Geschichte Argentiniens
Inka-Reich
Die heute zu Argentinien gehörenden Gebiete waren vor der Kolonialisierung durch Spanien relativ dünn besiedelt. Man nimmt an, dass die "Entdeckung" des Gebietes durch den Menschen etwa 10000 v.Chr. erfolgte, einige umstrittene Forschungen liefern allerdings Anhaltspunkte, dass das Gebiet schon 20000 v.Chr. besiedelt war, wobei noch nicht zweifelsfrei geklärt ist, ob sie über Nordamerika oder durch polynesische Seefahrer-Völker erfolgte, wie einige Forscher annehmen.
Besonders die Stämme, die im Pampa-Raum lebten (Querandíes, Tehuelches) waren bis zum Eintreffen der Spanier nicht seßhaft und besaßen auch keine nennenswert entwickelte Technologie. Anders die Stämme im Nordwesten des Landes, die etwa ab dem frühen Mittelalter Land- und Viehwirtschaft praktizierten und vor allem auf dem Gebiet der Architektur weit fortgeschritten waren. Die Befestigungsanlagen von Quilmes in der Provinz Tucumán sind ein Zeugnis dafür. Im 13. und 14. Jahrhundert expandierte das Inka-Reich stark nach Süden und umfasste um 1450 weite Teile des Nordwestens Argentiniens, die maximale Ausdehnung des Reiches betrug bis in den Norden der heutigen Provinz Mendoza. Viele der Stämme dieser Region, wie die Kollas der Puna-Hochebene, übernahmen die Sprache (das Quechua) und die Technologie der Inkas. Die im Nord-Westen Argentiniens lebenden Diaguitá hatten dem expandierenden Inka-Reich lange widerstanden. Die Guaraní und ihre Verwandten (Chiriguano, Mbya und Chané) lebten weiter östlich im Gran Chaco und im heutigen Misiones und wurden vom Inka-Reich nicht erfasst.
spanische Kolonie
Die Europäer erreichten diese Region mit der Reise Amerigo Vespucci 1502. Der spanische Seefahrer Juan Diaz de Solís besuchte das heutige Argentinien im Jahre 1516. Spanien etablierte eine permantente Kolonie um Buenos Aires 1580, obwohl die anfängliche Besiedelung urprünglich über das Festland von Peru her vorsich ging.
Vizekönigreich Neuspanien und Vizekönigreich Peru
Vizekönigreich Neuspanien
Nachdem Spanien seinen amerikanischen Einfluss um etwa 1540 sichergestellt hatte, wurde das spanische Lateinamerika durch zwei Vizekönigreiche verwaltet: Das Vizekönigreich Neuspanien, welches Teile der USA, Mittelamerika und die Karibik umfasste, und das Vizekönigreich Peru, welches Südamerika mit Ausnahme der portugiesischen Einflusssphäre einschloss.
Vizekönigreich Peru
Von letzterem wurde 1717 das Vizekönigreich Neugrenada im nördlichen Südamerika und 1776 das Vizekönigreich des Rio de la Plata im südlichen Südamerika abgespalten, welches neben Argentinien noch das heutige Bolivien, Paraguay und Uruguay umfasste.
Bildung eines Nationalstaates
Inspiriert durch die Französische Revolution und den erfolgreichen Unabhängigkeitskrieg der USA griffen liberale Ideen auch auf Lateinamerika über.
Die 1810 in Buenos Aires erklärte Unabhängigkeit hatte nur lokale Wirkung; viele Landesteile am Rio de la Plata suchten eigene Wege. 1811 spaltete Paraguay sich ab.
Militärische Erfolge durch José de Martín und Simón de Bolívar in den Jahren 1814 bis 1817 änderten jedoch die Situation derart, dass sich das restliche Vizekönigreich des Rio de la Plata am 9. Juli 1816 für unabhängig erklärte.
Es folgten Jahre turbulenter innenpolitischer Auseinandersetzungen, während derer sich Bolivien 1825 und Uruguay 1828 abspalteten. Auf die Jahre der Befreiung folgte eine konservative Gegenbewegung unter Juan Manuel de Rosas von 1829 bis 1852, während der liberale Politiker ins Exil gezwungen wurden.
Rosas Diktatur endete durch einen Umsturz unter General Justo José de Urquiza, der von Uruguay und Brasilien unterstützt wurde. 1853 wurde von den Provinzen eine republikanische Verfassung verabschiedet, die Buenos Aires nicht anerkannte.
1859 endeten die Auseinandersetzungen militärisch, mit folgender Einheit Argentiniens. Der liberale Politiker Bartolomé Mitre wurde 1862 von der Nationalversammlung zum Präsident gewählt. Ihm folgte 1868 Domingo Sarmiento.
In diese Zeit fällt der blutige Drei-Allianzen Krieg (1865 - 1870) zwischen dem siegreichen Argentinien, Brasilien und Uruguay gegen Paraguay. Im folgenden Jahrzehnt wurde die Pampas durch General Julio Roca vollständig unterworfen, der nach seinem Sieg 1880 zum Präsidenten gewählt wurde.
