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Ibrahim Abou-Nagie

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Ibrahim Abou-Nagie (* 1964 im Flüchtlingslager Nuseirat bei Gaza[1]) ist ein islamistisch-salafistischer Prediger palästinensischer Herkunft, der in Deutschland wirkt.[2][1]

Ibrahim Abou-Nagie hat selbst keine islamtheologische Ausbildung,[3] gilt aber als eine der führenden Personen des deutschen Salafismus, der am schnellsten wachsenden radikalen und neofundamentalistischen Strömung innerhalb des Islam. In seinen im Internet verbreiteten Videos predigt Abou-Nagie eine äußerst repressive Auslegung des Koran. Er unterscheidet dabei nur Muslime und die „Kuffar“ (die sogenannten „Ungläubigen“),[2] gegen die Gewaltanwendung - laut Kölner Staatsanwaltschaft - legitim sein solle.[4]

Leben

Nach eigenen Angaben kam Abou-Nagie 1982 mit 18 Jahren aus dem Gazastreifen nach Deutschland, um hier Elektrotechnik zu studieren, hat aber das Studium nicht abgeschlossen.[5][6] Am 15. Dezember 1994 wurde Abou-Nagie deutscher Staatsbürger.[1] Bis zu einer nachträglichen Steuerforderung von 70.000 Euro im Jahr 2007 betrieb er ein Geschäft für selbstklebende Folien. Nach seinem wirtschaftlichen Misserfolg, der im Insolvenzverfahren endete,[7][8] widmete Abou-Nagie sich ganz der islamischen Missionierung und bezog Hartz IV-Leistungen.[9][10] Zum 1. Juni 2012 haben die Behörden Abou-Nagie die Arbeitslosengeld II-Leistungen gestrichen, da er offenbar nicht angegebene Einnahmen habe und somit nicht bedürftig sei. Die Kölner Staatsanwaltschaft ermittelt wegen Sozialleistungsbetrugs.[11][12] Der Vater eines erwachsenen Sohnes und zweier Töchter wohnt mit seiner Familie in Köln-Esch.[13][14]

„Die wahre Religion“

Zusammen mit dem salafistischen Prediger-Konvertiten Pierre Vogel versucht Abou-Nagie gezielt, Kinder und Jugendliche zum salafistischen Islam zu bekehren. Auf Open-Air-Veranstaltungen wurden immer wieder Jugendliche zur Konversion zum Islam bewegt.[15] Abou-Nagie hält auf Deutsch Koranunterricht für Kinder und Jugendliche in verschiedenen Moscheen in Deutschland.

Abou-Nagies deutschsprachige Internetseite „Die Wahre Religion“ ist seit 2005 im Netz. Zwischenzeitlich war sie offline,[16] ist aber heute wieder zugänglich.

Bei seinen regelmäßig stattfindenden Vorträgen und Seminaren vermitteln Abou-Nagie und seine vor allem im Raum Bonn-Köln beheimateten Anhänger laut NRW-Verfassungsschutzbericht „die ganze Bandbreite salafistischer Ideologie“. Die Inhalte reichten dabei von – unproblematischen – religiösen Handlungsanweisungen und Glaubensauslegungen bis hin zur – höchst problematischen – Thematisierung und Befürwortung des Märtyrertums und des Jihad im Sinne von Gewaltausübung zur „Verteidigung“ des islamischen Glaubens.[2][17] Laut Oberstaatsanwalt Rainer Wolf gebe Abou-Nagie „Empfehlungen“, die Gewalt legitimierten – bis zur Vernichtung Andersgläubiger.[2]

Staatliche Ermittlungen

Die Kölner Staatsanwaltschaft klagte Abou-Nagie im Sommer 2011 an.[18][19][2] Die Staatsanwaltschaft warf ihm vor, der Kopf eines salafistischen Netzwerks um die Internetplattform „Die Wahre Religion“ zu sein, auf deren Seite öffentlich zu Straftaten sowie zur Störung des religiösen Friedens aufgerufen würde. Laut Oberstaatsanwalt Rainer Wolf gab Abou-Nagie „Empfehlungen“, die Gewalt legitimierten. Dies sei bis zur Vernichtung Andersgläubiger gegangen.[2] Im April 2012 wurde das Verfahren mangels hinreichender Beweise eingestellt.[18][20][21][19]

