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Policeyordnung für das Herzogtum Westfalen (1723)

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Titelblatt der von Joseph Clemens erlassenen Polizeiordnung von 1723

Die Polizeiordnung (im Folgenden: PO) für das kurkölnische Herzogtum Westfalen vom 20. September 1723 wurde von Kurfürst-Erzbischof Joseph Clemens von Bayern in Bonn erlassen. Sie umfasst 44 Titel mit 250 Paragraphen. Die Polizeiordnung befasst sich mit Fragen zu Religion, gesellschaftlichen Normen, Handel und Wirtschaft, sowie Schadensregulierungen und weiteren öffentlichen Ordnungsmaterien.

Einführung

Die Idee der "guten Policey"

Die "gute" Policey (altgriechisch πολιτεία politeia = Ordnung) entwickelte sich seit dem 15. Jahrhundert. zu einer allgemeinen, innenpolitischen Ordnungsvorstellung, die entweder durch einen speziellen Normgebungsakt (Einzelverordnung), eine ordnende Regierungs- bzw. Verwaltungstätigkeit oder durch eine bereichsübergreifende Gesamtordnung propagiert wurde. Sie stellte noch im 18. Jahrhundert ein unverzichtbares Mittel des innenpolitischen Handelns dar und zeigte mit ihren weitreichenden Ordnungsvorschriften den Willen zur staatlichen Monopolisierung der Gesetzgebungskompetenz. Die Durchsetzbarkeit von Policeyordnungen ist allerdings nach wie vor umstritten.[1] Gegen eine weitreichende Durchsetzung spricht vor allem das Fehlen von herrschaftlichen Exekutivorganen, welche erst im 18. Jahrhundert. sukzessive etabliert werden konnten (Policeybehörde, Policeykommissar).[2] Vermehrt wird in neuerer Zeit hingegen auf die symbolische Bedeutung der PO für die Abbildung des frühneuzeitlichen Herrschaftsverständnisses abgestellt.[3]

Kontext der PO von 1723

Die PO für Westfalen von 1723 stellt in diesem Kontext die letzte im Kölner Kurstaat erlassene, alle Bereiche umfassende Gesamtordnung dar. Grundlage waren die vorangegangenen Ordnungen für das Herzogtum Westfalen von 1645 und 1656 wie auch die Kölner Ordnungen von 1537/1538 und 1595. Gleichzeitig markiert sie eine Phase des Herrschaftsüberganges in Kurköln, da Kurfürst Joseph Clemens nur knapp zwei Monate nach ihrem Erlass starb. Sein Nachfolger Clemens August bestätigte sie bereits am 20.11.1723 bei einem Aufenthalt in Schloss Ahaus. Clemens August versuchte in der Folge bis 1739 mehrmals, die westfälische Ordnung auf den rheinischen Teil des Kurfürstentums auszuweiten, was aber am Widerstand der dortigen Landstände scheiterte. Dadurch verstärkte sich in Kurköln die Tendenz, die Policey durch Einzelverordnungen festzusetzen, da hierbei nicht generell die Zustimmung der Landstände bzw. des Domkapitels erforderlich war.[4]

Inhalt der Policeyordnung von 1723

Die 44 Titel der PO lassen vier zusammenhängende Themenblöcke erkennen, welche im Folgenden separat zusammengefasst werden. Am Anfang stehen religiös-konfessionelle Regelungsmaterien. Diese Bestimmungen wurden in den meisten frühneuzeitlichen PO an den Anfang gestellt, um der herausgehobenen Stellung der Religion Rechnung zu tragen. Dies gilt umso mehr, wenn es sich wie im vorliegenden Fall um eine Ordnung handelt, die von einem geistlichen Landesherrn erlassen wurde.[5] Anschließend behandelt die PO den Bereich der gesellschaftlichen Normen, die das soziale Zusammenleben reglementieren sollten, gefolgt von wirtschaftlichen Bestimmungen. Den Abschluss bilden diverse Bestimmungen verschiedener Regelungsmaterien, die unter "Schadensregulierung und -prävention" zusammengefasst werden können. Zu einem besseren Überblick, wurden im Folgenden die jeweiligen Titel der Polizeiordnung zusammengetragen.


“Tit. 1. Von Gotteslästerung und Gottes-Schwähren (5 §)“

“Tit. 2. Von Lästerung der Mutter Christi und deren Heiligen“

“Tit. 3. Von Zuhöreren solcher Lästerung“

“Tit. 4 Von Schwähren und Fluchen“

“Tit. 5. Von des Adels und ihrer Bedienten Gottes-schwähren und fluchen“

“Tit. 6. Von Warnung auf den Predigtstühlen aller Gotteslästerung und Schwur halber“

“Tit. 7. Von Wiedertäufferen und anderen verbottenen Secten“

“Tit. 8. Von Gottesdienst und Haltung der Sonn- und Feyertägen (9 §)“

“Tit. 9. Von Winckel-Predigten“

“Tit. 10. Von Buchtrucken und verkauffen“

“Tit. 11. Von Versamblungen und ungebührlichen Rotten“

“Tit. 12. Vom übermäßigen Trincken (7 §)“

“Tit. 13. Von leichtfertiger Beywohnung (3 §)“

“Tit. 14. Von Erziehung der Kinder (9 §)“

“Tit. 15. Von Wucherlichen Contracten oder Verträgen (10 §)“

“Tit. 16. Von anderen heimblichen und betrieglichen Contracten (3 §)“

“Tit. 17. Von Bettleren und Müßiggängeren (9 §)“

“Tit. 18. Von unordentlicher kostbarkeit deren Kleideren und unnöthigen Kösten bey denen Traurfällen (8 §)“

“Tit. 19. Von übermäßigen kösten so bey Fastnacht, Hochzeit, Kindertauffen, Begräbnuß- und anderen Gesellschafften aufgewendet werden (11 §)“

“Tit. 20. Von Verkauffung deren Wüllen-Tücher (2 §)“

“Tit. 21. Von Ehl, Maaß und Gewicht (2 §)“

“Tit. 22. Von Brodt backen und verkauffen (3 §)“

“Tit. 23. Von Ein- und Verkauffung des Biers“

“Tit. 24. Vom Wein-verkauffen (4 §)“

“Tit. 25. Vom Fleisch-Verkauffen (9 §)“

“Tit. 26. Von dem Fischwerck“

“Tit. 27. Von Verkauffung des Gewürtz (3 §)“

“Tit. 28. Von Abdingung anderer Leuthen Reisigen, Knechten und Dienstbotten (5 §)

