Evangelische Stadtkirche Laubach

Die Evangelische Stadtkirche (ehemalige St. Maria) in Laubach besteht aus einem romano-gotischen Ostbau aus dem 13. Jahrhundert und einem barocken Kirchenschiff aus dem Jahr 1702. Sie beherbergt Ausstattungsgegenstände von überregionaler kunstgeschichtlicher Bedeutung und ist hessisches Kulturdenkmal.[1]
Baugeschichte

Hinweise auf eine Laubacher Pfarrei gehen auf das Jahr 1021 zurück. Die Kirche selbst wurde 1057 zuerst genannt. Sie befindet sich an einem kreisförmig umbauten Platz, an welchem die meisten Häuser aus dem 18. Jahrhundert stammen.
Allgemein
An der Kirche lassen sich zwei verschiedene Baustile erkennen. Der Chor, der Turm und das Querschiff sind romanisch bzw. frühgotisch, während das Langschiff im barocken Stil gebaut wurde. Die Kirche würde 1871/72 „restauriert“, was den Wegfall einiger Kunstgegenstände bedeutete. 1909 erfolgte unter Berücksichtigung denkmalpflegerischer Gesichtspunkte eine Renovierung, bei der die Wandmalereien im Chorraum freigelegt wurden. 1962 wurde die Kirche innen erneut restauriert. 1984 erfolgten Freilegungen an der Außenmauer der östlichen Chorwand, bei welcher zwei Plastiken im romanischen Stil zum Vorschein kamen. Bei der umfassenden Renovierung in den Jahren 2008 bis 2011 erfolgte die Sanierung des Dachstuhls und die Innenrenovierung des Kirchenschiffs, bei der die ursprüngliche Farbfassung von 1702 und die Kassettendecke wiederhergestellt wurden.
Ostbau
Der spätromanischer Ostbau entstand unter dem Einfluss der Arnsburger Bauhütte im zweiten Viertel des 13.Jahrhunderts.
Der Ostbau besteht aus dem Chor, dem Querschiff und dem Vierungsturm. Das ursprüngliche schmale romanische Langhaus ist nicht mehr erhalten. Es wurde 1700 bis 1702 durch das heutige Kirchenschiff ersetzt.
Baubeschreibung
Der Chor besitzt einen 5/8-Schluss. Außen befinden sich Ecklisenen, die in einen Spitzbogenfries übergehen. An der Ostseite sind kleine spätromanische Steinplastiken angebracht, welche unter anderem eine Madonna mit Kind, einen lehrenden Jesus mit Bibel und einen Bischof zeigen. Die Mauer weist unregelmäßige Quader auf, die teils aus Basaltlava und teils aus Basaltlavatuff sind. Die Fenster sind bis auf eins im Chor und eins im Nordquerarm spätgotisches Maßwerk. Bei dem Turm handelt es sich um einen Vierungsturm mit Rautendach und vier verschieferten Giebeln. Das Gewölbe im Inneren des Chors stammt aus der Bauzeit. Im Turm sitzt es auf Kapitellen und im Chor sitzt das Kreuzgewölbe auf Konsolen.
Das Langhaus ist in ausgeprägt hochbarocken Formen mit französisch-klassizistischen Einschlag gestaltet. Es ist verwandt mit der Kirche von Gambach und entstand zwischen 1700 und 1702. Ende des 17. Jahrhunderts begann das alte Schiff zu verfallen und wurde 1700 abgerissen. Durch das neue Schiff entstand eine typische evangelische Predigtkirche aus der Zeit um 1700. Das Langhaus besteht aus einem großen Bau mit fast quadratischem Grundriss mit kräftiger Pilastergliederung der Wände. Im Inneren tragen die durchgehende Emporenstützen eine kassierte Holztonne in der Mitte und teilen den Raum in drei Schiffe. Die Fensteranordnung ist zweigeschossig und die Stichbogenfenster sind die ersten in dieser Gegend. Die Westwand ist fünfseitig geschlossen. Bei dem Dach handelt es sich um ein Mansarddach. Das Westportal mit Giebeln und Pilastern ist im Giebelfeld für 1700 datiert. Ein gedeckter Fachwerkgang entstand um 1750 und dient als Verbindung des Heddrichsbaus vom Schloss mit der Ostwand der Kirche.
Ausstattung

