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Killesbergturm

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Killesbergturm

Der Killesbergturm ist ein moderner, neu errichteter Aussichtsturm und befindet sich in Stuttgart im Höhenpark Killesberg. dieser liegt nordwestlich der Innenstadt inmitten des „Grünen U“, einem Zusammenschluss von Grün- und Erholungsanlagen, welche auch die Schloßgartenanlagen sowie den Rosensteinpark mit einschließen.


Projekt-, Planungs- und Ausführungsbeteiligte

  • Bauherr: Verschönerungsverein der Stadt Stuttgart
  • Planung und Bauüberwachung: Schlaich, Bergermann und Partner, Stuttgart
  • Vermessungsarbeiten: Dipl.-Ing Walter Köpf, Stuttgart
  • Fundamente: Wayss & Freytag Ingenieurbau AG, Stuttgart
  • Stahlbau, Fertigung und Montage: E. Roleff GmbH, Esslingen
  • Netze und Geländer: Carl Stahl, Stuttgart
  • Ausführung der Außenanlagen: Garten- und Friedhofsamt der Stadt Stuttgart

Leitgedanke, Zielvorstellung

1985 erhielt die Stadt Stuttgart den Zuschlag zur Durchführung der Internationalen Gartenbauausstellung (IGA) 1993. Mit der Zusammenschließung und Aneinanderreihung der Grünflächen wurde deutlich, dass es einer künstlichen Erhöhung bedurfte, um den Besuchern einen weiten Überblick über das zu Schaffende zu ermöglichen. Als Standort bot sich ein Platz auf dem Killesberg an, auf welchem schon früher ein Aussichtturm stand.

Viel schwieriger als der Standort erwies sich aber die Suche nach der geeigneten Form des Turmes. Schließlich standen mehrere Möglichkeiten sowie Baumaterialien zur Verfügung. Der Turm sollte filigran sein und sich in die Landschaft einpassen, ohne dabei seine Umgebung und das „Grüne U“ in seinem Erscheinungsbild zu stören. Das anspruchsvolle Ziel war es zu zeigen, dass moderne Bautechnik mit ihrer Umwelt verträglich sein kann. Selbst oder gerade dann, wenn ein Turm – so wie hier – recht hoch, voluminös und mit mehreren, zum Teil sehr großen Aussichtsplattformen ausgestattet sein soll.

Letztendlich machte Jörg Schlaich den Vorschlag eines Seilnetzturms, welcher dann auch umgesetzt wurde. Vorbild dafür war, das statische Prinzip der Seilnetzkühltürme eines Kernkraftwerkes zu übernehmen.

Projekthistorie

Patenschild am Killesbergturm
Treppenaufgang mit Patenschildern

Nachdem 1986 schon die ersten Pläne für den Turm vorlagen, wurde dieser von 1987 bis 1991 in seiner Gestalt und Ausführung weiterentwickelt und es entstanden erste Detailplanungen.

Der Gemeinderat stoppte jedoch 1993 das Projekt. Der Veranstalter der IGA hatte sich bei seiner Kostenrechnung verkalkuliert und seinen Etat überzogen. Da man nun Finanzmittel umverteilen musste, fiel der Killesbergturm dem Rotstift zum Opfer. Doch bereits eine Stunde nach dem Beschluss des Gemeinderats bat man den Verschönerungsverein Stuttgart um Hilfe. Dieser Verein hatte mit seinen Aktivitäten und Bemühungen schon vieles für das Erscheinungsbild Stuttgarts bewirkt und war darüber hinaus im Sammeln von Spenden geübt. Die Überlegung bestand darin, dass der Verein Spenden für den Bau des Turmes sammelt und die Stadt Stuttgart die ausstehende Summe aufbringt. Der Verschönerungsverein bot seine Hilfe an, nicht so aber die Stadt Stuttgart. Hier war man der Meinung, der Verein allein sollte die Kosten tragen.

1993 fand dann schließlich die IGA ohne Turm statt. Zwischen 1994 und 1997, der Verschönerungsverein war nun Bauherr geworden, war der Versuch, Spendengelder einzuholen, nur von mäßigem Erfolg gekrönt. Nach Immobilienverkäufen kam zwar etwas Geld in die Kasse des Vereins, aber bei weitem nicht genug, um ein Bauvorhaben in dieser Größenordnung finanzieren zu können. Die fehlende Summe belief sich auf 400.000 Mark.

