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Geschichte der Stadt Darmstadt

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Darmstadt um 1900

Frühzeit

Ab der Jungsteinzeit bis ins erste Jahrtausend n. Chr. sind Siedlungsaktivitäten im Darmstädter Raum durch Bodenfunde, Gräber und Grabbeigaben dokumentiert. Diese frühe Besiedlungsgeschichte war im Gegensatz zu späteren Epochen stärker von geografischen Gegebenheiten bestimmt. Die naturräumlichen Grundlagen des Siedlungsraums sind durch dessen Lage im Bereich des oberrheinischen Gebirgssystems geprägt. Dessen nördlicher Ausläufer, der vor Darmstadt auslaufende Odenwald, geht nach Norden hin zur Ebene über, hat aber zum Westen hin einen ausgeprägten Rand. Zwischen diesem und dem im Westen fließenden Rhein bildete sich ein natürlicher Völkerweg, die Bergstraße. Neben der Lage des Gebietes am nördlichen Ende dieser Route und an weiteren günstigen, naturräumlich vorgegebenen Wegen waren die versandeten Mäander der alten Flussläufe von Rhein und Neckar, die sich ursprünglich in der Höhe von Trebur vereinigten, entscheidend. Sandablagerungen wurden bereits in der Eiszeit zu Dünen verweht, die noch heute an vielen Stellen den Übergang von der Rheinebene zum Odenwald bilden. Diese Dünen und Landzungen waren hochwassersicher und boten so die Möglichkeit einer dauerhaften Besiedlung.

Wenige Einzelfunde belegen eine menschliche Kultur ab dem fünften und vierten Jahrtausend v. Chr. Ackerbauern der Kultur der Bandkeramiker zogen aus der Wetterau herab und hinterließen einzelne Spuren. Auch die nachfolgende, die sogenannte Rössener Kultur, ist wahrscheinlich aus der Wetterau zugewandert. Die vom Süden her in geringer Dichte eingesickerte Michelsberger Kultur hinterließ die wenigstens Zeugnisse. Für alle drei neolithischen Ackerbaukulturen gilt, dass sich Bedeutung und Stellenwert wegen der geringen Funddichte schwer abschätzen lassen.

Ab etwa 2000 v. Chr. sind die wichtigsten Bevölkerungsgruppen des Übergangs zur Metallverarbeitung, die Schnurkeramiker und die Glockenbecherleute, nachweisbar. Erstere, auch Streitaxtleute genannt, dehnten sich von Thüringen kommend bis ins Maingebiet aus und verdrängten durch ihre wehrtechnische Überlegenheit die eingesessene Bevölkerung. Die von ihnen eingeführte Grabhügelbestattung ist nördlich von Arheilgen und in Kranichstein nachweisbar. Etwa gleichzeitig wanderten die Glockenbecherleute, für die erste Kupfergeräte typisch sind, aus Westeuropa ein. Die Interpretation zahlreicher Funde legt nahe, dass diese wiederum die Streitaxtleute aus dem Darmstädter Raum verdrängten. Ein bedeutendes Gräberfeld fand sich 1926. Der besterhaltene Tote, ein in der typischen Hockerstellung beigesetzter junger Mann, findet sich heute als „Ältester Darmstädter“ im Hessischen Landesmuseum Darmstadt.

Aus der frühen Bronzezeit, ungefähr von 1600 bis 1200 v. Chr., ist die Bevölkerungsgruppe der Hügelgräberbronzezeit durch ihre spezifische Bestattungsart – Beisetzung in gestreckter Form unter künstlichen Hügeln – in großer Zahl nachzuweisen. Reiche Keramik-, Schmuck- und Waffenfunde, unter anderem Bernsteinbeigaben von der Ostseeküste oder Armstulpen aus Schlesien, lassen eine erste Kulturblüte erkennen. Bei Wixhausen sind die ersten Hausspuren aus dieser Zeit gefunden worden.

Zu einem völligen Wandel des Kulturbildes kam es ab 1200 v. Chr. durch gesellschaftliche Umschichtungen. An die Stelle der vorherrschenden Weidewirtschaft trat der Ackerbau, Tote wurden fortan verbrannt, ihre Asche in Urnenfeldern beigesetzt. Die danach benannte Urnenfelderkultur hatte hohes technisches Können, was durch reichere Funde der Gebrauchskeramik und auch der Schmuck- und Waffenkunst belegt wird.


