Präimplantationsdiagnostik
Unter dem Begriff Präimplantationsdiagnostik (PID) werden gentechnische Methoden zusammengefasst, die dazu dienen, im Vorfeld einer künstlichen Befruchtung bestimmte Erbkrankheiten und Chromosomenbesonderheiten zu erkennen, um danach zu entscheiden, ob die Zygote in die Gebärmutter eingepflanzt werden soll oder nicht.
Üblicherweise wird am dritten Tag nach der Befruchtung meist mittels ICSI eine Zelle des Embryos entnommen (Blastomerbiopsie). Der Embryo befindet sich zu diesem Zeitpunkt im 4- bis 8-Zell-Stadium. Danach wird sein Genom (DNA) auf das Vorhandensein genetischer Besonderheiten (meist nur ein bis wenige Merkmale) mittels PCR oder ähnlicher gentechnischer Methoden untersucht. Die Zelle wird dabei zerstört. Da man davon ausgeht, dass Zellen bis zum 8-Zell-Stadium totipotent sind (d.h. es könnten sich aus diesen Zellen noch ganze Individuen entwickeln, ähnlich eineiiger Zwillinge), muss man bei dieser Methode eigentlich auch von Klonen im weiteren Sinne sprechen. Um das Klonverbot in den deutschsprachigen Ländern zu umgehen, wird diskutiert die Zelle zur Untersuchung erst in einem späteren Stadium - 5. bis 6. Tag nach Befruchtung, jetzt Blastozystenstadium genannt - zu entnehmen (Blastozystenbiopsie). Diese Zellen sind jetzt nur mehr pluripotent nicht mehr totipotent, enthalten aber natürlich noch immer das gesamte Genom.
Debatte
Dieses Verfahren im Rahmen der Bioethik-Diskussionen ist heftig umstritten und in Deutschland bisher noch nicht zugelassen. Die Debatten über eine Zulassung sind jedoch in vollem Gange. Befürworter der Präimplantationsdiagnostik sehen in dieser Methode die Möglichkeit, Paaren, die genetisch „vorbelastet“ sind und die z.B. bereits ein Kind mit einer durch PID feststellbaren erblichen Behinderung haben, zu einem Kind ohne die jeweilige Behinderung zu verhelfen. Zudem soll die PID nur auf wenige Einzelfälle beschränkt bleiben. Die bisherigen Erfahrungen in der praktischen Anwendung der PID im Ausland zeigen, dass solange keine anderen gesetzlichen Regelungen bestehen, letztlich finanziell sehr gutgestellte Eltern im Zusammenwirken mit den beteiligten Medizinern entscheiden, nach welchen Kriterien ausgewählt wird, d.h. welcher Embryo als genetisch krank oder genetisch gesund angesehen und welcher Embryo daher in die Gebärmutter eingeplanzt wird oder welcher nicht. In einer demokratischen Gesellschaft kann nur die stetige Diskussion der unterschiedlichen ethischen Standpunkte letztlich per Mehrheitsentscheid zu gesetzlichen Regelungen diesbezüglich führen. Dabei ist sehr wohl die historische Erkenntnis kritisch zu beachten, dass sich die jeweilige Ethik schon immer dem Fortschritt angepasst hat. Aber selbst diese Erkenntnis kann man aus guten Gründen sowohl begrüßen wie auch ablehnen.
Kritiker und Gegner, darunter die großen Kirchen, befürchten u.a. aufgrund dieser und ähnlicher Fragestellungen, dass eine Zulassung der PID einen Dammbruch und eine Selektion nach „lebenswertem“ und „lebensunwertem“ Leben bedeuten könnte, wie es schon durch bestimmte Methoden der Pränataldiagnostik möglich ist. Sie führen an, dass es kein Recht auf ein gesundes, nichtbehindertes Kind geben kann.
Befürworter merken hierzu an, dass erstens bei einer solchen Argumentation die von Nationalsozialisten in menschenverachtender Brutalität bei lebenden Menschen benutzten Begriffe für Selektion und Mord in unzulässiger Inflation nunmehr auf eine Problematik bei ungeborenem, werdendem Leben angewendet werden, welches so manche Frauen gerne auch aus tatsächlich unbedeutenden Gründen („der Ex ist weg, das Kind von ihm will ich nun auch nicht mehr!“) wünschen, straflos abtreiben zu dürfen, und zweitens dieser Argumentation allerdings das weltweit verbreitete Grundbedürfnis zukünftiger Eltern entgegensteht, möglichst ein kognitiv und körperlich gesundes, nicht behindertes Kind zu bekommen. Dieses Grundbedürfnis sei auch schon immer ein wesentliches Fundament für den Schutz von zukünftiger Mutter und werdendem Kind gewesen, von dem sich auch heute niemand im Ernst verabschieden will (kein Recht auf ein gesundes, nichtbehindertes Kind).
Praktisch vor jeder Präimplantationsdiagnostik wird eine Intrazytoplasmatische Spermieninjektion (ICSI) durchgeführt, eine Methode, die mit einer erhöhten Inzidenz von sehr seltenen epigenetischen Syndromen in Verbindung gebracht wird (vgl. ICSI). Daher ist es möglich, dass die Selektion von augenscheinlich gesunden, nicht behinderten Kindern mit einem erhöhten Risiko für erst später im Leben auftauchenden Erkrankungen und Behinderungen erkauft wird.
Ein weiteres mit der PID verwandtes Verfahren ist die sogenannte Präkonzeptions- oder Präfertilisationsdiagnostik. Da bei dieser Methode die Untersuchungen vor dem Embryonalstadium durchgeführt werden, ist sie in Deutschland erlaubt. International wird die Präimplantationsdiagnostik am Häufigsten im Rahmen der In-Vitro-Fertilisation bei Kinderwunsch genutzt. Bei einer verminderten Anzahl an Behandlungszyklen verspricht man sich davon eine erhöhte Schwangerschaftsrate.
Literatur
- Hoerster, Norbert: "Ethik des Embryonenschutzes. Ein rechtsphilosophischer Essay“, 2002
Kritik:
- Brähler, Elmar (Hrsg.): Vom Stammbaum zur Stammzelle. Reproduktionsmedizin, Pränataldiagnostik und menschlicher Rohstoff, 2002
- Kollek, Regine: Präimplantationsdiagnostik - Embryonenselektion, weibliche Autonomie und Recht, 2002
Weblinks
- Mit der Präimplantationsdiagnostik zum Wunschkind? Dossier auf www.1000fragen.de
- Dokumente- und Textsammlung zur Präimplantationsdiagnostik (PID) und Pränataldiagnostik
Kritik: