Kurt Georg Kiesinger
Kurt Georg Kiesinger (* 6. April 1904 in Albstadt-Ebingen, Württemberg; † 9. März 1988 in Tübingen) war ein deutscher Politiker der CDU, von 1958 bis 1966 Ministerpräsident von Baden-Württemberg, von 1966 bis 1969 Bundeskanzler der Bundesrepublik Deutschland und von 1967 bis 1971 Bundesvorsitzender der CDU.
Leben
Kindheit
Kiesingers Vater Christian war kaufmännischer Angestellter und evangelisch. Kurt Georg Kiesinger wurde jedoch katholisch getauft, da seine Mutter Domenika katholisch war. Sie starb ein halbes Jahr nach der Geburt des Sohnes. Kiesinger wurde daher von beiden konfessionellen Kulturen geprägt, bezeichnete sich selbst später gerne als "evangelischen Katholiken". Nach Besuch des Realgymnasiums absolvierte er das katholische Lehrerseminar in Rottweil.
Bis 1945
Kiesinger studierte ab 1925 zunächst an der Eberhard-Karls-Universität Tübingen Philosophie und Geschichte und trat dort in die Studentenverbindung K.St.V. Alamannia (KV) ein. Bereits 1926 wechselte er nach Berlin, um Rechts- und Staatswissenschaften zu studieren. In Berlin wurde er Mitglied der Studentenverbindung K.St.V Askania-Burgundia (KV). 1931 schloss er sein Studium ab. Nach der anschließenden Dissertation arbeitete Kiesinger in Berlin als Rechtsanwalt. 1933 wurde er Mitglied der NSDAP. Ab 1940 war er unter Ribbentrop im Reichsaußenministerium tätig und stieg dort bis zum stellvertretenden Abteilungsleiter für Propaganda auf (unter anderem war er für die Verbindung zum Reichspropagandaministerium von Joseph Goebbels zuständig), was ihm neben der NSDAP-Mitgliedschaft später vorgeworfen wurde (Ohrfeige von Beate Klarsfeld). Eine erste Entlastung findet er durch ein aus dem Spiegel-Archiv stammendes Protokoll des Reichssicherheitshauptamtes der SS, in dem es heißt, Kiesinger habe während seiner Tätigkeit in der rundfunkpolitischen Abteilung antijüdische Aktionen gehemmt und verhindert.
1945 bis 1966
Von 1945 bis 1946 saß Kiesinger in Haft im Internierungslager Ludwigsburg. 1946 wurde er Leiter eines Repetitoriums für Jurastudenten an der Universität Würzburg und 1947 ehrenamtlicher Landesgeschäftsführer der CDU Württemberg-Hohenzollern. Im Jahr 1948 wurde er durch ein Spruchkammergericht vollständig entlastet, danach begann er eine Tätigkeit als Rechtsanwalt in Tübingen und Würzburg.
Von 1949 bis zum 19. Februar 1959 und von 1969 bis 1980 war Kiesinger Mitglied des Deutschen Bundestags. Er vertrat in seinen ersten Wahlperioden den Wahlkreis Ravensburg, ab 1969 den Wahlkreis Waldshut, im Parlament. Von 1949 bis zum 5. Mai 1952 ist er stellv. Vorsitzender des Bundestagsausschusses zum Schutz der Verfassung, bis 1953 auch Vorsitzender des Unterausschusses des Bundestages und des Bundesrates zur Beratung einer Geschäftsordnung gemäß Artikel 77 des Grundgesetzes. In den ersten beiden Legislaturperioden war er Vorsitzender des Vermittlungsausschusses von Bundestag und Bundesrat. Am 19. Oktober 1950 erhält er bei der Wahl zum Bundestagspräsidenten 55 Stimmen gegen seinen Parteifreund D. Dr. Hermann Ehlers (201 Stimmen), obwohl er nicht einmal vorgeschlagen worden war. Vom 17. Dezember 1954 bis zum 29. Januar 1959 ist er Vorsitzender des Bundestagsausschusses für auswärtige Angelegenheiten.
1954 bis 1957 war Kiesinger Vorsitzender der Deutschen Parlamentarischen Gesellschaft e.V. Vom 1. Juli 1956 bis zum 19. März 1958 war er auch Mitglied des Europaparlaments. 1955 bis 1959 war er Vizepräsident der parlamentarischen Versammlung des Europarates, 1957/58 war er dort gleichzeitig Fraktionsvorsitzender der EVP-Fraktion. In der parlamentarischen Versammlung der WEU war er 1956 bis 1958 Fraktionsvorsitzender der Fraktion der Christlichen Demokraten und britischen Konservativen.
1952 gehörte Kiesinger zu einer Gruppe von 34 Abgeordneten der CDU/CSU-Fraktion, die einen Gesetzentwurf zur Einführung des relativen Mehrheitswahlrechts in den Bundestag einbrachten und damit auch die Stabilität der Koalition gefährdeten. Von 1953 bis zum 19. Februar 1959 leitete er den Arbeitskreis für Auswärtige und Verteidigungsfragen der CDU/CSU-Fraktion.
Kiesinger gehörte dem Auswahlgremium der beiden Unionsparteien an, das am 24. Februar 1959 Ludwig Erhard als neuen Bundespräsidenten vorschlug, was dieser jedoch ablehnte.
Vom 17. Dezember 1958 bis zum 30. November 1966 war er Ministerpräsident von Baden-Württemberg. Bis 1960 führte er eine Koalition aus CDU, SPD, FDP/DVP und BHE an, von 1960 bis 1966 eine CDU-FDP-Koalition. In seiner Eigenschaft als Ministerpräsident war er vom 1. November 1962 bis zum 31. Oktober 1963 Bundesratspräsident.