1998 kam man schließlich auf die Idee zu einer Turmpatenschaft. Jeder Person oder auch Unternehmen konnten sich sich mittels einer Patenschaft eine der Stufen zu sichern und dort auf einem Spenderschild seinen Namen oder eine Widmung anbringen zu lassen. Dank dieser Idee wurde schließlich die finanzielle Lücke so weit verkleinert, dass der Verein grünes Licht für den Bau des Turmes geben konnte. Man ging davon aus, dass die noch offene Summe von 100.000 Mark während der Bauzeit eingehen würde. Am 25. Oktober 2000 erfolgte der Spatenstich, die Eröffnung des Turmes war bereits neun Monate später, am 17. Juli 2001.

Herstellung und Montage

Mastfuß des Killesbergturms

Die Vorfertigung in der Werkstatt

Stahl- und Seilbauten wie der Killesbergturm werden im Allgemeinen in möglichst großen Einzelstücken (welche gerade noch transportierbar sind) in den Werkstätten vorgefertigt. Auf den Baustellen werden diese dann zusammengesetzt, verschweißt oder verschraubt. Ausnahmen sind die Fundamente, die vor Ort gefertigt werden.

Ein wichtiger Grundsatz hierbei ist, dass die Notwendigkeit einer präzisen Vorfertigung mit der Komplexität und dem Aufwand einer Konstruktion steigt. Nicht genau passende Bauteile können Konstruktionsfehler verursachen, so dass es später auf der Baustelle zu Verzögerungen kommt. Besonders trifft dies bei der Konstruktion der Treppen und der Plattformen des Killesbergturms zu. Um die Genauigkeit zu gewährleisten, wurden besonders kritische Segmente in der Werkstatt zur Probe zusammengebaut und anschließend für den Transport wieder auseinandergebaut.

Ein hoher Aufwand war auch für die Treppenstufen notwendig: Für jede der beiden Treppen wurden die jeweils 174 Stufen einzeln gefertigt, da der Turm nicht nur wendelförmig sondern auch konisch nach oben verläuft. Die Vorbereitungszeit für die Produktion der einzelnen Stahlteile betrug bis zu 3 Wochen.

Die Baustellenmontage

Killesbergturm

Allerhöchste Anforderungen wurde hier an das genaue Ablängen der Seile gestellt, damit das Netz später seine vorgegebene Geometrie annimmt und alle Seile gleichmäßig gespannt sind.

Sicherlich wäre es vom Bauablauf am einfachsten gewesen, hätte man zuerst den Mast aufgestellt und danach das Netz aufgespannt, um abschließend die Treppen sowie die Plattformen anzubringen. Dies hätte aber den Nachteil mit sich gebracht, dass Letztere in kleine Teile hätte zerlegt werden müssen, damit sie durch die Maschen des Netzes passen. Da man so auf der Baustelle viel Schweißarbeit hätte verrichten müssen, entschied sich die Firma Roleff aus Esslingen gegen diese Möglichkeit.

Vielmehr entschied man sich dafür, den Turm in mehreren Abschnitten von unten nach oben zu errichten. Mit dem Gerüstsystem wurden die einzelnen Plattformen, welche zwischenzeitlich als Arbeitsplattformen und Hilfsstützen bei der Montage der eigentlichen Plattformen und Treppen dienten, vorgestellt, bis der Mast in seiner gesamten Höhe errichtet war. Das Gerüst wurde hierbei auf den einzelnen Ebenen mit Stahlbelägen ausgelegt. Der Zugang zu allen Arbeitsstationen wurde ermöglicht, indem man Beläge mit integrierten Leitern über die gesamte Höhe von 40 Metern in die Konstruktion integrierte. Die Plattformen wurden von unten nach oben auf dem, Stück für Stück, mitwachsenden Gerüstsystem abgelegt, am Mast gelenkig gelagert und verschweißt.

Im Anschluss wurde ein Stahlring ähnlich wie eine Rohrschelle um den Mast geklemmt. An diesem Ring wurde dann die zusammengeschweißte Plattform provisorisch mit Stahlseilen befestigt. Jetzt war es möglich, das Gerüst bis zur nächsten Plattform weiter aufzubauen und analog die nächste Ebene zu montieren. Der Abstand zwischen den Hilfsebenen des Gerüstes sowie den Turmplattformen betrug 1 Meter.

Bevor abschließend der obere Druckring montiert werden sollte, wurden die Treppen und Plattformen um den Mast herum als Hilfsstützen befestigt. Erst jetzt wurden die Netzseile zwischen dem oberen Netzring und dem Fundamentring schlaff eingebaut und die noch auf den Gerüsten liegenden Plattformen konnten an ihrem äußeren Umfang befestigt werden.