Im Juni 2012 wurden durch den Bundesminister des Innern Hans-Peter Friedrich Ermittlungen mit dem Ziel eines Verbotes gegen die Die Wahre Religion eingeleitet.[22][23]

Am 22. Oktober 2013 hat die Staatsanwaltschaft Köln Anklage gegen Ibrahim Abou-Nagie erhoben. Er muss sich wegen Sozialhilfebetrugs vor dem Kölner Amtsgericht verantworten.[24]

Koranverteilungskampagne „Lies!“

Datei:Koranverteiler in Bremen.jpg
Infostand zum Verteilen des Koran in der Bremer Innenstadt, Pfingsten 2012

Im Herbst 2011 begann „Die wahre Religion“ im Rahmen der Kampagne ‚Lies!‘ mit der großflächigen Verschenkung von Koranübersetzungen in den Fußgängerzonen deutscher Großstädte.[25][26][27] Mit 25 Millionen Exemplaren soll das Ziel, ein Koran pro Haushalt, erreicht werden. [28] Die Kampagne war auf massive Kritik aus der Politik gestoßen.[29][30][31] Der damalige niedersächsische Innenminister Uwe Schünemann (CDU) verurteilte die Aktion als „missbräuchliche extremistische Instrumentalisierung des Islams“.[32]

Bewertung durch liberale Muslime

Die Islamwissenschaftlerin Lamya Kaddor, erste Vorsitzende des Liberal-Islamischen Bundes, lehnt die Positionen und die Missionierungsversuche Abou-Nagies ab. Kaddor fühlt sich durch die salafistischen Missionierungsaktionen in ihrer Arbeit „um mindestens 20 Schritte zurückgeworfen“ und kritisierte, dass sich die öffentliche Diskussion wegen der Aktionen vor allem darum drehe, ob „Muslime generell rückständig und gewaltbereit sind.“[33] Abou-Nagie gehöre zu der relativ aggressiven und sehr offensiven Strömung innerhalb der Salafisten. An dem Verteilen des Koran an sich sei nichts auszusetzen, allerdings seien die Methoden und die Masse von 25 Millionen für jeden deutschen Haushalt befremdlich anmutend, auch dass Korane auf Holzpaletten aufgestapelt und wie Flyer unter die Menge gemischt werden. Sie wertet die Aktion der Salafisten als eine PR Strategie, um sich als Opfer zu stilisieren und andere Muslime zu vereinnahmen.[34]

