Gabriele D’Annunzio

Gabriele D’Annunzio, Principe di Montenevoso (* 12. März 1863 in Pescara; † 1. März 1938 in Gardone; auch Gabriele d’Annunzio), war ein italienischer Schriftsteller des Fin de Siècle und spätromantischer Vertreter des Symbolismus. Er gilt als eine Leitfigur für den italienischen Faschismus und als einer der Mentoren Benito Mussolinis, ohne allerdings jemals bekennender Faschist oder Mitglied der Faschistischen Partei gewesen zu sein.
Nach ihm ist die Universität von Chieti und Pescara benannt.[1]
Biografie
Gabriele D’Annunzio war der Sohn eines reichen Landbesitzers und Bürgermeisters, der ursprünglich Francesco Rapagnetta („kleine Rübe“) geheißen hatte, seinen Namen aber offiziell in D’Annunzio änderte. Gabriele studierte in Florenz und an der Universität La Sapienza in Rom. Als 16-jähriger Gymnasiast debütierte er als Lyriker mit Primo vere, das er auf eigene Kosten drucken ließ und das sich stark an die Dichtung Giosuè Carduccis anlehnt. 1881 ließ sich D’Annunzio in Rom nieder, wo er bis 1889 als Journalist für die Zeitung Tribuna arbeitete und schnell Zugang zur aristokratischen Gesellschaft fand. Ein Jahr später gelangte er mit dem Gedichtband Canto novo zu erster Bekanntheit. Die darin enthaltenen Gedichte preisen die Freuden des Lebens und sind bestimmt vom Versuch einer neuen, elitären Sprachgebung. 1883 heiratete D’Annunzio die Gräfin Maria Hardouin di Gallese. In den 1890er Jahren wandte er sich dem Schreiben von Romanen zu. Trionfo della morte (Triumph des Todes, 1894) ist eine Beschreibung des Lebens in den Abruzzen. Bekannt wurde auch die von ihm erfundene karthagische Sagengestalt Maciste.
Nach 1898 galt D’Annunzios Begeisterung dem Theater. Großen Einfluss auf sein Werk hatte die Liebesbeziehung mit der italienischen Schauspielerin Eleonora Duse, die von 1897 bis 1902 andauerte. An ihrer Seite entwarf er auch Pläne zur Konzeption eines italienischen Nationaltheaters. Er widmete der Duse mehrere Stücke, einschließlich der Tragödien La Gioconda (1898) und Francesca da Rimini (1901) über die unglückliche Liebesgeschichte, die bereits in Dantes Göttlicher Komödie erwähnt wird. D’Annunzios Drama wurde später von Riccardo Zandonai vertont. 1901 lernte D’Annunzio Karl Gustav Vollmoeller kennen, der 1902 für den S. Fischer Verlag D’Annunzios Francesca da Rimini ins Deutsche übertrug. 1910 übersetzte Vollmoeller auch D’Annunzios Roman Forse che si, forse che no (Vielleicht, vielleicht auch nicht) ins Deutsche. Neben der Dichtung verband D’Annunzio und Vollmoeller die Liebe zur Fliegerei. Ihr Besuch der berühmten Flugschau von Brescia ist u. a. durch einen Artikel Franz Kafkas überliefert, der beide Dichter dort beobachtete. Die Handlung des Romans Il fuoco (Das Feuer, 1900) ließ die italienische Leserschaft enge Parallelen zu der Beziehung D’Annunzios zur Duse erkennen. Die Tragödie La figlia di Jorio (1904), die allgemein als sein poetischstes und leidenschaftlichstes Drama gilt, spielt mit Elementen des bäuerlichen Lebens in den Abruzzen.
Zwischen 1909 und 1912 arbeitete er zusammen mit dem Komponisten Ildebrando Pizzetti für die Oper Fedra nach dem antiken Phaidra-Stoff. Bereits 1910 war er wegen hoher Schulden, bedingt durch seinen luxuriösen Lebensstil, ins „freiwillige Exil” nach Frankreich geflohen, um seinen Gläubigern zu entkommen. Während dieser Zeit schrieb er mehrere Werke in französischer Sprache, deren bekanntestes Le Martyre de Saint Sébastien (Das Martyrium des heiligen Sebastian, 1911) ist, ein lyrisch-dramatischer Text, den Claude Debussy vertonte.