“Tit. 29. Von Taglöhneren und Botten-Lohn (8 §)“

“Tit. 30. Von großer Fahrläßigkeit und Versaumnüß des Brands (20 §)“

“Tit. 31. Von guter Ordnung und Policey in denen Städten und Freyheiten, wie dieselbe in Aufnehmen zu bringen und mit Werck-Aembteren zu versehen (24 §)“

“Tit. 32. Die Schnade des Landts, Ambt, Städt und Gerichteren Jährlich zu beziehen (2 §)“

“Tit. 33. Von Verhauung der hohen Gewälder und Landwehren (4 §)“

“Tit. 34. Von gemeinen Waldemeyen, Marcken und Holtzordnungen (20 §)“

“Tit. 35. Von Theilung deren Höfen, Güter und Auffbauung neuer Kotten (11 §)“

“Tit. 36. Von den Fischereyen (4 §)“

“Tit. 37. Von der Jagt und Tauben-Flucht (3 §)“

“Tit. 38. Von Gärten, Feldt-Schaden und Diebereyen (21 §)“

“Tit. 39. Von muthwilligen Außtretten der Underthanen (2 §)“

“Tit. 40. Von Zigeineren oder Heyden (6 §)“

“Tit. 41. Von denen Medicis, Apothekeren, Visitation deren Apotheken, Chyrurgis, deren Examination, wie auch Hebammen und dergleichen (6 §)“

“Tit. 42. Von Schlägerey (4 §)“

“Tit. 43. Von Brüchten“

“Tit. 44. Von Landstrassen, gemeinen Weegen, Brücken und Steegen“.

Im den weiteren Ausführungen, werden die jeweiligen Titelnummern in Klammern angegeben.


Religion/Konfession

Die Systematik der PO setzt den Schutz religiöser Sozialnormen an ihren Anfang (Tit. 1-10). Dadurch sollen nicht nur diese gesellschaftsbildenden Normen mit Gesetzeskraft geschützt werden, sondern auch alle weiteren Normen in den Abglanz der religiösen Normen gestellt werden. Die Allgemeingültigkeit dieser Normen wird ausdrücklich betont und dem Adel eine besondere Vorbildfunktion im religiösen Leben zugeschrieben (vgl. Tit. 5). Die Systematik vorangestellter religiöser Normen wird bereits in früheren Polizeiordnungen des 16. Jahrhunderts (Reichspolizeiordnungen von 1530, 1548, 1577) verwirklicht. Insoweit ist eine Kontinuität zu beobachten, welche durch Voranstellung der religiösen Normen nicht nur die besondere Bedeutung der Bestimmungen hervorhebt, sondern zugleich auch ein Fundament sowohl des Gesetzes als auch des gesellschaftlichen Lebens bzw. der öffentlichen Ordnung bereitet. Die Vorbildfunktion der gesellschaftlichen Elite, des Adels, in religiösen Dingen wird besonders hervorgehoben. Titel 5 ist gänzlich dem Fluchen des Adels und seiner Bediensteten gewidmet. Die Grafen und Herren sollen ,,Gottes-Schwür und Fluchen” unterlassen und dieses unter ihren Dienstboten gebührlich strafen. Um die auf der Religion fußende Ordnung zu bewahren, stellen die Titel 9 bis einschließlich 11 polizeirechtlich das Verbreiten anderer Überzeugungen unter Strafe. Hierunter fallen ,,Winckel-Prediger“ und die Verbreitung anderer religiösen Schriften.

Der Einfluss der religiösen Normen auf das gesellschaftliche Leben lässt sich besonders durch den Titel 8: "Von Gottesdienst und Haltung der Sonn- und Feyertagen" nachzeichnen. Sonn- und Feiertage sind hiernach durch Teilnahme an Gottesdienst (§ 1) und Unterlassung alltäglicher Arbeiten (vgl. §§ 2-6), wie etwa dem Heudreschen, der Markttätigkeit oder dem Ausschank von alkoholischen Getränken, gekennzeichnet. Titel 8 adressiert die Gesamtheit der Untertanen (§ 1) und eröffnet damit ein weitreichendes, das gesamte Alltagsleben umfassendes, Anwendungsgebiet. Die Untersagung, alltäglichen Arbeiten nachgehen zu dürfen, hat weitreichende Folgen für die Wirtschaft. So wird dem Bürger kraft legislatorischem Befehl der Obrigkeit das Wirtschaften reglementarisch untersagt. Weder das Abhalten eines Marktes, noch der Verkauf oder sonstigem Handel (§§ 5, 6) waren gestattet. Verstärkt wurde diese Regelung durch die Strafandrohungen im Falle des Fehlverhaltens. Bei dem Warenankauf (§ 6) beispielsweise wurde neben der Strafandrohung von 2 Mark, auch die erworbene Ware entzogen und dem Eigentum der Kirche überführt. Der Wirt seinerseits war angehalten, den Ausschank alkoholischer Getränke zu unterlassen (§ 3). Zusätzlich wurde auch dem Konsument alkoholischer Getränke eine anderthalb Mark hohe Strafe angedroht (§ 3). Die Durchsetzung des angedrohten Strafregisters bzw. die Überwachung normgemäßen Verhaltens oblag „gewisse Leute“, welche durch die Obrigkeit eingesetzt wurden, (§ 9). Hierdurch wirkte man dem verbreiteten Exekutivproblem erlassener Gesetze zumindest normativ entgegen. Wie es um die tatsächliche exekutive Umsetzung allerdings stand, kann indes nicht belegt werden.

