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Desaparecidos

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Desaparecidos (span. Die Verschwundenen) ist eine in vielen Ländern Mittel- und Südamerikas übliche Bezeichnung für Menschen, die von Sicherheitskräften verhaftet oder verschleppt wurden, ohne dass ihre Angehörigen danach jemals wieder etwas von ihnen gehört hätten. Der Begriff erklärt sich aus der vor allem in den 1970er und 1980er Jahren üblichen Praxis der Militärdiktaturen vor allem in Argentinien, Brasilien, Chile, Paraguay und Guatemala, politische Gegner bzw. teilweise fast beliebige missliebige Personen "verschwinden" zu lassen.

In der Praxis bedeutete dies, dass Menschen, meistens aus Alltagssituationen oder nachts, durch anonym bleibende Mitglieder von Sicherheitskräften (Geheimpolizei, Geheimdienste) ohne Angabe von Gründen verhaftet wurden. Da die Angehörigen nicht wussten, welche Staatsorgane ihre Familienmitglieder gefangen hielten, begann für die Suchenden meist eine verzweifelte Odyssee durch Polizeistationen und Gefängnisse. Da die Gerichte ebenfalls Handlanger der jeweiligen Diktaturen waren, waren die Angehörigen gegen die Praxis völlig machtlos und konnten meist nach jahrelanger Suche nur resignieren, wenn nicht irgendwann die Leiche des Opfers gefunden oder es doch schließlich freigelassen wurde. In Argentinien kam es häufig vor, dass den Eltern junger Männer mit einem Augenzwinkern erzählt wurde, dass ja bekannt sei, dass junge Männer sich oft ins Ausland absetzen würden, wenn sie "aus Versehen" eine Frau geschwängert hätten.

Die Inhaftierten wurden in der Haft in der Regel gefoltert, oft ohne jegliches Gerichtsverfahren ermordet und ihre Leichen beseitigt. Diese Vorgehensweise wurde im Rahmen der sogenannten Operation Condor durch die Geheimdienste von sechs südamerikanischen Ländern grenzüberschreitend organisiert. Eine heute bewiesene Rolle als Berater und Unterstützer spielten dabei der amerikanische Geheimdienst CIA (siehe School of the Americas) und Mitglieder französischer Sicherheitskräfte (siehe Französische Doktrin).

In Argentinien gründeten Mütter der Verschwundenen eine der wenigen offenen Oppositionsgruppen gegen die Militärdiktatur, die Mütter des Plaza de Mayo (Madres de la Plaza de Mayo). Sie demonstrierten regelmäßig über Jahre auf dem belebten Platz vor dem argentinischen Regierungssitz in Buenos Aires und forderten Rechenschaft von der Regierung.

Es hat in Argentinien eine Reihe von dokumentierten Fälle gegeben, bei denen in der Haft geborene Kinder von verschleppten und umgebrachten Frauen an kinderlose Offiziersfamilien gegeben worden waren. Nach dem Ende der Diktatur 1983 versuchten viele Großeltern, diese Kinder wiederzufinden. In mindestens 70 Fällen wurden bis heute (2006) während der Militärdiktatur verschwundene Kinder an Elternteile oder rechtmäßige Familien zurückgegeben.

Die Schätzungen über die Zahl der dauerhaft Verschwundenen variieren je nach Quelle stark. Allein für Chile gilt die Zahl von mindestens 1.000 Toten als gesichert, in Argentinien kann man gesichert von mehreren tausend Opfern ausgehen, seriöse Schätzungen von Menschenrechtsgruppen reichen bis zu 30.000 Opfern.

Zitate

Erst werden wir die Subversiven töten, dann die Sympathisanten, danach die Indifferenten und zum Schluss die Lauen (General Ibérico Saint Jean, argentinischer Brigadegeneral und Gouverneur von Buenos Aires zu Zeiten der Militärjunta (1976 - 1983))

Filme zum Thema

  • Vermisst von Constantin Costa-Gavras, 1981. Jack Lemmon spielt einen amerikanischen Unternehmer, der sich auf die Suche nach seinem idealistischen, nach dem Militärputsch in Chile verschwundenen Sohn macht.
  • Blauäugig von Reinhard Hauff, 1989. Götz George spielt einen deutschstämmigen Unternehmer in Argentinien, der mit dem Militär Geschäfte macht. Nachdem seine hochschwangere Tochter "verschwindet" und umgebracht wurde, erfährt er, dass sie das Kind noch bekommen hat.