Leviathan (Mythologie)

Leviathan (hebr.: לווייתן liwjatan, dt. der sich Windende) ist der Name eines im Meer lebenden Ungeheuers der jüdisch-christlichen Mythologie.
Vorbiblische Einflüsse
Beeinflusst wurde die Vorstellung des Leviathan bereits durch verschiedene altorientalischen Mythen. Zu nennen ist etwa die drachengestaltige mesopotamische Salzwassergöttin Tiamat, oder auch das kanaanitische Götterpaar Baal und Anath, die ein siebenköpfiges Seeungeheuer namens Lotan besiegt haben sollen.
Biblisch-talmudische Tradition
Herkunft
Nach Ps 104,26 hat Gott den Leviathan geschaffen, "um mit ihm zu spielen". Nach dem Kapitel Avoda Zara des babylonischen Talmuds pflegt er dies in den letzten drei Tagesstunden zu tun, nachdem er die Tora studiert, über die Welt gerichtet und die Welt genährt hat. Das Böse als Spielzeug Gottes - sicherlich eine außergewöhnliche Antwort auf die alte theologische Frage nach der Theodizee.
Beschreibung
Der Leviathan trägt vor allem Züge des Krokodils, aber auch des Drachen, der Schlange und des Wales, dementsprechend wird er in manchen Bibelübersetzungen auch einfach nur mit dem Namen eines dieser Tiere übersetzt. Mitunter wird er aber auch lediglich als Allegorie auf die vernichtende Kraft des Meeres aufgefasst, und damit als Gegenstück zum Landtier Behemoth und dem dem Luftreich zugeordneten Vogel Ziz.
Eine detaillierte Beschreibung des bösartigen Ungeheuers findet sich im Hiob 40,25 - 41,26, wo seine Macht und Stärke als Sinnbild für die Fruchtlosigkeit von Hiobs Aufbegehren gegen sein Schicksal dient.
"Kannst du den Leviathan ziehen mit dem Haken und seine Zunge mit einer Schnur fassen? (...) Wenn du deine Hand an ihn legst, so gedenke, daß es ein Streit ist, den du nicht ausführen wirst. (...) Niemand ist so kühn, daß er ihn reizen darf; (...) Wer kann ihm sein Kleid aufdecken? und wer darf es wagen, ihm zwischen die Zähne zu greifen? (...) Seine stolzen Schuppen sind wie feste Schilde, fest und eng ineinander. (...) Aus seinem Munde fahren Fackeln, und feurige Funken schießen heraus. (...) Die Gliedmaßen seines Fleisches hangen aneinander und halten hart an ihm, daß er nicht zerfallen kann. Sein Herz ist so hart wie ein Stein (...) Wenn er sich erhebt, so entsetzen sich die Starken (...) Wenn man zu ihm will mit dem Schwert, so regt er sich nicht (...) Er macht, daß der tiefe See siedet wie ein Topf (...) Auf Erden ist seinesgleichen niemand; er ist gemacht, ohne Furcht zu sein. Er verachtet alles, was hoch ist" (Luther-Übersetzung von 1534)
Vernichtung durch Gott
Da jegliches menschliche Mühen vor einem derartigen Ungeheuer zuschanden werden muss (vgl. auch Hiob 3,8), bleibt es Gott selbst vorbehalten, am Ende der Zeit den Leviathan zu besiegen. Nach Ps 74,14 wird er ihm "den Kopf zermalmen", nach Jes 27,1 "mit seinem harten, großen, starken Schwert (...) töten", nach anderer Übersetzung auch erwürgen. Nach dem Traktat Moed Katan im Babylonischen Talmud schließlich wird der Leviathan aus dem Meer geangelt wie ein gewöhnlicher Fisch.

Nach einer üblicherweise zum Erntedankfest vorgetragenen Hymne namens Akdamut bzw. dem Talmud-Traktat Baba Bathra kommt es nach der Schlacht von Harmagedon am Ende der Zeiten zu einem Kampf zwischen den Ungeheuern Leviathan und Behemoth, bei dem dieser seinen Widersacher mit seinen Hörnern aufzuspießen sucht, während Leviathan nach dem Landungeheuer mit seinen Flossen schlägt. Schließlich wird der Herr beide mit seinem mächtigen Schwert erschlagen und das Fleisch der beiden Ungeheuer gemeinsam mit dem des Vogels Ziz den Rechtschaffenen zur Speise geben. Aus ihrer Haut indes wird er ihnen Zelte und Baldachine machen. Dementsprechend enthält das Laubhüttenfest-Gebet nicht nur den bekannten frommen Wunsch, man möge sich "nächstes Jahr in Jerusalem" treffen, sondern auch, dass man in einer mit der Haut des Leviathan bespannten Laubhütte zusammenkommen möge.
Apokryphen
Aus diesen biblischen Traditionen schöpfen die Apokryphen das Motiv des Leviathan als weibliches Fabelwesen, das gemeinsam mit seinem männlichen Gegenstück Behemoth von Gott zur Züchtigung der Menschen gesandt wird (1. Hen 59,7ff.). Während letzterer die Wüste beherrscht, ruht Leviathan am Grund des Meeres. Am Ende werden beider Opfer von Gottes Gnade errettet (1. Hen 60,7).