Gesellschaftliche Normen

Einen eigenen thematischen Abschnitt innerhalb der PO bilden die Titel 11 bis 19. In diesen werden Gesellschaftsnormen aufgestellt und die Bestrafung bei Zuwiderhandlung geregelt. Diese Normen dienen vornehmlich der Sicherstellung des geordneten öffentlichen Lebens, zum einen aber auch der Wahrung der religiösen und ständischen Ordnung. So berufen sich nahezu alle Titel auf christliche Werte und Gebote wie das Verbot des leichtfertigen Beischlafs (Tit. 13). Durch ein Verbot des übermäßigen Alkoholkonsums (Tit. 12) sollen beispielsweise nicht nur Verbrechen wie Mord, Ehebruch oder Diebstahl unterbunden werden, sondern auch Gotteslästerung. Auch in anderen Titeln lassen sich immer wieder Bezüge zu Gott herstellen. Desweiteren werden die Vormunde der Kinder zu einer richtigen Erziehung der Kinder (Tit. 14) angehalten, indem sie sie in Lehrschulen schicken sollten. Die Fürsorgepflicht für Verwandte im Falle des Todes eines oder beider Elternteile geregelt wird. Auch die korrekte Erstellung von Verträgen und das Verbot des Wuchers werden in der PO schriftlich festgehalten (Tit. 15 und 16). Die ständische Ordnung im Herzogtum Westfalen soll durch eine standesgemäße Kleidung gewährleistet werden. So wird den einzelnen Ständen aufgetragen anlässlich von Trauerfällen (Tit. 18) oder Hochzeiten, Kindtaufen, an Fastnacht und anderen gesellschaftlichen Ereignissen (alle Tit. 19) nicht durch zu kostenintensive Ausgaben aufzufallen. Ein zentraler Aspekt dieses Abschnittes ist Titel 11. In diesem werden „Versammlungen und ungebührliche Rotten“ verboten. Dies dient dazu Versammlungen, die sich gegen „die christliche Religion, die Obrigkeit oder Ehrbarkeit“ richten unter Strafe zu stellen. Im Herzogtum Westfalen ist das Betteln strengen Restriktionen unterworfen, die das Betteln der Einheimischen stark einschränken und es Fremden ohne Ausnahmen untersagt (Tit. 17). Für die Beaufsichtigung der Einhaltung zieht der Kurfürst sowohl weltliche Beamte, als auch die Pfarrer des Herzogtums in die Verantwortung. Diese haben Sorge dafür zu tragen, dass die Gesellschaft die in der PO festgehaltenen Normen befolgt.

Handel und Wirtschaft

Die Artikel zu Wirtschaft und Handel[6] innerhalb der kurfürstlichen Policeygesetzgebung des Herzogtums Westfalens von 1723 sind von grundsätzlich äußerst heterogener Struktur bzw. Natur. Neben der Einführung durch die obligatorischen Bestimmungen zu Maßfestsetzungen und Regularien des Eich- bzw. Messsystem (Tit. 21, dem allerdings der Struktur entbehrend die Bestimmungen zur Qualität von Wolltüchern in Tit. 20 vorgeschoben sind). Des Weiteren gibt es sowohl Qualitätssicherungsmaßnahmen von Lebens- wie Genussmitteln als auch Bestimmungen zur Sicherung des Monopols einheimischer Händler. Darüber hinaus bewegen sich manche Artikel im Grenzbereich dieser beiden adressatengebundenen Konzepte. Die Regelungen bezüglich dem Beschäftigungsverhältnis von Dienstboten und Tagelöhnern sind dem Bereich zwar prinzipiell zugeordnet und haben durchaus Verbindungen zu den vorstehenden Bereichen und Regelungen, handeln aber im Grunde eine dem Bereich der Qualitätssicherungsmaßnahmen wesensfremde Thematik ab (Tit. 29); diese folgen den produktbezogenen Bestimmungen unmittelbar nach. Damit verbunden scheint auch die adressatenabhängige Zielsetzung der Artikel: im Punkt des Brot-, Bier- und Fleischkonsums wohl die Repräsentanten einer breiten ländlichen Öffentlichkeit bzw. das Milieu einer „Ackerbürgergesellschaft“ ansprechend, die derartige Lebensmittel zumindest gelegentlich konsumierten (Tit. 22, 23, 25). Dagegen richten sich die Bestimmungen zu dem Luxusbedarf zugehörigen Lebens- und Genussmitteln vor allem an einen elitären Zirkel (Tit. 24, 26, 27). Gemein ist den Artikeln jedoch der generell normative Impetus bzw. deren normative Funktion im Sinne der Durchsetzung von im Lebensmittelbereich eigentlich üblichen Standarts, die durch mehr oder weniger konsequente Nichtbefolgung offenbar stark gelitten haben. Des Weiteren sind die Artikel bzw. Titel mittels ihrer quantitativen Ausgestaltung voneinander in Bedeutung und Wichtigkeit abgrenzbar: die verhältnismäßig starke Binnenstruktur bzw. Untergliederung der Titel lässt ein Bedürfnis besonders genauer Regelung erkennen bzw. in diesen Fällen den wohl unverhältnismäßig starken Verfall ursprünglich gültiger Normen (Tit. 25, 29). Andere Artikel hingegen sind von geradezu stichpunktartiger Kürze, was die Frage aufwirft, ob diese Gegenstände einfach nur zu gering geschätzt wurden oder ob sich darin der unverhältnismäßig schwächere Einbruch ursprünglich normativer Bestimmungen manifestiert (Tit. 26, 20, 21, 22, 23).

Inhalt der Einzelbestimmungen

Tit.20 §1: Verkauf von wollenen Tüchern.

Titel 20 der Policey Ordnung ist eine Vorschrift zur Verhinderung des Betruges bei Meterware. Hier wird verfügt, wie die Tücher bzw. die Stoffe zum Verkauf vorbereitet werden müssen und wie sie Verkauft werden dürfen: Sie dürfen nur Ungespannt und höchstens Feucht Feilgeboten werden um Betrug bei Länge und Gewicht vorzubeugen. Eventuell liegt hier der Ursprung des Sprichwortes: "In trockenen Tüchern gewickelt."

Tit.20 §2:

Nach §2 müssen Beamte dem Käufer von verbotenen Tüchern (vgl. Mogelpackungen), zur Entschädigung verhelfen und falls sie dieses Nachweislich unterlassen, den schaden aus eigener Tasche Zahlen.

Tit.21 §1: Von Ehl, Maaß und Gewicht

Titel 21 der PO ist die Verfügung über Nutzung von „üblichen“ und „hergebrachten“ Maßeinheiten (Ehl,Maas,Gewicht). Die Maßeinheiten waren jedoch von Stadt zu Stadt unterschiedlich, so das von einer Vereinheitlichung nicht die Rede sein kann.

