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Torlinientechnik

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Der Begriff „Torlinientechnologie“, oder „Torlinientechnik“, beschreibt technische Hilfsmittel, die überprüfen, ob der Ball beim Fußball die Torlinie mit vollem Umfang überquert hat, oder nicht. Umstrittene Entscheidungen dieser Art sorgten in der Vergangenheit regelmäßig für Diskussionen bezüglich einer Einführung einer solchen Technik.

Am 5. Juli 2012 beschloss das International Football Association Board (IFAB) schließlich, nach ausführlichen Tests verschiedener Systeme, die Torlinientechnik einzuführen. Von den ursprünglich acht Unternehmen, die der FIFA ihre Systeme vorgestellt hatten, verblieben nach den ersten beiden Testphasen noch vier Systeme, die nun bei der FIFA-Klub-Weltmeisterschaft 2012, beim FIFA-Konföderationen-Pokal 2013 zur Erprobung eingesetzt werden.[1][2]

Systeme

Alle Systeme lassen sich grob in zwei Kategorien einteilen: dabei wird die Position des Balls entweder optisch oder über Funk ermittelt.

Ballortung über Funk

GoalRef

Das GoalRef-System, welches am Fraunhofer IIS entwickelt wurde, „funktioniert ähnlich wie der Diebstahlschutz im Kaufhaus“, so der Leiter des GoalRef Projekts, René Dünkler.[1] Mit Antennen, die sich hinter der Latte befinden, wird im Tor ein schwaches Magnetfeld erzeugt und überwacht. Dieses Magnetfeld wird, von sich im Ball befindlichen dünnen und dadurch leichten Spulen, beeinflusst, sobald der Ball sich der Torlinie nähert.[1] Mittels eines Prozessors wird nun anhand der Antennensignale die Position des Balles exakt bestimmt, bei einer Überquerung der Torlinie des Balls mit vollem Durchmesser wird vom System ein verschlüsseltes Funksignal an die Spezialarmbanduhren der Schiedsrichter gesendet, die den Schiedsrichtern mittels Vibration und einer visuellen Anzeige auf dem Display der Uhr diese Information mitteilen.[1][3] Da dieses System mit Funk arbeitet, spielen Verdeckung und schlechte Sichtverhältnisse durch beispielsweise schlechtes Wetter keine Rolle.

Ein Nachteil dieses Systems ist, dass ein spezieller Ball verwendet werden muss, da in diesen die Spulen eingebaut werden müssen.[4] In den Tests wurde ein Ball des dänischen Herstellers Select Sport verwendet, der aufgrund seiner intelligenten Kommunikation mit dem Tor auch iBall genannt wird. Bälle anderer Hersteller können ebenfalls ohne eine Einschränkung der Eigenschaften modifiziert werden.[1]

Cairos

Das deutsche Unternehmen Cairos verwendet wie GoalRef eine Magnetfeldtechnologie, allerdings unter dem Spielfeld und im Torraum und mit einem Sensor im Ball, der ein Signal an den Schiedsrichter benachrichtigt, wenn der Ball die Torlinie überquert hat.[5][6] Das System wurde in Karlsruhe getestet und im Februar 2013 von der FIFA lizenziert.[7]

Kamerabasiert

Hawk-Eye

Hawk-Eye ist ein kamerabasiertes System, das schon seit einigen Jahren im Tennis und Cricket eingesetzt wird.[8] Im für den Fußball entwickelten System überwachen sechs bis acht Hochgeschwindigkeitskameras den Torraum aus verschiedenen Blickwinkeln und können daraus die exakte Position des Balles berechnen; Rückmeldung vom System erhält der Schiedsrichter innerhalb einer Sekunde.[3]

Die Möglichkeit aus den erfassten Daten eine 3D-Darstellung der Flugkurve des Balles zu erstellen und somit auch den Zuschauern die Entscheidung nachvollziehbar und anschaulich machen zu können, könnte ein Vorteil von Hawk-Eye gegenüber GoalRef sein.[3][8] Aber im Gegensatz zum Tennis, wo so eine Darstellung üblich ist, werden diese Bilder den Zuschauern beim Fußball vermutlich vorenthalten bleiben.[4]

Ein Nachteil gegenüber GoalRef ist, neben den hohen Kosten und der aufwändigen Installation eines Hawk-Eye-Systems, dass das System nur funktioniert, wenn der Ball für die Kameras zu einem gewissen Grad sichtbar ist. Jedoch scheint das mit der Sichtbarkeit des Balles nicht ganz klar zu sein, so heißt es einmal, es müssen mehr als 25% sichtbar sein[9], ein anderes Mal heißt es, es müssen mindestens 75% sein[8].

Hawk-Eye wurde bei der FIFA-Klub-Weltmeisterschaft 2012 erprobt und wird in der Premier League seit der Saison 2013/14 eingesetzt.

GoalControl

GoalControl wurde im März 2013 von der FIFA als Torlinientechnologie lizenziert.[5] GoalControl 4D verwendet 7 Kameras pro Tor und funktioniert, laut Hersteller, mit jedem Ball und jedem Tor. Eine Kombination von GoalControl (für die Ortung) und GoalRef (für die Anzeige) wurde von der FIFA zur Erprobung beim Konföderationen-Pokal 2013 ausgewählt.[10]

Meinungen der Öffentlichkeit

Die Einführung technischer Hilfsmittel im Fußball ist seit langem ein kontrovers diskutiertes Thema. Die Einführung der Torlinientechnologie wird von vielen begrüßt, darunter auch bekannte Persönlichkeiten der Bundesliga, wie zum Beispiel die Trainer Jupp Heynckes und Bruno Labbadia, HSV-Exsportdirektor Frank Arnesen und Schiedsrichter Knut Kircher. Sie argumentieren, dass diese Technik eine große Hilfe für Schiedsrichter bei strittigen Entscheidungen sei und somit auch den enormen Druck, der auf Schiedsrichtern lastet, verringere; für Heynckes und Arnesen ist die Einführung einer solchen Technik außerdem „längst (über)fällig“[11].

Gegner der Torlinientechnologie befürchten, dass es nach diesem weiteren Schritt in der zunehmenden Technisierung des Fußballs irgendwann schwer wird, die Grenze zu ziehen und die technische Überwachung auch auf andere Bereiche des Spiels, wie zum Beispiel Fouls und Abseitsentscheidungen, ausgedehnt wird und dass das, was einen großen Teil der Faszination Fußball ausmacht, nämlich Emotionen und Diskussionen, schließlich ganz verloren geht[12][13]. UEFA-Präsident Michel Platini gehört zu den schärfsten Kritikern der Torlinientechnologie, zeigt sich jedoch zunnehmend gesprächsbereit und schließt die Einführung dieser Technik zur Fußball-Europameisterschaft 2016 nicht mehr kategorisch aus.[14]

Einzelnachweise

  1. a b c d e GoalRef: FIFA empfiehlt intelligentes Tor von Fraunhofer. Website des Fraunhofer ISS, 5. Juli 2012. Abgerufen am 23. August 2012.
  2. Testphase bei FIFA-Turnieren - FIFA sagt Ja zu Chip und Hawkeye. kicker online, 5. Juli 2012. Angerufen am 2. Oktober 2012.
  3. a b c IFAB gibt grünes Licht für die Torlinientechnologie. Website der FIFA, 5. Juli, 2012. Abgerufen am 23. August 2012
  4. a b Stefan Karger: FIFA erlaubt technische Hilfsmittel | Hawk-Eye oder GoalRef die bessere Lösung?. Austrian Soccer Board & abseits.at, 8. Juli 2012. Abgerufen am 23. August 2012
  5. a b Tortechnik-Test bei WM-GeneralprobeFifa setzt auf deutsche Firma, 2. April 2013
  6. Torlinientechnologie aus Ismaning Magnetfeld unterm Torraum, Süddeutsche Zeitung, 12. März 2013
  7. Torkameras beim ConfedCup im Brasilien: Nie wieder ein Wembley-Tor taz.de, 3. April 2013
  8. a b c Zwei Systeme kämpfen um Zulassung - Falkenauge oder Chip im Ball. spox.com, 4. Juli 2012. Abgerufen am 23. August 2012
  9. Louise Taylor: Goalline technology set to be used in the Premier League from 2013. The Guardian Online, 4. Juli 2012. Abgerufen am 6. Oktober 2012
  10. GoalControl selected for FIFA Confederations Cup 2013. (PDF; 22 kB) In: goalcontrol.de. Abgerufen am 1. Mai 2013.
  11. Stimmen aus der Bundesliga zur Entscheidung - Torlinientechnologie "längst überfällig". kicker online, 6. Juli 2012. Abgerufen am 26. September 2012.
  12. Technische Hilfsmittel im Fussball - Contra: Der Videobeweis zerstört das Spiel der Emotionen. Badische Zeitung, 28. Juni 2010. Abgerufen am 26. September 2012.
  13. Pro&Contra - Beweis das mal. Der Tagesspiegel, 29. Juni 2010. Abgerufen am 26. September 2012.
  14. Kommt die Torlinientechnik auch bei der EURO 2016 in Frankreich zum Einsatz? In: EM2016-Frankreich.net. 8. Dezember 2013, abgerufen am 6. Dezember 2013.