Wilhelm Gustloff (Schiff)
Die Wilhelm Gustloff war ein Passagierschiff der NS-Organisation "Kraft durch Freude" (KdF). Ihre Versenkung am 30. Januar 1945 gilt mit etwa 9.300 Opfern als die größte Katastrophe der Seefahrtsgeschichte.
Bau und Nutzung bis 1945
Das Schiff, das nach dem von den Nationalsozialisten zum Märtyrer stilisierten Wilhelm Gustloff benannt wurde, war ausschließlich für Kreuzfahrten konzipiert. Es wurde im Auftrag der NS-Arbeitsorganisation "Deutsche Arbeitsfront" (DAF) bei Blohm & Voss in Hamburg unter der Baunummer 511 auf Kiel gelegt. Der Stapellauf fand am 5. Mai 1937 statt. Die Fertigstellung erfolgte am 15. März 1938 und die Jungfernfahrt am 2. April des selben Jahres. Das Schiff war Eigentum der DAF und wurde von der Hamburg-Südamerikanischen Dampfschiffahrtsgesellschaft (HSDG) bereedert, d.h. verwaltet, mit Besatzung versehen und gewartet.
Bis Ausbruch des Zweiten Weltkriegs am 1. September 1939 wurde die "Wilhelm Gustloff" als Kreuzfahrtschiff der DAF-Unterorganisation "Kraft durch Freude" (KdF) genutzt. Die Passagiere waren in Touristenklasse-Kabinen untergebracht. Es gab auf dem Schiff nur Außenkabinen für zwei oder vier Personen. Alle Kabinen hatten fließendes kaltes und warmes Wasser, einen Tisch, eine Sofabank, Betten, die übereinander angeordnet waren und einen Kleiderschrank für jeden Fahrgast. Die Kabinen waren für Fahrgäste und Besatzung gleich. Auf dem B-Deck befand sich eine größere Kabinengruppe, die Adolf Hitler und seiner Begleitung für die gelegentliche Nutzung vorbehalten war.
Am 22. September 1939 wurde die "Gustloff" als Lazarettschiff der Kriegsmarine übergeben. Während der Besetzung Norwegens im Frühjahr 1940 diente sie als Verwundetentransporter. Seit dem 20. November 1940 wurde die "Gustloff" als Wohnschiff für die 2. U-Boot-Lehrdivision in Gdingen (damals: Gotenhafen; heute: Gdynia) genutzt.
Der Untergang
Nach dem Durchbruch der Roten Armee an der Ostfront sollte die "Wilhelm Gustloff" Flüchtlinge, Verwundete und Wehrmachtsangehörige aus dem abgeschnittenen Ostpreußen ins westliche Deutschland evakuieren.
Am 30. Januar 1945 12:20 Uhr legte sie mit schätzungsweise 10.300 Menschen an Bord in Gdingen ab. Die genaue Anzahl der Passagiere und Besatzungsmitglieder ließ sich nie mit letzter Sicherheit feststellen, da ihre Flucht überhastet erfolgte. Offiziell registriert wurden 7.956 Menschen. Nach Ende der offiziellen Zählung drängten aber noch ungefähr 2.500 weitere Passagiere an Bord. Insgesamt dürften sich auf der "Wilhelm Gustloff" etwa 8.800 Zivilisten, davon eine große Zahl Kinder, sowie ca. 1.500 Wehrmachtsangehörige befunden haben, darunter Soldaten der 2. U-Boot-Lehrdivision, Marinehelferinnen und zahlreiche Verwundete.
Noch am Abend des selben Tages, um 21:08 Uhr, wurde das Schiff auf der Höhe von Stolpmünde von drei Torpedos des sowjetischen U-Boots S 13 getroffen und sank in weniger als 50 Minuten. Aufgrund der Überfüllung gab es viel zu wenige Rettungsboote, die außerdem vereist waren und wegen der schnellen Senkung kaum genutzt wurden. Da von herbeieilenden Frachtern und Minensuchbooten nur 1.239 Menschen gerettet werden konnten, müssen zwischen 8.800 und 9.300 ums Leben gekommen sein, hauptsächlich Frauen und Kinder. Der Untergang der "Wilhelm Gustloff" ist damit bis heute das größte Unglück der Seefahrtsgeschichte.