Kanzlerschaft
Als Nachfolger von Ludwig Erhard wurde er am 1. Dezember 1966 Bundeskanzler der ersten Großen Koalition (bis 1969) auf Bundesebene, er erhielt dabei 340 der 447 Stimmen der Koalitionsfraktionen und somit mit 68,5 Prozent der 496 Abgeordneten das prozentual gesehen beste Ergebnis aller Kanzlerwahlen der Nachkriegszeit. Mit den meisten Stimmen allerdings wurde Angela Merkel im Jahr 2005 gewählt, sie erhielt 397 der 614 Stimmen (64,9%) des 16. Deutschen Bundestages. Konrad Adenauer lehnte den Kandidaten wegen „mangelnder Durchsetzungsfähigkeit“ ab. Bei der Nominierung durch die CDU/CSU-Fraktion setzt er sich erst im dritten Wahlgang gegen Gerhard Schröder (CDU) und Rainer Barzel durch. Der als "Häuptling Silberzunge" bezeichnete Kiesinger galt vor allem als Redner, der zahlreiche literarische Anspielungen und schöngeistige Hohenflüge in seine Reden aufnahm. Innerhalb der großen Koalition, die so widersprüchliche Charaktere wie Willy Brandt, Franz-Josef Strauß und Herbert Wehner in einem Kabinett vereinte, war Kiesinger vor allem als „wandelnder Vermittlungsausschuss“ tätig. Er schaffte es, dass die Regierung trotz interner Reibereien nicht nur hielt, sondern auch fast alle angekündigten Vorhaben in den drei Jahren seiner Amtszeit umsetzen konnte. Darunter waren so umstrittene und seit vielen Jahren umkämpfte Vorhaben wie die Notstandsgesetze. Einzig die geplante Einführung des Mehrheitswahlrechtes für die Bundestagswahlen – als Ziel von ihm bereits in der Regierungserklärung am 13. Dezember 1966 genannt – scheiterte an internen Meinungsverschiedenheiten innerhalb beider Koalitionspartner (die SPD hatte diesem Koalitionsziel zwar zugestimmt, verlor aber beim Nachrechnen der daraus folgenden Sitzverteilung schnell die Freude daran). Als eigentliche 'Macher' seiner Regierung galten Herbert Wehner sowie die Fraktionsvorsitzenden Helmut Schmidt und Rainer Barzel. Die Stars waren Schiller und Strauß, die es schafften, den Haushalt zu sanieren und die Konjunktur wieder in Gang zu bringen. Von der Öffentlichkeit weitgehend unbemerkt, bereitete Willy Brandt im Windschatten des Kanzlers seine zukünftige Ostpolitik vor.
Am 11. März 1968 gab Kiesinger vor dem Bundestag den ersten Bericht zur Lage der Nation im geteilten Deutschland ab und begründete damit eine Tradition, die bis zur Wiedervereinigung 1990 hielt.
Rückzug aus der Politik
1967 wurde er Parteivorsitzender der CDU (bis 1971). Nach der Bundestagswahl 1969 versuchte Kiesinger die FDP von der Bildung der sozialliberalen Koalition abzuhalten, indem er – der vehemente Befürworter des Mehrheitswahlrechts – sie mit einer langfristigen Absprache köderte, die auch eine Garantie gegen jegliche Wahlrechtsänderungen enthalten sollte. Als diese Strategie scheitert und die FDP eine Koalition mit der SPD eingeht, zeigt er sich enttäuscht und kündigt an, die CDU werde versuchen, zukünftig aus allen Landtagen "diese Partei herauszukatapultieren, die sich jetzt als Schlüsselfigur in der Bundesrepublik betätigt." Kiesinger hielt die Wahl von Willy Brandt bis zu seinem Tode für nicht wirklich demokratisch legitimiert und begründete das damit, dass einerseits die Union stärkste Fraktion geworden sei und andererseits auch nach allen Umfragen sich mehr Bundesbürger ihn anstatt Brandt als Kanzler gewünscht hätten. Am 27. April 1972 begründet er im Bundestag den konstruktiven Misstrauensantrag der Unions-Fraktion gegen Willy Brandt. Das darauf folgende konstruktive Misstrauensvotum gegen Brandt blieb ohne Erfolg.
In der achten Legislaturperiode (1976-1980) war Kiesinger nach seinen Parteifreunden Ludwig Erhard und Johann Baptist Gradl der drittälteste Abgeordnete des Bundestages.
Veröffentlichungen
- Kurt Georg Kiesinger: Die Stellung des Parlamentariers in unserer Zeit. Stuttgart 1981
- Kurt Georg Kiesinger: Dunkle und helle Jahre: Erinnerungen 1904 - 1958. Stuttgart 1989
Literatur
- Günter Buchstab, Philipp Grasser, Peter Thaddäus (Hrsg.): Kurt Georg Kiesinger 1904 - 1988. Von Ebingen ins Kanzleramt. Herder Verlag, Freiburg 2005, ISBN 3-451-23006-2
- Klaus Günther: Der Kanzlerwechsel in der Bundesrepublik. Adenauer - Erhard - Kiesinger. eine Analyse zum Problem der intraparteilichen De-Nominierung des Kanzlers und der Nominierung eines Kanzlerkandidaten am Beispiel des Streits um Adenauers und Erhards Nachfolge. Hannover 1970
Siehe auch
Liste der deutschen Bundesregierungen
Weblinks
Personendaten | |
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NAME | Kiesinger, Kurt Georg |
KURZBESCHREIBUNG | deutscher Politiker (CDU), 1966-1969 Bundeskanzler der BRD |
GEBURTSDATUM | 6. April 1904 |
GEBURTSORT | Albstadt-Ebingen, Württemberg |
STERBEDATUM | 9. März 1988 |
STERBEORT | Tübingen |