Um dem Netz seine Tragfähigkeit zu verleihen wurden die Netzseile im Anschluss einzeln an der Fundamentverankerung vorgespannt, um schließlich auch das Gewicht der Treppen zu tragen, die nun an das Netz angehängt wurden. Dabei senkten sich die Plattformen um 6 bis 8 cm und lagen somit frei. Die Schwierigkeit hierbei war, die Plattformen beim Abspannen nicht mit dem Gerüst zusammenstoßen zu lassen. Zu guter Letzt konnten die Hilfsstützen ausgebaut werden, der Turm stand damit frei.

Die Standzeit des Gerüstes für den Killesbergturm betrug 18 Wochen. Insgesamt wurden 4000 m³ Gerüst eingesetzt. Neben den fast 2000 m Stahlseil wurden 75 t Stahlkonstruktion verbaut.

Konstruktion des Killesbergturms

Treppe und Seilnetz

Festigkeit der Seile

Bei den Netzteilen des Killesbergturms handelt es sich um Spiralseile mit lediglich 18 mm Durchmesser. Diese sind geflochten aus 37 einzelnen verzinkten Drähten mit je 2,6 mm Durchmesser. Ein Versagen des Werkstoffes würde erst bei 277 kN (28 t) auftreten. Zum Vergleich dazu bräuchte ein normaler Baustahl den etwa dreifachen Querschnitt.

Das Seilnetz und die Plattformen

Die Treppen an sich werden lediglich vom Seilnetz getragen, indem ihre Rohre an den Stellen an denen sie die Schrägseile kreuzen daran festgeklemmt sind. An freien Kreuzungspunkten sind die Seile des Netzes mit einfachen Klemmen verbunden damit sie sich nicht aneinander scheuern.

Die Plattformen sind innen am Mast gelenkig gelagert und an ihrem Umfang an den Kreuzungspunkten der Netzteile mittels Pressfittingen am Netz befestigt. An den zwei Aussparungen der Plattformen für die Treppen entfallen diese Befestigungen und man kann erkennen wie das Seilnetz etwas „eindellt“. Mit einem Ringträger wäre dies zwar vermeidbar gewesen. Da dieser die Sicht beeinträchtigt hätte, entschied man sich dafür auf diesen zu verzichten.

Korrosionsschutz

Sämtliche Seile und deren Beschläge sind verzinkt. Somit ist ein Schutz gegenüber Korrosion über Jahre hinweg ohne einen Anstrich garantiert. Zusätzlich zur Verzinkung haben alle Stahlbauteile einen zweifachen Anstrich. Die Hohlprofile, zu denen der Mast und die Treppen zählen, sind sowohl innen als auch außen verzinkt. Die Riffelbleche der einzelnen Plattformen, welche begehbar sind, wurden lediglich verzinkt.

Stahlgussteile

Die Anschlussklemmen der Geländer sowie die Seilklemmen zur Befestigung der Plattformen und Treppen am Seilnetz sind teilweise aus Stahlguss, teilweise gefräst.

Die Seile

Für die Aufhänge– sowie Netzseile werden offene Spiralseile mit einem Durchmesser von 18 mm bzw. 24 mm aus je 37 bzw. 61 Drähten mit einem Durchmesser von 2,6 mm verwendet. Die Zugfestigkeit beträgt dabei 1,57 kN/mm². Dank dieser relativ dicken Drähte sind die Seile recht unempfindlich gegenüber der Querpressung an den Klemmen. Eine besonders große Schlaglänge wurde hier gewählt, da – anders als zum Beispiel auf den Masten von Brücken – die Seile des Turms fast gerade eingebaut wurden.

Sicherheit des Turmes

Die Aufgabe der Sicherheit des Turmes und dessen Besucher liegt bei der Stadt Stuttgart. In die Diskussionen und somit ins öffentliche Interesse kam die Sicherheit des Killesbergturms im Herbst 2001. Anlass dafür war der Suizid einer psychisch kranken Frau, welche sich vom Killesbergturm in den Tod stürzte.

Die Betriebssicherheit des Turmes wurde in Frage gestellt und angezweifelt. So kam es dazu, dass Vertreter des Verschönerungsvereins, des Garten- und Friedhofamtes, der Polizei sowie der Konstrukteur Professor Jörg Schlaich sich im Oktober 2001 zu Gesprächen und Beratungen über die Sicherheit des Turms trafen. Die Teilnehmer waren sich in der Tatsache einig, dass es keine Möglichkeit gibt Personen, die festen Willens sind, vom Turm zu springen, davon abzuhalten, ohne dass es dafür nötig wäre den Turm komplett umzubauen.