Wandmalereien
Im Chor befindet sich ein Wandbild von dem heiligen Georg, von der Schutzmantelmuttergottes und von Heiligen. Im nördlicher Querarm sind an der Ostseite Passionsbilder und an der Nordseite Wandbilder von drei Aposteln (die übrigen wurden durch Fensterdurchbrüche zerstört) sichtbar, welche alle 14. Jh. stammen. Im östlichen Bogenfeld des nördlichen Querschiffs befindet sich ein Vesperbild in einem von zwei Engeln gehaltenen Rosenkranz, darüber eine heilige Anna selbdritt und Rankenwerk, die alle von um 1500 stammen. Am Gewölbe dieses Querarms und in den Laibungen der nördlichen Fenster befindet sich feine Groteskenmalerei, welche wahrscheinlich gleichzeitig mit dem Grabmal des Grafen Friedrich Magnus 1563 entstanden ist.
Grabdenkmäler
In der Kirche befinden sich Grabdenkmäler von Solmser Grafen. Im nördlichen Querarm steht das Alabaster Grabmal des Grafen Friedrich Magnus († 1561), der im Jahr 1544 die Reformation in Laubach einführte. Auf dem Sarkophag kniet vor dem Kruzifix Friedrich Magnus als freiplastische Ritterfigur von J. Brekevelt (Brechfeld), welche laut Inschrift 1562/63 entstand. Rechts vor dem Triumphbogen (ursprünglich im Chor) ist aus rotem Sandstein das Grabmal des Grafen Johann Friedrich († 1696) und seiner Ehefrau Benigna († 1702), die den Kirchenneubau förderte. Auf dem Sarkophag steht ein Obelisk zwischen den Figuren der Tugend und der Frömmigkeit, sowie Reliefbildnissen der Verstorbenen auf ovalen Schilden, 1714 von J. F. Sommer nach einem Entwurf von J. P. Meyer gearbeitet. Ebenfalls im südlichen Seitenschiff ist ein gemaltes Epitaph für Graf Albrecht Otto I. (gefallen 1610), welches die Auferstehung der gräflichen Familie zeigt. Im Hintergrund ist von C. Beutler eine Ansicht von Laubach im Jahr 1616 zu sehen, die älteste Ansicht der Stadt. Im nördlichen Seitenschiff erinnert ein Grabmal aus Alabaster an Albrecht Otto.
Orgel

Die prachtvolle Orgel mit Prospekt von sieben Achsen Breite wurde zwischen 1747 und 1750 von den thüringischen Orgelbauern Johann Casper Beck und Johann Michael Wagner mit 21 Registern gebaut. Der junge Johann Andreas Heinemann war maßgeblich an dem Neubau beteiligt und machte sich anschließend in Laubach selbstständig.[2] Die Kosten von 3065 Gulden für den Orgelneubau wurden von der Stadt, dem Grafen und der Kirche bezahlt. Im Laufe der Zeit wurde das Instrument mehrfach umdisponiert, zum ersten Mal 1877 durch die Gebrüder Bernhard. Die Orgel wurde 1965 um ein drittes Manual erweitert.[3] Gehäuse und Prospektpfeifen sind original erhalten, ebenso wie die Windladen und einige Register. Im Zuge einer Restaurierung der Orgel durch die Orgelbaufirma Förster & Nicolaus (Lich) im Jahr 2010 wurden die Trakturen rekonstruiert und der Tonumfang aller Teilwerke durch Anblockladen erweitert. Das Instrument hat eine Doppelregistratur und verfügt über 28 klingende Register.[4] Fünf weitere Stimmen sind zum Ausbau vorbereitet.
|
|
|
|
- Koppeln: II/I, III/I, III/II, I/P, II/P, III/P
- Nebenregister: Zimbelstern (Oberwerk)
- Spielhilfen: Transponiervorrichtung für das ganze Instrument (Chorton/Kammerton), 4000fache Setzeranlage
- H = ganz oder weitgehend original erhalten
- v = vakant, zum Ausbau vorbereitet
Weitere Ausstattung

