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Trägheitskraft

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Die Trägheitskraft der Newtonschen Mechanik ist eine Kraft, die auf einen Körper einwirkt, ohne durch ein äußeres Feld oder einen anderen Körper verursacht zu sein. Sie tritt genau dann als eine zusätzliche Kraft in Erscheinung, wenn man die Bewegung des Körpers relativ zu einem Bezugssystem betrachtet, das sich gegenüber einem Inertialsystem in beschleunigter Bewegung befindet.[Anm. 1] Da die Trägheitskraft für verschiedene beschleunigte Bezugssysteme verschieden groß ist, und da sie ganz entfällt, wenn man bei der Betrachtung der Bewegung von einem Inertialsystem ausgeht, wird die Trägheitskraft auch als „Scheinkraft“, „Pseudokraft“ oder „fiktive Kraft“ bezeichnet. Die übrigen auf den Körper einwirkenden Kräfte, die dann auch „reale“, „wirkliche“ oder „äußere“ Käfte genannt werden, sind mit der Trägheitskraft zur Gesamtkraft zusammenzufassen.

Im Alltag hat die Trägheitskraft oft erhebliche praktische Auswirkungen und ist deshalb fester Bestandteil der Erfahrung. Man bemerkt ihre Wirkung häufig, wenn man gegenüber dem festen Erdboden beschleunigt wird und währenddessen den eigenen Körper und eventuell seine nähere Umgebung intuitiv zum Bezugssystem seiner Beobachtung von Ruhe und Bewegung nimmt. Dabei bildet die feste Erdoberfläche näherungsweise ein Inertialsystem. Beispiele sind die gefühlte Trägheit des eigenen Körpers beim Anfahren oder Bremsen der Straßenbahn oder des Fahrstuhls, die Zentrifugalkraft bei Kurvenfahrten z. B. im Auto, Riesenrad, Kettenkarussell. Weniger intuitiv verständlich ist die Corioliskraft, die z. B. großräumige Luftströmungen aufgrund der Rotation der Erdoberfläche zu Hoch- und Tiefdruckwirbeln formt. Betrachtet man aber die betreffende Bewegung des Körpers von einem Inertialsystem aus, erweisen sich die der Trägheitskraft zugeschriebenen Wirkungen ausnahmslos als Folge von äußeren Kräften, die auf die Grundkräfte der Physik zurückgehen.

Im Unterschied zu allen sonst aus Alltag, Technik und Physik bekannten Kräften, mit denen zwei Körper aufeinander einwirken können, gilt für die Trägheitskraft nicht das dritte Newtonsche Gesetz (Gleichgewicht von Actio und Reactio). Die Trägheitskraft resultiert vielmehr daraus, dass sich kräftefreie Körper aufgrund des ersten Newtonschen Gesetzes (Trägheitssatz) im Inertialsystem unbeschleunigt bewegen, was aus Sicht eines beschleunigten Bezugssystems aber als beschleunigte Bewegung beobachtet wird. Diese Beschleunigung wird nach dem zweiten Newtonschen Gesetz (Grundgleichung der Mechanik) mit einer im beschleunigten Bezugssystem zusätzlich wirkenden Trägheitskraft erklärt, die im Inertialsystem nicht auftritt.

Die Trägheitskraft ist immer proportional zur Masse des betreffenden Körpers und hängt weiter davon ab, wie sich das beschleunigte Bezugssystem relativ zum Inertialsystem bewegt. Dreht es sich, hängt die Trägheitskraft auch davon ab, ob und mit welcher Geschwindigkeit der Körper sich im beschleunigten Bezugsystem bewegt.

Die gemeinsame Eigenschaft aller Trägheitskräfte, dass sie zur Masse des betreffenden Körpers proportional sind, gilt auch für die Gravitation. Betrachtet man die Gravitation als eine weitere Trägheitskraft, verlässt man die Newtonsche Mechanik und gelangt zur Allgemeinen Relativitätstheorie.

Der Begriff Trägheitskraft[1] oder Scheinkraft wird auch unter Bezugnahme auf das D’Alembertsche Prinzip verwendet. Das Produkt aus Masse und (negativer) Beschleunigung im Inertialsystem wird als Kraft aufgefasst, die entgegengesetzt gleich groß wie die äußere Kraft ist und mit dieser im dynamischen Gleichgewicht steht. Sie wird als Trägheitskraft oder d'Alembertsche Trägheitskraft bzw. Trägheitswiderstand bezeichnet. Dadurch wird ein dynamisches Problem zu einem statischen Problem umformuliert. Das Prinzip spielt eine bedeutsame Rolle in der Technischen Mechanik, beispielsweise bei Mehrkörpersystemen oder beim Motorenbau. Die Trägheitskräfte werden dort auch Massenkräfte genannt.

