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Atommacht

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Pilzwolke nach Atombomenabwurf

Als Atommacht bezeichnet man einen Staat, der über Atomwaffen verfügt und zusätzlich die geeigneten Trägersysteme besitzt, um die Atomwaffen militärisch einsetzen zu können. Dabei unterscheidet man bei den Atommächten die so genannte Erstschlagfähigkeit und die Zweitschlagfähigkeit. Erstere ist gegeben, wenn der betreffende Staat die Fähigkeit besitzt, mit einem ersten Angriff die Nuklearwaffen eines Gegners komplett zu zerstören oder zumindest sein Waffenarsenal so weit zu reduzieren, dass die Schäden des Gegenangriffs aus politischer und militärischer Sicht akzeptabel erscheinen. Als Zweitschlagfähigkeit bezeichnet man die Fähigkeit eines Staates, auch nach einem nuklearen Angriff auf das eigene Territorium nuklear zurückschlagen zu können. Nötig sind Trägersysteme, die einen nuklearen Angriff überstehen. Möglich wird dies durch unterirdische Bunkeranlagen oder U-Boot-gestützte Atomwaffen, die eine genügende Überlebensfähigkeit besitzen und Frühwarnsysteme, die Angriffe frühzeitig erkennen.

Offizielle Atommächte

Länder mit nuklearen Waffen oder Waffenprogrammen.

Diese Atommächte sind im Atomwaffensperrvertrag als Staaten genannt, die über Atomwaffen verfügen. Die Daten beziehen sich auf die Erstzündung. Die Zahl unter „Sprengköpfe” beziffert die Zahl von allen Sprengköpfen insgesamt, die Zahl in Klammern dahinter die Anzahl der sich in Einsatzbereitschaft befindlichen.


Land Atombombe Wasserstoffbombe Sprengköpfe
USA 16. Juli 1945 1. November 1952 10240 (7200)
Russland 29. August 1949 12. August 1953 8400 (6000)
Großbritannien 3. Oktober 1952 15. Mai 1957 200 (185)
Frankreich 3. Februar 1960 1968 350 (165)
Volksrepublik China 16. Oktober 1964 14. Juni 1967 400

Die genannten Zahlen beruhen auf offiziellen Angaben der einzelnen Staaten. Insbesondere die offiziellen Daten der Volksrepublik China und Großbritanniens werden in Expertenkreisen sowie von ehemaligen Mitarbeitern der IAEO öffentlich angezweifelt. China hat angekündigt, innerhalb weniger Jahre ein ebenso großes Arsenal zu haben wie die USA. Großbritannien stellte 1997 die Veröffentlichung eines jährlichen Bestandsberichts zu seinem Atomwaffenprogramm ein [1] und soll, entgegen offiziellen Stellungsnahmen, gemeinsam mit den USA an der Entwicklung neuer Atomwaffen arbeiten [2]. Zudem wird behauptet, der neue MOX-Reaktor in Sellafield werde für die Herstellung von waffenfähigem Plutonium zweckentfremdet (Newsweek, 11. Februar 2002).

Faktische Atommächte

Diese Staaten sind entweder im Atomwaffensperrvertrag nicht als Staaten mit Atomwaffen aufgeführt oder sie sind dem Vertrag nicht beigetreten, verfügen aber trotzdem über Kernwaffen.

Eine indische Agni-II-Mittelstreckenrakete bei der Militärparade zum Nationalfeiertag 2004 (Aufnahme: Antônio Milena/ABr)
  • Pakistan: Seit 1998, besitzt nach eigener Angabe Atomwaffen, Atomtests durchgeführt. Das Arsenal wird auf 24 - 48 Sprengköpfe geschätzt, einige Quellen (z.B. globalsecurity.org) schätzen die Zahl auf bis zu 75.
  • Israel: Vermutlich seit ca. 1967, heute zwischen 75 und 400 Kernwaffen

Das israelische Atomprogramm begann in den 50er Jahren mit Unterstützung Frankreichs. Bisher wurde der Besitz von Kernwaffen von der israelischen Regierung zwar weder offiziell bestätigt noch dementiert, aber es gilt als sicher, daß Israel spätestens seit 1967 über Atombomben verfügt. Genauere Informationen wurden erstmals 1986 öffentlich, als Mordechai Vanunu, ein ehemaliger Techniker des Atomforschungszentrums von Dimona, Fotos und Unterlagen über das israelische Atomprogramm an die Presse weitergab. Basierend auf Vanunus Enthüllungen wurde das israelische Arsenal Anfang der 90er auf 100 bis 200 Sprengköpfe geschätzt. Andere Schätzungen liegen bei 75 bis 130 Sprengköpfen Ende der 90er; wieder andere gehen bis zu 400.