Mittelalter

Zur Zeit der Franken

Im Jahre 782 wird der heutige Stadtteil Eberstadt erstmals in einer Urkunde des Kloster Lorsch erwähnt.

Franken werden als Gründer von Darmstadt im 8. oder 9. Jahrhundert angesehen.

Um 1000 wird der heutige Stadtteil Arheilgen erstmals im Zinsregister der Abtei Seligenstadt erwähnt.

Im Juni 1002 wird der heutige Stadtteil Bessungen in einer Urkunde Heinrich II. erwähnt.

Ende des 11. Jahrhunderts wird „Darmundestat“ zum ersten Mal erwähnt.

Etwa 1173 wird Wixhausen erstmals erwähnt.

Hoch- und Spätmittelalter

In der Mitte des 13. Jahrhunderts erhält Darmstadt eine Wasserburg. Am 23. Juli 1330 erlangte Wilhelm I. von Katzenelnbogen von Kaiser Ludwig dem Bayern Stadtrechte für Darmstadt. Am 6. Mai 1399 wird das "Einsiedel-Rod" erstmals erwähnt, was später nach seinem Besitzer Kranichstein genannt wird. 1369 Darmstadt erhält seine eigene Pfarrkirche, die spätere Stadtkirche.

1385 wird Darmstadt zu einer Nebenresidenz der Grafschaft Katzenelnbogen

1479 wird Darmstadt hessisch, da es durch Erbschaft dem Landgraf Heinrich II. von Hessen-Marburg zufällt.

Neuzeit

Spätrenaissance

1527 führt Philipp der Großmütige die Reformation ein. Im Laufe des Schmalkaldischen Krieges wird Darmstadt 1546 von kaiserlichen Truppen zerstört. Als Landgraf Philipp der Großmütige 1567 stirbt, wird Hessen unter seinen vier Söhnen aufgeteilt. Landgraf Georg I. gründet daraufhin Hessen-Darmstadt und macht aus dem einstigen Außenposten Darmstadt eine ansehnliche Residenzstadt.

Barockzeitalter

1629 wird das Pädagogium Darmstadium (heutiges Ludwig-Georgs-Gymnasium) feierlich eröffnet, es ist das erste Gymnasium in Darmstadt

Während des Dreißigjährigen Krieges erlebt Darmstadt mehrmalige Truppendurchmärsche und Einquartierungen. Im Jahr 1635 sterben mehr als 2000 Menschen an der Pest.

1715 und Folgejahre: Nach einem Brand im Schloss soll Louis Remy de la Fosse ein neues Barockschloss bauen, allerdings werden aus Geldnot nur zwei Flügel fertiggestellt. Auch die Orangerie in Bessungen wird von Louis Remy de la Fosse entworfen.

4. Juni 1737: wird die erste Synagoge in Darmstadt eingeweiht. ab 1771 gibt es um die „Große Landgräfin“ Caroline von Hessen-Darmstadt den sogenannten „Kreis der Empfindsamen“ dem unter anderem auch der junge Goethe angehört.

1. Dezember 1790: In Darmstadt werden wieder katholische Gottesdienste erlaubt.

Jüngere Geschichte

Nachdem Landgraf Ludwig X. dem Rheinbund beigetreten ist wird er zum Großherzog befördert und erhält Gebiete am Rhein. Seitdem nennt er sich Großherzog Ludwig I. von Hessen-Darmstadt und bei Rhein.

1. März 1810: Georg Moller beginnt mit der Errichtung der Weststadt.

17. Dezember 1820: Hessen-Darmstadt (sowie Rheinhessen) erhalten eine Verfassung.

30. Juni 1821: eine neue Gemeindeordnung tritt in Kraft.

1836: die höhere Gewerbeschule wird errichtet aus der sich später die TU-Darmstadt entwickelt.

1841: Der Datterich ein Darmstädter Mundartstück von Ernst Ellias Niebergall wird veröffentlicht.

1844: Die berühmte Ludwigssäule der sogenannte Lange Ludwig wird errichtet.

1846: Darmstadt erhält einen Eisenbahnanschluss.

1864: Einführung der Adressbezeichnung nach Straße und Hausnummer.

