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Pflegeversicherung (Deutschland)

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Die soziale Pflegeversicherung (PV) wurde in Deutschland mit Wirkung zum 1. Januar 1995 durch Verabschiedung des Elften Buches Sozialgesetzbuch (SGB XI)[1] als Pflichtversicherung eingeführt.[2] Sie bildet – neben der gesetzlichen Kranken-, Unfall-, Renten- und Arbeitslosenversicherung – den jüngsten eigenständigen Zweig der Sozialversicherungen und somit deren „fünfte Säule“. Zur Absicherung des Risikos der Pflegebedürftigkeit hat die soziale Pflegeversicherung die Aufgabe, Hilfen für Pflegebedürftige zu leisten, die aufgrund ihrer Pflegebedürftigkeit auf solidarische und praktische Unterstützung angewiesen sind.

Die Hilfen werden im Einzelfall nach einem festzustellenden „Grad der Pflegebedürftigkeit“ gewährt. Es erfolgt die Zahlung eines Pflegegeldes bei ehrenamtlicher Pflege. Andererseits können Pflegekosten bei professioneller ambulanter oder (teil-)stationärer Pflege übernommen werden. Die Kosten für Pflegehilfsmittel und das Wohnumfeld verbessernde Maßnahmen können ebenfalls übernommen werden. Schließlich werden Leistungen an ehrenamtlich Pflegende erbracht. Die Kosten werden jeweils im Rahmen von Höchstsätzen ersetzt, also anders als bei der Krankenversicherung, die medizinisch notwendige Behandlungen regelmäßig voll abdeckt. Die Pflegeversicherung ist mithin keine Vollversicherung.

Träger der Pflegeversicherung sind die Pflegekassen, die bei den gesetzlichen Krankenkassen errichtet wurden, ihre Aufgaben jedoch in eigener Verantwortung als rechtsfähige Körperschaft des öffentlichen Rechts in Selbstverwaltung wahrnehmen. Alle gesetzlich krankenversicherten Personen sind von Gesetzes wegen in der sozialen Pflegeversicherung versichert (§ 20 SGB XI). Alle Vollversicherten einer privaten Krankenversicherung, die deutschem Recht unterliegt, müssen bei diesem Unternehmen auch zur Absicherung des Risikos der Pflegebedürftigkeit einen Versicherungsvertrag abschließen und aufrechterhalten (§ 23 SGB XI). Damit wurde erstmals die Versicherungspflicht für den gesamten nach deutschem Recht krankenversicherten Bevölkerungsteil eingeführt. Entlastet wird dadurch vor allem die von den Gemeinden getragene Sozialhilfe, aber auch Einzelpersonen und deren Familien, die bis zur Einführung der Pflegeversicherung auch für die hohen Pflegekosten in Pflegeheimen „Selbstzahler“ waren und keine staatliche Unterstützung in Anspruch nehmen konnten.

Pflegegutachten

Die Pflegekasse lässt vom Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) oder von anderen unabhängigen Gutachtern ein Gutachten anfertigen, um die Pflegebedürftigkeit und den Pflegeaufwand festzustellen. Soweit unabhängige Gutachter mit der Prüfung beauftragt werden, sind den Antragstellenden in der Regel drei Gutachter zur Auswahl zu benennen. Die Begutachtung wird in der Regel in dem Wohnbereich des Antragstellers durchgeführt. Bei einer eindeutigen Aktenlage kann die Einstufung in eine Pflegestufe nach Aktenlage vorgenommen werden (§ 18 Abs. 2 SGB XI). Der Antragsteller hat in allen Fällen ein Recht darauf, dass ihm mit dem Bescheid das Gutachten übermittelt wird.

Die Unternehmen der privaten Pflegepflichtversicherung beauftragen als Gutachter die eigens dafür gegründete Medicproof GmbH, für die die gleichen Maßstäbe wie für den MDK gelten (§ 23 Abs. 6 SGB XI Versicherungspflicht für Versicherte der privaten Krankenversicherungsunternehmen).

Der Gutachter stellt anhand von Begutachtungsrichtlinien, in denen Vorgabezeiten in Form von Zeitkorridoren festgelegt sind[3] den Zeitbedarf für die persönliche Pflege (Grundpflege: Körperpflege, Ernährung und Mobilität) sowie für die hauswirtschaftliche Versorgung in einem Pflegegutachten fest. Die Zeitkorridore sollen einerseits eine einheitliche Bewertung gewährleisten, andererseits aber auch ermöglichen, individuelle Besonderheiten der zu Pflegenden weitgehend zu berücksichtigen. Bei der Festlegung der Zeitkorridore wird von dem Zeitbedarf ausgegangen, den nichtprofessionelle Pflegepersonen im Sinne der Laienpflege benötigen würden.

Für eine Ganzkörperwäsche sind zum Beispiel 20 bis 25 Min. vorgegeben. Liegen erschwerende Faktoren vor – beispielsweise besonders hohes Körpergewicht oder Abwehrverhalten – kann der Gutachter hiervon abweichen und einen über 25 Minuten liegenden Wert ansetzen. Für die Anleitung oder die Beaufsichtigung, die der aktivierenden Pflege dienen, können die Zeitkorridore überschritten werden.

Für Kinder gelten besondere, nach dem Alter abgestufte Werte zur Bemessung der Pflegezeiten, die sich nur an dem durch Krankheit oder Behinderung bedingten zusätzlichen Pflegebedarf gegenüber normal entwickelten Kindern gleichen Alters orientieren (S. 56 ff. der Begutachtungsrichtlinien); das führt u. a. dazu, dass im ersten Lebensjahr fast nie eine Pflegestufe erreicht wird.

Der Gutachter erläutert der Pflegekasse entsprechend dem von ihm festgestellten Pflegeaufwand, ob die Voraussetzungen der Pflegebedürftigkeit erfüllt sind und welche Stufe der Pflegebedürftigkeit vorliegt. Er gibt Hinweise, ob häusliche Pflege durch ehrenamtliche Pflegepersonen, durch einen ambulanten Pflegedienst oder stationäre Pflege in Betracht kommt. Bei ehrenamtlicher häuslicher Pflege (z. B. durch den Partner) wird beurteilt, ob die Pflege gesichert erscheint, bei defizitärer Pflege werden Maßnahmen zur Sicherstellung der Pflege empfohlen.

Ist ein nahtloser Übergang aus einer stationären Krankenhausbehandlung in die vollstationäre Pflege notwendig, muss die Begutachtung noch im Krankenhaus spätestens innerhalb einer Woche erfolgen (§ 18 Abs. 3 Satz 3 SGB XI). Hat bei häuslicher Pflege die Pflegeperson die Inanspruchnahme von Pflegezeit nach dem Pflegezeitgesetz gegenüber dem Arbeitgeber angekündigt oder mit dem Arbeitgeber eine Familienpflegezeit nach § 2 Absatz 1 des Familienpflegezeitgesetzes vereinbart, ist eine Begutachtung spätestens innerhalb von zwei Wochen durchzuführen (§ 18 Abs. 3 Satz 5 SGB XI). Auch sonst muss die Pflegekasse unmittelbar nach Antragstellung die Begutachtung einleiten, denn sie soll innerhalb von höchstens fünf Wochen über den Antrag entscheiden (§ 18 Abs. 3 Satz 1 und 2 SGB XI).

Die Pflegestufen, Unterscheidungsmerkmale

Pflegebedürftig sind nach § 14 SGB XI Personen, die wegen einer körperlichen, geistigen oder seelischen Krankheit oder Behinderung für die gewöhnlichen und regelmäßig wiederkehrenden Verrichtungen im Ablauf des Lebens auf Dauer, voraussichtlich für mindestens sechs Monate, in erheblichem Umfang oder höherem Maße der Hilfe bedürfen. Je nach dem Umfang des Hilfebedarfs werden die Pflegebedürftigen in unterschiedliche Pflegestufen eingestuft (§ 15 SGB XI). Die Entscheidung, welche Pflegestufe vorliegt, trifft die Pflegekasse unter maßgeblicher Berücksichtigung des Pflegegutachtens. Von der Pflegestufe ist abhängig, ob und in welchem Umfang der Pflegebedürftige Leistungen von der Pflegekasse beanspruchen kann.

Ausschlaggebend für die Zuordnung zu einer Pflegestufe ist letztlich der Zeitaufwand, den ein Familienangehöriger oder andere nicht als Pflegekraft ausgebildete Pflegepersonen benötigen, um die erforderliche Hilfe bei den maßgeblichen Verrichtungen im Ablauf des täglichen Lebens zu leisten. Der Zeitaufwand für die Grundpflege und der Zeitaufwand für die hauswirtschaftliche Versorgung werden gesondert betrachtet. Grundpflege bedeutet Hilfe bei den Verrichtungen aus den Bereichen Körperpflege, Ernährung und Mobilität. Hilfe kann auch die Beaufsichtigung oder Anleitung mit dem Ziel der eigenständigen Übernahme dieser Verrichtungen bedeuten.

Eine bestimmte Pflegestufe liegt erst dann vor, wenn für die gesamte Hilfe (Grundpflege und hauswirtschaftliche Versorgung) und zusätzlich für die Grundpflege alleine jeweils ein bestimmter Mindestzeitaufwand erforderlich ist.

  • Pflegestufe I   – erhebliche Pflegebedürftigkeit,
d. h. durchschnittlicher Hilfebedarf mindestens 90 Minuten pro Tag. Auf die Grundpflege müssen dabei mehr als 45 Minuten täglich entfallen
  • Pflegestufe II  – schwere Pflegebedürftigkeit,
d. h. durchschnittlicher Hilfebedarf mindestens 180 Minuten pro Tag mit einem Grundpflegebedarf von mehr als 120 Minuten täglich
  • Pflegestufe III – schwerste Pflegebedürftigkeit,
d. h. durchschnittlicher Hilfebedarf mindestens 300 Minuten pro Tag. Der Anteil an der Grundpflege muss mehr als 240 Minuten täglich betragen und es muss auch nachts (zwischen 22 und 6 Uhr) regelmäßig Grundpflege anfallen

Wenn der Pflegeaufwand das Maß der Pflegestufe III weit übersteigt, kann die Pflegekasse zur Vermeidung einer besonderen Härte zusätzliche Pflegesachleistungen und vollstationäre Pflegeleistungen gewähren (s. u.).

Bei Personen, die zwar einen Hilfebedarf im Bereich der Grundpflege und hauswirtschaftlichen Versorgung haben, der aber nicht das (zeitliche) Ausmaß der Pflegestufe I erreicht, wird umgangssprachlich von der „Pflegestufe 0“ gesprochen. Trotz des vorhandenen Hilfebedarfs erbringt die Pflegeversicherung hier keine Leistungen für die Grundpflege und die hauswirtschaftliche Versorgung. Demenzkranke, geistig und psychisch Behinderte der Pflegestufe 0, die eine erheblich eingeschränkte Alltagskompetenz haben, können dagegen Pflegegeld und bestimmte Leistungen zur Deckung eines Bedarfs an allgemeiner Beaufsichtigung und Betreuung in Anspruch nehmen.

Leistungen

Leistungsgrundsätze

Die Pflegekassen haben nach § 5 SGB XI darauf hinzuwirken, dass Pflegebedürftigkeit durch Prävention, medizinische Behandlung und Rehabilitation vermieden wird. Stellt die Pflegekasse einen Rehabilitationsbedarf fest, muss sie den Versicherten sowie mit dessen Einwilligung den behandelnden Arzt und den zuständigen Rehabilitationsträger informieren. Die Mitteilung an den Rehabilitationsträger gilt als Reha-Antrag nach § 14 SGB IX. Ist eine sofortige Reha-Leistung erforderlich, kann der zuständige Träger die Leistung aber nicht rechtzeitig erbringen, muss die Pflegekasse nach § 32 SGB XI selbst vorläufige Leistungen zur Rehabilitation erbringen.

Ambulante Pflege geht teilstationären und vollstationären Pflegeleistungen vor (§ 3 SGB XI).

Alle Leistungen mit Ausnahme der technischen Hilfsmittel und der Pflegekurse sind budgetiert. Dies ist Ausdruck des politischen Willens, die Pflegeversicherung nicht als Vollversicherung zu konzipieren, um die Beiträge stabil zu halten und die Ausgabenentwicklung steuern zu können.

Leistungen bei häuslicher Pflege (häusliche Pflegehilfe)

Im Jahr 2003 entschieden sich etwa zwei Drittel der Leistungsempfänger für die ambulante, häusliche Pflege. In der gewohnten häuslichen Umgebung fühlt sich der überwiegende Teil der Pflegebedürftigen geringeren psychischen Belastungen ausgesetzt als bei einem Aufenthalt in einem Heim. Es besteht jedoch eine zunehmende Tendenz zugunsten stationärer Leistungen (Quelle: VDAK, „Zahlen, Daten, Fakten“, s. u.).

