Neoliberalismus
Dem Neoliberalismus wird eine Reihe von ökonomischen Theorien zugerechnet, die sich auf der Grundlage von Adam Smith und von neoklassischen Theorien mit den Problemen von Entwicklungsländern und dem Handel zwischen Industriestaaten und Entwicklungsländern beschäftigen. Der Neoliberalismus befürwortet eine Liberalisierung des Kapitalmarktes und wird in diesem Zusammenhang oft als neoliberale Reform bezeichnet.
Geschichte
Der Begriff "Neoliberalismus" wurde von den Ökonomen Friedrich Hayek, Wilhelm Röpke, Walter Eucken, u.a. auf einer Konferenz in Paris im Jahre 1938 geprägt. Dass Wettbewerb im staatlichen Rahmen stattfinden solle, wurde keineswegs in Frage gestellt: eine prägnante Ausformung neoliberaler Ideen findet sich im Ordoliberalismus der Freiburger Schule. Somit bedingt der Neoliberalismus in dieser ursprünglichen Form auch die soziale Marktwirtschaft. Hayek entwickelte nach dem Zweiten Weltkrieg den Neoliberalismus zu einer dynamischen Theorie sozialer Institutionen weiter und erhielt für seine Arbeit 1974 den Nobelpreis für Wirtschaftswissenschaften. Als erstes Land der Welt setzte Chile die Konzepte des Neoliberalismus mit der Härte eines despotischen Staates durch: Verbot der Gewerkschaften, Deregulierung der Wirtschaft, Privatisierung, Umverteilung von Arm zu Reich. Milton Friedman war damals Berater des chilenischen Dikators Pinochet.
Im Allgemeinen bedeutet der Neoliberalismus eine Abkehr des antizyklischen Wirtschaftens im Sinne des keynesianischen Wirtschaftsmodell, das unmittelbar nach dem Zweiten Weltkrieg vorherrschend war. In Teilen der Dritten Welt, etwa in Lateinamerika entwickelte sich der Neoliberalismus als kritische Alternative zur Dependenztheorie.
Forderungen
Der staatliche Einfluss soll beschränkt sein: Geldmengenpolitik soll stabile Preise durch eine stabile Währung (makroökonomische Stabilität) und durch einen ausgeglichenen Staatshaushalt garantieren.
Darüberhinaus sind konkrete neoliberale Forderungen:
- eine Preisregulierung über den Markt
- die Deregulierung von Handel und Finanzen, auch durch Abschaffung der Grenzen der Nationalstaaten als Handelshemmnis, durch Freihandelszonen und Handelsabkommenen wie GATT oder GATS
- die Privatisierung von staatlichen Monopolen (v.a. die der Daseinsvorsorge wie Telekom, Bahn, Energie) und die Privatisierung des Sozialsystems ("Eigenvorsorge"), sowie den allgemeinen Wegfall aller staatlichen Förderungen und Unterstützungen.
Wichtige Charakteristika sind darüber hinaus ständiger weltumspannender Handel im 24-Stunden-Rhythmus (Echtzeit), kontinuierliche Neubewertung der Märkte, sowie existierende Terminmärkte (für Finanzderivate).
Der Neoliberalismus steht in Verbindung mit den Theorien von Friedrich Hayek, Milton Friedman und Arnold Harberger, sowie internationalen Organisationen wie dem internationalen Währungsfonds. Ronald Reagan und Margaret Thatcher waren die ersten bedeutenden neoliberalen Politiker in den Industriestaaten. In Deutschland vertritt vor allem die FDP neoliberale Positionen, aber auch bei den so genannten Modernisierern und Rechten der SPD und CDU/CSU. In Österreich wandete sich die SPÖ/FPÖ Regierung 1985 mit einer Absage vom Keynesianismus einer restriktiven Budegtpolitik zu, 2003 setzte die ÖVP/FPÖ auf einen neoliberalen Kurs.
Neoliberalismus als politische Position
Durch die Politik des Neoliberalismus werden verschiedene Themen wie Freiheit und die Wahlmöglichkeit an Beruf, Ausbildung und Lebensstil, sowie Eigenverantwortung, Reformen, Effizienz und Wettbewerb neu besetzt.