Erläuterung der Trägheitskraft in der Newtonschen Mechanik

Die Trägheitskräfte der Newtonschen Mechanik wurden kurz nach Newtons Tod von Leonhard Euler entdeckt, der um 1750 herum als erster erkannte, welch wichtige Rolle das Bezugssystem spielt, auf das der Beobachter seine Messungen bezieht.[2] Grundlage ist das Trägheitsprinzip (auch als erstes Newtonsches Gesetz bezeichnet). Demzufolge gibt es Bezugssysteme, in denen jeder kräftefreie, d. h. sich selbst überlassene Körper sich mit seiner momentanen Geschwindigkeit geradlinig-gleichförmig weiterbewegt (einschließlich des Sonderfalls Geschwindigkeit Null). Solch ein Bezugssystem wird (seit 1885) als Inertialsystem bezeichnet. Jede Abweichung von dieser geradlinig-gleichförmigen Bewegung wird als Beschleunigung bezeichnet und nach dem 2. Newtonschen Gesetz auf das Wirken einer Kraft zurückgeführt. Relativ zu einem anderen Bezugssystem, das selber gegenüber dem Inertialsystem beschleunigt ist, erscheint die im Inertialsystem noch unbeschleunigte Bewegung des Körpers nun aber auch beschleunigt, und zwar entgegengesetzt zur Beschleunigung des ganzen Bezugssystems. Die Bewegung erscheint trotz der Abwesenheit „realer“ Kräfte also nun nicht kräftefrei zu sein. Um sie dennoch im Rahmen der Newtonschen Mechanik beschreiben zu können, wird als Ursache dieser Beschleunigung eine neue Kraft eingeführt, die Trägheitskraft. Die Größe der Trägheitskraft bestimmt sich als das Produkt aus der Masse des Körpers und seiner Beschleunigung, wie sie (in Abwesenheit von äußeren Kräften) im beschleunigten Bezugsystem beobachtet wird.

Umgekehrt erscheint ein Körper, der durch eine äußere Kraft (z. B. die Schwerkraft) beschleunigt wird, in Bezug zu seinem eigenen Schwerpunkt stets als nicht beschleunigt, also kräftefrei. Da ein ruhender und ein mit dem Schwerpunkt des Körpers mitbewegter Beobachter darin übereinstimmen, dass die äußere Kraft in beiden Bezugssystemen gleichermaßen einwirkt, muss der mitbewegte Beobachter annehmen, dass diese Kraft durch eine in seinem Bezugssystem zusätzlich entstandene Trägheitskraft kompensiert wird.

Beispielsweise fühlt sich der frei stehende Fahrgast in der Straßenbahn durch die Trägheitskraft nach hinten beschleunigt, wenn die Bahn (als beschleunigtes Bezugssystem) plötzlich anfährt. Doch in Bezug zur Straße (Inertialsystem) ist der Fahrgast kräftefrei. Er behält also seine Geschwindigkeit Null bei, wenn er keine Gegenmaßnahmen ergreift. Um nicht nach hinten umzukippen, hält sich der Fahrgast im Bezugssystem Straßenbahn am Haltegriff fest. Dann kann er durch die Kraft seiner Armmuskeln der Trägheitskraft entgegenwirken, also stehen bleiben. Vom Inertialsystem der Straße aus betrachtet tritt diese Trägheitskraft gar nicht auf. Vielmehr muss der Fahrgast seine Armmuskeln anspannen, damit sie vom Haltegriff eine Kraft auf seinen Körper übertragen, so dass dieser genau synchron zur Straßenbahn beschleunigt wird. Beide Erklärungen sind gleichermaßen zutreffend, dürfen aber nicht miteinander vermischt werden, denn sie wurden im Rahmen von zwei unterschiedlichen Bezugssystemen formuliert. Die im beschleunigten System beobachtete Trägheitskraft und die im Inertialsystem beobachtete Beschleunigungskraft sind entgegengesetzt gleich groß. Beide Kräfte sind zwar Elemente desselben Vorgangs, gehören aber zu zwei verschiedenen Ebenen der Erklärung. Insbesondere gilt in der Newtonschen Mechanik als unrichtig zu sagen, die beiden Kräfte würden einander aufheben. Dann wäre nämlich die Gesamtkraft Null, und folglich wäre die Bewegung kräftefrei, sollte also nach dem Trägheitsprinzip im Inertialsystem geradlinig-gleichförmig ablaufen.

Erläuterung der d'Alembertschen Trägheitskraft

Die d'Alembertsche Trägheitskraft , wie oben eindeutig definiert als das negative Produkt aus Masse und Beschleunigung, erscheint im Rahmen der Newtonschen Mechanik zunächst als eine nützliche Hilfsgröße, um mittels des d'Alembertschen Prinzips für kompliziertere mechanische Systeme die Bewegungsgleichung leichter aufstellen zu können. Dafür wurde dieser Begriff um die Mitte des 18. Jahrhunderts von Jean-Baptiste le Rond d’Alembert entwickelt. Es ergibt sich, dass die im Inertialsystem ermittelte d'Alembertsche Trägheitskraft genau so groß ist wie die nach der Newtonschen Mechanik ermittelte Trägheitskraft, wenn man letztere im Ruhesystem des betreffenden Körpers bestimmt. Überhaupt führt die konkrete Behandlung einer mechanischen Frage immer zu übereinstimmenden Ergebnissen, unabhängig davon, ob die Rechnung mit oder ohne Benutzung der d'Alembertschen Trägheitskraft durchgeführt wird.

Jedoch steht die grundsätzliche Interpretation der d'Alembertschen Trägheitskraft als eine eigene Art Kraft in Konflikt mit der Interpretation des Begriffs Kraft nach Newton. Beispielsweise ist unter Einbeziehung der d'Alembertschen Trägheitskraft die Gesamtkraft auf einen Körper immer Null, also wie im Fall eines statischen Gleichgewichts oder der kräftefreien Bewegung. Somit könnte man nicht mehr ganz allgemeingültig sagen, Kraft sei die Ursache von Beschleunigung. Das aber ist der Ausgangspunkt der Newtonschen Mechanik. Demgegenüber wird im Begriff der d'Alembertschen Trägheitskraft eher die ältere Bedeutung der Trägheit präzisiert. Seit dem Altertum und bis hin zu Newtons Vorläufer Johannes Kepler wurde der Materie die Eigenschaft der Trägheit zugeschrieben, die sich dadurch äußert, dass ein Körper sich durch eine Trägheitskraft („vis inertiae“) jeder Beschleunigung, aber auch jeder Bewegung überhaupt widersetzt.[3]

Ein Passagier in einem rotierenden Kettenkarussell wird durch die Zentrifugalkraft nach außen gedrängt.

