Entzündung

Eine Entzündung (lateinisch-medizinisch Inflammatio) ist das Anzeichen einer Aktivierung des Immunsystems. Dadurch sollen über eine Immunreaktion Krankheitserreger oder Giftstoffe aus den Gewebszellen entfernt werden. Die Fachbegriffe der Entzündungen werden meist mit einer Kombination des griechischen Begriffs für das betroffenen Organ mit der griechischen Endung -itis gekennzeichnet.
Eigenschaften
Ein Fremdstoff, Antigen oder Gewebeschaden löst den Reiz für eine Abwehrreaktion des Immunsystems aus. Die Entzündungsreaktion findet im betroffenen Organ, im umgebenden Bindegewebe, in den beteiligten Blutgefäßen und im angrenzenden Lymphsystem statt. Dabei kommt es zu den typischen Anzeichen einer Entzündung, der Rötung (lat. rubor), der Erwärmung (lat. calor), der Schwellung (lat. tumor), dem Schmerz (lat. dolor) und einer eingeschränkten Funktion (lat. functio laesa). Diese fünf Zeichen sind nicht immer direkt erkennbar oder auch nur teilweise nachweisbar. Eine Magenschleimhautentzündung beispielsweise macht vor allem Schmerzen nach dem Essen und ist daher nur zeitlich begrenzt symptomatisch. Sie ist meist durch eine massive Übelkeit gekennzeichnet.
Die Rötung und Schwellung erfolgt durch die Erhöhung der Durchlässigkeit der Blutgefäße im Zuge der Diapedese der Immunzellen, Erythrozyten und Plasmaproteine durch Ausschüttung der Botenstoffe Interleukin-1 und Prostaglandin I2. Die eingewanderten Zellen und Plasmaproteine werden als Infiltrat bezeichnet. Der Schmerz erfolgt durch eine Ausschüttung von Schmerz-Botenstoffen (Prostaglandin E2 und andere Kinine) und Zytokinen (Prostaglandin I2) durch die Immunzellen und dient der Ruhigstellung des betreffenden Körperteils und der Schonung von Energiereserven durch geringere Aktivität. Die Temperaturerhöhung wird durch Zytokine wie Interleukin-6 über die Produktion von Prostaglandin E2 vermittelt und entstehen durch vermehrte Stoffwechselaktivität.
Oft besteht die Reaktion aus einer Abstossung eines Teils des kranken Gewebes durch Nekrose oder Apoptose und anschließender Neubildung von Zellen zur Reparation des Gewebeschadens. Die Abstoßung von Zellen dient bei Hautzellen unter anderem dem Schutz des darunterliegenden Gewebes. Eine Entzündung kann lokal in einem (kleinen) umschriebenen Gebiet auftreten oder den ganzen Körper betreffen. Beispiele für lokalisierte Entzündungen sind z. B. die Enteritis (Entzündung des Darms), die Kolitis (Entzündung des Grimmdarms), die Gastritis (Entzündung des Magens), die Arthritis (Gelenksentzündung), die Myokarditis (Herzmuskelentzündung), die Dermatitis (Hautentzündung) und die Otitis (Ohrenentzündung). Eine Ausnahme bildet die Pneumonie (Lungenentzündung), bei der die Endung „-itis“ fehlt (allerdings wird selten auch die Form Pneumonitis verwendet).
In der klassischen Medizin werden Entzündungen häufig durch Abstellen des auslösenden Reizes bekämpft. Unterdrückt man die Abwehrreaktion im Rahmen einer symptomatischen Therapie, kann sich die Heilung dagegen verzögern.
Ursachen
Jeder das physiologische Maß übersteigende Reiz kann eine Entzündung auslösen. Insbesondere gilt dies für folgende Reize (Noxen):
- physikalische Reize:
- mechanisch (z. B. Druck, Reibung, Verletzung oder Fremdkörper, z. B. krankhafte Stoffwechselprodukte wie Harnsäurekristalle)
- thermische (z. B. Wärme, Kälte)
- Strahlung (UV, Infrarot, ionisierende Strahlung)
- chemische Reize
- Reizende und gesundheitsschädliche Stoffe (z. B. Säuren, Laugen)
- Toxine
- entgleiste Enzyme, wie z. B. bei der Pankreatitis
- Allergene und Autoallergene (z. B. bei rheumatischen Erkrankungen oder Autoimmunkrankheiten)
- Pathogene
- Autoimmunerkrankungen
Ablauf lokaler Entzündungsreaktionen

- Lokale Durchblutungsstörung:
- Diese nur minutenlange Phase wird auch „initiale Ischämie“ genannt. Gemeint ist eine kurzzeitige lokale Durchblutungsstörung durch die Reaktion des Gefäßbindegewebes auf die Adrenalinausschüttung (arterieller Spasmus). Verbunden mit den verengten Arteriolen sind erweiterte Venolen.
