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Videotherapie

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Die Videotherapie ist ein neuartiges Therapieverfahren für die Behandlung von Schlaganfallpatienten, bei dem die konzentrierte Beobachtung von alltagsrelevanten Bewegungen mit ihrer aktiven Übung abgewechselt wird. Ein Patient schaut sich Videos von einzelnen Bewegungen aus dem Alltag an, die zu einer alltäglichen Handlung gehören.

Die medizinischen Grundlagen der Videotherapie

Die Videotherapie stärkt diejenigen Zentren im Gehirn, die für Bewegungen und ihre Steuerung zuständig sind: die sogenannten "motorischen Hirnareale". Bei vielen Schlaganfallspatienten sind infolge des Schlaganfalls diese Gebiete beschädigt. Die daraus resultierenden Behinderungen bestehen aus Schwierigkeiten in normalen Bewegungsabläufen, über mangelnde Kontrolle von Bewegungen bis hin zu vollständiger Bewegungsunfähigkeit. Die primären motorischen Areale im sog. "prämotorischen Kortex" umfassen jene Bereiche des Großhirns ("Kortex"), die für die Ausführung von einfachen Bewegungen zuständig sind und dem Körper Befehle z.B. zur Bewegung der Arme und Beine geben. Eng verbunden mit den primären motorischen Arealen sind die benachbarten höheren motorischen Areale im prämotorischen und parietalen Kortex, die für die komplexe Koordination und Planung von Bewegungen zuständig sind. Die in den höheren motorischen Arealen erzeugten Bewegungsmuster werden dann an die primären motorische Areale zur Bewegungsausführung weitergeleitet. Viele von diesen Bewegungsmustern werden in den höheren motorischen Arealen gespeichert und können z.B. bereits durch die Vorstellung einer Bewegung aktiviert werden. Die Videotherapie basiert auf den jüngsten Ergebnissen der modernen Hirnforschung, die eine deutliche Aktivierung der motorischen Areale durch die alleinige Bewegungsbeobachtung gezeigt haben. Durch das Beobachten von Bewegungen werden die höheren motorischen Hirngebiete reaktiviert und wirken dann mit Impulsen auf die primären motorischen Areale, die durch den Schlaganfall stillgelegt wurden. Durch die anschließende wiederholte Ausführung der Bewegungen werden die neu aktivierten primären motorischen Areale über die beständige Aktivität, den Impulsen aus den höheren motorischen Arealen und durch die Rückmeldung aus dem Körper gestärkt und verfestigt.

Die Forschungsgruppe um Professor Rizzolatti aus dem italienischen Parma wies 1991 nach, dass bestimmte Nervenzellen in den höheren motorischen Arealen auch dann eine Aktivität zeigen, wenn Bewegungen nur beobachtet werden. Das besondere an diesen Zellen ist, dass sie einerseits während der Ausführung einer bestimmten Bewegung aktiv werden, gleichzeitig aber auch dann, wenn die Ausführung von einer vergleichbaren Bewegung beobachtet wird. Aus diesem Grunde heissen die Nervenzellen mit diesen Eigenschaften "Spiegelneurone". Ihre Aktivität übertragen die Neurone schließlich in die motorischen Areale. Dass nicht ständig eine beobachtete Bewegung eine gleichartige eigene Bewegung auslöst, ist weiteren Hirngebieten zu verdanken, die hemmende Einflüsse auf die Befehle des primären motorischen Areals ausüben. Die Spiegelneurone spielen vermutlich eine wichtige Rolle bei der Aufgabe, Bewegungen zu verstehen und gleichzeitig zu erlernen. Indem die Neurone Handlungsmuster speichern, können sie Aktionen koordinieren und planen. Diese Informationen geben sie dann an das motorische Areal weiter, das die Muskeln schließlich aktiviert. Beschädigt ein Schlaganfall die Spiegelzellen, sind viele Bewegungsabläufe nicht mehr möglich, aber das mehrmalige Beobachten derselben Szene aktiviert das gespeicherte Handlungsmuster und damit längst verloren geglaubte Fähigkeiten. Dieser Effekt verstärkt sich, wenn der Patient anschließend die Aktion imitiert. Dies hat sich in den ersten Versuchen bestätigt, denn durch die Videotherapie haben sich die Spiegelzellenareale im Gehirn vergrößert.

Die Umsetzung der Grundlagen im Training

Das Phänomen der "spiegelbildlichen" Hirnaktivität bei Bewegungsbeobachtungen macht sich die Videotherapie zunutze. Durch die Beobachtung der Handlungen werden die Spiegelneurone zur Aktivität angeregt und können damit noch verbliebene Nervenzellen in den geschädigten Gebieten des motorischen Hirnareals aktivieren. Dieser indirekte Zugang zu den Nervenzellen wird schließlich ergänzt durch das anschließende Üben der beobachteten Handlung, so dass ein geschädigtes Hirngebiet wieder gestärkt werden kann. Es zeigte sich, dass erste Studien zur Videotherapie mit italienischen und amerikanischen Schlaganfallspatienten in Parma und Chicago ermutigende Ergebnisse lieferten. Vorher-Nachher-Vergleiche in der Durchführung von Handlungen zeigten Verbesserungen in den Bewegungsfähigkeiten der Betroffenen. Besonders markant waren die Ergebnisse solcher Vergleiche, wenn der Betroffene mit Hilfe der funktionellen Kernspintomographie untersucht wurde: Die Aufnahmen des Gehirns beim Durchführen bestimmter Bewegungen zeigten eine deutliche Steigerung der Aktivität in den geschädigten Hirnbereichen.

Die Videotherapie wird seit einigen Jahren in Deutschland (Hamburg), Italien (Parma) und Amerika (Chicago) von mehreren Forschungsgruppen erprobt. Die Ergebnisse der bisherigen Studien mit der Videotherapie zeigen ermutigende Ergebnisse.