Arten von Trägheitskräften in der Newtonschen Mechanik

In der Trägheitskraft der Newtonschen Mechanik unterscheidet man vier Beiträge, die hier am Beispiel eines Mitfahrers in einem Fahrzeug anschaulich einzeln dargestellt werden. Das bewegte Bezugssystem ist jeweils fest mit dem Fahrzeug verbunden, und der Mitfahrer bleibt relativ zu diesem Bezugssystem (praktisch) in Ruhe. (Von anderen Bezugssystemen aus würde sich aus der Betrachtung derselben Bewegung jeweils eine andere Trägheitskraft ergeben, wobei die einzelnen Arten sich auch vermischen können.) Das Inertialsystem ist mit dem Erdboden verbunden.

Trägheit beim Beschleunigen oder Bremsen

Ein Fahrzeug werde parallel zu seiner Geschwindigkeit mit der Beschleunigung beschleunigt () oder abgebremst ().

Beobachtung im mitbewegten Bezugssystem: Auf einen mitbewegten Körper der Masse wirkt die Trägheitskraft

.

Die Trägheitskraft ist der Beschleunigung entgegengerichtet. Beim "Gas geben" drückt sie den Fahrgast nach hinten gegen die Rückenlehne, beim Bremsen nach vorne gegen die Gurte.

Beobachtung im Inertialsystem: Damit der Fahrgast synchron mitbeschleunigt wird, muss auf ihn die Kraft wirken. Beim Gasgeben übt seine Rückenlehne diese Kraft aus ("Schub"). Beim Abbremsen wird er durch die Kraft verlangsamt, die der Gurt auf ihn ausübt ("negativer Schub").

Weitere Beispiele: Aufprall beim Fall auf den Boden oder beim Auffahrunfall, Umkippen aufrecht stehender Gegenstände bei Beschleunigung der Unterlage (auch bei Erdbeben), Schütteln und Rütteln.

Zentrifugalkraft

Ein Fahrzeug fährt mit der konstanten Geschwindigkeit durch eine Kurve mit Radius .

Beobachtung im mitbewegten Bezugssystem: Auf einen mitbewegten Körper der Masse wirkt die Trägheitskraft

.

Diese Trägheitskraft ist vom Kurvenmittelpunkt radial nach außen gerichtet und heißt Zentrifugalkraft. Sie drückt den Fahrgast gegen die in der Kurve außen liegende Seitenlehne.

Beobachtung im Inertialsystem: Damit der Fahrgast relativ zu seinem Sitz in Ruhe bleibt, muss er dieselbe Kreisbahn durchlaufen wie das Fahrzeug. Dazu muss auf ihn die Kraft in Richtung zum Kurvenmittelpunkt wirken (Zentripetalkraft). Anderenfalls würde er sich geradeaus weiter bewegen. Diese Kraft wird von der außen liegenden Seitenlehne auf ihn ausgeübt.

Weitere Beispiele: Wäscheschleuder, näherungsweise Schwerelosigkeit am höchsten Punkt im Riesenrad, nach außen gedrängte Sitze im Kettenkarussell, das Ausbrechen aus der Kurve beim Auto oder Fahrrad.

Coriolis-Kraft

Ein Kind sitzt in einem Karussell und will eine Kugel in einen Korb werfen, der im Mittelpunkt des Karussells steht. Es zielt genau zur Mitte, doch wenn das Karussell sich dreht, fliegt die Kugel trotzdem neben dem Korb vorbei. (Kind und Korb befinden sich auf gleicher Höhe; die Schwerkraft sei bei der Betrachtung außer acht gelassen.)

Beobachtung im mitbewegten Bezugssystem: Die Kugel wird mit Geschwindigkeit radial nach innen losgeworfen und fliegt mit konstanter Geschwindigkeit, vollführt aber keine geradlinige Bewegung. Stattdessen beschreibt sie eine zur Seite gekrümmte Kurve. Denn quer zu ihrer Geschwindigkeitsrichtung wirkt in horizontaler Richtung die Trägheitskraft

.

Darin ist die Winkelgeschwindigkeit des Karussells.

Beobachtung im Inertialsystem: Die Kugel macht eine geradlinig-gleichförmige Bewegung mit der Geschwindigkeit, die ihr zu Anfang erteilt wurde. Nach Betrag und Richtung setzt diese sich zusammen aus der Geschwindigkeit , die das Kind der Kugel in der Richtung mitgibt, die im Moment des Abwurfs radial nach innen zeigt, und der Geschwindigkeit , mit der das Kind selber sich zu diesem Zeitpunkt in tangentialer Richtung mit dem Karussell mitbewegt. Diese beiden Geschwindigkeiten stehen im rechten Winkel zueinander. Die Richtung der daraus zusammengesetzten Gesamtgeschwindigkeit zeigt am Korb vorbei.