- Danach folgt eine, vor allem lokale, Hyperämie, die zum einen durch den vom vegetativen Nervensystem ausgelösten Arteriolenspasmus, zum anderen von einer Verengung der Venolen ausgelöst wird. Letztere wird von diversen Mediatoren, z. B. Prostaglandinen, Kininen, ausgelöst. Diese Abflussstörung wiederum führt zur Thrombozytenaggregation, dem Sludge-Phänomen (zähflüssiges Blut), Exsudation und anderen durch Blutstase ausgelösten Folgen.
- Die Permeabilität der Gefäßwände wird durch Gefäßmediatoren, hier Histamin, Prostaglandine, Kinine und Serotonin, für wenige Minuten gesteigert, so dass ein Blutstau entsteht.[1]
- Durch die erhöhte Permeabilität können nun Plasmaeiweiße (Blutplasmaexsudation) durch Lücken in den Gefäßwänden in das betroffene Gebiet einströmen. Für die Entzündungsreaktion wichtig sind hierbei vor allem neutrophile, basophile und eosinophile Granulozyten, Makrophagen und Lymphozyten. Es kommt zur Phagozytose der Fremdkörper. Außerdem werden vermehrt Mastzellen in das entzündete Gewebe angeschwemmt.
Allgemeine unspezifische Entzündungszeichen
Neben den fünf direkten Entzündungszeichen am Ort der Entzündung kann man eine Entzündung ab einem bestimmten Schweregrad an allgemeinen Reaktionen des Gesamtorganismus erkennen. Zu diesen Allgemeinreaktionen gehören:
- Fieber: Beschleunigter Stoffwechsel mit schnellerer Synthese u.a. von Antikörpern
- allgemeines Krankheitsgefühl
- Leukozytenanstieg oder -abfall (Weiße Blutkörperchen)
- CRP-Anstieg (immunologisch wirksames Akute-Phase-Protein)
- beschleunigte Blutkörperchensenkung (BKS bzw. BSG für -senkungsgeschwindigkeit)
- Procalcitonin-Anstieg (Hormon-Vorstufe)
Molekulare Mechanismen
Eine Entzündung geht einher mit charakteristischen Veränderungen auf molekularer Ebene. Zunächst kommt es durch die auslösenden Stimuli zu Aktivitätsänderungen in bestimmten zellulären Signalwegen, die wiederum zu spezifischen Änderungen des Genexpressionsmusters führen. Einer der wichtigsten intrazellulären Regulatoren von Entzündungsreaktionen ist beispielsweise der Transkriptionsfaktor NF-κB, der durch bakterielle und virale Antigene, Zytokine und durch chemisch-physikalische Noxen aktiviert wird und die Genexpression in betroffenen Zellen schnell und umfassend ändern kann. Unter den hochregulierten Genen befinden sich insbesondere Zytokine und Zelladhäsionsmoleküle, die für eine Verbreitung der Entzündung auf andere Zellen und deren Verstärkung, oft im Sinne einer positiven Rückkopplung, sorgen. Ein Beispiel für eine molekular gut charakterisierte Entzündungsreaktion ist die sogenannte Akute-Phase-Reaktion.
Einteilung
Entzündungen können eingeteilt werden nach dem zeitlichen Krankheitsverlauf:
- perakut = plötzlich einsetzende sehr schwere Entzündung, die nach wenigen Tagen tödlich endet
- akut = plötzlich einsetzende Entzündungen
- subakut = zwischen akut und chronisch - keine nähere Definition
- primär-chronisch = langsam, schleichend ablaufende Entzündung
- rezidivierende = wiederholt auftretende Entzündungen
- progredient = fortschreitende Entzündung (ohne Besserung)
- sekundär-chronisch = aus nicht-heilenden akuten oder rezidivierenden Entzündungen
nach der Ausdehnung:
- systemische/generalisierte/metastatische Entzündung (gesamter Körper – meist mit Fieber)
- lokale Entzündung (nur auf eine Stelle beschränkt)
nach der Flüssigkeit:
- seröse Entzündung (große Mengen von eiweißhaltiger Flüssigkeit)
- fibrinöse Entzündung (große Mengen von fibrinhaltiger Flüssigkeit)
- eitrige Entzündung
Siehe auch
- Akute-Phase-Reaktion
- Entzündungsaltern
- Entzündungshemmer (Antiphlogistikum)
- Heilung von Entzündungen durch Immunmodulation mit DCA
Literatur
- C. Janeway et al.: Immunobiology. 5. Auflage (2002), ISBN 3-8274-1079-7. Online auf den Seiten des NCBI-Bookshelfs verfügbar, (online).
Weblinks
Einzelnachweise
- ↑ Pathologie-Online: Entzündung. eingesehen am 5. Dezember 2012