Pufferüberlauf
Pufferüberläufe (engl. buffer overflow) gehören zu den häufigsten Sicherheitslücken in aktueller Software, die sich u.a. über das Internet ausnutzen lassen. Im wesentlichen werden bei einem Pufferüberlauf durch Fehler im Programm zu große Datenmengen in einen dafür zu kleinen Speicherbereich geschrieben, wodurch dem Ziel-Speicherbereich nachfolgende Informationen im Speicher überschrieben werden.
Das kann zu einem Absturz des betreffenden Programms, zur Verfälschung von Anwendungsdaten oder zur Beschädigung von Datenstrukturen der Laufzeitumgebung des Programms führen. Durch letzteres kann die Rücksprungadresse eines Unterprogramms mit beliebigen Daten überschrieben werden, wodurch dann auch in von einem Angreifer übersandten Daten übermittelter Maschinencode mit den Privilegien des für den Pufferüberlauf anfälligen Prozesses ausgeführt werden kann. Dieser Code hat in der Regel das Ziel, dem Angreifer einen komfortableren Zugang zum System zu verschaffen, damit dieser das System dann für seine Zwecke verwenden kann. Pufferüberläufe in verbreiteter Server- und Clientsoftware werden auch von Internetwürmern ausgenutzt.
Besonders begehrtes Ziel ist bei Unix-Systemen der Root-Zugang, der dem Angreifer sämtliche Zugriffsrechte verleiht. Das bedeutet aber nicht, wie oft missverstanden, dass ein Pufferüberlauf, der "nur" zu den Privilegien eines "normalen" Benutzers führt, ungefährlich ist. Das Erreichen des begehrten Root-Zugangs ist oft viel einfacher, wenn man bereits Benutzerrechte hat.
Angriffe mit Pufferüberläufen sind ein wichtiges Thema in der Computersicherheit und Netzwerksicherheit. Sie können nicht nur über jegliche Art von Netzwerken, sondern auch lokal auf dem System versucht werden. Behoben werden sie in der Regel nur durch kurzfristig gelieferte Fehlerkorrekturen (Patches) der Hersteller.
Neben Nachlässigkeiten bei der Programmierung werden Pufferüberläufe vor allem durch auf der Von-Neumann-Architektur basierende Computersysteme ermöglicht, gemäß welcher Daten und Programm im gleichen Speicher liegen. Durch diese Hardwarenähe sind sie auch nur unter assemblierten oder compilierten Programmiersprachen ein Problem. Interpretierte Sprachen sind, abgesehen von Fehlern im Interpreter, in der Regel nicht anfällig, da die Speicherbereiche für Daten immer unter vollständiger Kontrolle des Interpreters sind.
Prozessoren und Programmierstil
Weitere Eigentümlichkeiten sowohl der Sprachen C und C++ sowie die Eigentümlichkeiten der am häufigsten eingesetzten Prozessoren machen das Auftreten von Pufferüberläufen wahrscheinlich. Die Programme in diesen Sprachen bestehen zum Teil aus Unterprogrammen. Diese Programme besitzen lokale Variablen.
Bei modernen Prozessoren ist es üblich, die Rücksprungadresse eines Unterprogramms und die lokalen Variablen auf einen als Stack bezeichneten Bereich zu legen. Dabei werden beim Unterprogrammaufruf zunächst die Rückkehradresse und danach die lokalen Variablen auf den Stack gelegt. Bei modernen Prozessoren wie dem Intel Pentium wird der Stack durch eingebaute Prozessorbefehle verwaltet und wächst zwingend nach unten. Werden Felder oder Zeichenketten in den lokalen Variablen verwendet, werden diese meist nach oben beschrieben. Wird die Feldgrenze nicht geprüft, kann man damit durch Überschreiten des Feldes die Rückkehradresse auf dem Stack erreichen und gegebenenfalls absichtlich modifizieren.
