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Wutachtalbahn

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Brücke bei Epfenhofen
Biesenbachviadukt, im Vordergrund ist ein weiterer Teil der Eisenbahnstrecke zu erkennen
Datei:Füetzen Epfenhofen.jpg
Zeichnungen der Brücken bei Fützen und Epfenhofen
Datei:Wutach.jpg
Zeichnung der Wutachbrücke von 1890
Zeichnung des Biesenbachviaduktes von 1890

Die Wutachtalbahn ist eine der außergewöhnlichsten Eisenbahnstrecken Deutschlands. Sie verbindet die Städte Waldshut an der deutsch-schweizerischen Grenze und Immendingen an der Schwarzwaldbahn und führt durch den südlichen Schwarzwald. Wegen ihres kurvenreiches Verlaufes heißt sie auch Sauschwänzlebahn. In der Literatur ist in diesem Zusammenhang auch von der Strategischen Bahn die Rede, obwohl damit einer ganze Gruppe spezieller Eisenbahnstrecken gemeint ist.

Die Strecke als europäische Magistrale

Ursprünglich war die Wutachtalbahn als eine Nord-Süd-Verbindung aus dem Großherzogtum Baden zur Gotthardbahn vorgesehen. Die Strecke sollte den ersten deutsch-schweizerischen Grenzübergang für die Eisenbahn zwischen Waldshut und Koblenz im Aargau nutzen. Ein erstes Teilstück ging 1875 zwischen Waldshut und Stühlingen in Betrieb. Der Weiterbau in Richtung Donaueschingen stockte dann wegen geologischer Probleme in der immer noch instabilen Wutachschlucht. Die projektierenden Ingenieure stellten fest, dass eine Weiterführung der Bahn durch diese erst 20.000 Jahre alte Schlucht unmöglich war. Damit galt das Projekt als gescheitert.

Die Strecke als strategische Eisenbahn

Einige Jahre später begann man sich von neuem für die Wutachtalbahn zu interesssieren, diesmal von militärischer Seite aus. Die Überlegungen hatten den Hintergrund der schnellen Verlegung von Truppen durch die Eisenbahn im Falle eines bewaffneten Konfliktes mit Frankreich. Die im Normalfall genutzte Eisenbahnstrecke aus der Richtung der nächstgelegenen Garnison in der Bundesfestung Ulm führte ab Singen mehrfach durch schweizerisches Gebiet bei Schaffhausen bis an das damalige Deutsch - Französische - Schweizerische Dreiländereck westlich von Basel. Beim Bau dieser Eisenbahn war eine Nutzung durch das Militär in einem Staatsvertrag zwischen Deutschland und der Schweiz ausgeschlossen worden. Die weiter nördlich liegende Höllentalbahn durch den Schwarzwald konnte wegen ihrer extremen Steigung von 6% nicht für die schweren Züge des Militärs genutzt werden.

Ab 1887 begann man mit dem Weiterbau der Wutachtalbahn Richtung Osten mit Anschluss an die obere Donautalbahn und die Schwarzwaldbahn in Immendingen etwa 10km westlich von Tuttlingen. Entsprechend den Forderungen des Militärs durfte die Steigung der Bahn den Wert von 1% nicht übersteigen. Das hieß: Die Trasse durfte auf 1 km Fahrtstrecke nicht mehr als 10 m ansteigen. Die Geographie des Wutachtales brachte es aber mit sich, dass genau in dieser Richtung ein Anstieg von über 200 m zu bewältigen war, die Strecke hätte in dieser Richtung also über 20 km lang sein müssen. Die tatsächlich zur Verfügung stehende Entfernung betrug dabei weniger als 7 km. Damit war die Bahn nur durch eine extreme Entwicklung in die Länge zu verwirklichen, ähnlich wie man es im Hochgebirge von der Gotthardbahn oder der Albulabahn her kennt.

Bauliche Besonderheiten der Strecke

Aus diesem Grund wurde die Wutachtalbahn mit mehreren offenen Kehrschleifen, einem Kehrtunnel und sogar einem Kreiskehrtunnel ausgestattet. Der Große Stockhaldetunnel ist 1700 m lang und weltweit der einzige Tunnel dieser Bauart in einem Mittelgebirge. Weiterhin ist dieses Bauwerk nach dem 2296 m langen in Italien an der Simplonbahn gelegenen Varzo elicoidale-Tunnel der zweitlängste Kehrtunnel in Europa.