Die S-13 versenkte am 9. Februar 1945 auch die "Steuben" mit ca. 4.000 Menschen an Bord. Das gleiche Schicksal ereilte am 16. April 1945 einen weiteren Flüchtlingstransporter, die "Goya", die von dem sowjetischen U-Boot S-5 torpediert wurde. Dabei starben wahrscheinlich rund 7.000 Menschen. Heute ist das Wrack ein Seekriegsgrab.
Der U-Boot-Kommandant
Der Kommandant der S-13 Alexander Iwanowitsch Marinesko war vor der Versenkung der "Gustloff" und der "Steuben" durch Alkoholprobleme und mangelnde Disziplin aufgefallen, aus Mangel an Seeoffizieren jedoch nicht degradiert worden. Wegen der Versenkung zweier deutscher Schiffe wollte er als Held der Sowjetunion anerkannt werden. Stattdessen wurde er nach dem Krieg unehrenhaft entlassen und verbrachte später wegen Diebstahls drei Jahre im Straflager. Er starb 1963 in Leningrad. 1990 jedoch, 27 Jahre nach seinem Tod, wurde Marinesko rehabilitiert und nachträglich zum "Helden der Sowjetunion" ernannt.
Technische Daten
- BRT: 25.484
- Baukosten: ca. 25 Mio. RM
- Länge: 208,50 m
- Breite über Spanten: 23,50 m
- Breite in Höhe Promenadendeck: 25,00 m
- Antrieb: MAN-Diesel mit Getriebe und 9.500 PS. 2 Propeller.
- Geschwindigkeit: 15,5 kn.
- Anzahl der Fahrgäste: 1.465 Personen
- Anzahl der Besatzung: 426 Personen
- Aufbau des Schiffs:
- Kommandobrücke
- Sonnendeck (u. a. Sportplatz und Turnhalle)
- oberes Promenadendeck (u. a. Kabinen)
- unteres Promenadendeck (u. a. Musikhalle und Theaterhalle)
- A-Deck (u. a. vorderer und hinterer Speisesaal, Küche, Hospital)
- B-Deck (u. a. Kabinen, Wäscherei, Frisör)
- C-Deck (u. a. Kabinen, Bäckerei und Schlachterei) (Schottendeck)
- D-Deck (u. a. Kabinen, Speiseraum für Besatzung, Werkstatt)
- E-Deck (u. a. Maschinenraum und Hilfsmaschinenraum, Gepäckraum, Vorräte und Proviant)
- Stauung (u. a. Proviant- und Kühlraum, Schwimmbecken, Frischwassertanks)
Literatur
Sachbuch
- Heinz Schön, SOS Wilhelm Gustloff. Die größte Schiffskatastrophe der Geschichte, Motorbuch Verlag Pietsch, 1998, ISBN 3613019000 (Bericht eines Überlebenden)
- Schiffe-Menschen-Schicksale: Wilhelm Gustloff - "Vom KdF-Dampfer" zum Totenschiff, Nr. 15
Fiktionale Literatur
- Günter Grass: Im Krebsgang, Steidl Gerhard Verlag, 2002, ISBN 3882438002
- Die Novelle erzählt die Geschichte der "Wilhelm Gustloff" in einer Mischung von Tatsachen und Fiktion, schildert den Untergang aber sehr exakt und detailliert.
- Tanja Dückers: Himmelskörper, Aufbau Verlag, 2003, ISBN 3351029632
- Detlef Michelers: Wilhelm Gustloff - Vom Flaggschiff zum eisernen Sarg, Hörbuch, DAV, Berlin, 2002, ISBN 3898131939
- Der Autor schildert das Schicksal der 'Wilhelm Gustloff' in vielen Originaltönen, Interviews mit Überlebenden und Mitschnitten aus einer Lesung von Günter Grass.
Film
- Nacht fiel über Gotenhafen, Regie: Frank Wisbar, D 1959 S/W (Vorlage:IMDb Titel)