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Kavernenanlage Etzel

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Übersichtskarte
Kavernen-Informationszentrum Etzel

Die Kavernenanlage Etzel ist eine südlich von Etzel in der ostfriesischen Gemeinde Friedeburg liegende Erdöl- und Erdgasspeicherstätte. Zur Speicherung werden unterirdische Kavernenspeicher im Salzstock Etzel verwendet. Besitzer der Kavernenanlage ist die IVG Immobilien AG, einer börsennotierten Immobiliengesellschaft mit Sitz in Bonn, die aus der bundeseigenen IVG Industrieverwaltungsgesellschaft mbH hervorgegangen ist. Die IVG Caverns GmbH, die Kavernengesellschaft der IVG Immobilien AG in Etzel, ist zuständig für den Bau, den Betrieb und die Vermarktung der Kavernen.[1]

Lage und Anbindung

Die Kavernenanlage befindet sich in der Gemeinde Friedeburg zwischen den Ortschaften Etzel, Horsten und Marx. Die Anlage liegt rund 20 Kilometer südwestlich von Wilhelmshaven und ist über eine eigene Pipeline mit der Nord-West Oelleitung verbunden. Weitere Pipelines binden die Kavernenanlage an das nordeuropäische Leitungsnetz an. Gas-Pipelines führen nach Emden und Dornum, wo der norwegische Energiekonzern Statoil Gas aus norwegischen Nordseefeldern anlandet. Bereits seit Mitte der 1980er-Jahre lagert Statoil in Etzel Gas ein. Über die Pipeline NETRA ist der gesamte norddeutsche Raum an die Etzeler Kavernen angebunden. Über die 60 Kilometer lange Bunde-Etzel-Pipeline (BEP) ist die Kavernenanlage mit dem Gasleitungsknoten in Bunde/Oude Statenzijl und damit an den niederländischen Gasmarkt angebunden.[2]

Geologie

Im Bereich von Etzel befindet sich der Salzstock Etzel, eine spezielle Salzlagerstätte, die sich vor rund 240 Millionen Jahren gebildet hat. Der pilzförmige Salzstock ist rund 17 Kilometer lang und hat eine Breite von rund fünf Kilometer. Er ragt von einer Tiefe von mehr als 4.000 Metern bis auf 750 Meter an die Erdoberfläche heran und besteht aus Salzgestein, das sich aufgrund seiner besonderen chemischen und physikalischen Eigenschaften nur mit Wasser auflösen lässt und aufgrund seiner Kristallstruktur fest und undurchlässig ist. Diese Materialeigenschaften macht man sich für die Lagerung von Erdöl und Erdgas zu Nutze.[3]

Die Kavernen im Salzstock Etzel befinden in einer Tiefe von 900 bis 1700 Metern. Eine Kaverne ist rund 300 bis 500 Meter hoch und bis zu 60 Meter breit.[3]

Geschichte

Die Bundesrepublik Deutschland verpflichtete sich bereits 1970, also schon vor den Ölkrisen von 1973 und 1979 zur Anlage einer Bundesrohölreserve, um einen Mindestvorrat an Roherdöl zu speichern. Zu diesem Zweck wurde in Etzel 1971 der Kavernenbetrieb durch die IVG Industrieverwaltungsgesellschaft mbH aufgenommen. Ausschlaggebend für die Anlage des Kavernenspeichers in Etzel war neben den geologischen Voraussetzungen auch die Nähe zum deutschlandweit größten Ölimporthafen Wilhelmshaven. Die Tankerumschlaganlage der Nord-West-Oelleitung GmbH (NWO), an der das Öl angelandet wird, liegt weniger als 25 Kilometer entfernt und ist über Pipelines angebunden. Die Nähe zur Nordsee ermöglichte zudem die Nutzung des Seewassers, das für das Ausspülen (Solen) der Kavernen benötigt wurde. Ab 1973 wurden im Salzstock Etzel 33 Kavernen ausgespült und nach der Fertigstellung ab 1977 zur Lagerung von rund 10 Millionen Tonnen Rohöl genutzt. Das war ein großer Teil der strategischen Rohölreserve.[4]