Neoliberale stehen für klare Kompetenzen sowohl hinsichtlich staatlicher Aufgaben und privater Initiative als auch in Bezug auf die Gremien und Körperschaften der verschiedenen Institutionen (beispielsweise die Neuordnung der Zuständigkeiten von Bund, Länder und Gemeinden), aber vor allem über eine Regelung des Preises und des Angebotes durch einen freien Markt.
"Privat kommt vor dem Staat": Neoliberal denkende Menschen sind der Ansicht, dass ein großer Staatsapparat vom Bürger zu weit entfernt sei und deshalb private Initiativen (Stichwort Freiwilligenarbeit) und Privatwirtschaft gefördert, staatliche Bürokratie und die Staatsbeteiligungen eingeschränkt beziehungsweise ganz aufgegeben werden sollen.
Entscheidend für Neoliberale ist auch die persönliche Verantwortung für sich und sein Leben, wobei allerdings häufig übersehen oder bewußt verschwiegen wird, daß die Basis jeder praktikalben Selbstverantwortung, die ja im Kontingenzraum des Sozialen, wo alles stets auch als anders möglich beschrieben werden kann, das diese Basis unabweisbar eine gediegene Bildung und Ausbildung ist. Im Gegensatz zu Sozialisten vertrauen Neoliberale nicht auf die Allgemeinheit, sondern versuchen selbst etwas zum allgemeinen Wohlstand beizutragen.
Der Neoliberalismus entfaltet (auch) produktive Kräfte, er überwindet die bornierten Grenzen des Nationalstaates, oder die extrem tayloristische Arbeitsteilung. Wie das Ergebnis der Neuverteilung zu bewerten ist, darüber gibt es jedoch heftige Diskussionen.
Neoliberalismus wird oft in Verbindung mit globalen Organisationen gebracht, unter ihnen die WTO, Weltbank und der IWF. Seine Verbreitung als Konzept wurde von Ökonomen der Weltbank und des IWF nach dem Zweiten Weltkrieg vorangetrieben, als Antwort auf die Programme zur Förderung von Entwicklungsländer, die nicht den gewünschten Erfolg zeigten: Förderungen für Großprojekte ließen die armen Länder mit Schulden und geringem Wirtschaftswachstum zurück, die größere Bedeutung liegt aber in den 1970er Jahren als Versuch, eine strukturelle Krise zu beantworten.
Keynesianismus
Die Keynesianischen Ökonomen (wie Stiglitz) meinen, dass der Markt ein schlechtes Instrument sei: Er muss z.B. durch so genannte Regulierungsbehörde, etwa am Telefoniemarkt und andere ausgleichende, administrative Maßnahmen stabilisiert werden. Weiters unterliege er Fehlentwicklungen, da natürlich nur bei entsprechender Kaufkraft die jeweilige Nachfrage bedient werden könne. Es besteht die Gefahr, dass Bedürfnisse, hinter denen keine entsprechende Kaufkraft steht, nicht abgedeckt werden und dass es bei "berechtigten Forderungen" bleibt. Die sozialen Folgeschäden sind dann allerdings wieder von der Allgemeinheit zu tragen. Beispiele für derartige Problemkreise sind in den Bereichen Bildung, Altenpflege, Familienpolitik und zunehmend auch im Gesundheitssystem zu finden.
Kritik neoliberaler Politik
Von Kritikern wird der Neoliberalismus als Ideologie bezeichnet, die auf Deregulierung und den Rückzug des Staates bzw. verminderter staatlicher Kontrolle zugunsten freier Märkte setzt. Von Gewerkschaften und Globalisierungskritikern werden die von "neoliberaler" Politik geforderten Privatisierungen und die Einschränkung staatlicher Wohlfahrtsleistungen kritisiert, da sie zu einer 'Entfesselung des Marktes' führen. Dadurch verschärfe sich einerseits die weltweite soziale Lage, andererseits komme es zu einem Verlust demokratischer Teilhabemöglichkeiten.
soziale Effekte der Deregulierung
Es wird kritisiert, dass Neoliberalismus den freien Wolf im freien Stall der freien Hühner frei wildern lässt, also durch diese 'Entfesselung des Marktes' Ungleichgewichte und Unausgewogenheiten (Nord-Süd-Gefälle, Spaltung der Gesellschaft in arm und reich) eher verschärft werden, anstatt sie auszugleichen. Der Rückzug des Staates geht einher mit einer Ausweitung der Marktlogik (vgl. Kommodifizierung). Immer weniger Bereiche unterliegen der Regulation durch den Staat bzw. der Einschränkung durch gesellschaftliche Normen. Dadurch sollen zwar die Marktchancen der Unternehmen verbessert und die Reaktion auf sich verändernde Marktlagen ermöglicht werden, im Gegenzug kommt es zur kurzfristigen Orientierung auf Rendite moralische oder soziale Normen müssen zurückgestellt werden, will das Unternehmen konkurrenzfähig bleiben.
demokratische Teilhabe
Eine weitere Gefahr des Neoliberalismus sehen viele im Verlust demokratischer Einflussmöglichkeiten auf das Gemeinwesen. Je mehr öffentliche Bereiche in privates Eigentum übergehen, desto geringer wird der Einfluss des Volkes (der Wähler und der Parteien) auf diese Bereiche.
Hier ist konkret die Macht der WTO zu nennen. kommt der völkerrechtlich verbindliche Einfluss der WTO-eigenen Schiedsstelle, die bei Streitfällen vermittelt, auf die nationale Gesetzgebung: Wenn ein (privater) Konzern in einer gesetzlichen Regelung (Umweltschutz, Verbraucherschutz, ...) ein Handelshemmnis sieht ("Notwendigkeitstest"), drohen dem Staat Sanktionen. Eine Schlichtung durch ordentliche Gerichte ist nicht vorgesehen. Dem setzen die Anhänger der neoliberalen Theorie jedoch entgegen, daß in der aktuellen Situation gerade die Einschränkung des Handels mittels tarifärer Handelshemnisse (Schutzzölle) und eine Förderung bestimmter Wirtschaftszweige durch den Staat (Subventionen) zu der Ungleichverteilung auf der Welt führen. So haben es zum Beispiel Entwicklungsländer schwer gegenüber der hochsubventionierte europäische Agrarwirtschaft konkurrenzfähig zu bleiben. Sie werfen den Industriestaaten vor, nur von den Entwicklungsländern Handelsfreiheit zu forden, diese jedoch nicht im eigenen Land einführen zu wollen.
Opponenten
Opponenten des Neoliberalismus als wirtschaftliche Theorie sind Ökonomen wie Joseph E. Stiglitz und Amartya Sen. Auch der Börsenspekulant George Soros warnt nun, nach seine Spekulationen, vor einem bedrohlichen Marktfundamentalismus. Pierre Bourdieu legte gemeinsam mit anderen mit Das Elend der Welt (1997) eine cultural study zum Thema vor.
Zu den Gegnern des Neoliberalismus gehören auch die Freiwirtschaftler, nach deren Meinung schon eine dauerhaft stabile Währung ohne Umlaufsicherung unmöglich sei. Das wird jedoch von kaum einem Währungsexperten ernst genommen. Im Gegenteil handle es sich dabei um eines der wenigen Beispiele von Esoterik in den Wirtschaftswissenschaften.
Siehe auch:Mont Pelerin Society, Homo oeconomicus, Globalisierung , Sozialdemokratie , Kapitalismus, Politik , Sozialismus , Monetarismus , Hegemonie ,Fordismus, konservativ, Globalisierung, Wirtschaftsethik, Paläoliberalismus, Soziallehre, Public Private Partnership, Daseinsvorsorge, Aussetzung des Handels, Konsens von Washington, Neoklassische Theorie
Literatur
- Noam Chomsky: Profit over People - Neoliberalismus und globale Weltordnung ISBN 320376010X
- Dennis Meadows: Die neuen Grenzen des Wachstums ISBN 3499195100
- Hartwig Hummel: Der neue Westen ISBN 3896880780
- Heinz Metzen: Schlankheitskur für den Staat - Lean Management ISBN 3593350459
- Eduard März: Marxsche Theorie der wirtschaftlichen Entwicklung ISBN 3203505681
- E. Katschnig-Fasch:das ganz alltägliche Elend ISBN 3854093837
- Gerhard Willke:Neoliberalismus ISBN 3593372088