Laufende Pflegeleistungen

Pflegegeld für selbst beschaffte Pflegepersonen

Pflegebedürftige, die keine Pflegehilfe eines ambulanten Pflegedienstes in Anspruch nehmen, erhalten ein monatliches Pflegegeld. Dadurch soll die ehrenamtliche Pflege unterstützt werden und Anerkennung finden. Der Pflegebedürftige ist frei darin, wie er das Pflegegeld verwendet.

Voraussetzung für das Pflegegeld ist, dass die häusliche Pflege in geeigneter Weise sichergestellt ist, was zunächst der Gutachter feststellt und bei regelmäßigen Qualitätssicherungsbesuchen überprüft wird.

Pflegebedürftige, die eine erheblich eingeschränkte Alltagskompetenz haben (siehe Abschnitt Zusätzliche Betreuungsleistungen für Pflegebedürftige mit erheblichem allgemeinen Betreuungsbedarf), erhalten ab 1. Januar 2013 ein erhöhtes Pflegegeld.[4] Ab diesem Datum können Pflegegeld auch Pflegebedürftige beanspruchen, deren Hilfebedarf im Bereich Grundpflege und hauswirtschaftliche Versorgung nicht das Ausmaß der Pflegestufe I erreicht (Pflegestufe 0), die aber über eine erheblich eingeschränkte Alltagskompetenz haben. Das (erhöhte) Pflegegeld wird neben den zusätzlichen Betreuungsleistungen nach § 45b SGB XI gewährt.

Das Pflegegeld beträgt monatlich in €:

  Pflegestufe   bis 30. Juni 2008   ab 1. Juli 2008   ab 1. Januar 2010   ab 1. Januar 2012  ab 1. Januar 2013
0 mit eingeschränkter Alltagskompetenz --- --- --- --- 120
I 205 215 225 235 235
I mit eingeschränkter Alltagskompetenz --- --- --- --- 305
II 410 420 430 440 440
II mit eingeschränkter Alltagskompetenz --- --- --- --- 525
III 665 675 685 700 700


Während einer vollstationären Krankenhausbehandlung oder Rehabilitationsmaßnahme wird das Pflegegeld bis zu vier Wochen weiter gezahlt, danach ruht der Anspruch.

Anspruch auf das Pflegegeld haben auch Versicherte, die sich vorübergehend oder dauerhaft in einem EU-Land, Island, Norwegen, Liechtenstein oder der Schweiz aufhalten. Bei Auslandsaufenthalten in anderen Staaten kann das Pflegegeld bis zu sechs Wochen im Kalenderjahr weiterbezogen werden, wenn der Aufenthalt nur vorübergehend ist (§ 34 SGB XI).

Qualitätssicherungsbesuch

Eine zur „Geldleistung“ gehörige Dienstleistung der Pflegeversicherung sind obligatorische, regelmäßige „Qualitätssicherungsbesuche“ daheim (§ 37 Abs. 3 SGB XI). Sie dienen zur Beratung und Sicherstellung einer ausreichenden pflegerischen Versorgung durch die Angehörigen (Laienpflege). Die pflegenden Angehörigen vereinbaren den Besuch mit einem ambulanten Pflegedienst, einer von den Landesverbänden der Pflegekassen anerkannten Beratungsstelle oder einem Pflegestützpunkt ihrer Wahl. Bei dem Einsatz steht die Beratung und nicht die Kontrolle im Vordergrund (BT-Drs. 14/6949, S. 13).[5] Fragen, die gestellt werden bzw. werden können: „Wie mache ich dies oder das leichter? Woher bekomme ich Hilfsmittel? Wie verabreiche ich Getränke? Welche Kosten entstehen, wenn Teile der Pflege von Profis übernommen werden? Wie oft sollte die Person anders gelagert werden? …“.

Die Häufigkeit solcher Pflichtbesuche richtet sich nach der Pflegestufe. Bei Pflegestufe I und II findet alle 6 Monate, bei Pflegestufe III alle 3 Monate ein Besuch statt. Pflegebedürftige mit erheblichem Bedarf an allgemeiner Beaufsichtigung und Betreuung nach § 45a SGB XI sind berechtigt, den Beratungseinsatz innerhalb der genannten Zeiträume zweimal in Anspruch zu nehmen. Die Kosten für den Einsatz werden von der Pflegekasse übernommen.

Sofern festgestellt wird, dass die häusliche Pflege nicht hinreichend sichergestellt ist oder Pflegeschäden aufgetreten sind oder sogar eine so genannte gefährliche Pflegesituation vorliegt, verliert der Pflegebedürftige den Anspruch auf das Pflegegeld. Das hat zur Folge, dass die Pflege entweder von einem ambulanten Pflegedienst übernommen werden muss oder voll-/teilstationäre Pflege erforderlich wird (siehe die folgenden Abschnitte), wofür die Pflegekasse aufkommen muss. Praktisch machen die Pflegekassen aber von dieser Möglichkeit kaum Gebrauch (Interessenkonflikt: Die Pflegekasse selbst entscheidet, ob sie maximal 700 EUR Pflegegeld zahlt oder 3.500 - 4.000 EURO oder bis zu 10.000 EUR/Monat (bei Krankenhaus-Tagessätzen von z.B. 300 EURO/Tag) bei stationärer/teilstationärer Pflege).

Ambulanter Pflegedienst (Pflegesachleistung)

Die Pflegekasse finanziert einen ambulanten Pflegedienst, der die Pflege zu Hause durchführt (Pflegesachleistung). Die pflegebedürftige Person hat die freie Wahl zwischen den Pflegediensten, die einen Versorgungsvertrag nach den §§ 71 ff. SGB XI abgeschlossen haben. Die Pflegedienste rechnen direkt mit der Pflegekasse ab, eine Auszahlung an die gepflegte Person oder deren Angehörige erfolgt nicht. Die monatlichen Höchstbeträge richten sich nach der jeweiligen Pflegestufe. Für Pflegebedürftige, die eine erheblich eingeschränkte Alltagskompetenz haben (siehe Abschnitt Pflegebedürftige mit erheblichem allgemeinen Betreuungsbedarf), wurden zum 1. Januar 2013 die Höchstsätze angehoben.[6]

 Höchstsätze in Pflegestufe   bis 30. Juni 2008   ab 1. Juli 2008   ab 1. Januar 2010   ab 1. Januar 2012  ab 1. Januar 2013
I 384 420 440 450 450
I mit eingeschränkter Alltagskompetenz --- --- --- --- 665
II 921 980 1040 1100 1100
II mit eingeschränkter Alltagskompetenz --- --- --- --- 1250
III 1432 1470 1510 1550 1550


In Härtefällen kann die Pflegekasse Pflegeeinsätze im Gesamtwert von bis zu 1918 € übernehmen (§ 36 SGB XI). Ein Härtefall liegt vor, wenn der Pflegeaufwand das Maß der Pflegestufe III weit übersteigt, z. B. im Endstadium einer Krebserkrankung, bei schwerer Ausprägung der Demenz oder bei Patienten im Wachkoma. Die Kriterien für die Anerkennung eines Härtefalls sind in Anlage 3 der Begutachtungsrichtlinien (siehe unten unter Quellen) festgelegt. Die Kriterien wurden neu gefasst, nachdem das Bundessozialgericht 2001 feststellte, dass die bestehenden Härtefallrichtlinien „deutlich zu eng gefasst sind und deshalb überarbeitet werden müssen.“[7] Nach den neuen Kriterien muss unter anderem die Hilfe bei der Grundpflege mindestens sechs Stunden täglich erforderlich sein, davon mindestens dreimal in der Nacht.

Unter bestimmten Voraussetzungen kann die Pflegesachleistung auch durch Einzelpersonen erbracht werden, die mit der Pflegekasse einen Vertrag nach § 77 SGB XI abgeschlossen haben. Mit der Gesetzesänderung zum 1. Juli 2008 wurden diese Voraussetzungen erweitert, um solche Einzelverträge zu fördern. Auch ist die Zusammenfassung von Sachleistungen mehrerer Pflegebedürftiger zu einem „Pool“ von Leistungsansprüchen innerhalb einer sozialen Struktur z. B. innerhalb einer Wohnung, eines Hauses oder eines Wohnviertels möglich (§ 36 SGB XI).

Muss für die Pflege durch einen Pflegedienst mehr aufgewendet werden als die Pflegekasse erstattet, können die Mehrkosten steuerlich als „Haushaltsnahe Dienstleistung“ geltend gemacht werden.

Kombinationsleistung

Hierbei können sowohl Pflegeleistungen der Pflegedienste für die häusliche Pflege als „Sachkosten“ abgerechnet werden als auch der dabei nicht verbrauchte Anteil am Höchstbetrag als „Geldleistung“ für Pflegepersonen beansprucht werden (§ 38 SGB XI). Wird beispielsweise 80 % des Höchstbetrages der „Sachleistung“ verbraucht, stehen daneben noch 20 % des Pauschalbetrages des Pflegegeldes der jeweiligen Pflegestufe zur Verfügung. So kann beispielsweise die persönliche Pflege teilweise durch einen Pflegedienst erfolgen (dafür gelten alle Details zur Pflegesachleistung) und die restliche persönliche Pflege sowie die hauswirtschaftliche Versorgung durch einen Familienangehörigen (dafür gelten alle Details zu Pflegegeldzahlung … bis auf die entfallenden Qualitätssicherungsbesuche und zu Soziale Absicherung der Pflegeperson). Mit Inkrafttreten der Gesetzesänderungen ab dem 1. Juli 2008 wurden die Leistungen bei der Kombination aus Pflegesachleistung und Pflegegeld mit teilstationärer Pflege verbessert (s. u.).

Teilstationäre Pflege (Tages- oder Nachtpflege)

Teilstationäre Pflege ist die zeitweise Betreuung im Tagesverlauf in einer Einrichtung. Teilstationäre Pflege kann als Tages- oder Nachtpflege konzipiert sein. Die Pflegekasse übernimmt die Pflegekosten, die Aufwendungen der sozialen Betreuung und die Kosten der medizinischen Behandlungspflege, abhängig von der jeweiligen Pflegestufe. Aufgrund des Nachrangs § 3 SGB XI der stationären Leistungen der Pflegeversicherung wird teilstationäre Pflege nur gewährt, wenn dies im Einzelfall erforderlich ist, weil beispielsweise häusliche Pflege nicht in ausreichendem Umfang zur Verfügung gestellt werden kann.

  • Beispiel: Die Pflegeperson (Tochter) entschließt sich, wieder berufstätig zu werden. Die pflegebedürftige Mutter kann nicht acht Stunden lang unbeaufsichtigt bleiben. Da keine weiteren Pflegepersonen zur Verfügung stehen und Pflegesachleistung nicht ausreicht, besteht ein Anspruch auf teilstationäre Pflege in einer Tagespflege-Einrichtung.

Die Kosten für Unterkunft und Verpflegung sowie der Investitionskostenanteil müssen privat getragen werden (Ausnahme: Bei Demenz können auch diese Kosten im Rahmen der „Leistungen für Pflegebedürftige mit erheblichem allgemeinen Betreuungsbedarf“ - siehe hier - erstattet werden). Die Leistungen für teilstationäre Pflege betragen – nach § 41 SGB XI – monatlich (in €) maximal in Pflegestufe

 in Pflegestufe   bis 30. Juni 2008   ab 1. Juli 2008   ab 1. Januar 2010   ab 1. Januar 2012
I 384 420 440 450
II 921 980 1040 1100
III 1432 1470 1510 1550
Tabelle a)

Die Kombination von Pflegegeld, Pflegesachleistung und teilstationärer Pflege ändert sich durch die neu eingefügten Absätze 4-6 ab dem 1. Juli 2008 wie folgt:

  • Wird die Tages- oder Nachtpflege gemeinsam mit der Pflegesachleistung in Anspruch genommen, dürfen die Aufwendungen insgesamt 150 % des Höchstbetrags nach § 36 Abs. 3 und 4 SGB XI nicht übersteigen, die jeweiligen Höchstbeträge dürfen 100 % nicht übersteigen.

Somit ergeben sich rechnerisch die folgenden Höchstbeträge:

 in Pflegestufe   ab 1. Juli 2008   ab 1. Januar 2010   ab 1. Januar 2012
I 630 660 675
II 1470 1560 1650
III 2205 2265 2325
Tabelle b)
Beispiel für die Pflegestufe III: Anteil der Pflegesachleistung 1470 € = 100 % des Höchstbetrags nach § 36 Abs. 3 Nr. 3a SGB XI, Restanspruch auf teilstationäre Pflege maximal 735 € = 50 % des Höchstbetrags nach § 41 Abs. 2 Nr. 3a SGB XI.
  • Wird jeweils die Pflegesachleistung oder das Pflegegeld zu 100 % beansprucht, besteht ein zusätzlicher Anspruch auf bis zu 50 % der Leistung der Tages- oder Nachtpflege nach Tabelle a).

Für die Inanspruchnahme von Tages- und Nachtpflege zusammen mit einer Kombination von Pflegegeld und Pflegesachleistung gilt:

  • Zusätzlich zur bisherigen Höhe der nach § 38 SGB XI kombinierten Leistung besteht ein Anspruch auf bis zu 50 % des Höchstbetrags der Tages- und Nachtpflege nach Tabelle a).

