Sepp Dietrich

Josef „Sepp“ Dietrich (* 28. Mai 1892 in Hawangen; † 21. April 1966 in Ludwigsburg) war zunächst Kommandeur der Leibwache Adolf Hitlers (Leibstandarte-SS Adolf Hitler) sowie später SS-Oberst-Gruppenführer der Waffen-SS und Generaloberst der Panzertruppen. Er wurde nach dem Krieg als Mitverantwortlicher für das Malmedy-Massaker und wegen seiner Rolle bei Morden in Zusammenhang mit dem sogenannten Röhm-Putsch zu Freiheitsstrafen verurteilt.
Leben
Dietrich wuchs als Stiefkind in ärmlichen Verhältnissen auf und war vor dem Ersten Weltkrieg als Hotelbursche, Kutscher und Herrschaftsdiener[1]tätig. 1911 trat er freiwillig ins bayerische 4. Feldartillerie-Regiment in Augsburg ein, wurde aber bereits nach einem Monat wegen Krankheit entlassen.[2] Bei Kriegsbeginn 1914 trat Dietrich erneut in die Feldartillerie ein und war mit Unterbrechungen an der Westfront sowie 1917 in der Zwölften Isonzoschlacht eingesetzt. Ab Frühjahr 1918 war er bei der bayerischen Sturmpanzerwagen-Abteilung 13[3], einer der ersten deutschen Panzereinheiten. Dietrich war als Geschützführer eines erbeuteten Mark IV Panzers eingesetzt. Sein letzter nachweisbarer Dienstgrad war Unteroffizier; nach dem Stammrolleneintrag vom März 1919 hatte er außerdem das Eiserne Kreuz beider Klassen und das bayerische Militärverdienstkreuz III. Klasse erhalten.[4]
Nach dem Ersten Weltkrieg
Nach dem Ersten Weltkrieg trat er angeblich 1919 als Wachtmeister in die Bayerische Landespolizei ein. 1921 ließ er sich beurlauben, um mit dem ersten Bataillon des Freikorps Oberland u.a an der Erstürmung des Annaberges in Oberschlesien teilzunehmen. Wegen seiner angeblichen Beteiligung am Hitler-Ludendorff-Putsch in München am 9. November 1923 - außer seinen eigenen Angaben liegen keine Belege vor - musste Dietrich den Polizeidienst verlassen und lebte von wechselnden Beschäftigungen.[5]
Eintritt in die NSDAP und SS
Durch seine Bekanntschaft mit Christian Weber, bei welchem Dietrich als Garagenmeister bei dessen Tankstelle beschäftigt war, wurde er am 1. Mai 1928 Mitglied der NSDAP (Mitgliedsnr. 89.015) und trat nur wenig später, am 5. Mai 1928, in die SS (SS-Nr. 1.177) ein. Er war zunächst Expedient beim NS-Parteiverlag Eher.[1] In München stellte Dietrich die 1. SS-Standarte auf und führte dort den „Sturm 1“ (den späteren „SS-Traditionssturm“) bis Juni 1928. Am 1. Juni 1928 wurde er zum SS-Sturmführer[6] ernannt und erhielt bereits am 18. November 1929 den Rang eines SS-Standartenführers. Bei der Reichstagswahl 1930 wurde Dietrich Reichstagsabgeordneter der NSDAP. Sein Mandat behielt Dietrich auch nach der Machtübertragung an die Nationalsozialisten bis Kriegsende 1945 im dann funktionslosen Reichstag.[7]
Innerhalb der SS machte Dietrich rasch Karriere. Am 11. Juli 1930 erfolgte seine Ernennung zum SS-Oberführer. Beim Stennes-Putsch im Jahre 1931 zeigte er unbedingte Loyalität zu Adolf Hitler. Er erhielt deshalb am 18. Dezember 1931 den Dienstgrad eines SS-Gruppenführers und wurde mit der Führung des SS-Oberabschnittes „Nord“ (Hamburg) betraut.
Zeit des Nationalsozialismus
Im März 1933 wurde er zum „persönlichen Begleiter des Führers“ ernannt und übernahm den Schutz des Diktators als hauptberuflicher Leiter des „SS-Wachbataillon Berlin“. Eine herausragende Rolle übernahm Dietrich bei der Liquidierung der SA-Führungsspitze während des „Röhm-Putsches“: Mit Angehörigen der ersten und zweiten Schützenkompanie der SS-Leibstandarte Adolf Hitler reiste Dietrich in der Nacht vom 29. zum 30. Juni nach Bayern, wo er Hitler zur Verhaftung der Führungsspitze der SA nach Bad Wiessee begleiten sollte.
