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Edathy-Affäre

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Immernoch Verstoß gegen WP:BIO, Lemma, das Edathy zum Mittelpunkt macht, ist vorverurteilend und die Faktenlage weitgehend offen oder enzyklopädisch irrelevant --84.191.134.10 22:36, 14. Feb. 2014 (CET)


Sebastian Edathy im Jahre 2013.

Als Affäre bzw. Fall Edathy werden die Vorgänge bezeichnet, die durch das Ermittlungsverfahren gegen den Politiker Sebastian Edathy (SPD) ab 2013 ausgelöst wurden. Ursprünge sollen in der Operation Spade liegen.[1] Die Affäre weitete sich durch das Bekanntwerden der informellen Unterrichtung des SPD-Vorsitzenden Sigmar Gabriel über den Sachverhalt im Oktober 2013 durch den damaligen Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich zu einer Regierungskrise aus. Friedrich, seit Dezember 2013 Bundesminister für Ernährung und Landwirtschaft, trat am 14. Februar 2014 zurück.

Mandatsniederlegung

Edathy legte zum 7. Februar 2014 sein Bundestagsmandat nieder.[2][3] Am 8. Februar 2014 teilte Edathy mit, er habe sich aus gesundheitlichen Gründen dazu entschieden. Über diese Entscheidung hat er am 7. Februar 2014 den Bundestagspräsidenten Norbert Lammert informiert. Der Mandatsverzicht ist damit wirksam geworden.[3] Für ihn rückte Gabriele Groneberg in den Bundestag nach.

Ermittlungsverfahren und Hausdurchsuchung

Ende Oktober 2013 informierte das Bundeskriminalamt (BKA) auch die 16 Landeskriminalämter von möglichen Ermittlungen gegen Edathy, darunter auch das Landeskriminalamt Niedersachsen.[4] Hiervon in Kenntnis gesetzt wurde auch der niedersächsische Innenminister Boris Pistorius (SPD).[4] Hierdurch erfuhr auch der Leiter der Staatsanwaltschaft Hannover, Jörg Fröhlich, von den Ermittlungen. Die Verschlussakte lag am 5. November 2013 dem Oberstaatsanwalt Thomas Klinge vor.

Am 14. November 2013 gab die Polizei in Toronto auf einer international beachteten Pressekonferenz bekannt, dass im Rahmen der Operation Spade ein weltweiter Schlag gegen Kinderpornographie gelungen sei. Unter anderem wurde in diesem Rahmen auch bekanntgegeben, dass es kurz zuvor in Toronto eine Razzia bei der Firma „Azov Films“ gegeben habe, bei der auch Edathy Kunde war.[5]

Am 27. November 2013 beauftragte Edathy den Berliner Rechtsanwalt für Strafrecht und Medienrecht Christian Noll. Der Rechtsanwalt fragte per E-Mail beim Behördenleiter der Staatanwaltschaft Hannover an und bat um ein vertrauliches Gespräch. Bei der Staatsanwaltschaft soll Noll mit einer Behördenvertreterin gesprochen haben, die in die Ermittlungen im Fall Edathy nicht in Kenntnis gesetzt wurde. Der Rechtsanwalt hat sich wiederum bei weiteren Staatsanwaltschaften in Berlin und Niedersachsen zu einem möglichen „Verfahren gegen Herrn Edathy wegen Kinderpornografie“ erkundigt.

Am 28. Januar 2014 wurde offiziell ein Verfahren gegen Edathy bei der Staatsanwaltschaft Hannover registriert. Am 6. Februar 2014 informierte Jörg Fröhlich, Leiter der Staatsanwaltschaft Hannover, den Bundestagspräsidenten Norbert Lammert per Brief über die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens gegen Sebastian Edathy zum 28. Januar 2014. Dieser Brief traf am 12. Februar 2014 ein.[6]

Am 10. Februar 2014 durchsuchten Polizei und Staatsanwaltschaft Hannover Wohnungen und Büros Edathys. Die Staatsanwaltschaft teilte vier Tage später mit, Edathy habe nach ihren Erkenntnissen Material im „Grenzbereich zu dem, was Justiz unter Kinderpornografie versteht“ über das Internet bestellt.[7] Jörg Fröhlich, Leiter der Anklagebehörde, sagte, er gehe „bisher davon aus, dass die Strafbarkeitsschwelle hier noch knapp unterschritten ist“. Edathy habe nach Erkenntnissen der Behörde zwischen Oktober 2005 und Juni 2010 neun Mal im Onlineshop eines kanadischen Unternehmens insgesamt 31 Filme und Fotosets von unbekleideten Jungen zwischen neun und etwa 14 Jahren bestellt.[8] Das Bundeskriminalamt stufte in einer ersten Auswertung des sichergestellten Materials nichts davon als eindeutig kinderpornografisch ein.[9]