Sind über die o. g. Höchstbeträge weitere finanzielle Mittel für die häusliche und/oder die teilstationäre Versorgung erforderlich und können diese Mittel nicht privat aufgebracht werden, kann Sozialhilfe (Hilfe zur Pflege) beantragt werden, die im Rahmen der Auffangfunktion der Sozialhilfe die fehlenden Leistungen übernehmen muss, sofern die wirtschaftlichen Voraussetzungen zum Bezug von Sozialhilfe erfüllt sind.

Zusätzliche laufende Leistungen für Pflegepersonen

Neben allen vorgenannten Leistungen der häuslichen Pflege können für Pflegepersonen (in der Definition des § 19 SGB XI) Leistungen zur sozialen Sicherung und Wiedereingliederung in das Berufsleben übernommen werden (§ 44 SGB XI). Diese Leistungen sind nicht an den Bezug von Pflegegeld gebunden, z. B. wenn die laufenden Zahlungen für die Leistungen professioneller Pflegeleistungen ausgeschöpft sind, aber darüber hinaus private häusliche Pflegeleistungen erfolgen (vgl. das obige Beispiel in „Teilstationäre Pflege“). Maßgeblich ist allein, ob und in welchem Umfang häusliche Pflegehilfe erforderlich ist und tatsächlich von der (den) Pflegeperson(en) erbracht wird. Der MDK hat im Rahmen der Begutachtung dazu Stellung zu nehmen.

Unfallversicherung

Pflegepersonen sind während der Pflegetätigkeit in die gesetzliche Unfallversicherung einbezogen (§ 44 SGB XI). Versichert sind alle Tätigkeiten im Bereich der Körperpflege und, soweit diese überwiegend der pflegebedürftigen Person zugutekommen, auch alle Tätigkeiten im Bereich Ernährung, Mobilität und Hauswirtschaft. Auch die Wege von und zur Pflegestelle sind in den Unfallversicherungsschutz einbezogen (Quelle: Gemeinsames Rundschreiben). Der Unfallversicherungsschutz gilt auch für Pflegepersonen, die mehr als 30 Wochenstunden erwerbstätig sind. Kein Unfallversicherungsschutz gilt für Personen, die im Rahmen der Delegation gelegentliche Hilfstätigkeiten für die Pflegeperson übernommen haben, weil sie nicht als Pflegeperson im Sinne des § 19 SGB XI gelten.

Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung

Pflegepersonen, die einen Pflegebedürftigen, der Anspruch auf Leistungen der Pflegeversicherung hat, mindestens 14 Stunden in der Woche pflegen, sind in der gesetzlichen Rentenversicherung pflichtversichert (§ 3 Satz 1 Nr. 1a SGB VI). Dies gilt nicht, wenn die Pflegeperson bereits anderweitig rentenversichert ist, so z. B., weil sie

  • im Rahmen einer Beschäftigung oder selbständigen Tätigkeit
  • eine Altersrente bzw. eine Pension bezieht
  • neben der Pflege mehr als 30 Wochenstunden anderweitig versicherungspflichtig beschäftigt oder selbständig ist

Die Rentenversicherungspflicht entfällt nach Auffassung der Spitzenverbände der Sozialversicherung auch dann, wenn die Pflege nicht von Dauer ist. Dauerhaft in diesem Sinne wird eine Pflege ausgeübt, wenn sie auf mehr als zwei Monate bzw. 60 Tage im Jahr (nicht Kalenderjahr) angelegt ist.[8]

Das Versicherungsverhältnis kommt kraft Gesetzes zustande, ein Antrag ist nicht erforderlich. Die Entscheidung, ob die Voraussetzungen für die Versicherungspflicht vorliegen, trifft der Träger der gesetzlichen Rentenversicherung. Sofern Versicherungspflicht besteht, zahlt die Pflegekasse die Pflichtbeiträge direkt an die Rentenversicherung, die dort als Pflichtbeitragszeiten verbucht werden.

Die Höhe der Rentenversicherungsbeiträge richtet sich nach § 166 Abs. 2 SGB VI. Es werden fiktive beitragspflichtige Einnahmen zugrundegelegt, die von der Anzahl der wöchentlichen Pflegestunden (mindestens 14 Std.), der Pflegestufe sowie der Bezugsgröße nach § 18 SGB IV abhängen. Die Bezugsgröße wird jährlich neu festgelegt.

  • Berechnungsbeispiel für die Bezugsgröße (West) 2006, Pflegestufe III, mindestens 28 Stunden wöchentliche Pflegezeit: Bezugsgröße = 2450 €, davon 80 % = 1960 € fiktives Einkommen, davon 19,5 % RV-Beitrag = 382,20 € Beitrag zur Rentenversicherung.

Monatliche Rentenbeiträge (in €):

 Pflege- 
 stufe 
mindest.
Std. pro
Woche
2004 – 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011
West Ost West Ost West Ost West Ost West Ost West Ost West Ost
I 14 125,58 105,56 127,40 107,38 130,01 111,44 131,87 111,44 133,73 113,30 135,59 115,15 135,59 118,87
II 14 167,44 140,75 169,87 143,17 173,35 148,59 175,83 148,59 178,30 151,06 180,78 153,54 180,78 158,49
II 21 251,16 211,12 254,80 214,76 260,03 222,88 263,74 222,88 267,46 226,59 271,17 230,31 271,17 237,74
III 14 188,37 158,34 191,10 161,07 195,02 167,16 197,81 167,16 200,59 169,95 203,38 172,73 203,38 178,30
III 21 282,56 237,51 286,85 241,61 292,53 250,74 296,71 250,74 300,89 254,92 305,07 259,10 305,07 267,46
III 28 376,74 316,68 382,20 322,14 390,04 334,32 395,61 334,32 401,18 339,89 406,76 345,46 406,76 356,61

Bei der Rentenberechnung werden die dem Rentenversicherungsträger gemeldeten Pflegezeiten wie Zeiten einer versicherten Beschäftigung auf die Rente angerechnet. Die Spitzenorganisationen der Sozialversicherung haben die Rentenversicherung der nicht erwerbstätigen Pflegepersonen erläutert.[9]

Steuerfreibetrag

Für die Pflege von Familienangehörigen (in Ausnahmefällen auch bei der Pflege von anderen Personen), die entweder in Pflegestufe III eingestuft sind oder bei denen das Merkmal „H“ (hilflos) im Schwerbehindertenausweis eingetragen ist, kann die Pflegeperson einen pauschalen Steuerfreibetrag von jährlich 924 € beanspruchen, sofern sie dafür keine Einnahmen erhalten hat. Dies gilt unabhängig von den Leistungen der Pflegeversicherung für die zu betreuende Person.

Entstanden höhere Aufwendungen, so können diese anstelle des Pauschbetrags als außergewöhnliche Belastung unter Anrechnung der zumutbaren Belastung geltend gemacht werden.

Zusätzliche Leistungen bei Bedarf

Ersatzpflege („Verhinderungspflege“)

Ist bei häuslicher Pflege die Pflegeperson wegen Erholungsurlaubs, Krankheit oder aus anderen Gründen (z. B. Geburtstage, Gartenarbeit, Arzt-/Friseurbesuche, Kino, Fernsehabend) an der Pflege gehindert, übernimmt die Pflegekasse die Kosten für die notwendige Ersatzpflege (auch Verhinderungspflege genannt), wenn die Pflegeperson den Pflegebedürftigen vor der erstmaligen Verhinderung mindestens sechs Monate in seiner häuslichen Umgebung gepflegt hat (§ 39 SGB XI). Die Kosten werden jährlich für eine Dauer von bis zu insgesamt 4 Wochen und bis zu einem Höchstbetrag von 1550 € übernommen. Bei der Ersatzkraft kann es sich auch um einen professionellen Pflegedienst handeln. Ist die Ersatzkraft mit der pflegebedürftigen Person bis zum zweiten Grad verwandt oder verschwägert oder lebt sie im gleichen Haushalt, ist die Leistung auf den Betrag des Pflegegeldes der jeweiligen Pflegestufe begrenzt. Tatsächliche höhere Aufwendungen müssen nachgewiesen werden, beispielsweise für die Reinigung der Pflegekleidung, für Fahrtkosten, Kosten für die anderweitige Unterbringung eines Kindes während der Pflegetätigkeit, Verdienstausfall. Kosten, die der Pflegeperson durch den Arbeitsausfall im eigenen Haushalt entstehen, sind nicht erstattungsfähig.[10]

Während der Dauer des Bezugs der Ersatzpflege ruht der Bezug von Pflegegeld. Für den ersten und den letzten Tag dieser Pflege wird Pflegegeld gezahlt.

Ist die Pflegeperson weniger als 8 Stunden verhindert, handelt es sich um so genannte „stundenweise Verhinderungspflege“. Dabei wird das Pflegegeld nicht gekürzt, und der Zeitraum wird nicht auf die Höchstdauer von 28 Tagen angerechnet.[11]

Kurzzeitpflege

Bei der Kurzzeitpflege werden im Bedarfsfall die Kosten für eine stationäre Unterbringung in einem Pflegeheim bis zu 4 Wochen im Kalenderjahr bis zu einem Betrag von 1550 € übernommen (ab 1. Januar 2012, vorher 1510 €). Übernahmefähig sind dabei die pflegebedingten Kosten. Die Kosten für Unterkunft, Verpflegung und Investitionskosten sind selbst aufzubringen (Ausnahme: Bei Demenz können auch diese Kosten im Rahmen der „Leistungen für Pflegebedürftige mit erheblichem allgemeinen Betreuungsbedarf“ - siehe hier - erstattet werden). Leistungsgründe können beispielsweise Urlaub der Pflegeperson oder eine kurzfristig erhöhte Pflegebedürftigkeit sein (diese Kurzzeitpflege ist also keine selbständige Leistung der Pflegeversicherung, sondern eine zusätzliche Leistung bei bestehender häuslicher Pflege). Kurzzeitpflege ist gegenüber der teilstationären Pflege nachrangig (§ 42 Abs. 1 SGB XI), das heißt die Pflegekasse kann im Einzelfall durch den MDK prüfen lassen, ob teilstationäre Pflege ausreicht, um den Pflegebedarf zu decken.

Pflegebedürftige mit erheblichem allgemeinen Betreuungsbedarf

Pflegebedürftige in häuslicher Pflege, bei denen neben dem Hilfebedarf im Bereich der Grundpflege und der hauswirtschaftlichen Versorgung ein erheblicher Bedarf an allgemeiner Beaufsichtigung und Betreuung gegeben ist, haben nach § 45a, § 45b SGB XI Anspruch auf zusätzliche Betreuungsleistungen. Bei Vorliegen des besonderen Betreuungsbedarfs können solche Leistungen auch Pflegebedürftige in Anspruch nehmen, deren Hilfebedarf im Bereich Grundpflege und hauswirtschaftliche Versorgung nicht das Ausmaß der Pflegestufe I erreicht, weil sie insbesondere im Bereich der Grundpflege nicht mindestens 45 Minuten täglich der Hilfe bedürfen („Pflegestufe 0").

Die Betreuungsleistungen wurden durch das Pflegeleistungs-Ergänzungsgesetz mit Wirkung zum 1. Januar 2002 eingeführt[12] und gelten seit dem 1. Juli 2008 auch für die Pflegebedürftigen der „Pflegestufe 0".[13].

Als Betreuungsleistungen kommen in Betracht Tages- oder Nachtpflege, Kurzzeitpflege, Betreuungsleistungen eines zugelassenen Pflegedienstes oder so genannte niedrigschwellige Betreuungsangebote, bei denen Helfer und Helferinnen unter pflegefachlicher Anleitung die Betreuung in Gruppen oder im häuslichen Bereich übernehmen sowie pflegende Angehörige entlasten und beratend unterstützen.

Die Pflegekasse übernimmt oder erstattet die Kosten für diese Leistungen bis 100 Euro monatlich (Grundbetrag) oder bis 200 Euro monatlich (erhöhter Betrag).

Ein relevanter Betreuungsbedarf besteht, wenn die Alltagskompetenz der Pflegebedürftigen aufgrund von demenzbedingten Fähigkeitsstörungen, geistigen Behinderungen oder psychischen Erkrankungen dauerhaft erheblich eingeschränkt ist.

Dies wird anhand von 13 Kriterien geprüft:

  1. unkontrolliertes Verlassen des Wohnbereiches (Weglauftendenz);
  2. Verkennen oder Verursachen gefährdender Situationen;
  3. unsachgemäßer Umgang mit gefährlichen Gegenständen oder potenziell gefährdenden Substanzen;
  4. tätlich oder verbal aggressives Verhalten in Verkennung der Situation;
  5. im situativen Kontext inadäquates Verhalten;
  6. Unfähigkeit, die eigenen körperlichen und seelischen Gefühle oder Bedürfnisse wahrzunehmen;
  7. Unfähigkeit zu einer erforderlichen Kooperation bei therapeutischen oder schützenden Maßnahmen als Folge einer therapieresistenten Depression oder Angststörung;
  8. Störungen der höheren Hirnfunktionen (Beeinträchtigungen des Gedächtnisses, herabgesetztes Urteilsvermögen), die zu Problemen bei der Bewältigung von sozialen Alltagsleistungen geführt haben;
  9. Störung des Tag-/Nacht-Rhythmus;
  10. Unfähigkeit, eigenständig den Tagesablauf zu planen und zu strukturieren;
  11. Verkennen von Alltagssituationen und inadäquates Reagieren in Alltagssituationen;
  12. ausgeprägtes labiles oder unkontrolliert emotionales Verhalten;
  13. zeitlich überwiegend Niedergeschlagenheit, Verzagtheit, Hilflosigkeit oder Hoffnungslosigkeit aufgrund einer therapieresistenten Depression.

