Dissertation
Eine Dissertation (offiziell "Inauguraldissertation") oder Doktorarbeit ist eine schriftliche wissenschaftliche Arbeit zur Erlangung eines Doktorgrades an einer Universität. Die Dissertation ist der schriftliche und bedeutendste Leistungsbestandteil des Promotionsverfahrens. Weitere Leistungsbestandteile sind eine mündliche Prüfung (Rigorosum oder Disputation) sowie die Veröffentlichung der Dissertation. Erst wenn alle drei Leistungsbestandteile des Promotionsverfahrens erbracht sind, das Promotionsverfahren somit erfolgreich abgeschlossen ist, wird der Doktorgrad von der Fakultät verliehen.
Im Gegensatz zu einer Diplomarbeit ist die Dissertation eine eigenständige wissenschaftliche Arbeit. Sie wird meist unter Betreuung eines Professors (Doktorvater) an der Universität durchgeführt, kann aber auch außerhalb der Universität angefertigt und von extern eingereicht werden.
In manchen Ländern spricht man auch bei einer Magister- oder Diplomarbeit von einer Dissertation.
Inhalt und Form von Dissertationen in Deutschland
Je nach Fach beschäftigt sich eine Dissertation entweder theoretisch mit einem Thema (z.B. in Jura oder BWL) oder sie beschreibt und interpretiert empirisch/experimentell gewonnene Erkenntnisse (z.B. Naturwissenschaften).
Eine Dissertation soll belegen, dass der Kandidat wissenschaftlich selbstständig zu arbeiten versteht. Sie muss daher im Regelfall neue Erkenntnisse aus dem gewählten Fachgebiet enthalten. Viel wichtiger zum Nachweis des selbstständigen wissenschaftlichen Arbeitens ist jedoch die Kenntnis der relevanten Literatur, die Kenntnis der methodischen Herangehensweisen, das Ziehen belastbarer Rückschlüsse sowie die Einbettung der eigenen Arbeiten in den wissenschaftlichen Kontext.
Zum Umfang einer Dissertation gibt es keinerlei Vorschriften, denn für die Qualität kommt es weniger auf den Umfang an als vielmehr auf den Gehalt. In Deutschland sind es üblicherweise etwa 150 - 300 Seiten, wobei sich vor allem in den Geisteswissenschaften ein Trend zu weitaus umfangreicheren Arbeiten (1000 Seiten und mehr) abzeichnet. Die Annahme so umfangreicher Dissertationen kann abgelehnt werden.
Für Gliederung, Zitate anderer Arbeiten und den formalen Nachweis der Selbständigkeit sind gewisse Formen üblich bzw. in der Promotionsordnung der Fakultät vorgeschrieben. Ein nachgewiesenes Plagiat oder die auszugsweise Übernahme fremder Texte ohne Quellenangabe kann auch im Nachhinein zum Verlust des Doktortitels führen.
Doktorand
Ein Dissertant oder Doktorand ist ein Akademiker/eine Akademikerin, der/die nach dem Diplom- oder Magisterstudium bzw. dem Staatsexamen den nächsthöheren akademischen Grad des Doktors anstrebt.
Durchführung
Voraussetzung für eine Promotion und damit zur Anfertigung einer Dissertation ist ein abgeschlossenes Hochschulstudium (Diplom-, Magister- oder Staasexamensabschluss); mancher Hochschullehrer legt zusätzlich Wert auf eine gute Abschlussnote. Im Regelfall wendet sich der an der Promotion Interessierte an einen Hochschullehrer, der das interessierende Forschungsgebiet vertritt, und bespricht mit ihm eine geeignete wissenschaftliche Fragestellung als Thema der Dissertation.
Die Zeitdauer von der Themenwahl bis zum Einreichen der Dissertation ist sehr unterschiedlich. Sie hängt vom Fach, vom Thema und auch von der Epoche ab. Während in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts Dissertationen oft innerhalb eines Jahres angefertigt wurden, verlängerte sich der Zeitraum in der zweiten Hälfte auf 2 - 4 Jahre. In der Medizin geht es meist schneller als in den Naturwissenschaften. In vielen geisteswissenschaftlichen Fächern gibt es nach wie vor keine zeitlichen Vorgaben. Seit einigen Jahren schreiben viele Universitäten des deutschen Sprachraums ein spezielles Doktoratsstudium von 2 bis 4 Semestern vor; diese Doktorstudien sind im Ausland mit den so genannten wissenschaftlichen Forschungsdoktoraten mit Abschluss Ph.D. üblich.
In den meisten Fällen sind Doktoranden in den Forschungsbetrieb eines Instituts bzw. einer Akademie oder Versuchsanstalt eingebunden. Die Finanzierung der Doktorandenstellen geschieht aus Haushaltsmitteln, aus Projektgeldern (Drittmittel) oder durch ein Stipendium. Das Gehalt entspricht meist dem einer halben Stelle, weil das Ergebnis der Arbeitsleistung etwa je zur Hälfte dem privaten Ziel der Promotion und den Forschungsaufgaben des Instituts zugute kommt. Gerade in den Geisteswissenschaften sind Doktorandenstellen selten, weshalb die Zahl derer, die sich über Stipendien oder Nebenjobs finanzieren, dort besonders hoch ist.
Promotionsverfahren
Die fertige Dissertation wird bei der Fakultät eingereicht, die das Promotionsverfahren eröffnet und einen Promotionsausschuss bestellt. Die formale Vorgehensweise beim Promotionsverfahren ist in der Promotionsordnung der Fakultät festgelegt.