Einzelnachweise

  1. a b c Ibrahim Abou-Nagie – Der Mann, der Deutschland vor der Hölle retten will Die Welt 14. April 2012
  2. a b c d e f Anklage gegen Hassprediger "Das sind Allahs Gesetze" taz, 12. September 2011 Referenzfehler: Ungültiges <ref>-Tag. Der Name „taz“ wurde mehrere Male mit einem unterschiedlichen Inhalt definiert.
  3. „LIES!" – Das Koran-Projekt in Deutschland Landesamt für Verfassungsschutz Baden-Württemberg, Islamismus 6/2012
  4. Salafisten: Einen Koran in jeden Haushalt. In: Frankfurter Allgemeine Zeitung. 3. April 2012, abgerufen am 3. April 2012.
  5. Interview von Abou-Nagie bei aljazeera.net, 20. Juni 2012
  6. Extremistischer Islam-Prediger: Staatsanwaltschaft ermittelt gegen Salafisten RP ONLINE, 22. April 2011
  7. Abou-Nagie: Hassprediger meldete Insolvenz an EXPRESS, 25. April 2012
  8. Verdacht auf Sozialbetrug Endlich! Staatsanwalt jagt Kölner Hassprediger, Bild, 26. April 2012
  9. Salafisten-Aktion – Koran-Verteilung in Stuttgart Stuttgarter Nachrichten, 14. April 2012
  10. Kölner Ibrahim Abou Nagie: Salafisten-Prediger bekommt Hartz IV RP ONLINE, 23. April 2012
  11. Politik: Sozialleistungen gestrichen, Süddeutsche Zeitung online, 12. Juni 2012
  12. Kein Hartz IV für Abou-Nagie, Kölner Stadt-Anzeiger, 12. Juni 2012
  13. Islamismus: Razzia bei Kölner Salafisten Kölner Stadt-Anzeiger 14. Juni 2012
  14. Ibrahim Abou Nagie – Um 6 Uhr klingelten die Fahnder beim Kölner Salafisten-Prediger Kölner Express 14. Juni 2012
  15. Wie Salafisten Kinder und Jugendliche beeinflussen REPORT MAINZ, SWR, 9. Mai 2011; Nachgefragt:Radikale Prediger als Religionslehrer – Wie Salafisten Kinder und Jugendliche beeinflussen REPORT MAINZ, SWR, 29. November 2011
  16. Anklage gegen Hassprediger „Das sind Allahs Gesetze“ taz 12. September 2011
  17. Verfassungsschutzbericht NRW 2010, S.219
  18. a b Peinliche Justiz-Posse um den Salafisten Abou-Nagie: Klage gegen Hass-Prediger muss eingestellt werden FOCUS, 16. April 2012
  19. a b Staatsanwaltschaft Köln hört Stimmen – und schaltet das BKA ein von Holger Schmidt, SWR, 16. April 2012
  20. Initiator der Koran-Aktion: Schlappe für Staatsschutz bei Ermittlungen gegen Salafisten-Prediger FOCUS Online, 14. April 2012
  21. Salafisten-Prediger: Anklage zu den Akten gelegt rundschau online, 14. April 2012
  22. Reimann, Anna: Islamismus in Deutschland: Innenminister Friedrich verbietet Salafistenverein Spiegel Online, 14. Juni 2012. Abgerufen am 14. Juni 2012.
  23. Islamismus: Polizei startet Großrazzia gegen Salafisten Spiegel Online, 14. Juni 2012. Abgerufen am 15. Juni 2012
  24. Hassprediger soll im großen Stil abgezockt haben Focus Online, 24. November 2013
  25. Salafisten: Verfassungsschutz kritisiert Koran-Verteilung Frankfurter Rundschau, 13. April 2012
  26. Der Koran aus Ulm Südwest Presse, 13. April 2012
  27. Ibrahim Abou-Nagie: Mittelalterliche Missionare Frankfurter Rundschau, 14. April 2012
  28. Islamistisches Projekt – Ein Koran in jedem deutschen Haushalt Die Welt, 8. April 2012
  29. Die Welt: „Wut über Korane in deutschen Fußgängerzonen“, vom 11. April 12, abgerufen am 13. Juni 2012
  30. Die Welt: „Salafisten missbrauchen den Koran als Waffe“, vom 14. April 12, abgerufen am 13. Juni 2012
  31. Die Welt: Druckerei produziert wieder Korane für Salafisten, vom 13. Juni 2012, abgerufen am 13. Juni 2012
  32. Die Welt: Niedersachsen fordert „Pakt gegen den Salafismus“, vom 17. April 2012, abgerufen am 13. Juni 2012
  33. Salafismus: Die ziehen meine Religion in den Dreck Zeit Online, 15. Juni 2012. Abgerufen am 30. August 2012
  34. Die Koran-Aktion - Viel Lärm um nichts? Phoenix Runde vom 17. April 2012, 22.15 - 23.00 Uhr mit Pınar Atalay, Lamya Kaddor (Vorsitzende des Liberal-Islamischen Bundes), Prof. Thomas Bauer(Video siehe ab 4:25 und 11:50)