Sind zwei der 13 Kriterien, darunter mindestens eines der ersten neun, erfüllt, so liegt eine erheblich eingeschränkte Alltagskompetenz vor, aufgrund derer der monatliche Grundbetrag von bis zu 100 € bewilligt wird. Trifft zusätzlich mindestens eines der Kriterien 1, 2, 3, 4, 5, 9 oder 11 zu, wird ein erhöhter Betreuungsbedarf attestiert, für den der erhöhte monatliche Betrag von bis zu 200 € gilt.[14] Ab Januar 2013 gilt für diesen Personenkreis in den Pflegestufen 0 bis II zusätzlich ein erhöhtes Pflegegeld.

Pflegehilfsmittel

Pflegehilfsmittel und technische Hilfen werden unabhängig von der jeweiligen Pflegestufe zur Verfügung gestellt, und zwar regelmäßig leihweise (§ 40 SGB XI). Für technische Hilfsmittel besteht eine Zuzahlungspflicht von 10 %, höchstens jedoch 25 € je Hilfsmittel. Im Hilfsmittelverzeichnis der Gesetzlichen Krankenversicherung sind unter den Nummern 50 bis 54[15] die Pflegehilfsmittel aufgelistet. Die Notwendigkeit für Pflegehilfsmittel muss von einem Pflegedienst bestätigt werden. In der stationären Pflege sind Pflegehilfsmittel von der Pflegeeinrichtung bereitzustellen (s. u.).

Für „zum Verbrauch bestimmte Pflegehilfsmittel“ wie beispielsweise Einmalhandschuhe und Einmal-Bettschutzeinlagen werden Ausgaben bis 31 € monatlich übernommen (Beantragung beim Kauf).

Maßnahmen zur Wohnumfeldverbesserung

Für die Verbesserung des Wohnumfeldes (beispielsweise Anbringen von Handläufen und Haltegriffen, Beseitigung von Schwellen und Stufen durch Einbau von Rampen, Einbau von unterfahrbaren Küchenschränken, Einbau eines behindertengerechten Bades, Treppenlift) können von der Pflegeversicherung Kosten bis zur Obergrenze von 2.557 € je Maßnahme bewilligt werden. Der Pflegebedürftige hat einen Eigenanteil von 10 % der Kosten der Umbaumaßnahme zu leisten. Der Eigenanteil darf dabei 50 % seiner monatlichen Bruttoeinnahmen zum Lebensunterhalt nicht übersteigen. Verfügt er über keine eigenen Einkünfte, entfällt der Eigenanteil. Die Einnahmen anderer im Haushalt lebender Personen (wie Ehegatten und andere Verwandte) bleiben grundsätzlich unberücksichtigt.

Sind gleichzeitig verschiedene Um- oder Einbauten nötig (beispielsweise Türverbreiterungen und Rollstuhlrampe und Treppenlift), so gelten diese einheitlich als eine Umbaumaßnahme. Ein erneuter Zuschuss für Maßnahmen zur Verbesserung des Wohnumfeldes ist nur möglich, wenn eine zwischenzeitlich eingetretene Veränderung der Pflegesituation dies erfordert. Alternativ zu nötigen Umbaumaßnahmen kann auch ein Umzug in eine den Anforderungen des Pflegebedürftigen entsprechende Wohnung bezuschusst werden. Sofern auch hier weitere Aufwendungen zur Wohnumfeldverbesserung nötig sind, können diese ebenfalls bezuschusst werden. Insgesamt darf aber auch in dieser Kombination der Höchstzuschuss von 2.557 € nicht überschritten werden. Ein Katalog der das Wohnumfeld verbessernden Maßnahmen aus dem gemeinsamen Rundschreiben der Spitzenverbände der Pflegekassen vom 10. Oktober 2002 findet sich unter.[16] Die Notwendigkeit solcher Maßnahmen muss von einem Pflegedienst bestätigt werden.

Leistungen bei vollstationärer Pflege

Vollstationäre Pflege ist gegenüber der häuslichen und teilstationären Pflege nachrangig (§ 43 Abs. 1 SGB XI) . Die Pflegekasse kann die Notwendigkeit der vollstationären Pflege vom MDK prüfen lassen. Bei Pflegebedürftigen mit der Pflegestufe III wir die die Notwendigkeit der vollstationären Pflege wird vorausgesetzt (Pflegebedürftigkeits-Richtlinien D 5.2.4). Die Pflegekasse zahlt an das Pflegeheim eine monatliche Pauschale (in €):

 in Pflegestufe   bis 30. Juni 2008   ab 1. Juli 2008   ab 1. Januar 2010   ab 1. Januar 2012
I 1023 1023 1023 1023
II 1279 1279 1279 1279
III 1432 1470 1510 1550
III Härtefall 1688 1750 1825 1918

Näheres zur Härtefallregelung siehe oben unter Pflegesachleistung. Die Geldleistungen sind nur für den Pflegeaufwand und die soziale Betreuung im Heim bestimmt. Die betreute Person muss die Kosten für Unterbringung und Verpflegung, Investitionskosten und eventuelle besondere Komfortleistungen (siehe Heimentgelt) selbst bezahlen. Außerdem darf der von der Pflegekasse zu übernehmende Betrag 75 % des tatsächlichen Heimentgeltes (bestehend aus Pflegesatz, Unterkunfts- und Verpflegungskosten sowie Investitionskosten) nicht übersteigen.

Falls das Einkommen, auch unter Berücksichtigung der unterhaltspflichtigen Angehörigen nicht ausreicht, die verbleibenden Kosten der stationären Pflege zu decken, kann „Hilfe zur Pflege“ beim zuständigen Sozialhilfeträger beantragt werden. Die Zuständigkeit kann beim örtlichen Sozialamt erfragt werden. Dort müssen Anträge auch entgegengenommen und weitergeleitet werden (§ 18 Abs. 2 SGB XII).

Problematisch bei der vollstationären Pflege kann die Abgrenzung der Zuständigkeit – Pflegeeinrichtung oder Krankenkasse – für die Bereitstellung der notwendigen Hilfsmittel sein. Die Pflegekassen sind aufgrund der Zuordnung des § 40 SGB XI zu den Leistungen der häuslichen Pflege nicht für die Bereitstellung von Hilfsmitteln im stationären Bereich zuständig. Die Spitzenverbände der Kranken- und Pflegekassen haben aufgrund der bisherigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts Richtlinien[17] verabschiedet, die die Zuständigkeit für die verschiedenen Hilfsmittelgruppen festlegen.

Pflege in vollstationären Einrichtungen der Behindertenhilfe

Die Regelung in § 43a SGB XI wurde im ersten SGB XI-Änderungsgesetz auf Druck der Interessensvertretungen der Behinderten, der Behindertenhilfe und der Bundesländer eingefügt (zur Begründung der Vorschrift siehe auch Bt-Drs. 13/4521[18]). Die Einrichtungen der vollstationären Behindertenhilfe wie beispielsweise Wohnheime für psychisch kranke oder geistig behinderte Menschen waren ursprünglich aus dem Kreis der Leistungserbringer der Pflegeversicherung ausgeschlossen, obwohl auch in diesen Einrichtungen Pflegeleistungen erbracht werden oder deren Bewohner eine Pflegestufe haben können. Zum (schwachen) Ausgleich dieser Ausgrenzung übernimmt die Pflegekasse 10 % des Heimentgeltes, im Einzelfall höchstens 256 € monatlich. Die Leistung entlastet normalerweise nur den Träger der Sozialhilfe, der im Rahmen der Eingliederungshilfe für Behinderte nach dem SGB XII die Kosten des Aufenthalts in der Einrichtung trägt. Die Begutachtungs-Richtlinien definieren in Abschnitt D 5.2.4 Besonderheiten bei der Begutachtung in Einrichtungen der Behindertenhilfe.

Pflegekurse

Die Pflegekassen sollen Kosten für Pflegekurse (§ 45 SGB XI) für Angehörige und andere, an einer ehrenamtlichen Pflegetätigkeit interessierten Personen übernehmen. Das Vorliegen einer Pflegestufe ist hierfür nicht erforderlich. Das Angebot richtet sich somit an alle Bürger. Die Pflegekurse dienen der Sicherstellung der Qualität der pflegerischen Versorgung der zu Hause gepflegten Personen und zur Erleichterung der Pflegetätigkeit (Dritter Bericht über die Entwicklung der Pflegeversicherung, S. 21). Mit einer Gesetzesänderung zum 1. Januar 2002 wurde die Vorschrift von einer „Kann-“ in eine „Soll“-Bestimmung geändert, um die Pflegekassen stärker zur Durchführung von Pflegekursen zu verpflichten.

Behandlungspflege nach § 37 SGB V neben Pflegeversicherung

Die häusliche Krankenpflege nach § 37 SGB V als Leistung der gesetzlichen Krankenkasse kann in der häuslichen Pflege neben den Leistungen der Pflegeversicherung gewährt werden, in der Mehrzahl der Fälle als Behandlungspflege zur Sicherung des Ziels der ärztlichen Behandlung. Leistungen der Grundpflege können nicht mit der Krankenkasse abgerechnet werden. Die Behandlungspflege kann auf ärztliche Verordnung grundsätzlich zeitlich unbegrenzt gewährt werden, zum Beispiel wenn regelmäßig Injektionen verabreicht werden müssen, und weder der Patient selbst noch eine andere im Haushalt lebende Person dazu in der Lage ist.

Häusliche Krankenpflege kann auch als so genannte Krankenhausersatzpflege nach § 37 Abs. 1 SGB V gewährt werden. In diesen, bei pflegebedürftigen Personen eher seltenen Fällen umfasst die Leistung der Krankenkasse auch die Grundpflege. Während der Krankenhausersatzpflege ruhen die Leistungen der Pflegeversicherung (§ 34 Abs. 2 SGB XI) .

In der stationären Pflege ist die Behandlungspflege Teil der Leistung der Pflegekasse an die Pflegeeinrichtung, ein gesonderter Anspruch an die Krankenkasse besteht nicht (§ 41 Abs. 2 SGB XI, § 42 Abs. 2 SGB XI, § 43 Abs. 2 SGB XI). Durch die am 1. April 2007 in Kraft getretenen Änderungen durch das GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetz – GKV-WSG vom 26. März 2007 ergibt sich die Neuerung, dass bei Versicherten in vollstationären Pflegeeinrichtungen, die einen „besonders hohen Bedarf an medizinischer Behandlungspflege haben“ (§ 37 Abs. 2 Satz 3 SGB V) dennoch ein Anspruch auf Leistungen besteht. Der Gemeinsame Bundesausschuss hat mit Beschluss vom 10. April 2008 die Richtlinien zur Verordnung häuslicher Krankenpflege entsprechend geändert.[19] Die Neuregelung entlastet die Träger der Pflegeeinrichtungen, für die Bewohner ändert sich nichts.

Kritische Anmerkungen zu den Leistungen

Mit Einführung der Pflegeversicherung hat das „Pflegefallrisiko“ Anerkennung als ein allgemeines Lebensrisiko gefunden. Die Pflegeversicherung deckt jedoch nicht sämtliche Pflegekosten ab; erstens ist sie nur als Zuschuss zu den Pflegekosten konzipiert, zweitens werden bestimmte Pflegeaufwendungen nicht berücksichtigt.

Leistungen sind häufig nicht bedarfsdeckend

Bei der Pflegeversicherung handelt es sich nicht um ein „Bedarfsdeckungssystem“, sondern um ein „Budgetierungssystem“. Die Leistungen der Pflegeversicherung reichen oft nicht zur Deckung aller entstehenden Kosten aus, da die Pflegeversicherung nur Zuschüsse bis zu einem Höchstbetrag erbringt, unabhängig davon, wie hoch die zeitlichen oder finanziellen Aufwendungen im Einzelfall tatsächlich sind. Deshalb sind oft zusätzliche Leistungen der Angehörigen in Form eigener Arbeit oder finanzieller Aufwendungen erforderlich. Da der Gesetzgeber die von der Pflegeversicherung zu zahlenden Beträge nicht oder nicht vollständig an die durch die Inflation bedingten steigenden Kosten angleicht, steigt der Anteil der selbst aufzubringenden Mittel im Laufe der Jahre immer weiter an.