Die Coriolis-Kraft tritt in einem rotierenden Bezugssystem immer auf, wenn ein Körper darin nicht ruht, sondern sich relativ zu diesem bewegt (ausgenommen Bewegungen nur parallel zur Drehachse). Man kann sie wie jede Trägheitskraft am eigenen Körper dann spüren, wenn man sie durch Festhalten kompensieren muss (z. B. wenn man auf der Drehscheibe des Kinderspielplatzes auf gerader Linie nach innen gehen will ohne seitlich abgelenkt zu werden). Wenn im allgemeinen Fall die Relativgeschwindigkeit eine radiale, eine tangentiale und eine achsenparallele Komponente hat, bleibt die achsenparallele Komponente folgenlos. Die radiale Geschwindigkeitskomponente ruft eine tangentiale Coriolis-Kraft hervor (wie anfangs im obigen Beispiel). Die tangentiale Geschwindigkeitskomponente des Körpers, die einer Erhöhung oder Verringerung der seiner Umlaufgeschwindigkeit gleicht, ruft eine radiale Komponente der Coriolis-Kraft hervor, also parallel zur Zentrifugalkraft. Als Resultat ergibt sich eine radiale Trägheitskraft, die genau derjenigen Zentrifugalkraft auf den Körper entspricht, die auf den Körper aufgrund seiner entsprechend veränderten Umlaufgeschwindigkeit wirkt. (Steht man z. B. auf einer Drehscheibe, spürt man nur die Zentrifugalkraft. Läuft man aber genau mit der Umlaufgeschwindigkeit entgegen der Drehbewegung, dann wirkt zusätzlich eine Coriolis-Kraft radial nach innen und hebt diese Zentrifugalkraft exakt auf. Für den ruhenden Beobachter außerhalb der Drehscheibe bleibt der Läufer ja auch wegen des Laufens immer an derselben Stelle, d. h. seine eigene Winkelgeschwindigkeit ist Null.) Tangentiale und radiale Komponente der Coriolis-Kraft zusammen ergeben, dass diese Kraft im rotierenden Bezugssystem stets senkrecht auf der Geschwindigkeitsrichtung (und auf der Drehachse) steht und daher die Bahn eines sonst kräftefreien Körpers zu einem Kreis umlenkt. Das ist z. B. an den Wolkenbildern um Hoch- und Tiefdruckgebiete zu sehen.

Weitere Beispiele: Drehung der Pendelebene beim Foucaultschen Pendel, subtropischer Passatwind und stratosphärischer Jetstream, Ostablenkung frei fallender Körper auf der Erde.

Euler-Kraft

Wenn die Winkelgeschwindigkeit eines rotierenden Bezugssystems nach Betrag und/oder Richtung variiert, tritt die Euler-Kraft auf. Ein Beispiel mit feststehender Richtung der Drehachse ist das Anfahren eines Karussells, wenn man die Bewegung des Fahrgasts in dem Bezugssystem beschreibt, das sich mit dem Karussell in Bewegung setzt. Mit der Winkelbeschleunigung ist im Abstand von der Achse die Trägheitskraft . Sie ist der tangentialen Beschleunigung , die man im Inertialsystem hier beobachtet, entgegengerichtet und unterscheidet sich in nichts von der im Abschnitt Trägheit beim Beschleunigen oder Bremsen oben genannten Trägheitskraft.

Im allgemeinen Fall, wobei die Drehachse auch ihre Richtung verändern kann, ist die Euler-Kraft gegeben durch

Darin ist der Vektor die Winkelbeschleunigung, also nach Richtung und Betrag die Änderungsgeschwindigkeit der vektoriellen Winkelgeschwindigkeit .

Zur Erläuterung sei diese Trägheitskraft am Beispiel (siehe [4]) eines (horizontalen, schnelldrehenden, rotationssymmetrischen) Kreisels betrachtet, während dieser eine (langsame) Präzession um eine vertikale Achse ausführt. Sie wirkt dann auf jeden seiner Massenpunkte.

Beobachtung im Inertialsystem: Wenn der Kreisel nicht präzediert, verläuft die Bahn des Massenpunkts kreisförmig in einer festen, senkrechten Ebene und wird durch eine entsprechende Zentripetalkraft hervorgerufen. Diese wird hier nicht weiter betrachtet. Bei Präzession dreht sich die Bahnebene um eine senkrechte Achse. Die Bahn des Massenpunkts hat dadurch eine zusätzliche Krümmung, die am oberen und unteren Punkt entgegengesetzt und besonders groß ist, weil er dann die Drehachse der Ebene passiert. Diese Krümmung kann nur durch eine zusätzliche Kraft parallel bzw. antiparallel zur Kreiselachse hervorgerufen sein. Die Zusatzkraft variiert also bei jeder Umdrehung des Kreisels. Da der Kreisel rotationssymmetrisch ist, ergibt sich in der Summe über alle Massenpunkte, dass die zusätzlichen Kräfte zusammen einem Drehmoment entsprechen. In einem Bezugssystem, in dem die Kreiselachse feststeht, das aber die schnelle Rotation des Kreisels nicht mitmacht, ist dies Drehmoment zeitlich konstant. Damit die Präzessionsbewegung des Kreisels so abläuft wie beobachtet, muss dies Drehmoment konstant auf die Kreiselachse einwirken. Der Vektor des Drehmoments steht senkrecht auf der (horizontalen) Kreiselachse und auf der (vertikalen) Achse der Präzession. Bei ruhendem Kreisel würde die Achse dann einfach nach oben oder unten kippen.