Da die Abordnung der Leibstandarte sich verspätete, entschloss Hitler sich kurzfristig, nur begleitet von einem Kommando der Bayerischen Politischen Polizei nach Wiessee zu reisen. Dietrich und seine Leute beteiligten sich stattdessen nach ihrer Ankunft in München an der Sicherung der Stadt gegen einen möglichen SA-Aufstand. Auf Anordnung Hitlers organisierte Dietrich außerdem am frühen Abend des 30. Juni zusammen mit seinem Adjutanten Josias zu Waldeck und Pyrmont die Erschießung von sechs der in Wiessee und München verhafteten SA-Führer durch Angehörige der Leibstandarte im Gefängnis München-Stadelheim. Unter diesen war auch Dietrichs Duzfreund August Schneidhuber, des Weiteren Hans Hayn, Edmund Heines, Hans Adam von Heydebreck, Wilhelm Schmid und Hans Erwin von Spreti-Weilbach.
Auf dem Gelände der Kadettenanstalt Lichterfelde ließen Dietrichs Stellvertreter Jürgen Wagner und Siegfried Taubert vom 30. Juni bis 2. Juli 1934 noch mindestens vierzehn weitere SA-Angehörige exekutieren. In Auszeichnung für seine Verdienste am 30. Juni wurde Dietrich einige Tage später mit Wirkung zum 1. Juli 1934 von Adolf Hitler zum Obergruppenführer der SS befördert. Aus dem „SS-Wachbataillon“ wurde 1934 die „1. SS-Standarte Adolf Hitler“ gebildet.
Zweiter Weltkrieg

Während des Zweiten Weltkrieges wurde Dietrich Kommandeur der zur Division ausgebauten Leibstandarte und zuletzt Oberbefehlshaber über die 6. SS-Panzerarmee, zu der vier SS-Panzerdivisionen der Waffen-SS gehörten und die neben zwei weiteren Armeen ab 15. Dezember 1944 in der Ardennenoffensive eingesetzt war. Die zunächst nur als Wachsoldaten ausgebildeten SS-Männer wurden unter seiner Führung für Kriegsverbrechen und ihre Kriegsführung bekannt, die zu hohen Verlusten führte, aber auch enorme militärische Erfolge erbrachte. Dietrich wurde mehrfach ausgezeichnet. 1942 erhielt er von Hitler eine persönliche Dotation von 100.000 Reichsmark.[8][9] Am 20. April 1942 wurde er auf Vorschlag Heinrich Himmlers als „dienstältester Panzergeneral des Heeres“ zum „SS-Oberst-Gruppenführer der Waffen-SS und Generaloberst der Panzertruppen“ befördert.[8][10][11] Doch er wurde anscheinend wohl nicht über seine Beförderung informiert. So begann er erst ab dem 23. August 1944 seine neuen Rangabzeichen als SS-Oberst-Gruppenführer der Waffen-SS zu tragen.[12]
Feldmarschall Erwin Rommel bereitete 1944 im Westen einen Waffenstillstand mit den Alliierten vor.[13] Um Probleme mit der Waffen-SS zu vermeiden, sprach er Dietrich im Juli 1944 darauf an: „Mit wem geht ihr, wenn ich hier Schluss mache?“ Dietrich antwortete: „Sie sind unser Oberbefehlshaber, wir gehen mit Ihnen!“[14]
Am Ende des Krieges nahm er mit der 6. SS-Panzerarmee an der Schlacht um Wien teil.
Nach Kriegsende
Dietrich wurde 1946 im Malmedy-Prozess, in dem die Erschießung von über 70 amerikanischen Kriegsgefangenen durch eine Einheit der Waffen-SS verhandelt wurde, zu lebenslänglicher Haft verurteilt. 1955 wurde er im Rahmen eines Bewährungsverfahrens begnadigt und aus dem Kriegsverbrechergefängnis Landsberg entlassen, nachdem seine Strafe schon 1951 in 25-jährige Haft umgewandelt worden war.
Seine Verbrechen im Zusammenhang mit dem Röhm-Putsch wurden 1957 vor dem Schwurgericht in München aufgerollt. Am 14. Mai 1957 wurde Dietrich wegen Beihilfe zum Totschlag zu einer Gefängnisstrafe von 18 Monaten verurteilt, von denen er sechs Monate von August 1958 bis Februar 1959 in der Justizvollzugsanstalt Landsberg verbüßte.
Im September 1960 hielt er sich für einen Jagdausflug im österreichischen Burgenland auf, was Proteste seitens der Bevölkerung auslöste. Innenminister Josef Afritsch erklärte Dietrich aufgrund Erregung öffentlichen Ärgernisses zur unerwünschten Person und ließ ihn durch Polizeibeamte zur Abreise auffordern.