Bei der ambulanten Pflege entstehen zusätzliche Kosten, wenn der Pflegebedürftige viele der erforderlichen Pflegeleistungen von einem Pflegedienst ausführen lässt. Zusätzlich wirkt sich hier – besonders bei alleinstehenden Pflegebedürftigen – aus, dass für die Hauswirtschaft nur rund eine Stunde pro Tag bewertet wird.

Bei der ambulanten Pflege durch Pflegepersonen erfordern die von der Pflegekasse gezahlten Geldleistungen eine private Aufstockung, sobald Familienfremde als Pflegepersonen tätig werden, denn außerhalb der Familie findet sich kaum jemand, der ehrenamtlich pflegt.

Von der Pflegeversicherung nicht bewertete Pflegeaufwendungen

Einige wichtige Faktoren werden bei der Ermittlung des Zeitbedarfs für die Pflege nicht berücksichtigt:

  • Betreuung von Menschen, die an Demenz (Altersverwirrtheit) leiden und auf ständige Aufsicht beziehungsweise Anwesenheit einer zur Hilfe bereiten Person angewiesen sind
  • Unterstützung in sozialen Bereichen des Lebens
  • Hilfe zur Bewältigung von Krisen und bei Vereinsamung
  • Umgang mit Sterben und Tod

Auch Pflegefälle von kürzerer Dauer als einem halben Jahr bewirken keine Leistungen aus der Pflegeversicherung (z. B. eine 4-monatige Pflegebedürftigkeit nach einem schweren Unfall; die häusliche Krankenpflege als Behandlungspflege nach § 37 SGB V deckt in diesem Fall den Bedarf an Hilfe bei den Verrichtungen des täglichen Lebens gleichfalls nicht ab, es sei denn als Krankenhausersatzpflege für höchstens vier Wochen oder wenn die Satzung der Krankenkasse die Grundpflege einschließt.

Beiträge zur Pflegeversicherung

Gesetzlich Versicherte

Die Mittel der sozialen Pflegeversicherung werden aus Beiträgen gedeckt, die von den Versicherten selbst und – bei Arbeitnehmern – auch vom Arbeitgeber zu tragen sind. Am 1. Januar 2013 steigt der Beitragssatz auf 2,05 %[20]. Hinzu kommt gegebenenfalls ein Beitragszuschlag in Höhe von 0,25 Prozentpunkten für Kinderlose.

Beitragsstruktur

Die Beiträge werden für jedes Mitglied aus dessen beitragspflichtigen Einnahmen berechnet, jedoch nur bis zur Beitragsbemessungsgrenze (§ 55 Abs. 1 Satz 1 SGB XI). Die Beitragsbemessungsgrenze beträgt im Jahre 2013 monatlich 3.937,50 € (§ 55 Abs. 2 SGB XI, § 6 Abs. 7 SGB V in Verbindung mit den jeweiligen Sozialversicherungs-Rechengrößenverordnungen). Pflichtversicherte Mitglieder der landwirtschaftlichen Sozialversicherung zahlen einen prozentualen Zuschlag auf ihre Krankenversicherungsbeiträge.

In der nachfolgenden Tabelle sind die verschiedenen Beitragssätze aufgeführt und gegebenenfalls aufgeteilt auf die jeweils zur Zahlung Verpflichteten.

Personengruppe Beitragssätze ab 1. Januar 2013
Versicherte Arbeitgeber*)
Arbeitnehmer u. Ä. im Freistaat Sachsen 1,525 % 0,525 %
Arbeitnehmer u. Ä. (Bundesgebiet außer Sachsen) 1,025 % 1,025 %
Familienversicherte 0,00 % 0,00 %
Beihilfeberechtigte (einschließlich Pensionäre); vgl. § 55 Abs. 1 i.V.m. § 28 Abs. 2 SGB XI 1,025 % 0,00 % **)
Rentner 2,05 % 0,00 %
Freiwillig Versicherte (zum Beispiel selbständig Tätige) 2,05 % 0,00 %
Beitragszuschlag für Kinderlose (23. Lebensjahr vollendet und nach dem 31. Dezember 1939 geboren) 0,25 % 0,00 %
*) Für Details zum Arbeitgeberzuschuss siehe Arbeitgeberbeitrag.
**) Der Arbeitgeber/Dienstherr erbringt den Anteil zu dem Pflegeversicherungbeiträgen durch eine spätere Beihilfe im Pflegefall nach dem Beihilfebemessungssatz.

Der Bezug von Leistungen aus der Pflegeversicherung entbindet nicht von der Beitragszahlung, wenn und soweit daneben z. B. als Beschäftigter oder Rentner Versicherungspflicht besteht.

Studenten können - wie in der Krankenversicherung -, bis zur Vollendung des 25. Lebensjahres - solange sie also noch nicht 25 Jahre alt sind - (ggf. zuzüglich der Zeit der Erfüllung einer gesetzlichen Dienstpflicht als Wehr- oder Zivildienstleistender oder eines Bundesfreiwilligendienstes nach dem BFG bis zu 12 Monaten), unter bestimmten weiteren Voraussetzungen über die Eltern, ihren Ehegatten oder Lebenspartner beitragsfrei familienversichert sein. Danach werden sie als Student selbst versicherungs- und beitragspflichtiges Mitglied der gesetzlichen Pflegeversicherung. Die Versicherungspflicht als Student besteht bis zum Abschluss des vierzehnten Fachsemesters des Studienganges, jedoch längstens bis zur Vollendung des 30. Lebensjahres. Die genannten Grenzen für die Pflichtversicherung können in bestimmten Fällen (z. B. Verlängerung der Studiendauer aus familiären Gründen oder wegen einer Behinderung) überschritten werden.

Bei Studenten wird als beitragspflichtige Einnahmen der monatliche Bedarf angesehen, der nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz für Studenten festgesetzt ist, die nicht bei ihren Eltern wohnen (seit 1. April 2011: 597 € monatlich). Der monatliche Beitrag in der studentischen Pflegeversicherung beträgt demnach 12,24 € bzw. 13,73 € für kinderlose Studenten.

Für pflichtversicherte Beihilfeberechtigte (z. B. Beamte, Soldaten, Richter) gilt der halbe Beitragssatz und entsprechend ein Leistungsanspruch in halber Höhe; die andere Hälfte der Leistungen übernimmt der Dienstherr durch die Beihilfe.

Entwicklung des Beitragssatzes:

  • Nach Einführung der Pflegeversicherung zum 1. Januar 1995 lag der Beitragssatz zunächst bei 1,0 %. Er erhöhte sich am 1. Juli 1996 – mit Beginn der Leistungen für stationäre Pflege – auf 1,7 % und am 1. Juli 2008 auf 1,95 %.[21] Am 1. Januar 2013 wurde der Beitragssatz auf 2,05 % erhöht. Damit sollen die höheren Leistungsaufwendungen, die durch das Pflege-Neuausrichtungs-Gesetz (PNG) eingeführt wurden, refinanziert werden.[22]
  • Bis zum 31. Dezember 2004 galt für Kinderlose der gleiche Beitragssatz wie für Versicherte mit Kindern, seit dem 1. Januar 2005 wurde der Beitragssatz für Kinderlose beginnend mit dem Ablauf des Monats, in dem sie 23 Jahre alt geworden sind, um einen Zuschlag in Höhe von 0,25 Beitragssatzpunkten erhöht.
  • Bis zum 31. März 2004 erhielten Rentenempfänger 50 % Beitragszuschuss vom Träger der Rentenversicherung, seither müssen sie den vollen Beitrag allein tragen; Ausnahme: Bezieher einer Rente aus der Alterssicherung der Landwirte: Dort wird nur der halbe Beitragssatz fällig, da die andere Hälfte ohnehin vom Bund finanziert wird, was einer überflüssigen Umbuchung im Bundeshaushalt gleichkäme, vgl. § 59 SGB XI.
  • Seit dem 1. Juli 1996 ist im Bundesland Sachsen ein höherer Beitrag zu entrichten: Sachsen hat als einziges Bundesland den Buß- und Bettag nicht als gesetzlichen Feiertag abgeschafft. Die Arbeitnehmer tragen daher den Beitrag in Höhe von 1 % allein; vgl. § 58 SGB XI.

Beitragszuschlag für Kinderlose

Mitglieder der Pflegekassen, die keine eigenen Kinder oder keine Stief- oder Pflegekinder haben oder hatten, müssen nach Ablauf des Monats, in dem sie 23 Jahre alt geworden sind, einen von ihnen alleine zu tragenden Beitragszuschlag in Höhe von 0,25 Beitragssatzpunkten zahlen (§ 55 Abs. 3 SGB XI). Das gilt nicht für Mitglieder bis zum Geburtsjahrgang 1939 und für Bezieher von Arbeitslosengeld II. Die Gründe, warum jemand keine Kinder hat, spielen für die Zuschlagspflicht keine Rolle. Damit liegt der Beitragssatz von pflegeversicherten Arbeitnehmer oder Sozialleistungsempfänger insgesamt statt bei 1,025 % bzw. 1,525 % (Sachsen) der beitragspflichtigen Einnahmen bei 1,275 % bzw. 1,775 %. Der vom Arbeitgeber oder dem Sozialleistungsträger zu tragende Beitragssatz bleibt unverändert bei 1,025 % bzw. 0,525 %. Kinderlose Mitglieder, die Leistungen nach dem SGB III erhalten, zum Beispiel Arbeitslosengeld, brauchen den Beitragszuschlag nicht selbst zu zahlen. Die Bundesagentur für Arbeit überweist hier nach § 60 Abs. 7 SGB XI für alle Leistungsbezieher pauschal 20 Millionen Euro pro Jahr an den Ausgleichsfonds der Pflegeversicherung.

Die Elterneigenschaft muss gegenüber dem Arbeitgeber oder dem Sozialversicherungsträger nachgewiesen werden, andernfalls müssen diese den Zusatzbeitrag einbehalten und abführen.

Der Beitragszuschlag wurde mit Wirkung zum 1. Januar 2005 durch das Kinder-Berücksichtigungsgesetz[23] eingeführt und damit eine Vorgabe des Bundesverfassungsgerichts[24] umgesetzt, das einen gewissen Abstand zwischen dem Beitrag der Mitglieder der Pflegeversicherung mit Kindern und der ohne Kinder verlangt hatte. Durch den Beitragszuschlag für Kinderlose soll die Kindererziehungsleistung der Eltern beitragsmäßig berücksichtigt werden. Eltern leisten neben dem monetären Beitrag den zum Systemerhalt wichtigen generativen Beitrag, sorgen also für die nachwachsende Generation, auf die die im Umlageverfahren finanzierte soziale Pflegeversicherung für ihre künftige Finanzierung angewiesen ist.

Private Pflegezusatzversicherung

Von vielen Krankenkassen und Versicherungsgesellschaften werden für gesetzlich Pflegeversicherte private Pflegezusatzversicherungen angeboten, die das Risiko von privaten Zuzahlungen abfangen oder abmildern sollen. Es gibt auch Gesellschaften, die keine Gesundheitsfragen stellen.

Solche Zusatzversicherungen werden auf drei Arten angeboten:

Pflegerentenversicherung

Sie wird als Lebensversicherung angeboten und zahlt, wenn der Versicherte pflegebedürftig wird, je nach Hilfsbedarf eine monatliche Rente aus. Bei dieser Versicherungsart gibt es viele Vertragsvarianten.

Pflegekostenversicherung

Die nach Vorleistung der gesetzlichen oder privaten Pflichtversicherung verbleibenden Kosten werden erstattet. Es gibt Tarife, die die Restkosten ganz oder teilweise übernehmen. Ein Nachweis ist erforderlich.

Pflege(tagegeld)versicherung

Gegen Nachweis der Pflegebedürftigkeit wird im Rahmen der Pflegetagegeldversicherung ein vereinbarter fester Geldbetrag für jeden Pflegetag gezahlt. Das Tagegeld wird unabhängig von den tatsächlichen Kosten der Pflege überwiesen. Pflege(tagegeld)versicherungen lassen sich in drei Typen einteilen:

Statische, gestaffelte Tarife herkömmlicher Art

Hier kann der Versicherte nur die Höhe des Tagegelds in Stufe III frei bestimmen. Das ist der Basiswert von 100 %. Der Anbieter gibt in seinem Leistungsversprechen ein festes Verhältnis des zu leistenden Pflegetagegelds in Pflegestufe II und I vor, die ausgehend von der Pflegestufe III fallend gestaffelt sind.

  • Am häufigsten wird z. B. das Verteilungsverhältnis 100 % / 60 % / 30 % angeboten. D. h. ausgehend vom Basiswert 100 % in Stufe III werden dann in Stufe II 60 % und in Stufe I 30 % des Basiswerts von Stufe III geleistet.
  • Außerdem sind folgende Verteilungsverhältnisse bei verschiedenen Gesellschaften vorzufinden: Pflegestufe III/II/I: 100 % / 60 % / 40 % oder 100 % / 70 % / 30 % oder 100 % / 50 % / 25 %.
  • Darüber hinaus existieren Tarife, die keine Leistung in Stufe I oder II vorsehen. Je nach Anbieter, kann ein Pflegetagegeld von bis zu 150 € pro Tag vereinbart werden. Einige Tarife sehen eine Staffelung nur bei häuslicher Pflege vor. Bei stationärer Pflege werden immer 100 % geleistet. Diese Tarife sind für einen Personenkreis sinnvoll, der später einmal nicht zu Hause, sondern im Heim gepflegt werden will.
Modular aufgebaute, flexible Tarife

Hier bestimmt der Versicherte selbst das zu vereinbarende Pflegetagegeld in den einzelnen Pflegestufen. Es sind beliebige Kombinationen denkbar, jedoch darf das Tagegeld der höheren Stufe nicht kleiner vereinbart werden, als das Tagegeld der nächstniedrigeren Stufe. Es können hier auch alle Stufen gleich hoch - also zu 100 % - versichert werden.