Zugleich engagierte er sich oft politisch. 1897 wurde D’Annunzio in einem Regionalparlament Abgeordneter der Konservativen, nahm es mit den politischen Ausrichtungen aber nicht zu genau: So gab er 1900 den radikalen Linken seine Stimme. 1915 befürwortete er den Eintritt Italiens in den Ersten Weltkrieg, den er auch als Redner publikumswirksam forderte. Der Krieg und seine Heroisierung hatten in Leben und Werk D’Annunzios eine zentrale Rolle gespielt. Er selbst war begeisterter Soldat im Ersten Weltkrieg. Allerdings bewegten sich auch hier seine Hoffnungen häufig weit jenseits der erreichbaren Realität. Geradezu legendär geworden ist D’Annunzios Propagandaflug über Wien, der Hauptstadt des Kriegsgegners Österreich am 9. August 1918, kurz vor dem Ende des Krieges. Eine Staffel von zehn einsitzigen und einem zweisitzigen Flugzeugen (in letzterem saß D'Annunzio) brach zu diesem Flug auf, drei davon mussten vor Grenzübertritt notlanden, ein vierter Pilot in Österreich, wo er verhaftet wurde, die restlichen sieben erreichten ihr Ziel. Vom Flugzeug aus ließen sie keine Bomben, sondern Tausende von Flugblättern in zwei Ausführungen auf Wien herabflattern, die mit den Farben der italienischen Fahne bedruckt waren. Die eine war zweisprachig bedruckt, Italienisch und Deutsch, die zweite stammt von D'Annunzio selbst und war rein Italienisch. Der Text von letzterer fasste in reißerischen Propagandaparolen die sozialen und politischen Ansprüche Italiens zusammen, und am Schluss stand: „Das Drohen der Schwinge des jungen italienischen Adlers gleicht nicht der finsteren Bronze im morgendlichen Licht. Die unbekümmerte Kühnheit wirft über Sankt Stephan und den Graben das unwiderstehliche Wort, Wiener! Viva l’Italia.“[2][3]
Nach Kriegsende führte er im September 1919 eine Gruppe Freischärler, die so genannten Arditi, sowie Teile der regulären italienischen Armee bei der Besetzung der Adria-Stadt Fiume an, das Waffenstillstandsabkommen unterlaufend. Damit reagierten die Besatzer auf die Pariser Friedensverhandlungen, nach denen Italien die zuvor zu Österreich-Ungarn gehörende Stadt möglicherweise nicht hätte annektieren dürfen. Zuvor machte das von D’Annunzio geprägte Wort von der vittoria mutilata, vom „Verstümmelten Sieg“ in Italien die Runde. Die Herrschaft in Fiume, mit D’Annunzio im Mittelpunkt, nahm dabei wesentliche Elemente des Faschismus vorweg: die Fixierung auf einen Führer, die Massenmobilisierung sowie viele andere Elemente, die später bei den italienischen Faschisten ebenso wie bei den deutschen Nationalsozialisten wieder auftauchen werden. In Fiume boten diese Elemente, noch nicht eingebettet in ein ideologisiertes Weltbild, den Rahmen für eine anarchische Herrschaft. Nachdem D’Annunzio sich nach militärischer Intervention durch die italienische Regierung im Dezember 1920 gezwungen sah, die Stadt zu verlassen, eignete er sich eine beschlagnahmte Villa bei Gardone Riviera am Gardasee an, die er später Il Vittoriale degli italiani taufte und dem italienischen Volk vermachte. D’Annunzio betrachtete sich nach der Zeit in Fiume offenbar zunächst als politischer Gegenspieler Benito Mussolinis und wurde von diesem auch als solcher aufgefasst. 1922 bemühte er sich darum, vom König den Auftrag zur Bildung einer Regierung zu erhalten. Zeugnis hiervon legt die 1971 edierte Korrespondenz Carteggio D’Annunzio – Mussolini (1919-1938) ab.[4] Mussolini kam ihm aber mit seinem Marsch auf Rom zuvor. Fortan zog sich D’Annunzio in seine Villa zurück und ließ sich von der faschistischen Regierung bis zu seinem Lebensende seinen weiterhin aufwändigen Lebensstil finanzieren. Er reduzierte seine politischen Aktivitäten, ging nur in nebensächlichen Fragen auf Konfrontation zu Mussolini und den Faschisten und lobte außerdem die territorialen Expansionsbestrebungen der Faschisten in Afrika, die seinen nationalistischen Vorstellungen des Mittelmeeres als italienischem „Mare nostrum“ entsprachen.
1924 wurde D’Annunzio auf Vorschlag der faschistischen Regierung durch König Viktor Emanuel III. geadelt und erhielt den in der Primogenitur erblichen Titel eines Principe di Montenevoso, zudem veröffentlichte ein staatliches Institut das literarische Gesamtwerk des Dichters. D’Annunzio starb am 1. März 1938 in seiner Villa („Il Vittoriale“) bei Gardone Riviera, die bereits vorher durch die Regierung zur nationalen Gedenkstätte erklärt worden war. Bestattet wurde D’Annunzio in einer repräsentativ ausgebauten Grabstätte aus weißem Marmor auf dem Gelände seiner Villa. Der Flughafen Brescias ist nach ihm benannt.
Werk
Unter dem Einfluss insbesondere von Friedrich Nietzsche, Arthur Schopenhauer und Richard Wagner widmete sich D’Annunzio sowohl in seinen Romanen (zum Beispiel Il Piacere, deutsch Lust, 1889) und Dramen als auch in seinem lyrischen Werk der Sinneslust und der Idee des „Übermenschen“, wobei er Empfindungen in wortgewaltiger Sprache zum Ausdruck brachte. D’Annunzios ästhetisierender Stil spiegelt sein romantisches Wesen und seinen bewegten Lebenswandel wider, was heutzutage aber größtenteils überladen wirkt. Vom Ästhetizismus D’Annunzios zeugt bis heute auch seine in Gardone Riviera am Gardasee gelegene Villa, die als „Vittoriale degli Italiani“ ein Museum beheimatet. Einige seiner Texte wurden verfilmt, darunter La Gioconda (unter dem Titel The Devil’s Daughter, 1915), La luz, tríptico de la vida moderna (1917), Il delitto di Giovanni Episcopo (1947) und L’innocente (Die Unschuld, 1976), Letzterer von Luchino Visconti, mit Laura Antonelli in einer Hauptrolle. Egon Friedell ließ seine italienische Literaturgeschichte Von Dante bis D’Annunzio (1915) mit dem Schriftsteller enden.
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Geburtshaus in der Altstadt von Pescara
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Ein Gedicht an seine Mutter
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D’Annunzios Villa am Gardasee
Werbung
D’Annunzio prägte einige Neologismen. Für die großen Kaufhäuser in Mailand, ursprünglich die „magazzini Bocconi“, schlug er den Namen La Rinascente vor.[5] Er fand auch den Namen Saiwa für den Kekshersteller.[6]
Als Testimonial warb er für Amaro Montenegro und Amaretto di Saronno.[7] D’Annunzio schuf auch eine Serie von Parfums, das Acqua Nunzia.[8]
Aus den Wörtern Vorlage:"-it und Vorlage:"-it formte D’Annunzio das Kofferwort Vorlage:"-it, heute Namensbestandteil zahlreicher Segelclubs.[9]
Werkliste (Auswahl chronologisch nach Erscheinen bzw. Aufführung)
- Primo Vere (1879)
- Canto Novo (1882)
- Terra vergine (1882)
- Intermezzo di rime (1884)
- Il Libro delle Vergini (1884)
- Le Novelle di San Pantaleone (1886)
- Isaotta Guttadauro e altre poesie (1886)
- Il Piacere (1889, dt. „Lust“)
- L’Isotteo (1890)
- La Chimera (1890)
- L’Innocente (1892, dt. „Der Unschuldige“, auch veröffentlicht unter dem Titel "Das Opfer")
- Odi navali (1892)
- Elegie Romane (1892)
- Giovanni Episcopo (1892)
- Il Trionfo della morte (1894, dt. „Der Triumph des Todes“)
- Le Vergini delle Rocce (1896, dt. „Die Jungfrauen vom Felsen“)
- Sogno d’un mattino di primavera (1897, dt. „Traum eines Frühlingsmorgens“)
- La Gioconda (1899)
- La Gloria (1899)
- Il Fuoco (1900, dt. „Das Feuer“)