Seine und die folgenden Regierungen waren oligarchisch ausgerichtet, mit großem Einfluss der Großgrundbesitzer. Nationalistische Ideen wurden seit 1900 populär. Sie orientierten sich eher an Europa denn an den USA.
1916 löste die Radikale Partei unter Hipólito Yrigoyen die bestehende Regierung ab. Dieser Machtwechsel wurde möglich gemacht durch die Reform des Wahlgesetzes im Jahre 1912, als die Wahlpflicht eingeführt wurde.
Die Jahre von 1880 bis 1929 brachten Argentinien wirtschaftlichen Aufschwung und verstärkte Einwanderung, hauptsächlich aus Europa. Die Wirtschaft war stark auf den Export von Rohstoffen und den Import von Industrieprodukten eingestellt. Diese Periode endete mit der Weltwirtschaftskrise.
Weltwirtschaftskrise
Der Zusammenbruch des internationalen Handels führte zu der so genannten 'Import-Ersatz-Industrialisierung' mit Aufbau von Industrie und stärkerer wirtschaftlicher Unabhängigkeit. Gleichzeitig bestand ein Klima der politischen Auseinandersetzung zwischen rechten, faschistischen und linken, radikalen Parteien. Die Politik Argentiniens war in dieser Zeit durch rechtsgerichtete und militärische Regierungen geprägt. Der 1938 zum Präsidenten gewählte Roberto Ortiz bemühte sich um die Stärkung der Demokratie.
Zweiter Weltkrieg
Sein 1942 gewählter Nachfolger Ramón Castillo wurde 1943 durch einen Putsch entmachtet. Argentinien war im Zweiten Weltkrieg offiziell neutral, sympathisierte mit den Achsenmächten, und unterstützte gegen Kriegsende die Alliierten.
freien Wahlen
Massenproteste 1945 führten zu freien Wahlen im darauf folgenden Jahr. Juan Perón gewann diese und dominierte mit seiner Frau Eva Perón (genannt Evita, † 1952) das politische Leben bis 1955. Teil der peronistischen Politik war die Nationalisierung wichtiger Industriezweige. Perón setzte 1949 eine Verfassungsänderung durch, die ihm eine zweite Präsidentschaft erlaubte.
Putsch und Instabilität
Ein Militärputsch unter Führung von Eduardo Lonardi, bei dem etwa 4000 Menschen umkamen, beendete 1955 Peróns Regierung. Doch auch nach seiner Entmachtung blieb Perón bei den Massen beliebt und aus dem Exil heraus einflussreich.
Lonardi wurde kurz darauf von Pedro Aramburu abgelöst, der die Verfassung von 1853 wieder einsetzte. Bei den Wahlen 1956 gewann Ricardo Balbin (Radikale Partei) die Mehrheit; allerdings gab es 25% leere Stimmzettel, zu deren Abgabe die verbotene Peronistische Partei aufgerufen hatte. Das neu gewählte Parlament bestätigte die wieder eingesetzte Verfassung von 1853. Wahlen im Februar 1958 brachten Arturo Frondizi von der Linksradikalen Partei (mit Unterstützung durch Peronisten und Kommunisten) an die Regierung.
Frondizis Regierung endete 1962 durch das Militär, das ihm peronistische Sympathien vorwarf. Es bestimmte Jose Maria Guido, den Vorsitzenden des Senats, zu seinem Nachfolger. Die folgenden Wahlen vom Juli 1963, an denen Peronisten und Kommunisten nicht teilnehmen durften, gewann Arturo Illia von der Radikalen Volkspartei. Erfolge der Peronisten in Regionalwahlen und Nachwahlen 1965 sowie Arbeiterunruhen führten zu einem erneuten Putsch im Juni 1966.
Der letzte vom Militär ernannten Präsidenten, Alejandro Lanusse, bereitete seit seinem Amtsantritt 1971 die Wiederherstellung der Demokratie vor. Proteste und Gewalt prägten die Jahre 1972 und 1973. Die Wahl vom März 1973 gewannen die Peronisten mit Hector Campora als Präsidentschaftskandidaten.
Nach eskalierendem Terror von Rechts und von Links und Peróns Rückkehr trat Campora zurück und ermöglichte Peróns erneute Präsidentschaft. Nach Peróns Tod im Juli 1974 folgte ihm Isabel Perón, seine dritte Ehefrau, im Amt. Ihre Regierungszeit war von wirtschaftlichem Niedergang und erneutem Terrorismus geprägt.
Im März 1976 übernahm das Militär unter Jorge Rafael Videla erneut die Regierungsgewalt. Terror und Gegenterror prägte die folgenden Jahre. In der Kampagne der Militärregierung gegen ihre politischen Gegner, insbesondere gegen die Montoneros, wurden nach Angaben der Argentinischen Kommission für Menschenrechte nachweisbar etwa 2300 Menschen ermordet und 10000 verhaftet. Zwischen 20000 und 30000 Menschen, Desaparecidos genannt, verschwanden in dieser Zeit spurlos. Die Mütter des Plaza de Mayo verlangen seit 1977 erfolglos die Aufklärung dieser Verbrechen.
