdische Silos zur Stationierung ballistischer Raketen. Die IRBMs dort wurden 1996 nach offiziellen Angaben deaktiviert; damals verfügte Chirac auch die Einstellung der Atomversuche (vgl. [2]).
Le Redoutable ("Der Furchterregende"), das erste französische Atom-U-Boot
  • Als seegestützte Trägermittel dienen atombetriebene U-Boote, die Force océanique stratégique (FOST), die mit Interkontinentalraketen bestückt sind. Frankreich unterhält insgesamt vier sous-marin nucléaire lanceur d'engins (SNLE, deutsch: unterseeische Nuklearraketenstartrampen), von denen zwei ständig auf hoher See einsatzbereit gehalten werden. Jedes dieses U-Boote verfügt über 16 Raketen, gegenwärtig noch vom Typ M45 (Reichweite: 6000 Kilometer). Deren Heimathafen ist die Ile Longue vor Brest (Bretagne). - Bei der FOST dienen rund 2300 Mann; sie verschlingt rund die Hälfte des Haushalts der Force de dissuasion. Die Marine verfügt zudem über Kampfmaschinen vom Typ Dassault Super Étendard, die u.a. an Bord des Flugzeugträgers Charles de Gaulle stationiert sind. Sie sind mit atomar bestückbaren Luft-Boden-Raketen ausgerüstet.

Weiterentwicklung

Nach der Indienststellung der unterseeischen Raketen Le Triomphant ("der Triumphierende") 1997 und Le Téméraire ("der Tollkühne") Ende 1999 soll die Technologie offenbar auf diesem Feld besonders vorangetrieben werden. Ende 2004 wurde Le Vigilant ("der Wachsame"; M45) den Streitkräften übergeben; bis 2010 soll die Raketenserie M51 (Spitzname: Le Terrible, "der Schreckliche") einsatzbereit sein. Die M51 soll eine Reichweite von 8000 Kilometern haben.

Der Umfang der Force de frappe

Über wieviel Sprengköpfe Frankreich tatsächlich verfügt, bleibt Staatsgeheimnis. Ihre Zahl wird auf 200 bis 300 geschätzt. Das ist die Größenordnung des vermuteten israelischen Arsenals.

Wandel der Nukleardoktrin?

Schlagartig ins Blickfeld der Öffentlichkeit geriet die Force de dissuasion nucléaire erneut am 19.01.2006, als der französische Staatspräsident Jacques Chirac im Zusammenhang mit der diplomatischen Krise um das Atomprogramm des Iran "Anführern" von Staaten, die terroristische Mittel einsetzen, mit Vergeltung "in nicht-konventioneller Form" drohte. Allerdings hatte sich Frankreich schon seit spätestens 2003 dezidiert vorbehalten, Atomwaffen gegen "Schurkenstaaten" einzusetzen (vgl. Weblinks). Dazu wurde u.a. die Bestückung der seegestützten Raketen reduziert (s. Sprengkopf, MIRV), um auch Schläge unterhalb der Schwelle des nuklearen Overkills ausführen zu können. Man könne nicht nur die Wahl zwischen [der vollständigen] Vernichtung (des Feindes) und [dem eigenen] Untergang haben, so Chirac. Ob das französische Militär jedoch die zeitweilig beabsichtigte Entwicklung von "Mini-Nukes" (Atomwaffen mit "begrenzter" Wirkung) eingestellt hat, ist derzeit unklar (Stand: Anfang 2006).

Chirac hat mehrfach betont, dass Deutschland unter dem "Atomschirm" Frankreichs stehe und dass die Französische Republik jeden Angriff auf die Bundesrepublik Deutschland als Angriff auf Frankreich werte. Auch für diesen Fall wird ausdrücklich mit nuklearer Vergeltung gedroht.


Siehe auch: Abschreckung