Ebenfalls wenig bekannt ist über eventuelle Kernwaffentests Israels. Es ist gut möglich, daß Israel auf vollständige Kernwaffentests (im Gegensatz zum Test einzelner Bauteile ohne Kettenreaktion) verzichten konnte. Erstens ist das Gun-Design, das auch bei der Hiroshima-Bombe verwendet wurde, so einfach, daß auf Tests verzichtet werden kann. Zweitens wird spekuliert, daß Israel Zugriff auf die Daten französischer oder amerikanischer Atomtests hatte. Nicht geklärt ist, ob es sich beim Vela-Zwischenfall 1979 um einen Kernwaffentest mit israelischer Beteiligung handelte.

Fraglich

Diesen Staaten wird vorgeworfen, sie hegten oder hegen die Absicht, Atomwaffen zu erzeugen. Allerdings ist der Status von derartigen Programmen nicht offiziell gesichert.

  • Iran: Verfügt nach eigenen Angaben über kein Atomwaffenprogramm. Die USA werfen dem Iran dies allerdings vor. Siehe Atomprogramm Irans.
  • Nordkorea: Hat nach eigenen Angaben ein Atomwaffenprogramm, in dessen Rahmen es Plutonium für mehrere Atombomben hergestellt hat. Im Februar 2005 erklärte das Land, Atomwaffen zu besitzen.

Grundsätzlich kann man davon ausgehen, daß alle technologisch entwickelten Staaten mit genügend Einsatz von Geld und Personal innerhalb sehr kurzer Zeit in der Lage sind, eine Atombombe zu entwickeln. Das technologische Wissen ist in allen Industriestaaten vorhanden, die benötigten industriellen Anlagen ebenfalls.

Ehemalige Atommächte und nukleare Ambitionen

Pershing II beim Start

Die folgenden Staaten haben ehemals Atomwaffen besessen oder an entsprechenden Programmen gearbeitet.

  • Deutschland: Franz Josef Strauß plante nach 1955 als Bundesminister für Atomfragen Deutschland im Rahmen des Atoms-for-Peace-Programms den technologischen Anschluss an diese Technik und Zugang zu den notwendigen Materialien zu beschaffen. Ein Atomwaffenprogramm wurde aber nie gestartet. Deutschland besitzt daher auch keine eigenen Atomwaffen und hat auch nie welche besessen (Es werden allerdings auf deutschem Boden zahlreich Atomwaffen der USA gelagert). Wie andere NATO-Staaten auch verfügt Deutschland über Flugzeuge, die mit Atomwaffen bestückt werden könnten. (Siehe auch nukleare Teilhabe).
  • Irak: Das irakische Atomwaffenprogramm begann angeblich bereits Ende der 60er Jahre, ohne dass es den irakischen Wissenschaftlern je gelang, eine funktionsfähige Bombe herzustellen. Das Programm erlitt Rückschläge durch die Zerstörung des mit französischer Hilfe gebauten Reaktors Osirak durch Israel im Jahr 1981 sowie durch das Technologie-Embargo während und nach des Iran-Irak-Krieges 1980 bis 1988, an das sich auch Russland und China hielten. Im zweiten Golfkrieg „Desert Storm” 1991 wurde der Großteil der Anlagen zerstört. Nach dem Einmarsch der USA in den Irak 2003 wurden keine Beweise für eine Wiederaufnahme des Atomwaffenprogramms und für die Existenz von atomaren Massenvernichtungswaffen gefunden.
  • Libyen hat im Dezember 2003 angekündigt, alle Programme für Massenvernichtungswaffen aufzugeben und internationale Inspektionen zuzulassen.
  • Schweiz: 1945 Bildung der geheimen Studienkommision für Atomenergie (SKA) unter Vorsitz des Physikers Paul Scherrer mit dem Ziel eine Schweizer Atombombe anzustreben. Diese Bestrebungen wurden letztlich erst in den 1970ern durch die Ratifizierung des Atomwaffensperrvertrages durch die Schweiz endgültig beendet.
  • Südafrika entwickelte unter der Apartheid-Regierung mit israelischer Hilfe eine Atomwaffe und führte im September 1979 einen Test vor der Küste durch. Kurz vor dem Ende der Apartheid zerstörte Südafrika seine sechs Atomwaffen, um dem Atomwaffensperrvertrag 1991 beizutreten und sich damit wieder in die internationale Gesellschaft eingliedern zu können. Bis 1994 wurden alle südafrikanischen Atomwaffenanlagen komplett abgebaut.
  • Kasachstan und Weißrussland haben nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion Atomwaffen besessen, diese aber an Russland abgetreten. Die Ukraine hat ihre Atomwaffen selbst abgerüstet und besitzt noch immer die Trägerraketen.

Siehe auch