In Demonstrationsversuchen mit einem kräftefreien Kreisel (wie [4]) wird das äußere Drehmoment durch ein angehängtes Gewicht realisiert, beim schräg stehenden Spielzeugkreisel durch die am Schwerpunkt angreifende Schwerkraft. In der technischen Anwendung der Kollermühle erhöht die Eulerkraft den Druck der umlaufenden Mühlsteine auf die Unterlage.

Beobachtung im bewegten Bezugssystem: Im bewegten Bezugssystem hingegen ruht der Massenpunkt, obwohl die eben beschriebene äußere Zusatzkraft auf ihn wirkt. Der Grund ist, dass er sie durch eine entgegengesetzt gleich große Trägheitskraft kompensiert, die gerade aus der besonderen Art der beschleunigten Bewegung seines Bezugssystems entsteht. Dies ist die Euler-Kraft. (Die genaue Bewegung des Bezugssystems ist zusammengesetzt aus der schnellen Rotation um die horizontal liegende Kreiselachse und der langsamen Präzession der Kreiselachse um die vertikale Achse durch den Aufhängepunkt.)

Formeln

Definitionen

Um zwischen den Größen eines Objektes (z.B. Ort, Geschwindigkeit) in zwei Bezugssystemen zu unterscheiden, wird für die Beobachtungen im Inertialsystem die normale Notation im verwendet und für das beschleunigte Bezugssystem jeweils der gleiche Buchstabe mit einem Apostroph (engl. prime). Letzteres wird dann auch als „gestrichenes Bezugssystem“ bezeichnet, und alle darauf bezogenen Größen erhalten zur sprachlichen Unterscheidung den Zusatz „Relativ-“. Der Subindex steht für den Beobachter, der am Ursprung des gestrichenen Bezugssystems steht.

Bedeutung
Masse des betrachteten Körpers.
Position des Objektes in S (Inertialsystem).
Relativposition des Objektes in S' (Nicht-Inertialsystem).
Geschwindigkeit des Objektes in S
Relativgeschwindigkeit des Objektes in S'
Beschleunigung des Objektes in S
Relativbeschleunigung des Objektes in S'
Position des Ursprungs von S' in S
Geschwindigkeit des Ursprungs von S' in S
Beschleunigung des Ursprungs von S' in S
Winkelgeschwindigkeit des Systems S' in S
Winkelbeschleunigung des Systems S' in S

Bei als bekannt vorausgesetzter äußerer Kraft gilt im Inertialsystem S das zweite Newtonsche Axiom

Die Gleichung kann nach der unbekannten Beschleunigung aufgelöst werden. Im beschleunigten System S' liegt bei demselben Vorgang eine andere Beschleunigung vor. Dafür wird angesetzt:

Diese Gleichung ist die Definition der Trägheitskraft . Wird sie in dieser Form mit berücksichtigt, kann man die Newtonsche Mechanik (z. B. den Impulssatz) auch im beschleunigten Bezugssystem anwenden. Um näher zu bestimmen, muss die Relativbeschleunigung durch die Beobachtungen im Inertialsystem ausgedrückt werden. Das geschieht mithilfe der Galilei-Transformation für die momentan herrschenden Bedingungen.

Translatorisch bewegtes Bezugssystem S'

Bewegt sich S' im Inertialsystem S rein translatorisch, also ohne jede Drehung, dann bewegen sich alle Punkte, die in S' ruhen, parallel zueinander mit derselben Geschwindigkeit wie der Ursprung. Folglich gilt:

kinematische Größen in S
Position
Geschwindigkeit
Beschleunigung

Wird aus der letzten Gleichung ermittelt und dies in die Definitionsgleichung von eingesetzt, ergibt sich:

Allgemein beschleunigtes Bezugssystem S'

Führt das Bezugssystem S' auch eine Drehung aus, muss berücksichtigt werden, dass ein in S' ruhender Punkt, wenn er nicht gerade auf der Drehachse liegt, sich in S allein schon wegen der Drehung bewegt. Dies ergibt eine Zusatzgeschwindigkeit , wobei der Vektor der momentan herrschenden Winkelgeschwindigkeit um die momentan gültige Drehachse ist. Drehbewegungen mit beschleunigter Geschwindigkeit und veränderlicher Achse werden gegebenenfalls durch die vektorielle Winkelbeschleunigung umfasst. Die kinematischen Beziehungen lauten im allgemeinen Fall:

kinematische Größen in S
Position
Geschwindigkeit
Beschleunigung

Setzt man die Absolutbeschleunigung in die Newtonsche Bewegungsgleichung ein, ergibt sich:

Aufgelöst nach dem Term mit der Relativbeschleunigung folgt:

Der Term ist die Trägheitskraft, die zusätzlich zur Kraft im beschleunigten Bezugssystem auftritt.

Der Ausdruck rührt aus der Beschleunigung des Bezugssystems her und hat keinen besonderen Namen.[5] Weiter sind die Zentrifugalkraft. wird als Eulerkraft[6]:103 oder „lineare Beschleunigungskraft“[7] bezeichnet. ist die Corioliskraft.

D'Alembertsche Trägheitskraft

Definition

Für die Beschreibung der Bewegung mit der Beschleunigung im Inertialsystem wird die d'Alembertsche Trägheitskraft definiert durch

.

Die in dem zweiten Newtonschen Gesetz auftretende Kraft

wird zur Unterscheidung nun auch als äußere Kraft bezeichnet. Es gilt

.