Von 1989 bis 1992 wurden neun Kavernen zur Gasspeicherung umgerüstet und 1993 als Gaslagerstätte für Erdgas in Betrieb genommen. Ab 1994 erfolgte der Bau von weiteren sieben Kavernen. 2005 übernahm die IVG Caverns GmbH die Anlagen vom Bund. Der Betreiber entwickelt und verwaltet die Anlagen, jedoch befinden sich die Mehrzahl der Anlagen im Besitz der großen deutschen Energiekonzerne oder sind von diesen gepachtet.[1]

Seit 2007 vollzieht sich die Entwicklung vom Rohölspeicher zu einem der größten Gasspeicherplätze weiter. Im Oktober 2010 genehmigte das Landesamt für Bergbau, Energie und Geologie (LBEG) die Erdgasspeicherstation Etzel III, die weitere 25 Salzkavernen nutzen darf.[5]

Im Mai 2010 startete die IVG das Kaverneninformationszentrum Etzel mit Bürgertelefon und Internetauftritt. Im Dezember 2010 folgte die Eröffnung einer Infobox am Energiespeicher Etzel als Hauptbestandteil des Informationszentrums. Das Informationszentrum ist die Antwort der IVG an der zunehmenden Kritik in der Region über die Informationspolitik des Unternehmens und der Gründung einer Bürgerinitiative gegen die geplante Ausweitung der Kavernenanlage.[6]

Im Oktober 2010 begann unter Leitung der Regierungsvertretung Oldenburg das Moderationsverfahren Leitbildentwicklung für die Kulturlandschaft Etzel. Mit dieser Initiative sollten Fragen rund um den landschaftlichen Zustand nach dem Abklingen der prognostizierten großräumigen Bodenabsenkung geklärt und Konzepte für verträgliche Lösungen erarbeitet werden.[7]

Im Januar 2011 stellte der Betreiber IVG Caverns der Öffentlichkeit ein Gutachten zur Senkungsprognose des Kavernengeländes und der Umgebung vor. Laut der Prognose der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR) wird sich die prognostizierte Bodenabsenkung auf das nahe Umfeld des Kavernenfeldes beschränken und im Zentrum 1,01 Meter bis 1,47 Meter betragen. Die BGR berücksichtigte für ihr Gutachten Messwerte im Rahmen von Höhenbeobachtungen, die seit 1973 jährlich durch einen unabhängigen Sachverständigen im Auftrag der IVG durchgeführt wurden. Bei der Prognose ging man vom Betrieb von 40 Bestandskavernen und weiteren 30 Kavernen, also insgesamt 70 Kavernen bis in das Jahr 2044 aus.[8]

Im Januar 2012 präsentierte die Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR) eine erweiterte Senkungsprognose, die Berechnungen für den geplanten Endausbau von 144 Kavernen bis zum Jahr 2060 enthielt. Basierend auf den Berechnungen des BGR ergibt sich eine zu erwartende Senkungen im Muldentiefsten von maximal 2,30 Meter.[9] Ohne entsprechende entwässerungsbaulichen Gegenmaßnahmen wird sich im Zentrum des Senkungsgebietes ein großer See bilden.[10][11]

Anfang 2012 sind auf der Kavernenanlage Etzel insgesamt 52 Kavernen in Betrieb. Davon werden 29 für die Erdgasspeicherung und 23 für Rohölspeicherung genutzt.[1] Insgesamt sind 99 Kavernen durch das Landesamt für Bergbau, Energie und Geologie genehmigt. Der Betreiber IVG Caverns bereitet derzeit einen Antrag vor, um weitere 45 Kavernen erstellen zu können. Im Endausbau besitzt die Anlage dann 144 Kavernen.[12]

Im Juli 2012 wurde das Moderationsverfahren Leitbildentwicklung für die Kulturlandschaft Etzel mit einer Abschlusspräsentation in der Kreisstadt Wittmund abgeschlossen.[13] Als vorläufiges Arbeitsergebnis entstand eine Informationsbroschüre[14], die an alle Haushalte in der Gemeinde Friedeburg sowie in den Sander Ortsteilen Altgödens, Dykhausen und Neustadtgödens versendet wurde. Das rechtlich unverbindliche Ergebnis des Leitbilds wird Teil der Umweltverträglichkeitsstudie des Planfeststellungsverfahrens für den geplanten Bau weiterer 45 Kavernen.[15]