Edathy dementierte den Erwerb und den Besitz von kinderpornografischen Schriften.[10]

Kritik

Das Vorgehen der Staatsanwaltschaft Hannover steht in der Kritik, da die Einleitung des Ermittlungsverfahrens ohne hinreichenden Anfangsverdacht stattgefunden haben soll.[11][12][13] Edathy selbst sagte, die durch das Amtsgericht Hannover angeordnete Durchsuchung sei unverhältnismäßig gewesen.[14] Heribert Prantl kommt in seinem Beitrag in der Süddeutschen Zeitung zu dem Schluss, die „unzulässige Durchsuchung“ bei Edathy liege hart an der Grenze zur Verfolgung Unschuldiger (§ 344 StGB).[13]

Der Leiter der Staatsanwaltschaft Hannover, Fröhlich, erklärte, man habe im Bundestag die IT-Daten sichern lassen und auch das Abgeordnetenbüro Edathys versiegeln lassen. Dieser Darstellung widersprach ein Bundestagssprecher; weder habe es eine Sicherung noch eine Versiegelung des Büros gegeben.[15]

Informationsweitergaben

Im Zuge der Ermittlungen wurde im Februar 2014 bekannt, dass der Präsident des Bundeskriminalamts (BKA), Jörg Ziercke im Oktober 2013 den damaligen Staatssekretär im Innenministerium, Klaus-Dieter Fritsche informierte, dass Sebastian Edathy im Rahmen der internationalen Ermittlungsverfahren gegen Kinderpornografie auftauche. Der Staatssekretär gab diese Information an Hans-Peter Friedrich (CSU) in seiner damaligen Funktion als Bundesinnenminister weiter. Friedrich wiederum gab diese Informationen über Edathy im Oktober 2013 an den SPD-Parteivorsitzenden Sigmar Gabriel weiter.[16][17] Am 23. Oktober hatten – 31 Tage nach der Bundestagswahl 2013 und nach mehreren Sondierungsgesprächen – die Koalitionsverhandlungen zwischen Union und SPD begonnen.

Innerhalb der SPD informierte Gabriel wiederum den Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier und den Parlamentarischen Geschäftsführer Thomas Oppermann über die Vorgänge. Oppermann versuchte, sich die Information durch den Präsidenten des Bundeskriminalamts Jörg Ziercke bestätigen zu lassen.[18] Ziercke bestätigte zwar das Telefonat, erklärte aber, er habe Oppermann die Informationen weder bestätigt noch Informationen zum Sachverhalt mitgeteilt.[19] Oppermann informierte im Dezember im Rahmen der Amtsübergabe seine Nachfolgerin als Parlamentarischen Geschäftsführer, Christine Lambrecht. Diese behauptete aber noch am 11. Februar gegenüber Journalisten, sie verfüge nur über Informationen aus der Presse und habe selbst „keine Kenntnis“ über die Gründe der polizeilichen Ermittlungen gegen Edathy.[20]

Die Staatsanwaltschaft Berlin leitete Vorermittlungen gegen Friedrich wegen des Verdachts auf Geheimnisverrat ein.[21] Der stellvertretende Bundesvorsitzende der FDP, Wolfgang Kubicki, forderte die umgehende Einleitung von Ermittlungsverfahren wegen Geheimnisverrats und Strafvereitelung gegen Friedrich und andere Beteiligte.[22] Kubicki wirft Oppermann den Anruf bei Ziercke vor. Der Chef der SPD-Bundestagsfraktion habe sich der Anstiftung zum Verrat eines Dienstgeheimnisses „strafbar gemacht“.[23]

Rücktritt von Hans-Peter Friedrich

Friedrich gab zunächst bekannt, er werde zurücktreten, falls ein Ermittlungsverfahren gegen ihn eingeleitet werde. Am 14. Februar 2014 trat er – auch ohne Eröffnung eines solchen Ermittlungsverfahrens – als Bundeslandwirtschaftsminister zurück.[24] In seiner Rücktrittsrede gab er an, dass „mangelnde[r] politischer Rückhalt“ und der politische Druck ihn zu diesem Entschluss getrieben habe. Zuvor hatte Bundeskanzlerin Merkel, die sich zum Sachverhalt über ihren Sprecher äußerte, mitteilen lassen, dass es „intensive Gespräche“ gegeben habe und Friedrich sich „der Dimension des Vorgangs bewusst“ sei.[25]