Beleuchtung des Turms

Beleuchtung des Killesbergturms

Nachts wird der Turm von den unter seinen Plattformen angebrachten Flutlichtern bestrahlt. Sechs Strahler befinden sich unter jeder der vier Plattformen. Aus seiner Geometrie ergibt sich jedoch ein bis heute noch nicht behobenes Problem. Betrachtet man den Killesbergturm bei Nacht und unter Beleuchtung, so kann man aus der Ferne nicht seine tatsächliche Form, nämlich die eines Kegels, erkennen. Da lediglich die Unterseiten der Plattformen beleuchtet werden, sieht der Turm bei Nacht eher wie ein Kegelstumpf aus. Der Abschluss des Turmes oberhalb der letzten Plattform ist unbeleuchtet und lässt sich somit für das Auge des Betrachters nur erahnen. Dieses Problem ist dem Verschönerungsverein schon länger bekannt. Man hat diesbezüglich eine Firma beauftragt, oberhalb der letzten Plattform zusätzlich Beleuchtung anzubringen, um dieser optischen Täuschung entgegenzuwirken. Bis heute, knapp zwei Jahre später, hat sich jedoch noch nichts an dieser Situation geändert.

Nutzung

Der Killesbergturm steht allen Personen zum Besuch frei. Der Aufstieg ist allerdings nicht kostenlos. Am Fuße des Turms ist ein geringes Eintrittsgeld zu vergüten. Die Öffnungszeiten sind von 7.00 Uhr bis zum Einbruch der Dunkelheit. Es besteht auch die Möglichkeit, den Killesbergturm für private Feste und Feiern zu mieten. Die Vermarktungsrechte hierfür liegen bei avcommunication AG aus Ludwigsburg.

Folgekosten

Bis zum Jahr 2011 ist der Verschönerungsverein Stuttgart Besitzer des Killesbergturms. Nach zehn Jahren wird dann der Turm, nach den Verträgen vor der Währungsumstellung, für den symbolischen Preis von 1,00 Deutscher Mark seinen Besitzer wechseln. Neuer Besitzer wird dann die Stadt Stuttgart. Diese trägt auch jetzt schon die Kosten für die Betriebssicherheit des Turms.

Der Killesbergturm in Zahlen

Der Killesbergturm aus der Ferne
  • Baukosten: ca. 1,18 Mio. €
  • Höhe: ca. 40 m
  • Breite an der Basis: 21 m
  • Eigengewicht: 80 t
  • Tragfähigkeit: 185 t
  • Aussichtsebenen: 4
  • Anzahl der Spiralseile: 48
  • Anzahl der Treppenstufen: 348
  • Mast
    • Druckkraft unter Vorsp. (VS) allein: 3500 kN
    • Durchmesser: 508 mm
    • Wandstärke: 25 mm
  • Seilnetz
    • Zugkraft in jedem der 48 Seile unter VS: 88,5 kN
  • Oberer Druckring
    • Max. Druckkraft im Ring: 410 kN
    • Max. Zugkraft in den 24 Aufhängeseilen: 186 kN
  • Obere Plattform
    • Max. horizontale Verformung unter einseitiger Last und vollem Wind: 110 mm
    • Max. vertikale Verformung des Außenrandes unter Volllast und Wind: 22 mm
  • Koordinaten des Killesbergturms: Vorlage:Koordinate Text Artikel

Baubeispiele

Beispiele für Seilnetztürme gibt es genügend. Aufgrund ihrer filigranen Bauweise und der doch relativ geringen Baukosten sowie der schnellen Montage sind diese sehr beliebt. Als Beispiel soll hier der Wasserturm von Nischni Nowgorod (Russland) erwähnt werden. Im Ingenieurbau hat man schon reichlich Erfahrung mit Netzseiltürmen sammeln können. Neben dem oben erwähnten Wasserturm sind die Kühltürme von Atomkraftwerken ein gutes Beispiel hierfür. Im Gegensatz zum Killesbergturm haben sie aber eine völlig andere Aufgabe und ihre Außenmembran ist voll verkleidet. Somit ist ihr Seilnetz für den Betrachter nicht zu sehen.

Weitere Türme in Stuttgart

Quellen

  • Türme sind Träume, avedition GmbH, Ludwigburg, Erscheinungsjahr: 2001 (ISBN 3-929638-51-7)
  • Detail, Dez. 2001, n.8 v. 41
  • Deutsche Bauzeitschrift, Ausgabe 9/01 und 12/01

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