Am 27. September 2012 erfolgte auf dem Kavernengelände die Einweihung der seit Dezember 2009 gebauten Obertageanlage der Speicherbetriebsgesellschaft „Crystal”. Die Anlage ist an vier der insgesamt 52 genutzten Kavernen angeschlossen. Die Erstbefüllung der langfristig von der IVG Caverns gepachteten Kavernen erfolgte im Mai 2011, der kommerzielle Testbetrieb begann ab Juli 2012. Die Anlage soll saisonale Verbrauchsschwankungen kompensieren und dient so der Versorgungssicherheit.[16]

Seit dem Bekanntwerden der Bodenabsenkungsprognosen im Raum Etzel wurden die Pläne der IVG Caverns zum weiteren Ausbau der Anlage in der Bevölkerung kritischer als bislang gesehen. Aufgrund von Unstimmigkeiten verabschiedete der Gemeinderat deshalb im Oktober 2011 eine Resolution, in der der Gemeinderat an die IVG appellierte, keine weiteren Kavernen zu bohren oder zu solen, bis die Bodenabsenkungen und die Frage der Endverwahrung der Kavernen abschließend geklärt seien. An das Landesbergamt (LBEG) wurde zudem der Appell gerichtet, die Forderungen der Gemeinde Friedeburg zu berücksichtigen und die bereits genehmigten Bohr- und Solepläne für noch nicht begonnene, aber bereits genehmigte Kavernen auszusetzen. Weiter werden die Bundesregierung und die dem Bundestag angehörenden Fraktionen aufgefordert, das für den Kavernenbau geltende Bundesberggesetz (BBergG) von 1980, insbesondere im Bereich des Schadensrechts zu ändern.[17]

Zwischenfälle

Im November 2013 wurde durch eine nicht vollständig verschlossene Armatur oberhalb der Erdölspeicher ein Ölunfall ausgelöst, bei dem Öl in umliegende Gewässer gelangte. Das Landesamt für Bergbau, Energie und Geologie (LBEG) teilte mit, dass die Menge des ausgetretenen Öls und das Ausmaß möglicher Umweltschäden noch unklar sei. Die Staatsanwaltschaft Aurich nahm Ermittlungen auf.[18][19]

Ansässige Unternehmen

Auf dem Kavernengelände sind fünf Betreibergesellschaften aktiv. Die Friedeburger Speicherbetriebsgesellschaft mbH Crystal ist ein Gemeinschaftsunternehmen von EnBW Energie Baden-Württemberg und Électricité de France. Die Etzel-Kavernenbetriebsgesellschaft mbH & Co. KG (VIKING) wird gebildet aus BP, Dong Energy und Gazprom. Die ESE Erdgas-Speicher-Etzel GmbH ist ein Gemeinschaftsunternehmen von E.on (E.on Gas Storage), OMV und Verbundnetz Gas. Weitere Betreibergesellschaften sind die IVG Kavernenbetriebsführungsgesellschaft mbH als Betreiber der Gaskavernen sowie die Etzel Gas-Lager GmbH & Co. KG (EGL).[20]