Mittelalter
In christlicher Zeit wurde Leviathan mit dem Teufel in Verbindung gebracht, aber auch als Allegorie für Chaos und Unordnung, für Gottferne und Sündhaftigkeit der Menschen aufgefasst. Für Thomas von Aquin und den Jesuiten Peter Binsfield repräsentiert er als Dämon des Neides eine der sieben Todsünden.
Manche Autoren wie etwa der Hexentheoretiker Johann Weyer sehen in Leviathan einen "Großadmiral" oder einen der vier "Kronprinzen" der Hölle. Der Exorzist Sebastien Michaelis will ihn gar als einen der Teufel ausfinden gemacht haben, die in die von ihm zu heilende Nonne Schwester Madeleine in Aix-en-Provence gefahren waren. Ähnliche Vorstellungen finden sich auch später noch etwa bei dem Dämonologen Collin de Plancy und dem amerikanischen Satanisten Anton LaVey.
Neuzeit und Gegenwart
Das mythologische Ungeheuer hat Thomas Hobbes zum Titel seiner berühmten staatsphilosophischen Schrift angeregt, in der die von Hobbes postulierte Allmacht des Staates mit der Unbezwingbarkeit des biblischen Ungeheuers verglichen wird. In neuerer Zeit wird auch den Finanzmärkten oder der Natur (Vulkanausbrüche, Erdbeben, Tsunami-Flut) eine derartige Rolle zugeschrieben. Auch wurde der Stoff vielfach literarisch verarbeitet, u.a. durch Joseph Roth. Darüberhinaus tragen mehrere Wasser- und Luftfahrzeuge den Namen des Ungeheuers. Einen Überblick gibt die Begriffsklärung "Leviathan".
Im Film
In der Filmreihe Hellraiser und besonders im zweiten Teil, Hellbound, ist Leviathan der oberste Herrscher der Hölle. Er wird verkörpert durch ein Gebilde von 2 aneinandergekoppelten Pyramiden. Er sendet schwarze Lichtwellen und stößt tiefe, dröhnende Geräusche aus. Diese Geräusche ergeben als Morsecode die Buchstaben "GOD", Englisch für Gott. Er wird hier auch "Lord of the Labyrinths" (Herr der Labyrinthe) genannt.
Der Leviathan kommt auch in der japanischen Zeichentrickserie "YuGiOh! Waking the Dragon's vor. Dort ist er der ein auf dem Meeresboden schlafender Gott, der nachdem man ihm genug Seelen gegeben hat, aus dem Meer erwacht und dem über 10.000 Jahre alten atlantischen Herrscher "Dartz" dazu verhilft eine neue Weltordnung zu schaffen. Jedoch wird er am Schluss von drei ägyptischen Göttern in einem entscheidenen Kampf besiegt und muss auf den Meeresboden sinken. In der Serie heißt er "Der große Leviathan" und ist ein riesiges, schlangenartiges Ungeheuer, welches sich auch durch die Luft bewegen kann.
Im Spiel
Des weiteren taucht Leviathan auch öfters als Name eines Endgegners auf, der bevorzugt in den Tiefen von Höhlen etc. wohnt. Oft ist er auch eine anrufbare Seele, die dem Spieler kurzzeitig mit seiner großen Kraft beisteht. Beispielsweise trägt einer der four Guardians aus der Spieleserie Mega Man Zero diesen Namen. In den Final-Fantasy-Teilen heißt eine der zu beschwörenden Bestias Leviathan. Auch bei Unreal Tournement 2004 (UT 2004) hat man es im Spielmodus "Onslaught" mit einem Leviathan zu tun; hier handelt es sich dabei um ein mächtiges Fahrzeug mit 6 Lasertürmen und einem Raketenwerfer, der sich wiederum in einen Laser umbauen lässt.
Siehe auch
Literatur
- Die Bibel, Luthertext mit Apokryphen, Deutsche Bibelgesellschaft Stuttgart 1985, ISBN 3438012006, S. 524, 550f., 587, 682 (die obigen Zitate stammen nicht aus dieser revidierten Ausgabe, sondern aus Luther Originaltext)
- Die Bibel, Einheitsübersetzung, Katholische Bibelanstalt, Stuttgart 1980, ISBN 3451189887 oder ISBN 345119998X, S. 586, 612, 653, 830
- Gebhardt, Harald und Ludwig, Mario: Von Drachen, Yetis und Vampiren - Fabeltieren auf der Spur. BLV-Verlag, München, ISBN 3-405-16679-9
- Thomas Hobbes: Leviathan, ISBN 3150083486, bzw. online [1]
- Joseph Roth, Der Leviathan, Köln 1999, ISBN 346202082X
Weblink
- http://www.drachenkosmos.de/ - Bilder-Datenbank mit zahlreichen Abbildungen zu Leviathan sowie ein Aufsatz von Arnulf von Heyl