Das folgende Programmstück in C, das in ähnlicher Form oft verwendet wird, zeigt einen solchen Pufferüberlauf:
void input_line() { char line[1000]; /* Feld ist eigentlich Zeiger */ if (gets(line)) /* gets erhält Zeiger, keine Überprüfung */ parse_line(line); }
Bei Prozessoren, die den Stack nach unten beschreiben, sieht der Stack bei Aufruf von gets (Funktion der Standard-Bibliothek von C) so aus:
Rücksprungadresse | |
1000. Zeichen | |
... | |
3. Zeichen | |
2. Zeichen | |
1. Zeichen | Stackpointer |
- Der Stack wächst nach unten, die Variable wird nach oben überschrieben
gets liest eine Zeile von der Eingabe und schreibt die Zeichen ab line[0] in den Stack. Es überprüft die Länge der Zeile nicht. Gemäß der Semantik von C erhält gets nur die Speicheradresse als Pointer, jedoch keinerlei Information über die verfügbare Länge. Wenn man jetzt 1004 Zeichen eingibt, überschreiben die letzten 4 Bytes die Rücksprungadresse (unter der Annahme, dass eine Adresse hier 4 Bytes groß ist), die man auf ein Programmstück innerhalb des Stack richten kann. In den ersten 1000 Zeichen kann man gegebenenfalls ein geeignetes Programm eingeben.
- 00@45eA/%A@4 ... ... ... ... ... ... ... ... ... ... ... ... .. 0A&%
- Eingabe, wird von gets in den Stack geschrieben (1004 Zeichen)
modifizierte Rücksprungadresse | |
line, 1000. Zeichen | |
... | ... |
line, 5. Zeichen | drittes Byte im Code |
line, 4. Zeichen | zweites Byte im Code |
line, 3. Zeichen | Ziel der Rücksprungadresse, Programmcodestart |
line, 2. Zeichen | |
line, 1. Zeichen | Stackpointer |
- Überschreiben der Rücksprungadresse und Programmcode im Stack
Falls das Programm höhere Privilegien besitzt als der Benutzer, kann dieser unter Ausnutzung des Pufferüberlaufs durch eine spezielle Eingabe diese Privilegien erlangen.
Gegenmaßnahmen
Programmerstellung
Bei der Erstellung von Programmen sollte unbedingt auf die Überprüfung aller Feldgrenzen geachtet werden. Hier ist besonders die Verantwortung des Programmieres gefragt! Sofern keine ausreichenden Kenntnisse in der Programmierung unter hardwarenahen Sprachen vorhanden sind, sollte die Verwendung von Programmiersprachen, die automatisch Feldgrenzen überwachen, in Erwägung gezogen werden. Dies ist jedoch nicht immer möglich. Bei Verwendung von C++ sollte die Verwendung von Feldern im C-Stil soweit wie möglich vermieden werden.
void input_line() { char line[1000]; /* Feld ist eigentlich Zeiger */ if (fgets(line, sizeof line, stdin)) /* fgets überprüft die Länge */ parse_line(line); }
- Gegenmaßname: fgets überprüft die Eingabelänge
Überprüfung des Programmcodes
Spezielle Überprüfungswerkzeuge erlauben die Analyse des Codes und entdecken gegebenenfalls mögliche Schwachstellen. Allerdings kann der Code zur Feldgrenzenüberprüfung fehlerhaft sein, was oftmals nicht getestet wird.
Unterstützung durch Compiler
In C und C++ steht eine sehr große Auswahl bestehender Programme zur Verfügung. Moderne Compiler wie neue Versionen des GNU C-Compilers erlauben die Aktivierung von Überprüfungscodeerzeugung bei der Übersetzung.
Sprachen wie C erlauben aufgrund ihres Designs nicht immer die Überprüfung der Feldgrenzen (Beispiel: gets). Die Compiler müssen andere Wege gehen: Sie fügen zwischen der Rücksprungadresse und den lokalen Variablen Platz für eine Zufallszahl ein. Beim Programmstart wird diese Zahl ermittelt, wobei sie jedesmal unterschiedliche Werte annimmt. Bei jedem Unterprogrammaufruf wird in den dafür vorgesehen Bereich die Zufallszahl geschrieben. Der erforderliche Code wird vom Compiler automatisch generiert. Vor dem Verlassen des Programms über die Rücksprungadresse fügt der Compiler Code ein, der die Zufallszahl auf den vorgesehenen Wert überprüft. Wurde sie geändert, ist auch der Rücksprungadresse nicht zu trauen. Das Programm wird mit einer entsprechenden Meldung abgebrochen.
Rücksprungadresse | |
Zufallszahlbarriere | |
line, 1000. Zeichen | |
... | |
line, 3. Zeichen | |
line, 2. Zeichen | |
line, 1. Zeichen | Stackpointer |
- Gegenmaßnahme: Zufallszahlbarriere
Daneben kann man manche Compiler auch veranlassen, beim Unterprogrammaufruf eine Kopie der Rücksprungadresse unterhalb der lokalen Felder zu erzeugen. Diese Kopie wird beim Rücksprung verwendet, die Ausnutzung von Pufferüberläufen ist dann wesentlich erschwert:
Rücksprungadresse | |
line, 1000. Zeichen | |
... | |
line, 3. Zeichen | |
line, 2. Zeichen | |
line, 1. Zeichen | |
Kopie der Rücksprungadresse | Stackpointer |
- Gegenmaßnahme: Kopie der Rücksprungadresse
Literatur
- Tobias Klein: Buffer Overflows und Format-String-Schwachstellen, Dpunkt Verlag, ISBN 3-89864-192-9
- Aleph One Smashing The Stack For Fun And Profit, Phrack-Magazin Nr. 49. Dieser Artikel veranschaulicht sehr gut die Wirkungsweise von Pufferüberläufen.
- St. Kallnik, D. Pape, D. Schröter, St. Strobel, D. Bachfeld: Eingelocht. Buffer-Overflows und andere Sollbruchstellen Einführungsartikel bei heise Security, mit einfachen Beispielen in C. auch in c't 23/2001, S.216
Compiler und Compilererweiterungen
Für die GNU Compiler Collection existieren beispielsweise zwei verbreitete Erweiterungen, die Maßnahmen wie die oben beschriebenen implementieren:
- Der Stack Smashing Protector von IBM, ehemals als ProPolice bekannt (Homepage, englisch).
- Der Stack Guard, entwickelt an der Oregon Health and Science University, zwischenzeitlich bei der Linux-Distribution Immunix, jetzt bei Novell.
Heap-Überlauf
Ein Heap-Überlauf ist ein Pufferüberlauf, der auf dem Heap stattfindet. Speicher auf dem Heap wird zugewiesen, wenn Programme dynamischen Speicher anfordern, etwa über malloc() oder den new-Operator in C++. Werden in einen Puffer auf dem Heap Daten ohne Überprüfung der Länge geschrieben und ist die Datenmenge größer als die Größe des Puffers, so wird über das Ende des Puffers hinausgeschrieben und es kommt zu einem Speicherüberlauf.
Durch Heap-Überläufe kann meist beliebiger Code auf dem Rechner ausgeführt werden, insbesondere wenn der Heap ausführbar ist. FreeBSD hat beispielsweise einen Heap-Schutz, hier ist dies nicht möglich. Sie können nur in Programmiersprachen auftreten, in denen bei Pufferzugriffen keine Längenüberprüfung stattfindet. C, C++ oder Assembler sind anfällig, Java oder Perl sind es nicht.
Siehe auch: Shellcode, Exploit
Beispiel
#define BUFSIZE 128
char * copy_string(const char *s)
{
char * buf = malloc(BUFSIZE); /* Annahme: Längere Strings kommen niemals vor */
strcpy(buf, s); /* Heap-Überlauf, falls strlen(s) > 127 */
return buf;
}
Man sollte lieber folgendes verwenden:
char * buf;
buf = malloc(1 + strlen(s)); /* Plus 1 wegen des terminierenden NUL-Zeichens */
strcpy(buf, s);
Alternativ hilft auch die Verwendung des strncpy-Befehls (Kopieren von maximal n Zeichen):
char * buf;
if ((buf = (char *) malloc(BUFSIZE)) == NULL) /* Überprüfung des Zeigers */
return (NULL); /* Fehlerfall: Speicher konnte nicht reserviert werden */
memset(buf, '\0', BUFSIZE) /* kompletten Speicher mit '\0' auffüllen */
strncpy(buf, s, BUFSIZE-1); /* Minus 1, da ein NUL-Zeichen in jedem Fall bleiben muss */
Einige Betriebssysteme, z.B. OpenBSD, bieten die Funktion strlcpy an, die ihrerseits sicherstellt, dass der Zielstring nullterminiert wird und das Erkennen eines abgeschnittenen Zielstrings vereinfacht.
Siehe auch
Weblinks
- http://www.w00w00.org/files/articles/heaptut.txt
- "Buffershield" - ist eine Sicherheitssoftware die Code auf dem "stack" und dem "heap memory area" entdeckt und dadurch die Ausbeutung von Pufferüberläufen verhindert.