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Zuwanderungsgesetz

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Das Zuwanderungsgesetz ist der Name für ein geplantes Gesetz, dass die Einwanderung nach Deutschland (bei gleichzeitiger Vermeidung des letzteren Begriffes) gesetzlich regeln soll. Insbesondere wird so das Gesetz bezeichnet, das in Deutschland in den Jahren 2001 bis 2004 zur Verabschiedung gebracht werden sollte. Sein Ziel ist die "Steuerung und Begrenzung von Zuwanderung", was zum ersten Mal in der bundesdeutschen Geschichte eine Wahrnehmung der herrschenden Verhältnisse darstellen würde und dadurch die Möglichkeit gäbe, dabei entstehende Probleme zu lösen. Aus der Gesetzgebung ausgeschlossen ist per definitionem die illegale Migration.

Vorgeschichte

Deutschland war schon immer nicht nur ein Auswanderungsland (in je nach politischer und wirtschaftlicher Lage unterschiedlicher Zahl wanderten Deutsche aus). sondern auch lange schon ein Einwanderungsland. Die Einwanderung von Ausländern geschah ohne deutliche offizielle Wahrnehmung, sondern wurde direkt von den betroffenen Betrieben geregelt. Dabei handelte es sich großteils um Saisonarbeiter aus Polen, die in der Landwirtschaft beschäftigt wurden.

Die Nicht-Regelung der De-facto-Einwanderung in die 1949 gegründete Bundesrepublik Deutschland wurde im Laufe der Zeit durch wiederholte Absichtserklärungen verschiedenster Politiker in den Status des politischen Bekenntnisses erhoben: "Wir wollen und können kein Einwanderungsland werden", so Helmut Schmidt im Jahre 1979. Tatsächlich erfolgende Einwanderung wurde daher mit Ad-hoc-Regelungen gesteuert und offiziell nicht als Einwanderung angesehen:

  • In der Folge des Zweiten Weltkriegs Vertriebene deutscher Abstammung wurden als Deutsche behandelt, so dass ihr Zuzug politisch nicht als Einwanderung angesehen wurde. Diese Praxis 'Volksdeutsche' als deutsche Staatsbürger zu behandeln und fast ungehindert einwandern zu lassen. wurde bis ins 21. Jahrhundert beibehalten. Diese Praxis stützt sich auf das ab 1871 gültige Staatsbürgerschaftsrecht.
  • Im Zusammenhang mit dem wirtschaftlichen Aufschwung der Bundesrepublik beim Wiederaufbau nach dem Zweiten Weltkrieg wurden ab 1955 so genannte Gastarbeiter als zusätzliche Arbeitskräfte ins Land geholt. Dies geschah unter der bis 1973 erhaltenen Regel mit dem Namen "Rotation", die besagte, dass die Menschen nur vorübergehend in Deutschland bleiben und spätestens mit Eintritt in die Rente in ihre Heimatländer zurückkehren sollten.

Die Bedeutung der Staatsangehörigkeit ist im Zuge der europäischen Integration für europäische Staatsangehörige geringer geworden. Von unverändert großer Bedeutung ist diese Frage allerdings für den großen Anteil der deutschen Bevölkerung, der aus außereuropäischen Ländern kommt und vornehmlich für die türkischen Migranten, denen bis zum Jahr 2000 die doppelte Staatsangehörigkeit untersagt war.

In den 1990er Jahren zeigte sich, dass die bisherigen Regelungen viele Mängel aufwiesen. Insbesondere zwangen sie durch ihren weitgehenden Ausschluss legaler Einwanderungsmöglichkeiten, Menschen auf das wesentliche verbliebene Schlupfloch zur Erlangung einer Aufenthaltsgenehmigung auszuweichen, das Asylrecht. Um die als groß empfundene Zahl vermeintlicher oder echter so genannter Scheinasylanten abzuwehren, wurde die Praxis des Asylrechts verschärft.

Weiterhin klagten viele Wirtschaftsunternehmen, insbesondere in wirtschaftlich florierenden Branchen wie der Informationstechnologie, aber auch in Branchen mit sehr niedrigem Lohnniveau wie der Landwirtschaft, dass sie nicht genügend deutsche Arbeitskräfte finden könnten und es kaum legale Möglichkeiten gebe, solche Arbeitskräfte aus dem Ausland anzuwerben. Der immer noch gültige Anwerbestop von 1973 schiebt derartigen Maßnahmen einen legalen Riegel vor.