Für den Beobachter, der im Schwerpunktsystem des beschleunigten Körpers ruht, erscheint der Körper insgesamt kräftefrei. Aus der Kenntnis der äußeren Kraft ermittelt er die nach der Newtonschen Mechanik herrschende Trägheitskraft aus derselben Gleichung . Daher stimmt sie mit der d'Alembertschen Trägheitskraft überein. Allerdings besteht begrifflich der Unterschied, dass Newtonsche Trägheitskräfte ausschließlich in beschleunigten Bezugssystemen auftreten, während die d'Alembertsche Trägheitskraft in die für das Inertialsystem gültigen Formeln einzusetzen ist und dort zu den äußeren Kräften addiert wird.

Dynamisches Gleichgewicht / d'Alembertsches Prinzip

Die Tatsache, dass eingeprägte Kraft und d'Alembertsche Trägheitskraft in der Summe Null ergeben, sich also gegenseitig aufheben, wird in der Technischen Mechanik als dynamisches Gleichgewicht oder d'Alembertsches Prinzip[Anm. 2] bezeichnet. Vorbild ist dabei das statische Gleichgewicht, weil es durch die Bedingung gegeben wird. Durch diese Einführung einer neuen Art Kraft kann somit das Konzept des mechanischen Gleichgewichts vom stabilen statischen Fall auf Systeme mit beliebigen Beschleunigungen ausgeweitet werden. Allerdings muss bei weitergehenden Fragen nach der Bedeutung oder Interpretation dieser Kraft gegebenenfalls beachtet werden, dass sie nicht wie allen äußeren Kräfte auf eine Wechselwirkung mit einem anderen Körper zurückgeht (siehe aber weiter unten Trägheitskraft und Machsches Prinzip).

Anwendung

Großen praktischen Nutzen entfaltet das Konzept der d'Alembertschen Trägheitskraft bei der Behandlung von Bewegungen, die von einer bekannten äußeren Kraft beeinflusst werden, aber zusätzlich auf vorbestimmte Bahnen oder Flächen beschränkt sind. Die äußeren Kräfte besteht demnach aus zwei Teilen. Zum einen die Zwangskräfte , die senkrecht zur Bewegungsrichtung wirken und das Teilchen auf seiner Bahn halten. Der andere Teil ist die eingeprägte Kraft , die das Teilchen längs seiner Bahn beschleunigt. Die Bewegungsgleichung lautet also:

Die Stärke der Zwangskräfte, die an jedem Ort einwirken müssen, lässt sich im Nachhinein aus dieser Gleichung ermitteln, wenn außer der eingeprägten Kraft auch die Beschleunigung bekannt ist, also der genaue Ablauf der Bewegung. Doch muss umgekehrt erst die Größe aller Kräfte bekannt sein, um nach der Newtonschen Mechanik die Bewegungsgleichung konkret aufzustellen, aus der der genaue Bewegungsablauf zu ermitteln ist. Eine Lösung aus dieser Zwickmühle bietet in vielen Fällen das Prinzip der virtuellen Arbeit (in der Physik als d'Alembertsches Prinzip bezeichnet), nach dem die Zwangskräfte am bewegten Körper keine Arbeit verrichten, da sich das Teilchen nicht in Richtung der Zwangskräfte bewegt. Demnach ist die vorherige Kenntnis der Zwangskräfte unnötig, wenn man die Rechnung in einem geeignet gewählten System von unabhängigen Koordinaten (generalisierte Koordinaten) durchführt. Diese Koordinaten müssen die Bewegung beschreiben und deren Einschränkungen schon berücksichtigen.

Die eingeprägten Kräfte wirken weiterhin in Koordinatenrichtung und die Zwangskräfte senkrecht dazu. Vergisst man nun, dass die gewählten generalisierten Koordinaten gekrümmt sind, so muss man Trägheitskräfte einführen, damit das Teilchen nicht durch die Zwangskräfte von der Bahn gedrängt wird. Diese Trägheitskräfte sind demnach genau entgegengesetzt zur Zwangskraft und gleichen diese vollständig aus. Die Krümmung der generalisierten Koordinaten ist also gleichbedeutend mit den Trägheitskräften (in diesem Fall ist es nur die Zentrifugalkraft), die wirken würden wenn die Koordinaten nicht gekrümmt wären.

Beispiel

Um dies Vorgehen an einem simplen Beispiel zu erläutern, sei eine bestimmte eingeprägte Kraft und als Bewegungseinschränkung eine vorgeschriebene Kreisbahn mit Radius gewählt. In kartesischen Koordinaten mit dem Ursprung im Kreismittelpunkt besteht die Zwangsbedingung . Bei einer Berechnung in diesem Koordinatensystem würde die Beschleunigung nun von den x- und y-Komponenten der eingeprägten Kraft und denen der Zwangskraft abhängen, die den Körper hindert, die Kreisbahn zu verlassen. Geeignet sind hier Polarkoordinaten , wobei die Zwangsbedingung aufnimmt und die einzige, frei variable Koordinate der Winkel ist. Zu einer infinitesimalen Variation ermittelt man das zugehörige Stück der Bahn und bestimmt die dazu parallelen Komponenten sowohl der eingeprägten Kraft als auch der Beschleunigung (hier ). Mit der d'Alembertschen Trägheitskraft (hier ) gilt dann die Gleichung des dynamischen Gleichgewichts, aus der die gesuchte Lösung (hier ) ermittelt wird.