Videlas Nachfolger Roberto Viola (März 1981) und Leopoldo Galtieri (Dezember 1981) vermochten das Land nicht aus der schweren Wirtschaftskrise zu befreien. Der Versuch, Argentinien durch die Besetzung der Malvinen (Falklandinseln) im April 1982 zu mobilisieren, versagte aufgrund des britischen Sieges im Falklandkrieg im Juni 1982. Galtieri wurde daraufhin durch Reynaldo Bignone abgelöst.
Demokratisierung
Hoch verschuldet und wirtschaftlich angeschlagen wählte Argentinien im Oktober 1983 Raúl Alfonsin von der Radikalen Partei zum Präsidenten. Alfonsin führte Militärreformen ein, bekam die Wirtschaftsprobleme aber nicht unter Kontrolle. Die Peronisten gewannen die Wahl vom Mai 1989 mit Carlos Menem.
Die Privatisierung von Staatsbetrieben sowie eine Restrukturierung der Staatsschulden führten nur zu einer kurzzeitigen Erholung. Nach einer breit getragenen Verfassungsreform gewann Menem 1995 ein zweites Präsidentschaftsmandat. Ihm folgte Fernando de la Rúa im Jahre 1999. Nach massiven Protesten trat dieser zurück und gab sein Amt an Eduardo Duhalde ab. Seit Mai 2003 ist Néstor Kirchner Präsident der Republik.
In Argentien gibt es Wahlpflicht, seit 1912 auf Druck des Präsidenten Roque Saenz Peña das Wahlgesetz reformiert wurde.
Wirtschaftskrise
Ab Ende 1998 befand sich Argentinien in einer tiefen deflationären Wirtschaftskrise. [1999] schöpfte die Bevölkerung Hoffnung durch die Wahl Fernando de la Rúas zum argentinischen Präsidenten. De la Rúa trat mit einer mitte-links Koalition an und konnte die peronistische Regierung ablösen. Allerdings führte der richtungslose Kurs der Regierung unter De la Rúa und Streitereien innerhalb der Koalition zu einer weiteren Verschlechterung der wirtschaftlichen Situation. Der Wirtschaftsminister wechselte mehrere Male bis De la Rúa mit Domingo Cavallo einen ehemaligen Peronisten und den Vater der 1:1-Bindung an den US-Dollar als Wirtschaftsminister in die Regierung holte. Dieser fühlte sich Ende 2001 genötigt alle Bankkonten einzufrieren, was einen Sturm der Empörung in der Bevölkerung auslöste der seinen Ausdruck vor allem in den sogenannten Caserolasos (gemeinschaftliches lautes Schlagen mit einem Kochlöffel auf einen Kochtopf) fand. Darüber hinaus gab es Ende 2001 massenweise Plünderung in und um Buenos Aires durch Arbeitslose und sogenannte Piqueteros (Personen, die ihr Geld durch illegale Straßensperren und Wegzölle verdienen). De la Rúa trat schließlich am 21. Dezember 2001 von seinem Amt zurück, nachdem in den Tagen zuvor mehr als 25 Menschen in gewaltsamen Ausschreitungen zwischen Demonstranten und der Polizei ums Leben kamen. Die daraufhin folgende Regierungen unter Adolfo Rodriguez Saás erklärte schließlich den Staatsbankrott, doch nach fünf Tagen trat auch er infolge des Widerstands aus der eigenen, peronistischen Partei zurück. Sein Nachfolger Eduardo Duhalde, dem eher konservativen Menemistischen Flügel der Peronisten angehörig, wertete dann die Währung weitgehend unkontrolliert ab, so dass diese zeitweise auf unter 25% ihres vorherigen Wertes fiel.
Ein weiterer Höhepunkt der Wirtschaftskrise war die erste Jahreshälfte 2002, in der die Arbeitslosigkeit und die Armutsrate auf Rekordhöhen stiegen. Die Unzufriedenheit mit der Situation führte vor allem bei den unterprivilegierten Schichten (Arbeitslosen) und dem Mittelstand zu häufigen Demonstrationen.
Seit Mitte 2002 stabilisierte sich die Situation jedoch langsam, und seit Ende des gleichen Jahres konnte wieder ein Wirtschaftswachstum verbucht werden. Im Mai 2003 wurde nach einer sehr chaotisch verlaufenden Präsidentschaftswahl Néstor Kircher zum neuen Staatsoberhaupt gewählt. Er gehört eher zum linken Flügel der peronistischen Partei an. Trotz seines niedrigen Wahlergebnisses ist dieser jedoch zur Zeit in der Bevölkerung sehr beliebt, da er fällige Reformen angeht, die die Situation des Landes auf allen (auch auf sozialen) Gebieten verbessern könnten. Derzeit ist die Wirtschaft weiterhin auf Erholungskurs: 2003 verbuchte Argentinien ein Wachstum des Bruttoinlandsproduktes in Höhe von 8,7% gegenüber -10,9% im Jahr 2002. (Quelle: [1])
Siehe auch: