Freikorps
Als Freikorps (französisch: corps – Körper(schaft); aus lateinisch: corpus – Körper) wurden bis zu Anfang des 20. Jahrhunderts paramilitärische Einheiten unabhängig von ihrer nationalen Herkunft benannt. Im deutschen Sprachraum wurden erstmals im 18. Jahrhundert unter der Bezeichnung "Freikorps" Frei-Regimenter aus einheimischen Freiwilligen, gegnerischen Überläufern, Deserteuren und Straffälligen aufgestellt. Die mitunter exotisch ausgerüsteten Truppen dienten als Infanterie und Kavallerie, seltener als Artillerie. Teils nur in Kompaniestärke, teils bis zu mehreren Tausend Mann stark, existierten auch aus verschiedenen Waffengattungen zusammen gesetzte gemischte Verbände bzw. Legionen. Das preuß. Freikorps von Kleist umfasste Infanterie, Jäger, Dragoner und Husaren. Die frz. Volontaires de Saxe vereinten Ulanen und Dragoner.
Freikorps im 18. Jahrhundert
Eine erste Hochphase erlebten die Freikorps jeweils gegen Ende des Österreichischen Erbfolgekrieges und des Siebenjährigen Krieges, als vor allem Frankreich und Preußen an der Schonung der ausgebluteten regulären Regimenter gelegen war. Vor allem Deutsche, Ungarn, Polen, Litauer und Südslawen, aber auch Türken, Tataren und Kosaken waren bei sämtlichen Kriegsparteien als vermeintlich von Natur aus erprobte Kämpfer geschätzt. Die Herkunft vieler Soldaten lässt sich heute nicht mehr zweifelsfrei entschlüsseln, da die ethnische Herkunft in den Regimentslisten oft ungenau beschrieben wurde. Slawen wurden oft als "Ungarn" oder "Kroaten" abgestempelt, moslemische Rekruten (Albaner, Bosnier, Tataren) als "Türken".
Da sie mit Ausnahmen als undiszipliniert und wenig kampfstark galten, wurden sie für nachrangige Wach- und Garnisonsdienste verwendet. Im sog. Kleinen Krieg störten Freikorps in Guerillaaktionen die Nachschublinien des Gegners. Im Fall der Gefangennahme liefen Freikorps-Soldaten Gefahr, als irreguläre Kämpfer getötet zu werden. In Preußen wurden die Freikorps, die Friedrich II. als "Geschmeiß" wohl zu Unrecht verachtete, aufgelöst. Die Freikorps-Soldaten hatten keinen Anspruch auf Pensions- oder Invalidengelder. In Frankreich existierten viele Korps bis 1776 fort. Dann wurden sie als Jäger-Schwadronen den regulären Dragoner-Regimentern angegliedert. Österreich rekrutierte während der Französischen Revolutionskriege diverse Freikorps slawischer Herkunft. Das slawonische Freikorps Wurmser kämpfte im Elsass. Der Kampfwert der sechs Wiener Freikorps (rund 37 000 Infanteristen und Kavalleristen) war dagegen gering. Einen Sonderfall stellten die Grenzregimenter aus Kroaten und Serben dar, die dauerhaft an der österreichisch-osmanischen Grenze standen.
Freikorps der Befreiungskriege
Freikorps im modernen Sinne entstanden in Deutschland im Laufe der Befreiungskriege. Sie kämpften weniger zum Broterwerb als vielmehr aus patriotischen Motiven. Nachdem Napoleon die deutschen Staaten entweder erobert oder zur Kollaboration gezwungen hatte, setzten Reste der geschlagenen Truppen den Kampf fort. Berühmt wurde die King's German Legion (Des Königs deutsche Legion), die für England im französisch besetzten Spanien kämpfte und sich aus Hannoveranern rekrutierte. Zu den Freikorps gesellten sich vielfach national eingestellte Bürger und Studenten. Freikorpsführer wie Ferdinand von Schill und Ludwig Adolf Wilhelm von Lützow gingen auf eigene Faust gegen die napoleonischen Besatzungstruppen in Deutschland vor.
Freikorps nach dem Ersten Weltkrieg
Nach dem Ersten Weltkrieg wurden vom Rat der Volksbeauftragten Freikorps aus der Masse der heimkehrenden Soldaten gebildet. Vielen der Heimkehrer war das zivile Leben nach den traumatischen Kriegserfahrungen fremd geworden, der Zusammenbruch der Monarchie und Arbeitslosigkeit war für eine große Minderheit nur schwer zu verkraften.
Die neue Reichsregierung unter Friedrich Ebert benötigte zum Kampf gegen die Revolution und zu ihrem eigenen Schutz ausgebildete Soldaten und griff dafür auf Freikorps zurück. Da das Gros der deutschen Streitkräfte noch an den vormaligen Frontlinien stand und zurückkehrenden Einheiten zum Teil durch Einspruch der alliierten Siegermächte der Einsatz im Inneren verboten war, wurde zur Jahreswende 1918/19 die Freiwilligenwerbung eingeleitet. So schlossen sich etwa 400.000 ehemalige Soldaten den Freikorps an, die zur Niederschlagung revolutionärer Bewegungen eingesetzt wurden. Beim Berliner Januaraufstand 1919 wurden die prominenten KPD-Gründer Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht von Soldaten der "Garde-Kavallerie-Schützen-Division" getötet.
Freikorps kämpften 1919 im Baltikum mit Unterstützung Großbritanniens gegen sowjetrussische Truppen, 1920/21 in Oberschlesien gegen polnische Truppen. Dort ergab eine Volksabstimmung am 20. März 1921 über die staatliche Zugehörigkeit des Gebiets eine Mehrheit von fast 60 Prozent für den Verbleib beim Deutschen Reich. Polnische Freischärler begannen daraufhin am 3. Mai 1921, unterstützt von französischen Besatzungstruppen, einen bewaffneten Aufstand, um den Anschluss an Polen gewaltsam durchzusetzen. Deutschen Freikorps des Selbstschutzes Oberschlesien gelang am 23. Mai 1921 die Erstürmung des Annabergs, der stärksten Befestigung der Polen und eine Stabilisierung der Lage. Am 20. Oktober 1921 beschloss der Oberste Rat der Alliierten nach einer Empfehlung des Völkerbunds, das ostoberschlesische Industrierevier gegen den Willen der Bevölkerung an Polen zu übertragen. Beim Deutschen Reich verblieb der zwar flächenmäßig größere, jedoch überwiegend agrarisch strukturierte Teil des Abstimmungsgebiets.
Aufgrund der Bestimmungen des Vertrags von Versailles durfte die Weimarer Republik zum Stichtag 1. Januar 1921 nur noch ein Heer von 100.000 Mann unterhalten. Somit mussten die Freikorps schrittweise aufgelöst werden. Dagegen rührte sich in den Reihen derer, die von Entlassung bedroht waren, Widerstand. So kam es Mitte März 1920 zum Kapp-Putsch, der aber infolge eines Generalstreiks und der Verweigerung der Beamten, den Anordnungen der Putschisten zu gehorchen, rasch in sich zusammenbrach. Im Zuge der Auflösung der Freikorps wurden einige Mitglieder in die Reichswehr übernommen. Andere fanden bei anderen paramilitärischen Gruppen ein Unterkommen, etwa beim Stahlhelm, der SA oder SS. Die gewaltbereiten Nachfolgegruppen der Freikorps waren in der Weimarer Republik verantwortlich für eine Reihe von politischen Morden, die von den Behörden meist milde bestraft wurden. So ermordete die Organisation Consul, die Nachfolgeorganisation der Freikorps-Einheit Brigade Erhardt, beispielsweise Walther Rathenau und am 26. August 1921 Matthias Erzberger.
Eine Besonderheit stellte die Technische Nothilfe dar, eine aus den Freikorps hervorgegangene halbstaatliche Einrichtung beim Reichsministerium des Innern zur Bekämpfung wilder Streiks in lebenswichtigen Betrieben. Im Gegensatz zu allen anderen Freikorps existierte sie weit über das unruhige erste Jahrfünft der Weimarer Republik hinaus und wurde erst 1945 aufgelöst und bereits 1950 als Technisches Hilfswerk neugegründet.
Viele spätere Mitglieder und Führungspersönlichkeiten der NSDAP waren Mitglieder in Freikorps, wie etwa Ernst Röhm, der spätere Chef der SA.
Bekannte Freikorps
- Österreichischer Erbfolgekrieg, Siebenjähriger Krieg
- Chasseurs de Fischer (Fischersche Jäger) (frz.)
- Volontaires de Saxe (Freiwillige des Marschalls Moritz von Sachsen) (frz.)
- Siebenjähriger Krieg
- Freikorps von Kleist (preuß.)
- Frei-Regiment Franciscus Le Noble (preuß.)
- Freikorps von Schony (preuß.)
- Französischische Revolutionskriege
- Freikorps Odonel (österr.-serbisch)
- Freikorps Wurmser (österr.-kroatisch)
- Napoleonische Kriege
- Schillsche Jäger
- Lützowsches Freikorps
- Hellwigsches Freikorps
- Ausländer-Bataillon von Reuß
- Russisch-Deutsche Legion (DRL)
- Dithmarscher-Stormarner Legionäre (DSL)
Bekannte Freikorpsführer und -kämpfer
Literatur
zeitgenössische
- Georg Maercker: Vom Kaiserheer zur Reichswehr, Leipzig 1921
- Manfred von Killinger: Kampf um Oberschlesien 1921, Leipzig 1934
- Ernst von Salomon: Das Buch vom deutschen Freikorpskämpfer, Berlin 1938
- Ernst Jünger (Hrg.): Der Kampf um das Reich, Berlin 1929
- Ernst Jünger (Hrg.): Krieg und Krieger, Berlin 1930
wissenschaftliche
- W. Hannsjoachim Koch: Der deutsche Bürgerkrieg. Eine Geschichte der deutschen und österreichischen Freikorps 1918 – 1923, Berlin - Frankfurt/M. - Wien 1978
- Gabriele Krüger: Die Brigade Ehrhardt, Hamburg 1971
- Klaus Theweleit Männerphantasien (Band 2: Zur Psychoanalyse des weißen Terrors, 1978; unveränderte Neuausgabe Männerphantasien Band 1+2, München, Piper, 2000)
- Robert Thoms: Bibliographie zur Geschichte der deutschen Freikorps, Berlin, 1997
- Thoms, Robert: Der Sturm auf den Annaberg 1921 in historischen Dokumenten. Dokumente zur Geschichte der deutschen Freikorps, Hamburg 2001, ISBN 3831117926
- Thoms, Robert: Handbuch zur Geschichte der deutschen Freikorps, München 2001
- Hagen Schulze: Freikorps und Republik, Boppard 1969