- Francesca di Rimini (1901)
- Laudi del cielo, del mare, della terra e degli eroi (1903-12, bestehend aus den fünf Bänden „Maia“, „Alcyone“, „Merope“ und „Asterope“; daraus einzig dt. „Alcyone“, 2013)
- La Figlia di Jorio (1904)
- La Fiaccola sotto il moggio (1905)
- Più che l’amore (1906)
- La Nave (1907, dt. "Das Schiff")
- Fedra (1909)
- Forse che sì, forse che no (1910, dt. „Vielleicht - Vielleicht auch nicht“)
- Le Martyre de Saint Sébastien (1911)
- Canzoni d’oltre mare (1911)
- La Pisanelle ou la mort parfumée (1912)
- Contemplazione della morte (1913)
- La Chèvrefeuille (1913)
- Ode alla nazione serba (1914)
- La Leda senza cigno (1916)
- Natale di sangue (1920)
- Notturno (1921)
- Faville del Maglio (1924)
- Libro segreto (1935)
- Le dit du Sourd et muet qui fut miraculé en l’an de grâce 1266 (1936)
- Teneo te, Africa (1936)
Übersetzungen ins Deutsche (Auswahl)
- Lust. Übersetzt von Claudia Denzler. Mit einem Nachwort von Albert Gier. Reclam Verlag, Ditzingen 1995, ISBN 978-3-15-009346-7
- Alcyone. Italienisch - Deutsch. Übersetzt von Ernst-Jürgen Dreyer und Geraldine Gabor unter Mitarbeit von Hans Krieger. Mit einem Anhang versehen von Geraldine Gabor und einem Nachwort von Ernst-Jürgen Dreyer. Elfenbein Verlag, Berlin 2013, ISBN 978-3-941184-16-9
Bibliographie
- Raoul Pupo und Fabio Todero (Hrsg.): Fiume, D’Annunzio e la crisi dello Stato liberale in Italia, Universität Triest 2011
- Olaf Roth: Die Opernlibretti nach Dramen Gabriele d’Annunzios, Frankfurt am Main 1999
Film
- Gabriele D'Annunzio 1863 - 1938 - Dokumentarfilm von Jack Clemente. Produktionsjahr 1977. 43 Min.
- Heinz Emigholz, D’Annunzios Höhle. Lifestyle als Autobiographie – Gabriele D’Annunzio (1863-1938), Photographie und jenseits – Teil 8, Deutschland 2002-2005, 52 Minuten - Essayfilm
Weblinks
- Literatur von und über Gabriele D’Annunzio im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek
- Daniele De Marchi: Percorsi Dannunziani
- Stefan Andres/Kritische Ausgabe Heft 2/2004: Die Tode eines Ungeliebten. Eine Annäherung an G. d'A., den „Johannes der Täufer des Faschismus“ (PDF; 109 kB)
- Fetische fungieren als Denk-Ersatz, Interview mit Heinz Emigholz in: die tageszeitung vom 14. Februar 2005
- "Fiume, D’Annunzio e la crisi dello Stato liberale in Italia" / Universität Triest
Einzelnachweise
- ↑ www.unich.it
- ↑ D’Annunzio, Gabriele: Monographie von Maria Gazzetti. Hamburg 1989, S. 105
- ↑ Artikel D'Annunzios Flug über Wien (1918). Abgerufen am 10. Juli 2013
- ↑ Renzo De Felice, Emilio Mariano (Hg.): Carteggio d'Annunzio-Mussolini (1919-1938). Mondadori, Mailand 1971.
- ↑ Rinascente, un «marchio» di D' Annunzio (ital.)
- ↑ Elena Rovelli: Gabriele D’Annunzio (6. Januar 2009)
- ↑ Testimonial, copywriter e comunicatore di successo: un ritratto di Gabriele D’Annunzio
- ↑ IL VATE IGNUDO SULLA SABBIA
- ↑ La storia, 29 marzo 2011
Personendaten | |
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NAME | D’Annunzio, Gabriele |
ALTERNATIVNAMEN | Principe di Montenevoso |
KURZBESCHREIBUNG | italienischer Schriftsteller des Fin de Siècle und spätromantischer Vertreter des Symbolismus |
GEBURTSDATUM | 12. März 1863 |
GEBURTSORT | Pescara, Italien |
STERBEDATUM | 1. März 1938 |
STERBEORT | Gardone, Italien |