Um die Mängel der komplizierten Ausländergesetzgebung zu beheben und der Tatsache Rechnung zu tragen, dass Deutschland de facto seit den 1960er Jahren ein Einwanderungsland mit einem Bevölkerungsanteil von knapp neun Prozent Ausländern geworden ist, wurde Anfang des 21. Jahrhunderts nach langer Diskussion erneut ein Zuwanderungsgesetz vorgelegt.

Eine kurze Chronologie

  • Am 22. März 2002 wurde das Gesetz dem Bundesrat vorgelegt. Der amtierende Bundesratspräsident Klaus Wowereit erkläte das Gesetz vom Bundesrat für angenommen; aufgrund des genauen Verlaufs der Abstimmung allerdings war hoch umstritten, ob die Mehrheit für das Gesetz verfassungsgemäß zu stande kam. Die CDU/CSU klagte letztlich erfolgreich gegen die Abstimmung vor dem Bundesverfassungsgericht: Die Zustimmung des Bundesrates ist aufgrund der föderalen Struktur der Bundesrepublik unbedingt nötig, damit dieses Gesetz in Kraft treten kann. Bei der Unterzeichnung des Gesetzes durch Bundespräsident Johannes Rau übt dieser scharfe Kritik an der Vorgehensweise der Parteien.
  • Am 18. Dezember 2002 erklärt das Bundesverfassungsgericht auf Antrag CDU/CSU-regierter Bundesländer die Bundesratsabstimmung vom 22. März für ungültig.
Grund dafür war, dass die beiden Vertreter des Landes BrandenburgMinisterpräsident Manfred Stolpe und Innenminister Jörg Schönbohm – unterschiedlich abgestimmt hatten. Der amtierende Bundesratsvorsitzende Klaus Wowereit hatte die Stimmen des Landes gemäß der Erklärung des Ministerpräsidenten für das Gesetz gezählt, was das Verfassungsgericht als unzulässig einstufte. Ohne diese vier Stimmen hatte das Gesetz aber keine Mehrheit in der Abstimmung.
  • Im Januar 2003 legte die Bundesregierung das Gesetz ohne inhaltliche Veränderung erneut dem Bundestag vor, der es erneut beschloss.
Ebenfalls im Januar erließ die Bundesregierung Verordnungen, um diejenigen Teile des Gesetzes umzusetzen, die nicht der Zustimmung des Bundesrates bedürfen.
  • Am 20. Juni 2003 lehnt der Bundesrat, in dem aufgrund zwischenzeitlicher Wahlen nun die CDU/CSU-geführten Länder eine deutliche Mehrheit haben, das Gesetz ab.
Wie in solchen Fällen zwingend vorgeschrieben, wird ein Vermittlungsverfahren im gemeinsamen Vermittlungsausschuss von Bundestag und Bundesrat eingeleitet.
  • Am 10. Oktober 2003 setzte der Vermittlungsausschuss wegen mangelnder Einigung eine Arbeitsgruppe ein. Diese Arbeitsgruppe tagte am 14. und 28. November und dem 11. Dezember 2003.
  • Am 16. Januar 2004 tagte die Arbeitsgruppe zum letzten Mal. Demnächst soll der Vorsitzende der Arbeitsgruppe, der saarländische Ministerpräsident Peter Müller (CDU), einen neuen Termin für die Tagung der Arbeitsgruppe festlegen. Bei einer Einigung (von 100 Punkten sind noch 10 strittig) könnte der Gesetzentwurf im März dieses Jahres auf die Tagesordnung des Bundesrates kommen.
  • Am 26. Januar 2004 unterstrich Bundeskanzler Gerhard Schröder noch einmal, dass ein modernes Zuwanderungsrecht geschaffen werden müsse.


Literatur

  • Klaus Bade: Vom Auswanderungsland zum Einwanderungsland? Deutschland 1880 - 1980. Berlin 1983.
  • Bernt Engelmann: Du deutsch? Geschichte der Ausländer in unserem Land. München 1984.
  • Ulrich Herbert: Geschichte der Ausländerpolitik in Deutschland. Saisonarbeiter, Zwangsarbeiter, Gastarbeiter, Flüchtlinge. München 2001.