Trägheitskraft und Machsches Prinzip

Im Rahmen der Newtonschen Mechanik ist es möglich, theoretisch schon einem einzigen Körper im ansonsten leeren Universum Eigenschaften wie Ort, Geschwindigkeit, Beschleunigung, Trägheit zuzuschreiben. Die begriffliche Grundlage hierfür sind die Annahmen eines absoluten Raums und einer absoluten Zeit, die durch die Spezielle Relativitätstheorie und die Allgemeine Relativitätstheorie aber als unhaltbar erkannt wurden. Schon vorher hatte Ernst Mach in einem nach ihm benannten Prinzip gefordert, die Gesetze der Mechanik so abzufassen, dass nur die Relativbewegungen der im Weltall verteilten Massen eine Rolle spielen. Dann müssen aber auch Trägheit und Trägheitskraft eines Körpers auf einer Wechselwirkung mit anderen Körpern beruhen.

Dies Problem kann durch ein einfaches Beispiel beleuchtet werden, das sich an das Newtonsche Eimer-Experiment anlehnt: Wenn man das Wasser in einem Eimer in Drehung versetzt, verursacht die Zentrifugalkraft eine sichtbare Einbeulung der Oberfläche, mit der sich scheinbar unabhängig von jedem Bezugssystem die Drehbewegung nachweisen lässt. Wenn aber die nähere und weitere Umgebung des Eimers sich mitdrehen würde, und dieses Mitdrehen sich im Grenzfall auf sämtliche Körper des Universums erstreckte, dann hätte man den Fall, dass das Wasser in Bezug auf das Universum ruht. Eine Drehung durch Beobachtung der Bewegung wäre überhaupt nicht festzustellen und die Zentrifugalkraft folglich Null. Die Wasseroberfläche würde dann eben bleiben. Dazwischen müsste es einen graduellen Übergang geben, aus dem zu entnehmen ist, dass und wie die Zentrifugalkraft (und die Trägheit und Trägheitskraft ganz allgemein) von der Relativbewegung zu anderen Massen herrührt. Dies ergibt sich tatsächlich aus der Allgemeinen Relativitätstheorie von Albert Einstein.[8]

Inwieweit aber das Machsche Prinzip im Allgemeinen mit der Relativitätstheorie in Einklang zu bringen ist bzw. wo genau Differenzen bestehen, ist umstritten.[9]

Gravitationskraft als Trägheitskraft

Auch die Gravitationskraft hat Eigenschaften einer Trägheitskraft: Sie ist proportional zur Masse eines Körpers und hängt ansonsten von keinen anderen Eigenschaften des Körpers ab. Tatsächlich kann man zwischen Gravitations- und Trägheitskraft prinzipiell nicht unterscheiden. Zu einem Gravitationsfeld lässt sich stets ein beschleunigtes Bezugsystem definieren, in dem die auftretenden Trägheitskräfte die Gravitationskräfte gerade kompensieren, und zwar unabhängig von der Bewegung und der Art des Körpers. Dazu muss dieses Bezugsystem gegenüber dem "ruhenden" System einfach nur einen freien Fall ausführen. Innerhalb des fallenden Bezugssystems würden weder Gravitations- noch Trägheitskräfte zu beobachten sein, da sie sich ja exakt aufheben. Allerdings gilt dies wegen der Inhomogenität eines jeden Gravitationsfelds immer nur lokal, d. h. genähert in einem hinreichend kleinen Raumgebiet.

Diese Beobachtung lässt sich umdeuten, indem man das frei fallende Bezugsystem als das hier gültige Inertialsystem definiert. Dann ist das vorherige Bezugsystem, in dem Gravitation herrscht, kein Inertialsystem mehr, denn es bewegt sich von dem neuen Inertialsystem aus entgegengesetzt zum freien Fall, also beschleunigt. In diesem (vormals "ruhenden") System treten dann Trägheitskräfte auf, die exakt mit den vorher dort festgestellten Gravitationskräften übereinstimmen und sie daher vollständig ersetzen können. Gravitation als ein eigenständiges Phänomen existiert dann gar nicht, sondern wird zu einer Erscheinung, die wie eine Trägheitskraft nur in Bezugsystemen auftritt, die keine Inertialsysteme sind. Auf dieser Feststellung beruht das Äquivalenzprinzip der allgemeinen Relativitätstheorie.

Für diese Beschreibung der Gravitation als Trägheitskraft muss allerdings das Prinzip fallengelassen werden, dass ein Inertialsystem global definiert werden kann, also im Prinzip für das ganze Universum gültig ist. Ein Inertialsystem, also ein System im freien Fall lässt sich demnach nur lokal, also näherungsweise in einem hinreichend kleinen Bereich von Raum und Zeit definieren. Raum und Zeit lassen sich dann durch eine vierdimensionale, gekrümmte Mannigfaltigkeit beschreiben. Das Konzept von Trägheitskräften ist dann überflüssig, da die Beschleunigung von Gegenständen, die durch Trägheitskräfte erklärt wurde, ähnlich wie bei den generalisierten Koordinaten durch die Krümmung des Raumes erklärt wird. Ein Inertialsystem entspricht einem Minkowski-Raum. Minkowski-Räume zeichnen sich dadurch aus, dass die Koordinaten keine Krümmung besitzen.