Tit.21 §2:

§ 2 verfügt über eine Kontrolle die 4x jährlich bei den Gerätschaften zur Messung von Ehl, Maas und Gewicht durch „Unterherren“ und Bürgermeister durchgeführt werden muss. Bei Überführung von Nutzung ungeeichter Geräte sind diese Zu Konfiszieren und der Nutzer gebührend zu bestrafen.

Titel 22 Verkaufen und Backen von Brot

§1 Der Verkauf des Brotes muss reguliert werden, da der Käufer sonst eventuelle Nachteile durch den Bäcker hat. Daher wird verordnet, dass am Anfang jeden Monats den Bäckern durch Beamte, sowie dem Oberbürgermeister und Rates, genaue Angaben zum Gewicht des Brotes vorgegeben werden, welche sich nach den aktuellen Weizen- und Roggenwerten richten. Auf diese Weise soll die Qualität des Brotes sichergestellt werden. §2 Die Bäcker sollen das Brot ordentlich herstellen unter folgenden Inhalten von nicht mehr als fünf Pfund Mehl und drei Pfund Wasser, dass das gebackene Brot sieben Pfund schwer ist und dieses Gewicht nicht mit der Zugabe von anderen Zutaten verfälschen. Außerdem soll der Bäcker sein Emblem das Brot vor dem Backen mit seinem Emblem versehen, damit bei mangelhafter Ware die Herkunft bestimmt werden kann. §3 Außerdem sollen Beamte und Bürgermeister jeden Ortes, mindestens viermal im Jahr unangekündigt Brot und Brötchen überprüfen, im Laden sowie in der Backstube. Bei mangelhaftem Ergebnis wird das Brot den Armen gegeben und der Bäcker mit einer Brüchte von einer Mark belastet.

Titel 23 Ein- und Verkaufen von Bier

Wie auch beim Verkauf von Brot, ist die Betrugsgefahr beim Bierausschank sehr groß, auch weil bisher weder Beamte noch Bürgermeister Acht darauf gegeben haben. So sollen die Beamten auf dem Land sowohl in der Stadt die Qualität des Bieres prüfen und darauf achten, dass es zum gleichen Preis verkauft wird, der für die Früchte erhalten wurde.

Beispiel: Bestimmung zur Qualität von Fischprodukten (Tit. 26: Von dem Fischwerck):

Zum Verkauf stehende Fischprodukte (getrockneter wie gesalzener Fisch) müssen durch Aufsichtspersonen (Orts Obrigkeit Abgeordnete) zuvor kontrolliert und für den Handel freigegeben werden. Produkte, die den Qualitätsanforderungen nicht genügen, sollen durch Vergraben entsorgt werden.

Dieser Artikel der Polizeigesetzgebung wirft zuvorderst die Frage nach der Herkunft und der quantitativen Menge des zu kontrollierenden Fisches auf. Aufgrund der enormen Kostenintensität von in Binnengewässern gefangenem Süßfisch und seiner Vereinahmung durch das Herrenprivileg zur damaligen Zeit,[7] dürfte es sich in diesem Fall um Importfisch aus Seegebieten handeln. Zum Zeitpunkt der Publikation der Policeygesetzgebung waren die Niederlande der Hauptexporteur von künstlich-konserviertem Seefisch, die diesen häufig über englische, französische, norwegische, schottische aber natürlich auch niederländische Fänger in ganz Europa bis in den Ostseeraum hinein verhandelten. Vor allem Amsterdam galt als Drehscheibe des europäischen Fischhandels, über die der Fisch vermutlich auch ins Rheinand (Köln als Verteilerzentrum für den niederländischen Hering)[8] exportiert wurde.[9] Über diese Städte wurde vermutlich auch das Herzogtum Westfalen von diesen Produkt- und Handelsströmen tangiert.[10] Vordergründig dürfte es sich hierbei um Hering und Kabeljau gehandelt haben.[11] Der Hering wurde aufgrund seiner Fettintensität zumeist gesalzen, der Kabeljau hingegen aufgrund seines Fettmangels meist lediglich getrocknet (Stock- aber auch Klippfisch),[12] was auch in den Bestimmungen der Policeyordnung seinen Niederschlag findet. Andersweitige Konservierungsmethoden wie die der Fermentierung mittels Säure oder mittels Räuchern[13] finden keine Erwähnung. Wahrscheinlich war man aufgrund des Imports derartiger Produkte an diesbezüglichen Feinheiten der Lebensmittelkonservierung auch kaum interessiert. Bemerkenswert ist diese Bestimmung zum Fischimport auch deshalb, weil es sich im Grunde nicht um eine Qualitätssicherungsmaßnahme für im Inland produzierte Güter handelt, auf deren Fertigung bzw. Produktion man bereits vor Ort hätte Einfluss nehmen können, sondern um Regularien für Importgüter, die – im Falle des Fisches – durchaus einen guten Ruf genossen. Damit verbunden stellt sich die Frage, wie derartige Konsum- und Lebensmittelströme tatsächlich hätten kontrolliert werden können und was die genauen Prüfkriterien gewesen sein könnten. Auch ist nicht eindeutig feststellbar, wo die Produkte kontrolliert werden sollten, ob unmittelbar bei Einfuhr oder erst im Inland. Derartige Hinweise lassen den Schluss zu, dass es somit zwar ein begründetes Interesse bzw. "Interessenkongruenzen"[14] bei der Kontrolle derartiger Produkte gegeben haben muss (bei Obrigkeit wie relativ vermögenden Untertanen),[15] dieses Interesse aber kaum in faktisch durchführbaren Kontrollaktionen münden konnte. Zwar scheinen Kontrollorgane und Instrumentarien des obrigkeitsstaatlichen Polizeistaates durch Amtsdiener durchaus bestanden zu haben, jedoch ist deren Wirksamkeit aufgrund fehlender Motivation und Anreize insgesamt als fragwürdig zu beurteilen.[16] In dieser Bestimmung scheint sich somit vor allem der Wille der Obrigkeit zur Regulierung in diesem Bereich niederzuschlagen, weniger die faktische Umsetzung. Vielmehr bestand lediglich der Anspruch zur Lebensmittelregulierung, war doch gerade der Bereich der Lebensmittelversorgung eine der Hauptaufgaben einer sich paternalistisch gebenden Obrigkeit, die auch für das Gemeinwohl wirken wollte.[17] Da Fisch insbesondere zu Fasten- und Abstinenztagen (Freitag und Samstag) als Speise im katholischen Herzogtum Westfalen zumindest in finanziell potenteren Kreisen gefragt gewesen sein muss,[18] empfand man eine Regulierung vermutlich auch aus diesem Grund als förderlich.Insgesamt war der Konsum von Fisch jedoch tendeziell gering: innerhalb der ländlichen Unterschichten wurde er vermutlich äußerst selten konsumiert, in der ländlichen Mittelschicht (u.a. Reisige) dagegen häufiger.[19] Begründet war dies in der enormen Kostenintensität, die Fisch nur für die mittleren und gehobenen Schichten erschwinglich machte,[20] wie dies u.a. auch aus den ländlichen Speiseordnungen aus dem Raum Westfalens für die gleiche Zeit ablesbar wird.[21] Der Verkauf von Süßwasserfischen scheidet jedoch innerhalb dieser Bestimmungen aus (s.o.). Der Fang und Verzehr derartiger Fische war zumeist ein Herrenprivileg und folglich wurden diesbezügliche Regelungen auch in dieser Polizeigesetzgebung gesondert behandelt.Auch enthält der Artikel vage Hinweise auf die Tätigkeit des frühneuzeitlichen Abdecker- und Wasereiwesens. Da der Fisch bei nicht genügenden Qualitätsanforderungen vergraben werden sollte,[22] ist eine derartige Tätigkeit wohl dieser im frühneuzeitlichen Verständnis noch unehrenhaften Profession zuzuschreiben.


Tit. 27: Von Verkauffung des Gewürtz:

§. 1.

Die Einfuhr und der Verkauf (weder heimlich noch öffentlich) von Gewürzen (gestoßen wie gemahlen) ist fremden Kaufleuten, Krämern und anderen Landfahrern im Territorium des Herzogtums Westfalen verboten. Die Autoritäten reagieren damit auf die vorsätzliche Qualitätsminderung von Gewürzmischungen. Bei Zuwiderhandlung drohen 2 Mark Strafe.

Bei dieser Bestimmung scheint es sich um zweierlei zu handeln: zum einen stellt diese Bestimmung eine merkantile Protektionsmaßnahme für die einheimischen, im Herzogtum Westfalen ansässigen Kaufleute dar, zum anderen ist sie eine Reaktion auf ein zur damaligen Zeit durchweg übliches Phänomen: das der Qualitätsverminderung bzw. Streckung von Lebens- und Genussmitteln. Im Hinblick auf die Gewürze scheint es sich hier vor allem um günstigere Surrogate zu handeln, die allerdings nicht von den elitären Kreise dieser ländlichen Gesellschaft konsumiert wurden, sondern von Bevölkerungskreisen (Unterschicht), die darum bestrebt waren einen verfeinerten Lebensstil in Teilen zu adaptieren oder zumindest zu imitieren.[23] Dies dürfte nahelegen, dass neben der Wahrung der Qualitätsstandarts und dem obrigkeitsstaatlichen Regulierungswillen auch die destinktive Funktion derartiger Luxusprodukte aufgrund der Imitation von unten gesichert werden sollte.[24] Die wesentliche Träger- und Verbrauchergruppe der richtigen Gewürzmischungen waren nämlich auch für diesen Zeitraum noch weitgehend mit den ländlichen Eliten identisch sein.[25] Eine medizinische Verwendung der Gewürze wird nicht erwähnt, was für diese Zeit auch weitestgehend ein Rudiment volkstümlicher Vorstellungen ist und sich das Würzen nur noch auf den Bereich der Lebensmittelverfeinerung bezog.[26] Auch erscheint es bemerkenswert, dass unter dem Begriff Gewürz keine Präzisierung stattfindet. Vereint der Begriff „Gewürtz“ zunächst eine ungeheure Fülle an Aromastoffen, handelt es sich doch pars pro toto wohl vor allem um Pfeffer.[27] Der Erwerb derartiger Würzstoffe dürfte gerade für Konsumenten im Herzogtum Westfalen relativ leicht gewesen sein: über einheimische Flussläufe in das Rhein-Maas-Gebiet angebunden, konnte man somit direkt derartige Aromastoffe aus Amsterdam beziehen, der damaligen Drehscheibe für den Indienhandel, bis ins späte 18. Jahrhundert geleitet und weitestgehend monopolisiert durch die VOC.[28]

§. 2.

Gleichsam wird inländischen Kaufleuten und Krämern die Einfuhr von gestoßenem Gewürz verboten. In Eigenproduktion hergestellte, gestoßene Gewürzmischungen dürfen jedoch weiterhin vertrieben werden. Des Weiteren gibt es jährlich mehrere unangemeldete Kontrollen der Kramladen von Seiten der Obrigkeit, die feststellen, dass keine verbotenen Gewürzmischungen verhandelt werden. Im Falle der Auffindung derartiger Gewürzmischungen werden die verbotenen Bestände eingezogen.

§. 3.

Des Weiteren soll allein weißer bzw. ungefärbter Ingwer veräußert werden; der Verkauf von gefärbtem Ingwer ist verboten. Dies wird auch durch die Bestimmungen des Heiligen Römischen Reiches geregelt. Die Kaufleute werden ausdrücklich ermahnt, die Einfuhr und den Verkauf von derartigem Ingwer zu unterlassen.

Interessant erscheint an dieser Bestimmung, dass es sich hierbei nicht unbedingt um eine Qualitätssicherungsmaßnahme zu handeln scheint. Die nur in heißem Klima gedeihende Ingwerknolle (Zingiber officinale)[29] – in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts noch weitestgehend über den Welthandel aus Indien und dem Malaischen Archipel kommend[30] – wurde in zwei grundsätzlichen Sorten zum Kauf dargeboten: in einer „gefärbten“ (ungeschälten) und „ungefärbten“ (geschälten) Variante. Die letztere war aufgrund des großen Aufwands, der in das Schälen der Knolle investiert werden musste, im allgemeinen teurer; es wird also von Seiten der Redakteure der PO gemahnt, ausschließlich die kostenintensivere Form zu veräußern.Was den eigentlichen Nutzen der Ingwerknolle ausmachte bleibt zumindest innerhalb dieser Bestimmungen spekulativ. Zu vermuten wäre eine Nutzung als appetit- und verdauungsanregendes Genussmittel. Des Weiteren ist eine Nutzung der Ingwerknolle bei Magenbeschwerden und Übelkeit nachgewiesen.[31] Dabei handelt es sich hier jedoch wiederum um eine Bestimmung, die nur einen Bruchteil der damaligen Gesellschaft betreffen konnte, was die Beschäftigung mit der Problematik durch den Immerwährenden Reichstag in Augsburg wohl deutlich zu zeigen scheint.