Diese Tarife lassen sich maßgeschneidert an die jeweiligen Kundenbedürfnisse anpassen. Wer keinen großen Wert auf die Absicherung der Pflegestufe III legt, muss sich hier nicht in der Stufe III überversichern, um in Stufe I hoch genug versichert zu sein. Diese Tarife sind Personen zu empfehlen, denen ein möglichst hoher Schutz in Stufe I wichtig ist. Etliche dieser flexiblen Tarife erlauben zusätzlich die Pflegestufe 0 mit einem Pflegetagegeld zu versichern.

Pflegevorsorge-Zulage

Durch das Pflege-Neuausrichtungs-Gesetz (PNG) vom 23. Oktober 2012 (BGBl. I S. 2246) ist eine neue staatliche Förderung eingeführt worden, die Pflegevorsorgezulage (§ 126 ff. SGB XI),[25] die nach dem amtierenden Gesundheitsminister Daniel Bahr auch Pflege-Bahr genannt wird. Wer mindestens einen Beitrag von monatlich 10 Euro zugunsten einer auf seinen Namen lautenden, förderfähigen privaten Pflege-Zusatzversicherung leistet, hat Anspruch auf eine Zulage in Höhe von monatlich 5 Euro. Man verspricht sich davon, dass die gesetzliche Pflegeversicherung dadurch „demographiefest und stabil“ gemacht werden kann. Es kann maximal die doppelte Leistung der sozialen Pflegeversicherung abgesichert werden. Versicherungsunternehmen, die diese privaten Pflege-Zusatzversicherungen anbieten, dürfen Antragsteller nicht aufgrund gesundheitlicher Probleme ablehnen. Leistungsausschlüsse oder Risikozuschläge dürfen ebenfalls nicht vereinbart werden.

Kritik
  • Die 5-Euro-Zulage kann nur gewährt werden, wenn niemand aufgrund gesundheitlicher Probleme abgelehnt wird und wenn keine Leistungsausschlüsse oder Risikozuschläge vereinbart werden. So droht "negative Risikoselektion": Menschen mit hohem Risiko pflegebedürftig zu werden, schließen Verträge ab während Menschen, die kaum vorbelastet sind, andere Angebote nutzen. Das macht Pflege-Bahr-Verträge teuer.
  • Die Versicherungsbeiträge sind "ein Leben lang" zu zahlen. Wird die Prämienzahlung eingestellt, erlöschen die Ansprüche auf Leistungen.
  • Wer den Lebensabend nicht in Deutschland verbringen möchte, sollte keinen Pflege-Bahr-Vertrag abschließen, denn es ist wahrscheinlich, dass es keine Leistungen gibt, wenn der Wohnsitz in außerhalb der EU gewählt wird. [26]
  • Leistungen aus diesen Verträgen werden heute davon abhängig gemacht, welche der drei Pflegestufen anerkannt wird. Es ist unsicher, wie die Ansprüche ins kommende System der fünf Bedarfsgrade überführt werden.

Privat Versicherte

Träger der Privaten Pflegeversicherung nach dem SGB XI (PPV) für 9,3 Millionen privat krankenversicherte Bürgerinnen und Bürger sind 40 Mitgliedsunternehmen des Verbandes der privaten Krankenversicherung e.V. (Stand 2008). Diese Unternehmen müssen den in der privaten Pflegepflichtversicherung Versicherungspflichtigen einen Versicherungsschutz mit gleichwertigen Leistungen wie im Vierten Kapitel des SGB XI (die gesetzliche Sozialversicherung) bieten. Für die Mitglieder der „privaten Pflegepflichtversicherung“ gelten altersabhängige Beiträge. Die Beitragsregelungen für Familienangehörige, für privat krankenversicherte Rentner, für Selbständige, etc. sind komplex (siehe Weblinks). Die privaten Pflegeversicherungen arbeiten auf der Basis des Anwartschaftsdeckungsverfahrens, das bedeutet es müssen Altersrückstellungen gebildet werden. Die „Leistungen“ sind denen der sozialen Pflegeversicherung mindestens gleichwertig. An die Stelle der so genannten Sachleistungen tritt jedoch die Kostenerstattung.

Rechtsmittel

Wer glaubt, durch eine Entscheidung der Pflegeversicherung in seinen Rechten verletzt worden zu sein, kann gegen die Entscheidungen (Verwaltungsakt) der Pflegekasse Widerspruch einlegen (§§ 77 ff. SGG). In diesem Zusammenhang kann es sinnvoll sein, das Gutachten, welches durch den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) bzw. die Medicproof GmbH erstellt wurde, direkt anzufordern und die Gründe der (teilweisen) Ablehnung nachzulesen. Der Widerspruch ist schriftlich oder zur Niederschrift innerhalb eines Monats ab dem Zugang des Bescheides einzulegen. Erst nach Erlass des Widerspruchsbescheids kann Klage erhoben werden. Zuständig für Streitigkeiten in Angelegenheiten der Pflegeversicherung – auch der privaten Pflegeversicherung – sind die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit (§ 51 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 SGG). Die Sozialgerichte sind ebenfalls für Streitigkeiten zwischen den so genannten Leistungserbringern der Sachleistungen und den Pflegekassen zuständig. Bei privatrechtlichen Streitigkeiten in Angelegenheiten der privaten Pflegepflichtversicherung gibt es kein Widerspruchsverfahren, so dass direkt der Klageweg eröffnet ist.

Ein Widerspruch oder eine Klage kann zum Beispiel begründet sein, wenn

  • die bewilligte Pflegestufe nicht dem tatsächlichen Pflegeaufwand entspricht;
  • eine beantragte Leistung hinsichtlich des Umfangs oder der Art der Leistung zu Unrecht abgelehnt wurde;
  • ein Versicherter in seinen Rechten bezüglich Verfahrens-, Mitgliedschafts-, Beitrags- oder Zuständigkeitsentscheidungen der Pflegekasse verletzt worden ist.

Die Beteiligten haben (nicht nur) im Widerspruchs-/Klageverfahren ein Recht auf Akteneinsicht (§ 25 SGB X), auch in die jeweiligen MDK- oder SMD- Gutachten. Die Begutachtungsrichtlinien enthalten in Abschnitt C 2.8.3 besondere Aussagen zur Begutachtung im Widerspruchsverfahren.

Im Widerspruchsverfahren ist auch eine Entscheidung für eine Verschlechterung möglich. Die Pflegekassen sind auch im Widerspruchs- und Klageverfahren zur Beratung verpflichtet nach § 7 SGB XI und allgemein nach § 14 SGB I.

Widerspruch und Klage haben im Allgemeinen aufschiebende Wirkung (§ 86a SGG), was bedeutet, dass z. B. bei Widerspruch gegen die Einstellung einer Leistung diese für die Dauer des Verfahrens zunächst unter einem Rückerstattungsvorbehalt weiter gewährt wird.

Statistiken

Pflegebedürftige 2003

Anzahl der Pflegebedürftigen nach Pflegestufen und Versorgungsformen
Anzahl der der dafür tätigen Pflegepersonen, Pflegedienste, Pflegeheime und professionellen Pflegekräfte (2003)
Quelle: Statistisches Bundesamt

Die statistische Quelle enthält keine Hinweise, ob bei der häuslichen Pflege die sowohl familiär als auch durch Pflegedienste betreuten Pflegebedürftigen doppelt gezählt wurden. In anderen Angaben des statistischen Bundesamtes (vgl. nächste Tabelle) sind jedoch nur 1.895.000 Leistungsempfänger der Pflegeversicherung für 2003 ausgewiesen; die Differenz von 185.000 zur hier genannten Gesamtzahl von 2.080.000 Pflegefällen lässt den Schluss zu, dass diese 185.000 sowohl von Angehörigen als auch von Pflegediensten betreut wurden, das sind etwa 10 % aller Leistungsempfänger oder knapp 15 % der häuslich Gepflegten.

Ferner sind die Härtefälle nicht gesondert ausgewiesen, die wohl in Pflegestufe III (in der mittleren und rechten Spalte) enthalten sind.

Ausgaben der PV (gezahlte Beträge) lassen sich aus dieser Statistik nicht errechnen: In der linken und mittleren Spalte gibt es die schon angesprochenen Fälle, die anteilig sowohl familiär als auch durch Pflegedienste gepflegt wurden; in der mittleren Spalte gibt es keine Pauschal-, sondern Höchstbeträge; in der rechten Spalte (stationäre Heimpflege) gibt es zwar Pauschalbeträge, aber es fehlen die Härtefälle.

Einnahmen und Ausgaben der PV

Gesetzliche Pflegeversicherung 2003 2004 2005
  Basisdaten: Statistisches Bundesamt S
 1 Versicherte in 1000 (incl. Familienversicherte) S 70.457 70.293 70.586
 2 Beitragszahler in 1000 (rd.) 50.000 50.000 50.000
 3 Einnahmen in Mio. Euro S 16.844 16.817 17.493
 4 Ø Einnahmen je Versichertem in Euro S 239,07 239,24 247,83
 5 Leistungsempfänger/-innen in 1000 S 1.895 1.926 1.952
 6 Ausgaben in Mio. Euro S 17.468 17.605 17.858
 7 Ø Ausgaben je Leistungsempfänger in Euro 9.217,94 9.140,71 9.148,57
 8      das sind monatlich 768,16 761,73 762,38
 9 Auf wie viele Beitragszahler kam ein Pflegefall? 27,4 27,2 26,1
10 Fehlbeträge in Mio. Euro 624 788 365
11      in % der Einnahmen 3,70 4,69 2,09
12       das wäre von wie viel weiteren Beitragszahlern gedeckt gewesen 1852 2343 1043
13       oder von wie viel mehr Beitrag (Euro / Beitragszahler und Jahr) 12,48 15,76 7,30
14       bzw. wie hoch hätte der Beitrag sein müssen (Euro / Jahr) 349,36 352,10 357,16
15       dto. in % (anstelle 1,7 %) 1,763 1,780 1,735
16       oder durch welche mtl. Einsparung an den Leistungen je Pflegefall 27,44 34,09 15,58

Die vom statistischen Bundesamt übernommenen Zahlen sind mit „S“ gekennzeichnet. Aus der Versicherungsstruktur der Krankenkassenmitglieder stammt die Zahl der Beitragszahler mit (rd.) 50 Mio. – diese Zahl bezieht sich aber wohl nicht auf 2003 bis 2005. Die Berechnungen in den Zeilen 11–16 beziehen sich hierauf, nicht auf die Anzahl der Versicherten. Aufgrund der uneinheitlichen statistischen Grundlagen sind alle Zahlen mit entsprechenden Unsicherheiten behaftet. Die in Zeile 15 verwendete Beitragsbezugsgröße von 1,7 % gibt in Anbetracht unterschiedlicher Beitragssätze nur ungefähre Anhaltspunkte für die theoretisch nötige Erhöhung aufgrund des Fehlbetrages.

Insgesamt sind jedoch die Fehlbeträge nicht so dramatisch und die Zahlen nicht so ungünstig, wie manche Kommentare glauben machen möchten. Die Anzahl der Leistungsempfänger ist von 2003 auf 2004 um 31.000 angestiegen, im Folgejahr um 26.000. Eindeutige finanzielle Trends sind aus diesen drei Jahren nicht ablesbar. Die höheren Beiträge der Kinderlosen ab 2005 haben sich nur geringfügig ausgewirkt. Das konjunkturell voraussichtlich günstigere Jahr 2006 lässt mit höheren Beiträgen und mehr Beschäftigten eher keinen Fehlbetrag erwarten.

Zum 1. Juli 2008 wurde der Beitragssatz der sozialen Pflegeversicherung um 0,25 Prozentpunkte auf 1,9 % erhöht[27]. Während die Pflegeversicherung 2007 noch einen Fehlbetrag von ca. 320 Mio € zu verzeichnen hatte, hatte sie 2008 einen Einnahmeüberschuss von 630 Mio €, 2009 von knapp einer Milliarde € und 2010 von 330 Mio €[28].

