Selbstmordattentat
Ein Selbstmordattentat ist ein Anschlag auf eine oder mehrere Personen oder Objekte, wobei der Verlust des eigenen Lebens planmäßig in Kauf genommen wird.
Klassifizierungen
Unterschieden wird in der Art, wonach der eigene Tod eintritt:
- Dem 'klassischen' Selbstmordattentat, bei dem sich der Täter im gleichen Moment mit den Opfern tötet. Meist erfolgt dies durch Sprengstoff, der am Körper , z.B. in einen Sprengstoffgürtel, oder in einem Fahrzeug gelagert ist und vom Attentäter gezündet wird. Dieses klassische Selbstmordattentat wurde erst Anfang der 1980er Jahre im Umfeld der späteren Hizbollah im Libanon entwickelt und verbreitete sich dann von dort aus in die Welt.
- Einem Attentat, bei dem er sich nach selbigem tötet.
- Einem Attentat bei dem der vom (vermeintlichen) Haupt-Täter getragene Sprengsatz von einem Mittäter mit einer Fernsteuerung oder durch einen Zeitzünder zur Explosion gebracht wird. (z.B. bei den sog. schwarzen Witwen). Dies kann mit oder ohne Wissen des Haupt-Täters erfolgen, dem dabei zumindest teilweise auch eine Opferrolle zukommen kann.
- Einem Angriff, bei dem der Täter von anderen getötet wird, umgangssprachlich Himmelfahrtskommando genannt.
Weiterhin unterscheidet man noch den Zweck des Selbstmordattentats:
- eine starke Wirkung in der öffentlichen Meinung zu erzeugen.
- im Rahmen der dafür interpretierten Religion, ein Märtyrertum zu erlangen, das ein "Leben im Paradies" schaffen soll.
- Darüber hinaus entfällt bei einem Selbstmordattentat der hohe logistische Aufwand, sein Leben während und nach dem Attentat zu schützen und sich selbst unverletzt vom Anschlagsort zu entfernen. Gleichzeitig erzielt dies eine höhere Wirkung des Attentats. Manche Anschläge wären anders gar nicht durchführbar gewesen, wie z.B. die Anschläge auf das World Trade Center in New York 2001.
- Außerdem hat ein Selbstmordattentat für die Hintermänner den Vorteil, dass "keine Gefangenen gemacht werden", die Ermittlungen sind dadurch entsprechend erschwert und häufig auf Festnahmen bei mißlungenen Selbstmordattentaten beschränkt.
Selbstmordattentäter folgen häufig einem vermeintlich höheren Ziel und sehen sich selbst als Widerstands- oder Glaubenskämpfer.
Wurzeln und Geschichte
Frühe Selbstmordattentate gab es in der Antike bei den Circumcellionen in Nordafrika und im Mittelalter bei den Assassinen im vorderen Orient.
Im Alten Testament im Buch der Richter, Kapitel 16 wird ein Selbstmord von Samson beschrieben, bei dem über 3000 Männer und Frauen starben. Manche sehen in diesem Selbstmord, der ursächlich für den Tod vieler war, unter Vernachlässigung der Umstände ein Selbstmord-Attentat.
Im 20. Jahrhundert haben zunächst während des 2. Weltkrieges die Angriffe der japanischen Kamikazeflieger wie auch das deutsche Projekt Selbstopfer von sich reden gemacht.
Die Märtyrerangriffe der Bassidschis während des ersten Golfkrieges zwischen dem Irak und den Iran waren der Ausgangspunkt zur Entwicklung des klassischen Selbstmordattentats im Libanon ab 1982
Die Liberation Tigers of Tamil Eelam führt mit ca. 250 ihr zugeschriebenen Anschlägen die Statistik der weltweit verübten Selbstmordattentate an.
Geschichte des klassischen Selbstmordattentats
Das klassische Selbstmordattentat wurde in den Jahren 1982 und 1983 während des libanesischen Bürgerkrieges von schiitischen Gruppen entwickelt, aus denen später die Hisbollah hevorging. Die Hisbollah verwendet Selbstmordattentate nur sehr gezielt und sparsam und hat ein System zur Versorgung der Angehörigen der Selbstmordattentäter entwickelt, die einen hohen sozialen Status genießen. Dies wird auch durch aufwändige Propaganda erreicht, wie etwa "Märtyrervideos" und "Märtyrerplakate". Die Selbstmordattentate der Hisbollah führten zum Rückzug der US-Amerikaner und Franzosen aus dem libanesischen Bürgerkrieg und später zum Rückzug Israels aus dem Südlibanon.
Die Tamil Tigers in Sri Lanka übernahmen ab 1987 Selbstmordattentate, wobei das erste eine recht genaue Kopie des Anschlags auf das US-Hauptquartier in Beirut 1983 war. 1991 töteten die Tamil Tigers den indischen Premierminister Rajiv Gandhi durch ein Selbstmordattentat. Der ceylonesische Oppositionsführer Gamini Disanyake wurde 1994 durch ein Selbstmordattentat getötet. Chandrika Bandaranaike Kumaratunga überlebte 1999 ein Selbstmordattentat, verlor dabei jedoch ein Auge.
In Kaschmir wurden 1989 die ersten Selbstmordattentate begangen, ohne sich jedoch stark auszubreiten.
Ab 1993 wurden Selbstmordattentat auch unter Palästinensern populär, wobei die ersten Attentate vom Islamischen Dschihad durgeführt wurden. Bald jedoch folgten auch andere Gruppierungen wie etwa die Hamas. Bis heute wurden bei etwa 140 Anschlägen die Täter und weitere 500 Menschen getötet und über 3 000 Personen - zum Teil schwer - verletzt.
In Tschetschenien oder von Tschetschenen in Russland wurden Selbstmordattentate etwa seit dem Jahre 2000 begangen.
Die Terroranschläge am 11. September 2001 in den USA machten Selbstmordattentate schlagartig zum Zentrum der Aufmerksamkeit der Weltöffentlichkeit.
Seit dem Jahre 2002 werden Selbstmordattentate in immer weiteren Ländern verübt, darunter auch Afghanistan, Marokko, die Türkei, Pakistan und Saudi-Arabien.
Seit dem Einmarsch der US-Amerikaner in den Irak 2003 wird das Land immer mehr zum weltweiten Schwerpunkt von Selbstmordattentaten.
Maßnahmen
In Israel wurden bis vor kurzem die Häuser von Angehörigen von Selbstmordattentätern zerstört.
Literatur
- Christoph Reuter: Mein Leben ist eine Waffe: Selbstmordattentäter, Psychogramm eines Phänomens. Bertelsmann, 2002. ISBN 3-570-00646-8
- Christoph Reuter: Selbstmordattentäter: warum Menschen zu lebenden Bomben werden. Goldmann, 2003. ISBN 3-442-15240-2
- Joseph Croitoru: Der Märtyrer als Waffe: die historischen Wurzeln des Selbstmordattentats. Hanser, 2003. ISBN 3-446-20371-0
- Gerhard Scheit: Suicide Attack: Zur Kritik der politischen Gewalt. Ca ira Freiburg, 2004.