Kritik

Gegen den geplanten weiteren Ausbau der Kavernenlage Etzel regt sich unter den Anwohnern der Region zunehmend Widerstand. Anfang 2010 wurde die Bürgerinitiative „Lebensqualität Horsten-Etzel-Marx“ gebildet, die die Ausweitung des Kavernengebiets stoppen möchte, die Bevölkerung über mögliche Gefahren und Risiken informiert und die Einhaltung bestehender gesetzlicher oder anderer Umweltvorgaben und Richtlinien fordert.[21] Insbesondere die Prognose, dass es alleine für die bereits genehmigten 99 Kavernen bis ins Jahr 2060 zu einer Bodenabsenkung von 2,30 Meter im Mittelpunkt kommen wird, hat bei vielen Anwohnern für Aufregung gesorgt. Durch die prognostizierte großräumigen Bodenabsenkung wird es in diesem Bereich zu Vernässungen kommen, die ggf. nur durch Schöpfwerke zu beheben sind.[22] Kritisch wird in diesem Zusammenhang auch die Frage der Beweisbarkeit von möglichen Gebäudeschäden durch die prognostizierte Bodenabsenkung gesehen, da für den Bereich des Kavernenbaus im Gegensatz zum Bergbau noch keine Beweislastumkehr gilt. Demnach hat also der Geschädigte zu beweisen, dass die eingetretenen Schäden durch den Kavernenbau verursacht wurden.[23]

Einzelnachweise

  1. a b c Kavernen-Informationszentrum Etzel: Die IVG am Standort Etzel, abgerufen am 11. März 2011
  2. Bunde-Etzel-Pipeline geht in Betrieb, abgerufen am 11. März 2012
  3. a b Kavernen-Informationszentrum Etzel: Warum sich der Standort Etzel so gut für den Kavernenbau eignet, abgerufen am 11. März 2012
  4. Werner Brune (Hrsg.): Wilhelmshavener Heimatlexikon, Band 1–3. Brune, Wilhelmshaven 1986–1987, Band 1, S. 276
  5. LBEG genehmigt Erdgasspeicherstation Etzel III, abgerufen am 11. März 2012
  6. OZ-Online: Kavernen-Informationszentrum in Etzel eröffnet, abgerufen am 11. März 2012
  7. Presseinformation des Niedersächsischen Ministeriums für Ernährung, Landwirtschaft, Verbraucherschutz und Landesentwicklung Regierungsvertretung Oldenburg (PDF; 26 kB), abgerufen am 11. März 2012
  8. Nds. Ministerium für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr: Kavernenbau Etzel/Friedeburg, abgerufen am 13. März 2012
  9. Leitbildentwicklung für die Kulturlandschaft Etzel schreitet voran, abgerufen am 13. März 2012
  10. WZOnline: IVG-Kavernen: Boden sackt bis 2,3 Meter, abgerufen am 13. März 2012
  11. Lageplan des Senkungsgebietes (PDF; 548 kB), abgerufen am 13. März 2012
  12. Kavernen-Speicher Etzel – Gegenwart und Zukunft, abgerufen am 11. März 2012
  13. Leitbildentwicklung für die Kulturlandschaft Etzel ist abgeschlossen, abgerufen am 12. Juli 2012
  14. Informationsbroschüre zum Entwurf des Leitbildes der Kulturlandschaft Etzel (PDF; 5,0 MB), abgerufen am 12. Juli 2012
  15. Leitbild „Kulturlandschaft Etzel“ vorgelegt, Wilhelmshavener Zeitung vom 12. Juli 2012, S. 12
  16. Crystal Erdgasspeicher in Etzel nimmt kommerziellen Betrieb auf, abgerufen am 16. November 2012
  17. Resolution des Rates der Gemeinde Friedeburg zum Kavernengebiet Etzel (PDF; 238 kB), abgerufen am 16. November 2012
  18. http://www.ndr.de/regional/niedersachsen/oldenburg/etzel103.html
  19. http://www.spiegel.de/wissenschaft/natur/oelunfall-in-ostfriesland-verschmutzt-fluesse-und-boden-a-934191.html
  20. Caverns stellt übergreifendes Notfallkonzept am Standort Etzel vor, abgerufen am 11. März 2012
  21. Bürgerinitiative „Lebensqualität Horsten-Etzel-Marx“ – Gründe und Ziele, abgerufen am 11. März 2012
  22. Radio Bremen: Berechtigte Ängste oder berechtigte Hoffnungen bei der Speicherung von Energieträgern in Kavernen?, abgerufen am 11. März 2012
  23. Wilhelmshavener Zeitung: Beweislastumkehr für den Kavernenbau soll im Bergrecht verankert werden, abgerufen am 11. März 2012

Koordinaten: 53° 27′ 3,8″ N, 7° 54′ 11,5″ O