Weitere Nachweise:

DTR 41: Policeyordnung (30.06.1548)/Bestimmungen zur Warenqualität (Tit. XVf., XXI, XXIII). DTR 48: Reichsabschied (14.02.1551)/Bestimmungen zur Warenqualität (§§ 73-77 und 85f.). DTR 72: Policeyordnung (09.11.1577)/Bestimmungen zur Warenqualität (Tit. XVf., XXI, XXIV). MNZ 117: Policeyordnung (03.06.1549)/Bestimmungen zu Handelsbedingungen/Warenqualität (…).

Tit. 28 Von Abdingung anderer Leuthen / Reisigen Knechten und Dienstbotten

28.1 Es tritt auf das Knechte und Mägde ungesetzmäßig abgeworben werden oder ihren Dienst quittieren und infolgedessen umherreisen. Deshalb müssen bei deren Neuanstellung ein Führungszeugnis des ehemaligen Arbeitgebers vorgelegt werden; ansonsten muss der neue Arbeitgeber dem vorherigen Arbeitgeber 2 Mark erstatten.

28.2 Den „Mied-Pfennig“ von 2 oder mehr Arbeitgebern zu beziehen steht unter Strafe (1 Mark pro Arbeitgeber), wenn Streit unter den Arbeitgebern entstehen könnte.

28.3 Das Dienstvolk hat freie Wohnortswahl. Ein Dienststellenwechsel (auch über die Landesgrenzen) darf nur an Sankt Martin stattfinden. Es gibt eine Strafe bei Nicht-Befolgung: Lohnverlust bzw. „Bruchten-Straff“ .

28.4 Entlassung bzw. Kündigung muss von der jeweiligen Seite ein Vierteljahr vorher angekündigt sein vor Ablauf des halben Jahres. Bei Heirat des Knechts/der Magd muss ein Ersatz eingebracht bzw. der Hausherr entschädigt werden.

28.5 Der Lohn der Bediensteten darf nicht höher als vor 15/16 Jahren sein. Höhere Lohnforderungen bzw. -zahlungen stehen unter Strafe. Eine Bezahlung mit Naturalien (Getreide) ist erlaubt. Die Menge muss aber von unabhängiger Seite auf Kosten des „Brotherren“ bemessen werden.

Tit. 29 Von Taglöhneren und Botten-Lohn

Begründung der Aufnahme in die Policey-Ordnung: Unsicherheit unter Tagelöhnern und Boten, sowie ihren Arbeitgebern, über ihr Lohn- und Arbeitsverhältnis.

29.1 Bei einem 12-Stunden-Tag für Maurer, Zimmermeister, Schreiner u.a. Handwerker beträgt der Lohn ohne Kost: 1 „Reichs-Orth“ und 2 Kannen Bier; Mit Kost: 1 „Blamüser“ . Der Lohn eines Gesellen beträgt 1 „Kobstück“ und 2 Kannen Bier (ohne Kost) oder 4 „Petermäncher“ (mit Kost).

29.2 Tageslohn für einen Tagelöhner ohne Kost: 9 Petermäncher und 1 Maß Bier. Mit Kost sind 4 Petermäncher zu bezahlen.

29.3 Der Tageslohn eines Feldarbeiters („Graß- oder Korn-Meher“) beträgt 6 „Stüber“ mit Kost, 12 Stüber ohne Kost.

29.4 Tageslohn einer Binderin : 2 Stüber; Binderinnen sollen explizit keine Feld- oder Hausgaben bekommen; Tageslohn einer Heumacherin (wendet das gemähte Heu?): 1,5 Petermäncher.

29.5 Der Tageslohn eines „Leyen- oder Spaen-Deckers“ : 7 Stüber (mit Kost), 14 Stüber (ohne Kost).

29.6 Tageslohn eines Dreschers: 4 Stüber (mit Kost), 8 Stüber (ohne Kost). Darüber hinaus wird die Arbeit in der „Uchte“ (Dämmerung) mit zusätzlichen 2 Stübern (mit Kost) oder 4 Stübern (ohne Kost) entlohnt. Der Lohn einer Drescherin sind 1 Stüber und 6 Pfennige (mit Kost) oder 3 Stüber (ohne Kost).

29.7 Der Tageslohn eines Strohschneiders bei einem Arbeitstag von 4 bis 18 Uhr sind 12 Stüber (ohne Kost), 4,5 Petermäncher und 2 Maß Bier (mit Kost).

29.8 Der Stundenlohn eines Botengängers sind 3 Stüber die Stunde. Höherer Löhne oder höhere Lohnforderungen sollen von den Beamten mit 2 oder 3 Mark „brüchten“ bestraft werden. Aber ein niedrigerer Lohn soll beibehalten werden.

Schadensregulierung und -prävention

Allgemeine Einführung

Einen thematischen Abschluss der PO von 1723 bilden die Titel 30 – 44. Diese Titel lassen sich nicht ohne weiteres zu einem übergreifenden Themenkomplex zusammenfassen, wodurch der Eindruck entsteht, dass es sich hierbei um einen rein kompilatorischen Abschnitt handelt. Als Abgrenzung zu den konfessionellen, gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Policeyordnungen steht hier insbesondere das Zusammenleben der Bevölkerung des Herzogtums Westfalen im Vordergrund. Dieses soll anhand der Gesetzgebung zum Eigentumsrecht, dem (sonstigen) Sozial- und Gesellschaftsrecht und den Gesetzgebungen zur öffentlichen Ordnung gewahrt werden. Besonderes Gewicht nehmen hierbei die Titel zum Eigentumsrecht (Titel 33 – 38) und zur öffentlichen Ordnung (Titel 30 – 32, 34 (§11), 39, 41, 43, 44) ein. Mit den Policeyordnungen der öffentlichen Ordnung werden hier die Themengebiete „Sicherheits- und Gesundheitsordnung“, „Stadtrecht und Ordnungen zur Infrastruktur“, sowie „Strafverfolgung“, abgedeckt. Der letzte Abschnitt ist deshalb nicht nur eine Zusammenstellung von verschiedenen Titeln, Ergänzungen und Aktualisierungen bestehender Gesetzesordnungen; hier wird vorallem Gewohnheitsrecht aufgegriffen und anhand einer „rechtlichen“ Basis das Zusammenleben der Untertanen außerhalb der wirtschaftlichen und erzieherischen Interessen der Obrigkeit reguliert.