Pflegeversicherung und Einkommensteuer

Für die Inanspruchnahme von Pflege- und Betreuungsleistungen

  • die in einem inländischen Haushalt des Steuerpflichtigen oder
  • im Haushalt der gepflegten oder betreuten Person erbracht werden,

für Personen,

  • bei denen ein Schweregrad der Pflegebedürftigkeit im Sinne des § 14 SGB XI besteht oder
  • die Leistungen der Pflegeversicherung beziehen,

ermäßigt sich die Einkommensteuer auf Antrag um 20 %, höchstens jedoch um 1.200 € im Jahr. Leistungen der Pflegeversicherung sind jedoch hierbei anzurechnen, mit der Folge, dass nur diejenigen Aufwendungen zu einer Steuerermäßigung führen, die nicht aus Leistungen der Pflegeversicherung finanziert werden.

Beiträge zur PV gehören zu den Sonderausgaben und sind im Rahmen der Sonderausgabenhöchstbeträge steuermindernd wirksam.

Empfangenes Pflegegeld gehört nicht zum Einkommen im steuerlichen Sinne.

Für Pflegebedürftige kommt ein Behindertenpauschbetrag in Betracht, der unabhängig von Leistungen der Pflegeversicherung gewährt wird und das steuerliche Einkommen mindert. Die Höhe des Pauschbetrags ist vom Grad der Behinderung abhängig. Anträge auf eine entsprechende Einstufung sind beim zuständigen Versorgungsamt zu stellen.

Entstehungsgeschichte der Pflegeversicherung

Die Pflegeversicherung wurde eingeführt, weil durch die Erosion traditioneller, familienorientierter Lebensformen und der damit wegfallenden Bereitschaft oder Fähigkeit, Familienangehörige innerhalb der Familie zu versorgen, immer mehr Menschen im Alter im Fall ihrer Pflegebedürftigkeit auf Hilfe von außen angewiesen waren, die sie aus eigenen Mitteln nicht finanzieren konnten.

Vor Einführung der Pflegeversicherung mussten die Pflegekosten zunächst aus Eigenmitteln (Renten- oder Pensionseinnahmen sowie eigene Rücklagen) gedeckt werden. Wenn diese Mittel nicht (mehr) ausreichten, musste Sozialhilfe (Hilfe zur Pflege) in Anspruch genommen werden. Eine wesentliche Motivation für die Einführung der Pflegeversicherung war daher auch die Entlastung der Kommunen von den steigenden Ausgaben für Sozialhilfe. Im Jahr 1991 erhielten 543.000 Pflegebedürftige Leistungen der Hilfe zur Pflege, die Gesamtkosten für die Sozialhilfeträger betrugen 1991 etwa 12,7 Mrd. Deutsche Mark, dieser Betrag entsprach mehr als einem Drittel der gesamten Sozialhilfeausgaben. Von diesem Betrag entfielen etwa 80 bis 90 % auf die stationären Leistungen.[29] Die Sozialhilfe musste ein allgemeines Lebensrisiko abdecken, für das die Solidargemeinschaft der Versicherten nicht eintrat. Dies entsprach nicht der Funktion der Sozialhilfe, nur die außergewöhnlichen Lebensrisiken abzudecken. Auch das programmatische Ziel „Die Hilfe soll … soweit wie möglich befähigen, unabhängig von ihr zu leben …“ in § 1 des damaligen BSHG war kaum für die in den Heimen versorgten pflegebedürftigen Menschen zu erreichen.

Für einen sehr eng gefassten Kreis der Schwerpflegebedürftigen hatte der Gesetzgeber ab 1991 in die Krankenversicherung eine Sachleistung (bis zu 25 Stunden, bis zu 750 DM) und alternativ eine Geldleistung (400 DM) aufgenommen (§ 53 ff. SGB V a. F.). Die Regelung führte zu zahlreichen Abgrenzungsschwierigkeiten zu den Leistungen der Sozialhilfe. Der Gesetzgeber hatte die Auslegung des unbestimmten Rechtsbegriffs der „Schwerpflegebedürftigkeit“ der Selbstverwaltung der Krankenkassen überlassen, anstatt wie im SGB XI den Begriff selbst zu definieren. Dies führte dazu, dass die Sozialgerichte die Schwelle von „Schwerpflegebedürftigkeit“ festlegen mussten. Außerdem war der Leistungsbezug an lange Vorversicherungszeiten gebunden. Der vermutete Anreiz zum Ausbau der ambulanten Dienste blieb weitgehend aus, weil ca. 90 % der Pflegebedürftigen die Geldleistung in Anspruch nahmen (Gesetzentwurf PflegeVG S. 187)[30].

Die Sozialhilfe-Ausgaben drohten zu einer immer größeren Belastung der Haushalte der Kommunen zu werden. Mit Einführung der Pflegeversicherung wurden also sowohl die Privatmittel der Pflegebedürftigen als auch besonders die kommunalen Haushalte entlastet. Zudem soll die Pflegeversicherung alte oder kranke Menschen davor bewahren, bei Pflegebedürftigkeit von der Sozialhilfe abhängig zu werden und sich als „mittellos“ wahrzunehmen.

Nach dem Gesetzentwurf sollten folgende Ziele mit dem PflegeVG erreicht werden:

  • Anerkennung und Absicherung von Pflegebedürftigkeit als allgemeines Lebensrisiko,
  • Aktivierung und Förderung der häuslichen Pflegeressourcen,
  • Schaffung einer leistungsfähigen und wirtschaftlichen Pflegeinfrastruktur nach dem Wettbewerbsprinzip,
  • Gesellschaftliche Anerkennung der Pflege und Gleichstellung mit Prävention, Akutbehandlung und Rehabilitation (BT-Drs. 12/5262, S. 1–4)[30].

Um der Pflegeversicherung ausreichende Geldmittel zu verschaffen, begann die Beitragspflicht am 1. Januar 1995, während die ersten Leistungen erst ab 1. April 1995 beansprucht werden konnten. Seitdem gewährte die Pflegeversicherung Leistungen für die „häusliche“ Pflege, ab 1. Juli 1996 auch Leistungen für die „stationäre“ Pflege. Der Beitragssatz lag zwischen Einführung und Juni 1996 bei 1,0 % und stieg zum 1. Juli 1996 auf 1,7 % des Bruttoeinkommens (je zur Hälfte vom Arbeitnehmer und Arbeitgeber zu tragen). Zur Entlastung der Arbeitgeber und zur Teilfinanzierung der von ihnen zu leistenden Beiträge wurde deutschlandweit 1995 der Buß- und Bettag als Feiertag abgeschafft. Nur das Land Sachsen bildet eine Ausnahme, denn dort wurde der Feiertag beibehalten, allerdings zahlen die Arbeitnehmer mit 1,35 % einen höheren Eigenanteil.

Die Einführung der Versicherung und ihre Ausgestaltung als konventionell umlagefinanzierte Pflichtversicherung ist mit den Namen von Norbert Blüm als damals verantwortlichem Bundesminister und Karl Jung als Staatssekretär, als „Vater der Pflegeversicherung“ bezeichnet, verbunden.

Diskussionen vor Einführung der Pflegeversicherung

Die Pflegeversicherung war vor ihrer Einführung heftig umstritten. Da Kritik aus unterschiedlichen Richtungen kam, stießen gegensätzliche Standpunkte aufeinander. Diskutiert wurden im Einzelnen:

Kapitaldeckungsverfahren contra Umlageverfahren

  • Ökonomen, Demografen und Politiker der jüngeren Generation forderten eine kapitalgedeckte Versicherung anstelle der vorgesehenen Umlagefinanzierung, denn
    • die demographischen Risiken und Probleme der bestehenden Sozialversicherungen (insbesondere der Rentenversicherung) würden bei einer Umlagefinanzierung auch zu Problemen der Pflegeversicherungen;
    • das Prinzip der Umlageversicherung wurde als ungerecht empfunden, weil Menschen, die zum Zeitpunkt der Einführung der Pflegeversicherung pflegebedürftig waren, Leistungen erhielten, ohne vorher jemals mehr als für die drei Vorlaufmonate Beiträge eingezahlt zu haben.
Für die Pflegeversicherung wurde jedoch das Umlageverfahren beschlossen, denn nur mit dieser Methode waren ein schneller Start und somit die (beabsichtigte) sofortige und nachhaltige Entlastung der für die Sozialhilfe zuständigen Gemeinden möglich.

Private Versicherung contra Sozialsystem

  • Liberale Ökonomen und führende Wirtschaftsverbände forderten eine private Pflichtversicherung (so wie bei der Kfz-Haftpflicht), deren Beiträge ausschließlich durch die Versicherten getragen werden,
  • Gewerkschaften und Sozialverbände forderten dagegen eine Ausgestaltung als paritätisch finanzierte Sozialversicherung,
Eine rein privat finanzierte Versicherung hatte politisch keine Chancen, aber auch eine vollkommen paritätische Lösung kam nicht zustande:

Paritätische Finanzierung contra höherer Beteiligung der Versicherten

  • Die Unternehmer(verbände) argumentierten, das Verursacherprinzip würde nicht eingehalten (das Pflegerisiko sei weitgehend unabhängig vom Arbeitsverhältnis) und eine Steigerung der Lohnnebenkosten sei nicht hinnehmbar.
  • Gewerkschaften und Sozialverbände waren gegen einen völligen Ausstieg aus dem Prinzip der paritätischen Finanzierung der Pflegekosten:
Nach heftigem Ringen wurde letztlich ein Kompromiss gefunden: Es erfolgt zwar eine paritätische Finanzierung, aber die Arbeitgeber werden hierfür durch Streichen des Buß- und Bettags als Feiertag kompensiert. Nur in Sachsen bleibt der Feiertag, dafür gilt aber ein höherer Arbeitnehmerbeitrag.

Diskussionen bei Einführung der Pflegeversicherung

Der gefundene Kompromiss wurde weiterhin kritisiert

  • von den Unternehmerverbänden, weil die Steigerung der Lohnnebenkosten nur teilweise kompensiert und insbesondere künftige Steigerungen des Beitragssatzes anteilig auch die Arbeitgeber treffen würden;
  • von den Kirchen, die den Buß- und Bettag erhalten wollten;
  • von den Verbänden der Altenpflege, die eine Ausweitung der Leistungen forderten;
  • von den Gewerkschaften und Sozialverbänden,
    • weil diese Finanzierungsform der Pflegeversicherung zu einer Umverteilung von Arm zu Reich führe.
Während bisher Vermögende ihre Pflegekosten aus eigenem Vermögen und Arme ihre Pflegekosten aus der Sozialhilfe zahlten, erfolge die Finanzierung nun für alle aus allgemeinen Beitragsleistungen. Während sich für die Armen nichts ändere, würden die Reichen ihr Vermögen schonen; die Pflegeversicherung sei daher eine „Erbschutzversicherung“.
    • weil diese Finanzierungsform der Pflegeversicherung einen Ausstieg aus dem Prinzip der paritätischen Finanzierung der Sozialkosten bedeute:
Bei der Pflegeversicherung wird erstmals das Prinzip der paritätischen Finanzierung der Sozialversicherungen nicht mehr angewendet:
In allen Bundesländern außer Sachsen gibt es zwar eine nominelle Halbteilung der Beitragszahlungen zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern; durch die gleichzeitige Streichung des gesetzlichen Feiertags „Buß- und Bettag“ wurde aber bewirkt, dass die Arbeitgeber durch die Arbeitnehmer mit dem Wert der Produktion dieses Tages finanziell entlastet werden; die Pflegeversicherung wird also faktisch überwiegend arbeitnehmerseitig finanziert. In Sachsen ist zwar der Feiertag erhalten geblieben, dafür werden die Pflegeversicherungsbeiträge aber von den Arbeitnehmern mit 1,35 % und den Arbeitgebern mit 0,35 % getragen.
Die gesetzliche Pflegeversicherung unterscheidet sich von den anderen Zweigen der Sozialversicherung also im Wesentlichen dadurch, dass es sich um eine fast einseitig arbeitnehmerfinanzierte Pflichtversicherung handelt, während die Kranken-, die Renten- und die Arbeitslosenversicherung paritätisch finanziert werden. Der Abschied von der paritätischen Finanzierung bei der Einführung der Pflegeversicherung wird im Allgemeinen von Sozialversicherungsexperten als Wendepunkt angesehen, der den Abschied von der gesamtgesellschaftlichen Verantwortung für die Lebensrisiken der Arbeitnehmer markiert.
    • weil diese Finanzierungsform der Pflegeversicherung den privat Krankenversicherten die Möglichkeit gebe, auch das Pflegerisiko privat zu versichern.
Das wurde als ungerecht kritisiert, denn die privaten Pflegekassen seien nicht nur in der Lage, günstigere Beiträge anzubieten, sondern könnten durch die Kapitaldeckung ihre Leistungen auch sicherer anbieten.

Diskussionen nach Einführung der Pflegeversicherung

Reformvorhaben 2007

Entsprechend den Diskussionen bei der Einführung wurde vor der anstehenden Reform neben dem wachsenden leistungsberechtigten Personenkreis und den geforderten Erweiterungen der Leistungen auch wieder die Finanzierungsquelle alternativ debattiert: Versicherung über ein Kapitaldeckungsverfahren contra einem schnell steuerbaren Umlageverfahren, Privatversicherung contra Pflichtmitgliedschaft im gesetzlichen Sozialsystem und bei Letzterem die Frage der Paritätischen Beitragsfinanzierung durch Arbeitgeber / -nehmer contra einer höheren Beteiligung der Versicherten an den Beiträgen (also partielle Auflösung der vorherigen weitgehend paritätischen Beitragsfinanzierung im Arbeitsvertrag)

Vorschläge der FDP – mehr Private Versicherung

Die Vorschläge der FDP liefen auf eine Stärkung der Privaten Versicherung hinaus.