Für die Strecke mussten insgesamt 4 Viadukte und Brücken zur Überquerung der Quertäler in der Gegend gebaut werden. Die Bauwerke haben durchweg die Höhe von bis zu 30 m. Für die statische Bemessung der Brücken waren die damals schwerste Kanonen der Firma Krupp mit einem Gewicht von 140 t maßgebend. Der kleinste Radius des Gleises betrug 300 m und wurde nur an einer Stelle ausgeführt. Von den 6 Tunnels dienen zwei der Streckenverlängerung, drei weitere unterqueren einen Bergsporn und nur einer ist ein echter Gebirgstunnel, der am höchsten Punkt der Strecke die europäische Hauptwasserscheide zwischen Rhein und Donau unterquert.

Im Jahre 1890 konnte die Wutachtalbahn dem Verkehr übergeben werden. Während des Baues hatten sich immer wieder geologische Schwierigkeiten ergeben, die das Projekt verteuerten. Der stählerne Biesenbach-Viadukt musste beispielsweise verlängert werden, weil der bereits aufgeschüttete Damm an seinen Widerlagern immer wieder abrutschte.

Die Bahnhöfe der Strecke wurden wegen des zu erwartenden geringen Verkehrsaufkommens in einem einheitlichen Stil gebaut, um an dieser Stelle die Baukosten reduzieren zu können. Die Ausweich- und Überholgleise an den Bahnhöfen haben dagegen eine Überlänge, um auch den längsten Militärtransport über die Strecke führen zu können.

Während der Spitzenzeiten des Streckenbaues in den Jahren 1889 und 1890 waren bis zu 3700 Arbeiter beschäftigt. Dieser immense Bedarf an Arbeitskräften wurde durch Anwerbung im Ausland, speziell in Italien gedeckt.

Stillegung und Betrieb als Museumseisenbahn

Die Nutzung der Wutachtalbahn war sowohl in Friedens- als Kriegszeiten mäßig. Zum einen verteuerte die künstliche Entwicklung in die Länge jede Fahrkarte und die Gütertarife. Zum anderen war das Militär in beiden Weltkriegen nicht auf die Strecke angewiesen. Nach dem zweitem Weltkrieg stellte die Strecke mit ihrer schlechten Auslastung und ihrem immensen Instandhaltungsaufwand für die völlig ausgeblutete Deutsche Bundesbahn ein Faß ohne Boden dar. Deshalb wurde der durchgehende Verkehr ab 1955 eingestellt und mit Omnibussen und LKWs abgewickelt.


Von 1962 bis 1965 wurde die Strecke auf Kosten der NATO durchgehend saniert, beispielsweise wurden die Tunnels gegen das eindringende Wasser neu abgedichtet und die Signale an den Bahnhöfen erneuert. Trotz dieses Aufwandes in Millionenhöhe wurde die Strecke nicht mehr befahren, obwohl das Bundesministerium der Verteidigung ab diesem Zeitraum Jahr für Jahr 50.000 DM für den Unterhalt der Strecke zahlte. Ab 1976 konstituierte sich ein Verein mit Sitz in Blumberg, der 1977 auf der Strecke eine Museumseisenbahn einrichtete. Dieser Betrieb erwies sich von Anfang an als außerordentlich erfolgreich und sogar kostendeckend. Damit konnte eine der interessantesten Eisenbahnstrecken Deutschlands vor dem endgültigen Verfall bewahrt werden. 1988 erhielt die Strecke den Rang eines nationalen Denkmals. Durch umfangreiche Renovierungsmaßnahmen an den Tunnels und Brücken in den darauf folgenden Jahren ist ihr weiterer Bestand gesichert.


Literatur

Die Wutachtalbahn, Strategische Umgehungsbahn, (Sauschwänzlebahn) Autor: Ulrich Müller Verlag: Ferrovia-Verlag GmbH ISBN 3-88275-020-0