Der Herrschaftsstuhl in Blau und Gold stammt von 1735 und ist mit reichgeschnitzter Bekrönung verziert. In einem von einem Strahlenkranz umgebenen vergoldeten Dreieck stehen die Buchstaben des hebräischen Tetragramms. Der Grafenstuhl befand sich ursprünglich im Chor, seit 1909 steht er im südlichen Querarm, der durch einen Zugang direkt mit dem Schloss verbunden ist.
Die Kanzel mit einem Schalldeckel wurde um 1700 gebaut. Das gotisches Taufbecken aus dem 13. Jahrhundert steht auf modernen Füßen. Es wurde im Schlosspark wiederentdeckt und 1979 vor der Kanzel platziert. Des Weiteren befinden sich drei Pfarrerbildnisse in der Kirche, ein kleines von 1633 und zwei größere von J. V. Tischbein, C. Beutler und H. D. Rauch.
Literatur
- Folkhard Cremer (Red.): Dehio-Handbuch der Deutschen Kunstdenkmäler, Hessen I: Regierungsbezirke Gießen und Kassel. Deutscher Kunstverlag, München / Berlin 2008, ISBN 978-3-422-03092-3.
- Wilhelm Diehl: Baubuch für die evangelischen Pfarreien der Souveränitätslande und der acquirierten Gebiete Darmstadts. (Hassia sacra; 8). Selbstverlag, Darmstadt 1935.
- Landesamt für Denkmalpflege Hessen (Hrsg.); Karlheinz Lang (Red.): Kulturdenkmäler in Hessen. Landkreis Gießen I. Hungen, Laubach, Lich, Reiskirchen. (= Denkmaltopographie Bundesrepublik Deutschland). Theiss, Stuttgart 2008, ISBN 978-3-8062-2177-0, S. 244–246.
- Heinz P. Probst: Kirchen und sakrale Denkmäler in Laubach und der ehemaligen Grafschaft Solms-Laubach. Mit einer Einführung in die Stilgeschichte, den Kirchenbau und einem Glossar. Heimatkundlicher Arbeitskreis Laubach, Laubach 2004.
- Heinrich Walbe: Die Kunstdenkmäler des Kreises Gießen. Bd. 3. Südlicher Teil. Hessisches Denkmalarchiv, Darmstadt 1933.
- Trautel Wellenkötter: Laubach: Geschichte und Gegenwart. T. Wellenkötter, Laubach 2004.
- Peter Weyrauch: Die Kirchen des Altkreises Gießen. Mittelhessische Druck- und Verlagsgesellschaft, Gießen 1979, S. 30f.
Weblinks
- Homepage der Kirchengemeinde
- Laubach online
- Laubach. Historisches Ortslexikon für Hessen. In: Landesgeschichtliches Informationssystem Hessen (LAGIS). Hessisches Institut für Landesgeschichte, abgerufen am 21. August 2013.
Einzelnachweise
- ↑ Kulturdenkmäler in Hessen. Landkreis Gießen I. 2008, S. 246.
- ↑ Franz Bösken, Hermann Fischer: Quellen und Forschungen zur Orgelgeschichte des Mittelrheins. Bd. 3: Ehemalige Provinz Oberhessen. Teil 1 (A–L). Schott, Mainz 1988, ISBN 3-7957-1330-7, S. 15 (Beiträge zur Mittelrheinischen Musikgeschichte 29,1).
- ↑ Franz Bösken, Hermann Fischer: Quellen und Forschungen zur Orgelgeschichte des Mittelrheins. Bd. 3: Ehemalige Provinz Oberhessen. Teil 1 (A–L). Schott, Mainz 1988, ISBN 3-7957-1330-7, S. 568–570 (Beiträge zur Mittelrheinischen Musikgeschichte 29,1).
- ↑ Informationen zur Orgel der Stadtkirche, gesehen 8. April 2011.
Koordinaten: 50° 32′ 34,7″ N, 8° 59′ 25,8″ O