Vorschläge der Gewerkschaften – Erhalt der Paritätischen Finanzierung

Ähnlich wie bei der Elternzeit für Neugeborene sollten die Betroffenen einen gesetzlichen Kündigungsschutz in Anspruch nehmen können. Auf jeden Fall solle „für die gesamte Dauer der Pflegebedürftigkeit“ des kranken Angehörigen ein Rechtsanspruch auf Teilzeit bestehen. Im Prinzip hatte dieser Vorschlag die gleiche Richtung wie die Vorschläge der Sozialminister der meisten Bundesländer, die an ein Jahr dachten, mit der Möglichkeit, dies bei Bedarf zwei weitere Jahre verlängern zu können.

Vorschläge der CDU – höhere Beteiligung der Versicherten

Die CDU befürwortete eine neue Zusatzversicherung.

Vorschläge der SPD – Einbeziehung weiterer Beitragszahler

Die SPD forderte, die Privatversicherten in die Finanzierung der gesetzlichen Pflegeversicherung stärker einzubeziehen.[31]

Weiterentwicklung der Pflegeversicherung

Das Bundesministerium für Gesundheit hat den gesetzlichen Auftrag (§ 10 Abs. 4 SGB XI), im Abstand von vier Jahren (seit 2011) dem Deutschen Bundestag einen Bericht über die Entwicklung der Pflegeversicherung, den Stand der pflegerischen Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland und die Umsetzung der Empfehlungen und Vorschläge des Ausschusses für Fragen der Pflegeversicherung vorzulegen.[32] 2011 wurde der fünfte und bisher letzte Bericht vorgelegt. [33]

Der dritte Bericht nennt die demographische Entwicklung als wesentlichen Bestimmungsfaktor für die zukünftige Ausgaben- und Beitragssatzentwicklung. Er geht davon aus, dass die Zahl der Pflegebedürftigen in der sozialen Pflegeversicherung bis zum Jahr 2040 auf 3,4 Millionen ansteigt, stellt in Abschnitt XVII jedoch fest, dass eine längerfristige Finanzprognose nicht möglich sei. Damit vermeidet der Bericht eine Stellungnahme zu der grundsätzlichen Problematik der umlagebasierten Sozialversicherung, wie sie unter Generationenvertrag und Generationengerechtigkeit beschrieben ist, und überlässt Schlussfolgerungen und Konsequenzen der Politik.

Erweiterungen der Leistungen

Die Erweiterung kann pauschal alle Pflegebedürftigen betreffen, indem die Schwellenwerte für die Pflegestufen gesenkt werden (täglicher Pflegeaufwand).

Der besondere Betreuungsbedarf der Demenzkranken wurde bisher im Leistungsspektrum fast nicht berücksichtigt. Da bei Wegfall der familiären Pflege enorme Kostensteigerungen für das gesamte System befürchtet werden, soll für diese vermutlich wachsende Fallgruppe (demografisch bedingte Zunahme der Krankheitshäufigkeit) die häusliche Pflege nachgebessert werden.

Bei einer Pflegepause für pflegende Berufstätige muss geklärt werden, ob man aus dem Unternehmen austritt und eine garantierte (gesetzliche) Wiedereinstellungszusage für einen vergleichbaren Arbeitsplatz hat oder nur eine finanzielle Unterstützung in der Zeit der Pflege erhält ohne diese Rückkehrgarantie; beispielsweise in Form eines Rechtsanspruchs auf ein halbes Jahr Pflegezeit alternativ zu freiwilligen oder tariflichen Vereinbarungen, die nur für einen Teil der Betroffenen wirken könnten [34].

Veränderung des Pflegebedürftigkeitsbegriffs

Der am 10. Oktober 2006 vom Bundesministerium für Gesundheit berufene „Beirat zur Überprüfung des Pflegebedürftigkeitsbegriffs“ hat am 26. Januar 2009 seinen Bericht vorgelegt. Darin wird vorgeschlagen, den Grad der Pflegebedürftigkeit nicht mehr am Zeitaufwand der Hilfeverrichtungen zu messen, sondern anhand eines Punktesystems die individuelle Beeinträchtigung von Aktivitäten, Fähigkeiten oder eines Lebensbereichs zu messen und die Pflegebedürftigkeit - im Wesentlichen mit den Methoden des Pflegeassessments - nicht mehr in drei Pflegestufen, sondern in fünf Bedarfsgrade zu unterteilen.[35] Diese Reformen könnten zusätzlich bis zu vier Milliarden Euro im Jahr vor allem an Demenzkranke ausschütten [36].

Die neue Bundesregierung (2009-2013) rief einen weiteren, 37-köpfigen Expertenbeirat zusammen. Der Pflegebeirat der Bundesregierung sollte demnach für das Gesundheitsministerium einen neuen Bericht zur Reform der Pflegeversicherung ausarbeiten. Das rund 250 Seiten starke Papier wurde Gesundheitsminister Daniel Bahr am 27. Juni 2013 vorgelegt. Der Bericht sieht einen Pflegebegriff vor, von dem vor allem psychisch Kranke und geistig Behinderte profitieren sollen. Auch in Bezug auf die Änderung der drei Pflegestufen in fünf Pflegegrade schließt sich der Bericht den Vorschlägen aus dem Jahr 2009 an. Bezüglich der Kosten konnte sich der Pflegebeirat auf keine konkreten Zahlen festlegen. Während der Paritätische Verband mehr Leistungen in Höhe von bis zu sechs Milliarden Euro fordert[37], sprechen die Vorsitzenden des Expertengremiums, Wolfgang Zöller und Klaus-Dieter Voß, von zwei Milliarden Euro.

Siehe auch

Literatur

  • Schmidt, Merkel: Pflegeversicherung in Frage und Antwort. 5. Auflage. dtv, 2013, ISBN 978-3-423-50738-7.
  • Thomas Klie: Pflegeversicherung. 7. Auflage. Vincentz, Hannover 2005, ISBN 3-87870-125-X.
  • Jutta König: 100 Fehler bei der MDK-Prüfung und was Sie dagegen tun können. Schlütersche VB, 2005, ISBN 3-89993-427-X.
  • Peter Udsching: Sozialgesetzbuch (SGB XI), Soziale Pflegeversicherung. Kommentar. Beck Juristischer Verlag, 2000, ISBN 3-406-46432-7.
  • Verbraucherzentrale (Hrsg.): Verbraucherzentrale Bundesverband e.V.: Das Pflegegutachten. 2. Auflage. 2007. (Zu Fragen rund um die Einstufung durch den MDK)

Einzelnachweise

  1. gesetze-im-internet.de: Sozialgesetzbuch (SGB) - Elftes Buch (XI) - Soziale Pflegeversicherung (18. November 2012)
  2. Artikel 1 des Gesetzes zur sozialen Absicherung des Risikos der Pflegebedürftigkeit“ (Pflegeversicherungsgesetz – PflegeVG) vom 26. Mai 1994, BGBl. 1014
  3. Begutachtungsrichtlinien (PDF; 2,2 MB)
  4. § 123 Abs. 2 SGB XI, der durch das Pflege-Neuausrichtungs-Gesetz vom 23. Oktober 2012 eingeführt wird, BGBl. I S. 2246, 2255
  5. Bundestags-Drucksache 14/6949, S. 13 zur Änderung des [https://www.gesetze-im-internet.de/sgb_11/__37.html § 37 Abs. 3 SGB XI (Qualitätssicherungsbesuch)] (PDF; 431 kB)
  6. Mehr Leistungen durch das Pflege-Neuausrichtungs-Gesetz für demenziell erkrankte Menschen. Bundesministerium für Gesundheit (Deutschland), 16. Mai 2013, abgerufen am 19. Juli 2013.
  7. BSG Urteil vom 30. Oktober 2001, Az. B 3 P 2/01 R, Volltext zur Härtefallregelung
  8. Gemeinsames Rundschreiben zur Rentenversicherung der nicht erwerbsmäßig tätigen Pflegepersonen (PDF; 323 kB) des GKV-Spitzenverbandes, der Deutschen Rentenversicherung Bund und des Verbandes der privaten Krankenversicherung vom 28. Dezember 2009, II, 1.1.4
  9. Rentenversicherungspflicht von Pflegepersonen nach § 3 S. 1 Nr. 1a SGB VI
  10. BSG Urteil vom 6. Juni 2002, Az. B 3 P 11/01 R.
  11. vgl. Gemeinsames Rundschreiben
  12. Gesetz zur Ergänzung der Leistungen bei häuslicher Pflege von Pflegebedürftigen mit erheblichem allgemeinen Betreuungsbedarf – Pflegeleistungs-Ergänzungsgesetz, PflEG vom 14. Dezember 2001, BGBl. I, S. 3728
  13. aufgrund der Änderung des § 45 a SGB XI durch Artikel 1 Nr. 27 des Pflege-Weiterentwicklungsgesetzes vom 28. Mai 2008, BGBl. I S. 874, 882
  14. Punkt 3. der Richtlinie des GKV-Spitzenverbandes zur Feststellung von Personen mit erheblich eingeschränkter Alltagskompetenz und zur Bewertung des Hilfebedarfs vom 22. März 2002, geändert durch Beschlüsse vom 11. Mai 2006 und 10. Juni 2008 = Anlage 2 der Richtlinien des GKV-Spitzenverbandes zur Begutachtung von Pflegebedürftigkeit nach dem XI. Buch des Sozialgesetzbuches
  15. Hilfsmittelverzeichnis
  16. Wohnumfeld verbessernde Maßnahmen (Katalog)
  17. Hilfsmittelversorgung in stationären Pflegeeinrichtungen (PDF)
  18. Bundestags-Drucksache 13/4521 zur Begründung des § 43a SGB V (PDF; 371 kB)
  19. Beschluss des Gemeinsamen Bundesausschuss über die Änderung der Häuslichen-Krankenpflege-Richtlinien vom 10. April 2008(PDF; 278 kB)
  20. Änderung des § 55 SGB XI durch Artikel 1 Nr. 25 Buchstabe a) des Gesetz zur Neuausrichtung der Pflegeversicherung vom 23. Oktober 2012, BGBl. I, S. 2246, 2251
  21. Synopse § 55 SGB XI
  22. http://www.bmg.bund.de/pflege/das-pflege-neuausrichtungs-gesetz/finanzierung.html
  23. Gesetz zur Berücksichtigung von Kindererziehung im Beitragsrecht der sozialen Pflegeversicherung (Kinder-Berücksichtigungsgesetz - KiBG) vom 15. Dezember 2004, BGBl. I, S. 3448.
  24. Bundesverfassungsgericht, Urteil vom 3. April 2001, Az. 1 BvR 1629/94, BVerfGE 103, 242
  25. Verbraucherzentrale Bundesverband: vzbv.de, Die Zusatzversicherung für Pflege - eine sinnvolle Ergänzung? (25. Januar 2013; PDF; 246 kB)
  26. Der Pflege-Bahr erfreut sich reger Nachfrage, FAZ.net am 24. Mai 2013 (link geprüft am 26. Mai 2013).
  27. Artikel 1 Nr. 31 des Pflegeweiterentwicklungsgesetzes vom 28. Mai 2008, BGBl. I, S. 874, 884
  28. Gesundheitsberichterstattung des Bundes: Einnahmen und Ausgaben der sozialen Pflegeversicherung, abgerufen am 6. Juli 2012 19:38 Uhr
  29. Birk, Ulrich Arthur: Lehr- und Praxiskommentar LPK-BSHG, 4. Auflage. Nomos 1994
  30. a b BT-Drs. 12/5262 Gesetzentwurf der Fraktionen der CDU/CSU und F.D.P zum PflegeVG (PDF 10,4 MB)
  31. ZDF-Meldung vom 13. April 2007: 0,4 Punkte mehr Pflegebeitrag? Koalition berät Reform
  32. Zu den Berichten auf der Seite des Bundesministeriums für Gesundheit
  33. Bundesministerium für Gesundheit: Berichte über die Entwicklung der Pflegeversicherung I – V/pdf
  34. ZDF-Meldung von Britta Spiekermann und Stefan Leifert: Pflegeversicherung soll reformiert werden (vom 3. Juni 2007)
  35. Bericht des Beirats zur Überprüfung des Pflegebedürftigkeitsbegriffs vom 29. Januar 2009 (PDF; 509 kB)
  36. So Klaus-Dieter Voß, Chef des Beirats, der einen neuen Pflegebedürftigkeitsbegriff entwickelt in der Ärztezeitung: Vier Milliarden mehr für Pflegebedürftige am 4. Februar 2013 (Link geprüft am 23. Mai 2013).
  37. Pflegebeirat legt umfassenden Bericht vor, zuletzt abgerufen am 21. September 2013.