Titel 30 "Von großer Fahrlässigkeit und Versäumniß des Brands"

Insgesamt 20 Paragraphen der Polizeiordnung, beschäftigen sich mit dem Umgang von offenem Feuer. Es wird zum Bespiel geregelt, dass niemand mit Lampen oder Feuer in Scheunen gehen darf. So soll die Brandgefahr eingedämmt werden. Ferner beziehen sich solche Verbote auch auf Nachbarn. Weiterhin wird in diesem Titel geregelt, dass die unterlassene Hilfeleistung bei einem Brand und die mutwillige Nichtbeachtung der Paragraphen bestraft werden soll.

Die Titel 33 und 34 behandeln den Umgang mit Wäldern. Die frühe Neuzeit war, wie auch das ausgehende Mittelalter, durch eine Holznot gekennzeichnet. Fürsten nahmen dies als Anlass ihre Macht auch auf Wälder die zuvor im Besitz der Gemeinden waren. In der aktuellen Forschung ist umstritten ob es tatsächlich einen gefährlichen Mangel an Holz gegeben hat, oder ob dieser nur von Fürsten propagiert wurde um ihr Fürstentum in einen Territorialstaat zu wandeln.

Titel 33 "Von Verhauung der hohen Gewälder und Landwehren"

Titel 33 besteht aus 4 Paragraphen und behandelt den Umgang und die Bestrafung bei Zuwiderhandlung bei hohen Gewäldern und Landwehren. Hohe Gewälder bezeichnet Kernholzbestände, die durch das Alter und damit die Größe und Stärke der Bäume besonders wertvoll waren. Im Sinne der Zeit wurden die Beamten angemahnt darauf zu achten, das niemand Holz aus dem Wald träge. Bei Missachtung dieses Verbot sollte zumindest das Holz ersetzt werden. Weitere Strafen liegen im Ermessen des Beamten.

Titel 34 "Von gemeinen Waldmayen, Marcken und Holzordnungen"

In 20 Paragraphen wird der Umgang mit dem Wald geregelt. Um den Bestand an Wald zu erhalten, wird zu aller erst festgestellt, dass niemand ohne Einverständnis des Landesherrn Wald verkaufen darf. Besonderes Augenmerk wurde hierbei darauf gelegt, dass kein Wald an „Ausländische“ verkauft werden dürfe. Sollte jemand sich nicht an die Verordnung halten, sollten Beamte den Besitz pfänden dürfen. Um den Wald zu erhalten wurde verordnet, dass junges Holz nicht geschlagen werden dürfe, kein Stammholz für unwichtigere Aufgaben verwendet werde (z.B. Zäune oder Hütten), kein gesundes Holz als Brandholz genutzt werden dürfte und unnötige Wege geschlossen werden. Um die traditionelle Praxis der Waldweide zu erhalten, sollte einmal im Jahr ein Ort festgestellt werden, der als Nutzwald genutzt werden durfte um dort Vieh einzutreiben. Jeder Viehhalter wurde in die Pflicht genommen seine Weiden einzuzäunen und darauf zu achten habe, das kein Tier beim Viehtrieb in den Wald liefe. Um die Versorgung mit Bauholz aufrecht zu erhalten, sollten Förster (die durch ein Holzgericht beaufsichtigt wurden, vor dem sie und andere Holzarbeiter, einmal im Jahr Rechenschaft ablegen mussten) Bauholz zuweisen. Um den Nutzwald zu kompensieren, sollte dementsprechend ein- bis zweimal im Jahr ein neuer Forst angelegt werden. Auffällig ist, dass nur selten Strafen genannt wurden. So sollte jemand, der es unterlässt seine Weiden einzuzäunen ¼ bis 2 Marck zahlen, eine Strafe die nach dem Ermessen des Beamten oder Grundherren abgeändert werden durfte.

Titel 36 "Von den Fischereyen" (4 §)

Nachdem die Überfischung "auf großen und kleinen Wässern und Bächern" im Herzogtum Westphalen festgestellt und ein "Abgang" von Fischen bemerkbar wurde, sah sich die Obrigkeit gezwungen die "Fischerei" zu reglementieren und die Besitzverhätlnisse der Flüsse und Bächer zu ordnen. Der Titel 36 besagt, dass ausschließlich Fischer das Handwerk ausüben dürfen, insbesondere wurde Hausleuten - zum Beispiel zur Nahrungsergänzung - gänzlich untersagt. In 3 Paragraphen wird aufgeführt, welche Methoden beim Fischfang verboten waren (damit der Fischbestand erhalten bleibt):

  1. beim Fischen dürfen keine Leimstangen verwendet werden
  2. Gewässer dürfen nicht aufgegossen oder abgeteicht werden
  3. beim Fischen ist die Verwendung von "Kalk", "Bomben" oder "Nacht-Leuchten" verboten
  4. Bäche und Flüsse dürfen nicht gestaut werden

Der 4. Paragraph weist eine Besonderheit auf. Nicht nur das bloße Stehlen von Fischen und Krebsen aus Behältern und (fremden) Weiern, ebenso gleicht die mutwillige Zerstörung von Dämmen einem Diebstahl. Darüber hinaus wurden Fischern bestimmte Fanggebiete (Flüsse) eingeräumt - Fische aus fließenden Gewässern, die einem "anderen zustünde(n)", dürfen nicht gefangen werden.