Einzelnachweise

  1. Alexander Durin: Etwas klärt sich auf im Fall des Sebastian Edathy. Telepolis, 13. Februar 2014, abgerufen am 15. Februar 2014.
  2. Sebastian Edathy: Pressemitteilung. edathy.de, 8. Februar 2014, abgerufen am 15. Februar 2014.
  3. a b han/dpa: Gesundheitliche Gründe: Innenexperte Edathy zieht sich aus Bundestag zurück. Spiegel Online, 8. Februar 2014, abgerufen am 8. Februar 2014.
  4. a b Florian Gathmann, Philipp Wittrock: Kinderpornografie-Ermittlungen: Der Fall Edathy wird zur Regierungsaffäre. Spiegel Online, 13. Februar 2014, abgerufen am 15. Februar 2014.
  5. Simone von Stosch: Chronologie der Ereignisse im Fall Edathy – Wer wusste wann was? tagesschau.de, 14. Februar 2014, abgerufen am 15. Februar 2014.
  6. dpa: Vom ersten Verdacht zum Ministerrücktritt. Die Welt, 14. Februar 2014, abgerufen am 15. Februar 2014.
  7. syd/dpa/AFP: Funde bei Edathy: Staatsanwälte sprechen von "Grenzbereich zu Kinderpornografie". Spiegel Online, 14. Februar 2014, abgerufen am 15. Februar 2014.
  8. Edathy-Affäre kostet Friedrich den Job. Reuters, 14. Februar 2014, abgerufen am 15. Februar 2014.
  9. Jörg Fröhlich, Leiter der Staatsanwalt Hannover auf der Pressekonferenz am 14. Februar 2014, PHOENIX vor Ort-Video auf Youtube.
  10. Edathy weist Verdacht auf Besitz von Kinderpornos zurück. Zeit online vom 11. Februar 2014.
  11. "Bilder von nackten Jungs darf jeder besitzen", Interview mit Monika Frommel, emeritierte Professorin für Strafrecht, Deutschlandfunk vom 13. Februar 2014: "... die kanadische Behörde [hat ...] lediglich mitgeteilt, dass es Nacktfotos gibt. [...] erst wenn es Tatsachen gibt, dass es sich um pornografisches Material handeln könnte, dann besteht ein Anfangsverdacht. Was die Staatsanwaltschaft hier gemacht hat, das ist so was wie Beweisermittlungsdurchsuchungen. Das ist wirklich grundrechtswidrig."
  12. "Für den Minister war wichtig, dass es keine strafrechtlichen Vorwürfe waren", in: "Man hat eine Existenz vernichtet": Alle 16 LKA wussten früh vom Fall Edathy, n-tv.de vom 13. Februar 2014, abgerufen am 14. Februar 2014.
  13. a b Strafrechtlich unschuldig? Fall Edathy. Heribert Prantl in Süddeutsche Zeitung vom 15. Februar 2014, Seite 13.: „Die Filme werden auch vom neuen, hochsensibilisierten Strafrecht nicht erfasst. Wenn das aber so ist, dann ist ein monatelanges Ermittlungs- beziehungsweise Vorermittlungsverfahren problematisch. Noch viel problematischer sind die Haus- und Bürodurchsuchungen bei Edathy. Sie sind nicht nur hochproblematisch, sie sind wohl rechts- und verfassungswidrig. […] Die spekulative und zugleich existenzvernichtende, daher unzulässige Durchsuchung bei Edathy liegt daher hart an der Grenze zur Verfolgung Unschuldiger (§ 344 Strafgesetzbuch).“
  14. Edathy greift Staatsanwaltschaft an. Tagesschau.de, 12. Februar 2014, abgerufen am 15. Februar 2014.
  15. Sven Röbel: Staatsanwaltschaft Hannover: Bundestag widerspricht Chefermittler im Fall Edathy. Spiegel Online, 15. Februar 2014, abgerufen am 15. Februar 2014.
  16. Linke und FDP fordern Friedrichs Entlassung. sueddeutsche.de, 14. Februar 2014, abgerufen am 14. Februar 2014.
  17. dpa/Reuters/sk: Staatsanwaltschaft Berlin prüft Vorwürfe gegen Friedrich. Die Zeit, 13. Februar 2014, abgerufen am 15. Februar 2014.
  18. Vorwürfe gegen SPD-Politiker Edathy SPD-Spitze wusste seit Oktober von Verdacht. Tagesschau.de, 13. Februar 2014, abgerufen am 15. Februar 2014.
  19. BKA-Präsident Ziercke nimmt Stellung. (PDF 87.8kB) BKA, 13. Februar 2014, abgerufen am 15. Februar 2014.
  20. [1]
  21. Alle 16 LKA wussten früh vom Fall Edathy, n-tv, 13. Februar 2014
  22. „Das grenzt an Strafvereitelung“, Handelsblatt, 13. Februar 2014
  23. http://www.augsburger-allgemeine.de/thema-des-tages/FDP-Vize-Kubicki-prueft-Strafanzeige-gegen-Oppermann-id28824407.html
  24. Sueddeutsche.de Bundesagrarminister Friedrich tritt zurück
  25. http://www.welt.de/politik/deutschland/article124868883/Friedrichs-Kampf-dauerte-bis-die-Kanzlerin-anrief.html