10. Oktober1877: Das Polytechnikum wird zur „Technischen Hochschule Darmstadt“ dem Vorgänger der TU-Darmstadt.

1888 Bessungen wird eingemeindet.

Historische Karte von Darmstadt
Historische Karte von Darmstadt
aus Meyers Konversationslexikon 1888

Großherzogtum, Künstlerkolonie, Erster Weltkrieg

1899 ruft Großherzog Ernst Ludwig sieben junge Künstler nach Darmstadt und gründet damit die Künstlerkolonie auf der Mathildenhöhe.

Bis zum Jahre 1914 entstanden so in Darmstadt viele Bauten und Kunstwerke des Jugendstils.

Weimarer Republik, Zwischenkriegsjahre

1918 wird Darmstadt Landeshauptstadt des Volksstaates Hessen.

Nationalsozialismus und Zweiter Weltkrieg

Im März 1933 stimmen 50% der Darmstädter bei der Reichstagswahl für die NSDAP. Zwei Wochen später wird erstmals die Schließung jüdischer Geschäfte verfügt; Zeitungen werden verboten, Beamte entlassen, Politiker wie Carlo Mierendorff und Wilhelm Leuschner verhaftet. Der Luisenplatz wird in Adolf-Hitler-Platz umbenannt.

1937 wird Darmstadt durch Eingemeindung von Eberstadt und Arheilgen Großstadt. Am 10. November 1938 in der Reichspogromnacht werden die Synagogen in der Bleichstraße, in der Friedrichstraße und in Eberstadt in Brand gesteckt.

1938 scheidet Darmstadt aus dem Landkreis Darmstadt aus und wird eine kreisfreie Stadt.

1944 Im Zusammenhang mit dem Hitlerattentat vom 20. Juli 1944 werden unter anderem Wilhelm Leuschner, Heinrich Delp, Theodor Haubach und Ludwig Schwamb verhaftet und hingerichtet oder kommen im KZ um.

1944 wird die Stadt in der sog. Brandnacht vom 11. September durch einen Großangriff der Royal Air Force mit anschließendem Feuersturm in eine Trümmerwüste verwandelt; 11.500 Menschen sterben, rund 66.000 werden obdachlos, 99 % der Alt- und Innenstadt, des eigentlichen Stadtkerns (ohne Stadtteile) werden zerstört, 78% Zerstörung insgesamt. Bei Kriegsende hat die nur noch aus Ruinen bestehende Stadt insgesamt 12.300 Opfer zu beklagen.

Nachkriegszeit und Wiederaufbau

Am 25. März 1945 besetzen amerikanische Truppen Darmstadt. Ludwig Metzger (SPD) wird als Oberbürgermeister eingesetzt. 1946 wird nicht Darmstadt, sondern das deutlich größere Wiesbaden Landeshauptstadt des neu gegründeten Landes Hessen.

Die letzten 50 Jahre

1988 wird die neue Synagoge eingeweiht, so dass es heute wieder ein aktives jüdisches Gemeindeleben gibt. Darmstadt ist die bis heute einzige Stadt Deutschlands, die als Geste der Versöhnung der jüdischen Gemeinde eine neue Synagoge gestiftet hat.

Aufgrund der vielen nationalen und internationalen Forschungseinrichtungen wurde Darmstadt im August 1997 die Bezeichnung Wissenschaftsstadt vom Hessischen Ministerium des Inneren verliehen.

Literatur

  • Friedrich Battenberg u.a.: Darmstadts Geschichte. Fürstenresidenz und Bürgerstadt im Wandel der Jahrhunderte. Eduard Roether Verlag, Darmstadt 1984, ISBN 3-7929-0110-2
  • Denkmaltopographie Bundesrepublik Deutschland: Kulturdenkmäler in Hessen: Stadt Darmstadt. Vieweg, Braunschweig 1994, enthält rund 70 Seiten Einführung zu Darmstadts Geschichte, ISBN 3-528-06249-5
  • [1] Homepage der Stadt (als Anregung; keine direkten Übenahmen)
  • Klaus Schmidt: Die Brandnacht - Dokumente von der Zerstörung Darmstadts am 11. September 1944, Verlag H.L. Schlapp, Darmstadt 2003 (Erstaufl. Reba-Verlag Darmstadt 1964), kann bei Libri, Georg Lichtenbrinck & Co KG über Buchhandel oder über Internet bestellt werden. ISBN 3-87704-053-5
  • Klaus Honold: Darmstadt im Feuersturm - Die Zerstörung am 11. September 1944, Wartberg Verlag, Gudensberg-Gleichen 2004, ISBN 3-8313-1466-7