Bewertung/Ausblick

Quellen

  • Landesarchiv NRW, Abteilung Westfalen, Findbuch A 301 II Herzogtum Westfalen, Landesarchiv – Akten, Nr. 787: Einführung einer seperaten Polizei-Ordnung für das Herzogtum Westfalen (1722-1723).
  • Landesarchiv NRW, Abteilung Westfalen, Findbuch A 301 II Herzogtum Westfalen, Landesarchiv – Akten, Nr. 1826: Verbesserung der Polizeiordnung des Herzogtums Westfalen (1594, 1603, 1656, 1692, 1722, 1788-1792).

Literatur

  • Bettine, Günther: Sittlichkeitsdelikte in den Policeyordnungen der Reichsstädte Frankfurt am Main und Nürnberg (15.–17. Jahrhundert), in: Karl Härter (Hrsg.): Policey und frühneuzeitliche Gesellschaft (= Ius Commune Sonderheft 129), Frankfurt am Main 2000, S. 107 - 120.
  • Karl Härter: „…zum Besten und Sicherheit des gemeinen Weesens …“. Kurkölnische Policeygesetzgebung während der Regierung des Kurfürsten Clemens August, in: Frank Günter Zehnder (Hrsg.): Im Wechselspiel der Kräfte. Politische Entwicklungen des 17. und 18. Jahrhunderts in Kurköln (Der Riss im Himmel. Clemens August und seine Epoche 2), Köln 1999, S. 203-235.
  • Karl Härter: Die Verwaltung der "guten Policey": Verrechtlichung, soziale Kontrolle und Disziplinierung, in: Michael Hochedlinger u. Thomas Winkelbauer (Hrsg.): Herrschaftsverdichtung, Staatsbildung, Bürokratisierung. Verfassungs-, Verwaltungs- und Behördengeschichte der Frühen Neuzeit (Veröffentlichungen des Instituts für Österreichische Geschichtsforschung Bd. 57), München/Wien 2010.
  • Jürgen Schlumbohm: Gesetze, die nicht durchgesetzt werden - ein Strukturmerkmal des frühneuzeitlichen Staates?, in: GG 23 (1997), S. 647-663.

Einzelnachweise

  1. Siehe dazu Karl Härters Kritik an der älteren Forschung, die sich zu sehr auf die Beurteilung der Normendurchsetzung von Policeyordnungen konzentriert habe. Sie fällt somit modernen politik- bzw. verwaltungswissenschaftlichen Untersuchungsmethoden anheim, die in diesem Kontext nicht greifen können, so Härter. Vgl.: Härter 2010, S. 245.
  2. Härter, Polizei, in: Enzyklopädie der Neuzeit, Sp. 170-180.
  3. Schlumbohm, Gesetze, S. 660f.
  4. Härter, Kurkölnische Policeygesetzgebung, S. 203-206.
  5. Härter, Kurkölnische Policeygesetzgebung, S. 203.
  6. Innerhalb der Policeyordnungen sind dies wohl die am intensivsten geregelten Materien, Vgl. dazu auch Härter, Verwaltung, S. 247.
  7. Wiegelmann/Mauss, Fischversorgung, S.78.
  8. Pelzer-Reith, Fischerei/Fischkonsum. In: Enzyklopädie der Neuzeit, S. 1011.
  9. Cle Lesger, Fischerei/Welthandel. In: Enzyklopädie der Neuzeit, S. 1008.
  10. Wenn auch deren Monopolstellung in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts ins Wanken geriet, nahmen die Niederländer doch immer noch eine gewichtige Stellung innerhalb des Handels ein. 1681-1700 waren bsw. 70% der im Ostseeraum importieren Salzheringe aus den Niederlanden, zwischen 1731-1750 hingegen nur noch 27%,was einen vagen Hinweis auf die zur vermutenen Mengen von Importfisch auch im geographisch zu den Niederlanden näherliegenden Herzogtum Westfalen bieten könnte, Vgl. dazu auch Cle Lesger, Fischerei/Welthandel. In: Enzyklopädie der Neuzeit, S. 1008.
  11. Schmitz, Speiseordnungen, S. 257.
  12. Cle Lesger, Fischerei/Welthandel. In: Enzyklopädie der Neuzeit, S. 1008.
  13. Cle Lesger, Fischerei/Welthandel. In: Enzyklopädie der Neuzeit, S. 1006f.
  14. Landwehr, Policey, S. 274.
  15. Dabei gilt es jedoch zu beachten, dass die Materie weitaus häufiger durch regionale Verordnungen geregelt wurde (Städte, landansässiger Adel und Zünfte), Vgl. dazu auch Härter/Stolleis, Repertorium, S. 9f.
  16. Insbesondere solche Tätigkeiten müssen bei den Amtsträgern aufgrund des Verwaltungsaufwandes und geringen finanziellen Vergütung unbeliebt gewesen sein, Vgl. dazu auch Härter, Verwaltung, S. 244.
  17. Staudenmaier, Policey, S. 120f.
  18. Schmitz,Speiseordnungen, S. 256.
  19. Schmitz, Speiseordnungen, S.262.
  20. Pelzer-Reith, Fischerei/Fischkonsum. In: Enzyklopädie der Neuzeit, S. 1012.
  21. Schmitz, Speiseordnungen, S. 253ff.
  22. Obwohl innerhalb der Policeyordnungen zu den bedeutensten und flexibelsten Sanktionsinstrumenten gehörend, findet eine Geldstrafe hier keinerlei Anwendung, Vgl. dazu auch Härter, Disziplinierung, S. 377.
  23. Wiegelmann, Wandel, S. 342.
  24. Wiegelmann, Wandel, S. 343.
  25. Teuteberg, Gewürze/Entwicklung. In: Enzyklopädie der Neuzeit, S. 886.
  26. Teuteberg, Gewürze/Entwicklung. In: Enzyklopädie der Neuzeit, S. 885.
  27. Beck, Gewürze/Importierte Gewürze/Welthandel. In: Enzyklopädie der Neuzeit, S. 888.
  28. Teuteberg, Gewürze/Entwicklung. In: Enzyklopädie der Neuzeit, S. 887.
  29. Vermeulen, Enzyklopädie der Kräuter, Frechen o.J., S. 309.
  30. Beck, Gewürze/Importierte Gewürze/Welthandel. In: Enzyklopädie der Neuzeit, S. 888.
  31. Vermeulen, Enyklopädie der Kräuter, Frechen o.J., S. 310.