Der Promotionsausschuss prüft zunächst die Form der Dissertation und entscheidet über Annahme oder Ablehnung. Bei Annahme bittet er mindestens zwei Hochschullehrer (habilitierte Dozenten oder Professoren) um eine schriftliche Begutachtung von Inhalt und Form der Dissertation. Weichen die beiden Gutachten in ihrer Bewertung deutlich voneinander ab, kann ein drittes Gutachten angefordert werden. Gutachten und Dissertation können danach eine bestimmte Zeit (meist zwei Wochen) in der Fakultätsverwaltung fakultäts-öffentlich eingesehen und mögliche Einsprüche angemeldet werden.
Ist die Dissertation, also der schrifliche Leistungsbestandteil des Promotionsverfahres, bestanden, folgt der mündliche Leistungsbestandteil des Promotionsverfahrens, das Rigorosum ("strenge Prüfung" im Promotionsfach) oder die Disputation (oder Defensio/Verteidigung).
Die Disputation besteht aus einem (hochschul-)öffentlichen Vortrag (meist 20 - 30 Min.) und einer anschließenden etwa einstündigen Diskussion/Befragung (= eigentliche Verteidigung). Der Vortrag wird heute meist über das Thema der Dissertation gehalten, es gibt aber auch Fakultäten, an denen der Kandidat über ein Thema vortragen muss, das in keiner Verbindung zur Dissertation steht.
Das Rigorosum ist eine mündliche Prüfung und erstreckt sich auch über benachbarte Fachgebiete, die meist durch zwei Nebenfachprüfungen abgedeckt werden. Die Prüfer sind 3 bis 5 Hochschulprofessoren bzw. Dozenten (darunter mindestens die Gutachter der Dissertation), von denen einer auch nicht der Fakultät/Universität angehören muss, an der die Dissertation eingereicht wird.
Ist das Promotionsverfahren erfolgreich abgeschlossen, ist es Pflicht, die Dissertation zu veröffentlichen. Dies kann bei einem Verlag geschehen, im Selbstverlag, in einer Fachzeitschrift oder als Mikrofilm. Immer öfter werden von den Hochschulen auch digitale Netzpublikationen (vor allem im PDF-Format) anerkannt. In den Geisteswissenschaften gilt die Aufnahme der Arbeit in ein reguläres Verlagsprogramm als besonders ehrenvoll. Oft muss dem Verlag ein Zuschuss gezahlt werden, was ein beträchtlicher Kostenfaktor in der "Gesamtrechnung" für die Mühen des Doktor-Werdens bedeutet. Viele Institute führen spezielle Publikationsreihen für die Veröffentlichung von Dissertationen (z.B. "Schriftenreihe des Instituts für ..."). Der Nachweis der Veröffentlichung geschieht durch Abgabe einer vorgeschriebenen Zahl gedruckter Exemplare an die Fakultät oder die Universitätsbibliothek, welche grundsätzlich ein Exemplar an Die Deutsche Bibliothek weiter reicht.
Erst mit der Veröffentlichung der Dissertation sind alle Leistungsbestandteile des Promotionsverfahrens erbracht. Der Doktorgrad wird verliehen und der Doktortitel darf vom Kandidaten geführt werden. Der Doktorgrad belegt die Fähigkeit zur selbstständigen wissenschaftlichen Arbeit. Die Verleihung des Doktorgrades (und anderer akademischer Grade) ist das vornehmste Recht der Fakultäten.
Bewertungsstufen einer Dissertation
Für die Promotion können je nach Promotionsordnung für den jeweiligen Doktorgrad einer Universität folgende Bewertungsstufen gelten:
summa cum laude ("mit höchstem Lob") | bedeutet eine ausgezeichnete Leistung und entspricht der Note opus eximium ("herausragendes Werk") für die Dissertation |
magna cum laude ("mit großem Lob") | bedeutet eine sehr gute Leistung und entspricht der Note opus valde laudabile ("sehr lobenswertes Werk") für die Dissertation |
cum laude ("mit Lob") | bedeutet eine gute Leistung und entspricht der Note opus laudabile ("lobenswertes Werk") für die Dissertation |
rite ("regelgemäß") | bedeutet eine genügende Leistung und entspricht der Note opus idoneum ("geeignetes Werk") für die Dissertation |
insufficienter ("ungenügend") bzw. sub omni canone ("unterhalb jeden Maßstabs") | bedeutete ehemals eine ungenügende Leistung/Dissertation (daher die Redensart "unter aller Kanone") |
Die Bewertungsstufen können auch alle auf Deutsch erfolgen und um "bestanden" ergänzt sein.
Siehe auch
Die häufigsten Doktorgrade in deutschsprachigen Ländern sind im Artikel Doktor zu finden. Im Zusammenhang zu der Bezeichnung Dissertation werden auch die Begriffe Promotion, Doktorarbeit, Doktordiplom, Doktorbrief, Doktorprüfung und Doktorschrift festgestellt.
Siehe auch: Habilitation, Ph.D., Diplom, Magister, Master, Bachelor, DissOnline, Thesis und elektronische Dissertation
Literatur
- Kai U. Jürgens, Wie veröffentliche ich meine Doktorarbeit?, Verlag Ludwig, Kiel 2006. ISBN 3-937719-28-8
Weblinks
- Dissertation Online
- Österreichische Dissertationsdatenbank
- OPUS-Metasuche
- Thesis e.V., das bundesweite Doktorandenetzwerk für Promovierende und Promovierte
- Diskussionsforum für Doktoranden
- Doktorandenbörse für die Vermittlung von Doktorand und Doktorvater
- "How to Write a PhD Thesis"
- "How to Write a Ph.D. Dissertation"