Beispiel

Als Beispiel sei erklärt, warum ein Fahrgast in einem bremsenden Zug das gleiche Erlebnis hat wie bei gleichförmiger Fahrt auf abschüssiger Strecke. In einem bremsenden Wagen ergibt die Summe der nach unten gerichteten Gravitationskraft und der nach vorne gerichteten Trägheitskraft eine Gesamtkraft, die schräg nach vorne gerichtet ist. Um ruhig stehen zu können, muss die Gesamtkraft aber längs der Körperachse vom Kopf zu den Füßen gerichtet sein, weshalb man sich entweder nach hinten neigen oder durch Festhalten eine dritte Kraft ins Spiel bringen muss, mit der die Gesamtkraft wieder senkrecht zum Wagenboden ist. Das gleiche zeigt sich, wenn der Wagen steht oder mit konstanter Geschwindigkeit fährt, aber die Strecke abschüssig ist. Dann wirkt keine der Trägheitskräfte aus der Newtonschen Mechanik, aber die Gravitationskraft zieht nicht mehr im rechten Winkel zum Boden, sondern schräg nach vorne. Fasst man die Gravitationskraft auch als Trägheitskraft auf, ist die Erklärung in beiden Fällen die gleiche.

Literatur

  • Lev D. Landau, E. M. Lifschitz, Paul Ziesche: Lehrbuch der theoretischen Physik: Mechanik. Harri Deutsch Verlag, 1997, ISBN 3-8171-1326-9, S. 155 ff. (online)
  • Dieter Meschede: Gerthsen Physik. Hrsg.: Christian Gerthsen, Dieter Meschede. 24. Auflage. Gabler Wissenschaftsverlage, 2010, ISBN 978-3-642-12893-6., S. 41–42. (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche) „Kräfte, die dadurch entstehen, dass man den Vorgang in einem bestimmten Bezugssystem beschreibt, und die in einem anderen Bezugssystem nicht vorhanden wären: Trägheitskräfte...Diese gebräuchliche aber etwas irreführende Einstufung der Kraft als Scheinkraft ändert allerdings nichts an ihren realen, oft katastrophalen Folgen.
  • Hans J. Paus: Physik in Experimenten und Beispielen. 3., aktualisierte Auflage. Hanser Verlag, 2007, ISBN 978-3-446-41142-5. (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche)
  • J. W. Warren: Understanding Force. John Murray, 1979, ISBN 0-7195-3564-6. Deutsche Übersetzung: Verständnisprobleme beim Kraftbegriff (PDF; 395 kB) S. 15 ff.

Anmerkungen

  1. Dabei umfasst der Begriff "Bewegung des Körpers" auch sein Verharren an einem festen Ort des beschleunigten Bezugssystems. Die „beschleunigte Bewegung“ des Bezugssystems umfasst außer geradlinigen Beschleunigungen auch gleichförmige oder beschleunigte Drehbewegungen. Zu den „geradlinig-gleichförmigen“ Bewegungen gehört auch der Fall der Geschwindigkeit Null.
  2. In der Theoretischen Physik steht der Begriff d'Alembertsches Prinzip für die Aussage, dass Zwangskräfte, die z. B. eine Bewegung auf vorgeschriebene Bahnen oder Flächen beschränkt, bei virtuellen Verschiebungen keine Arbeit leisten. Dieses Prinzip kann nicht aus der Newtonschen Mechanik abgeleitet werden, sondern ist durch die Erfahrung gestützt. Es ermöglicht bei vielen mechanischen Problemen erst die Aufstellung und Lösung der Bewegungsgleichungen.

Einzelnachweise

  1. Martin Mayr: Technische Mechanik: Statik, Kinematik - Kinetik - Schwingungen, Festigkeitslehre. 6. überarbeitete Auflage. Hanser, 2008, ISBN 978-3-446-41690-1.: (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche) „Nach D'Alembert fassen wir den Ausdruck in Bewegungsgesetz (8.1) als Hifskraft auf und nennen sie Trägheitskraft
  2. Giulio Maltese: On the Relativity of Motion in Leonhard Euler’s Science. In: Archives for History of Exact Sciences Springer-Verlag. Band 54, 2000, S. 319–348.
  3. Max Jammer: Der Begriff der Masse in der Physik. Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 1964.
  4. a b Siehe Video (Uni Würzburg)
  5. Vereinzelt wird die Bezeichnung „Einsteinkraft“ verwendet, die in anderem Kontext aber gänzlich anders gebraucht wird: Verwendung des Begriffs Einsteinkraft (S. 5) (PDF; 130 kB)
  6. Cornelius Lanczos: The Variational Principles of Mechanics. Courier Dover Publications, New York 1986, ISBN 0-486-65067-7, S. 88–110. (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche). S. 91: „Accordingly, the force of inertia I has to be defined as the negative rate of change of momentum: I=-d/dt(mv) ... The definition of the force of inertia requires "an absolute reference system" in which the acceleration is measured. This is an inherent difficulty of Newtonian mechanics, keenly felt by Newton and his contemporaries. The solution of this difficulty came in recent times through Einstein's great achievement, the Theory of General Relativity.
  7. Eckhard Rebhan: Theoretische Physik I. Spektrum, Heidelberg · Berlin 1999, ISBN 3-8274-0246-8., S. 66.
  8. Torsten Fliessbach: Allgemeine Relativitätstheorie. 2. Auflage. Spektrum Akad. Verlag, 1995, ISBN 3-86025-685-8. Kap. 9, 30
  9. Eckhard Rebhan: Theoretische Physik: Relativitätstheorie und Kosmologie. Springer, 2011, ISBN 978-3-8274-2314-6, S. 119–182 (google.com [abgerufen am 19. Januar 2013]).