Dietrich blieb zeitlebens ein überzeugter Anhänger des Nationalsozialismus und engagierte sich in der Hilfsgemeinschaft auf Gegenseitigkeit der Angehörigen der ehemaligen Waffen-SS (HIAG).[8] An seiner Beerdigung nahmen etwa 5.000 Menschen teil, überwiegend aus den Reihen der Waffen-SS.[15]
Auszeichnungen
Erster Weltkrieg und Zwischenkriegszeit
- Eisernes Kreuz (1914) II. und I. Klasse
- Bayerischer Militärverdienstorden III. Klasse
- Österreichische Tapferkeitsmedaille
- Schlesischer Adler II. und I. Stufe (1919)
- Kampfwagen-Erinnerungsabzeichen (1921)
Auszeichnungen in der Zeit des Nationalsozialismus
- Goldenes Parteiabzeichen der NSDAP
- Ehrenwinkel der Alten Kämpfer
- SS-Ehrenring (Totenkopfring)
- Medaille zur Erinnerung an den 9. November 1923 (Blutorden)
- Medaille zur Erinnerung an den 13. März 1938
- Medaille zur Erinnerung an den 1. Oktober 1938
- Spange zum Eisernen Kreuz II. und I. Klasse
- Verwundetenabzeichen (1939) in Silber
- Ritterkreuz des Eisernen Kreuzes mit Eichenlaub, Schwertern und Brillanten
- Ritterkreuz am 4. Juli 1940
- Eichenlaub am 31. Dezember 1941 (41. Verleihung)
- Schwerter am 14. März 1943 (26. Verleihung)
- Brillanten am 6. August 1944 (16. Verleihung)
- Medaille Winterschlacht im Osten 1941/42
- Krimschild
- Flugzeugführerabzeichen (ehrenhalber)
- Panzerkampfabzeichen
Siehe auch
Literatur
- Robert Wistrich und Hermann Weiß: Wer war wer im Dritten Reich. Fischer-Taschenbuch-Verlag, Frankfurt am Main 1993, ISBN 3-596-24373-4
- Michael Schadewitz: Zwischen Ritterkreuz und Galgen. Skorzenys Geheimunternehmen Greif in Hitlers Ardennenoffensive 1944/45. Helios-Verlag, Aachen 2007, ISBN 978-3-938208-48-9
- William T. Allbritton und Samuel W. Mitcham Jr.: SS-Oberst-Gruppenführer und Generaloberst der Waffen-SS Joseph (Sepp) Dietrich. In: Gerd R. Ueberschär (Hrsg.): Hitlers militärische Elite. Vom Kriegsbeginn bis zum Weltkriegsende. Band 2, Primus Verlag, Darmstadt 1998, ISBN 3-89678-089-1, ISBN 3-534-12678-5 (Wissenschaftliche Buchgesellschaft), Seite 37–44
- Christopher Clark: Josef „Sepp“ Dietrich - Landsknecht im Dienste Hitlers. in: Ronald Smelser, Enrico Syring (Hrsg): Die SS: Elite unter dem Totenkopf. Paderborn, 2000. ISBN 3-506-78562-1
Weblinks
- Literatur von und über Sepp Dietrich im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek
- Sepp Dietrich in der Datenbank der Reichstagsabgeordneten
- 189 Original-Dokumente von und über Dietrich aus dem Simon Wiesenthal Center
Einzelnachweise und Anmerkungen
- ↑ Bayerisches Hauptstaatsarchiv IV, z. B. 14040. Kriegsstammrolle
- ↑ 14007. Kriegsstammrolle, Bayerisches Hauptstaatsarchiv
- ↑ 18764. Kriegsstammrolle, namentl. Liste, Bayerisches Hauptstaatsarchiv
- ↑ 13011. Kriegsstammrolle, Bayerisches Hauptstaatsarchiv
- ↑ Klaus Cachay, Steffen Bahlke, Helmut Mehl: Echte Sportler – gute Soldaten. Die Sportsozialisation des Nationalsozialismus im Spiegel von Feldpostbriefen. Beltz Juventa, Weinheim, München, 2000, S. 350.
- ↑ Anmerkung:Der Dienstgrad „SS-Sturmführer“ wurde im Oktober 1935 in „SS-Untersturmführer“ umbenannt. (siehe auch Dienstalterslisten der SS)
- ↑ Sepp Dietrich in der Datenbank der Reichstagsabgeordneten
- ↑ a b c Ernst Klee: Das Personenlexikon zum Dritten Reich. Wer war was vor und nach 1945. Fischer Taschenbuch Verlag, 2. Auflage 2007, ISBN 978-3-596-16048-8, S. 110
- ↑ Gerd R. Ueberschär, Winfried Vogel: Dienen und Verdienen. Hitlers Geschenke an seine Eliten. Frankfurt 1999, ISBN 3-10-086002-0
- ↑ Mark C. Yerger: Allgemeine SS. The Commands, Units and Leaders of the General SS. Schiffer Publishing Ltd 1997, S. 144, ISBN 0-7643-0145-4
- ↑ Andrew Mollo: Uniformen der Waffen-SS. Bekleidung - Abzeichen - Ausrüstung - Ausstattung. Podzun-Pallas-Verlag 1993, ISBN 3-7909-0490-2, S. 154
- ↑ Andrew Mollo: ebenda
- ↑ Haus der Geschichte Baden-Württemberg (Hrsg.): Erwin Rommel. Geschichte und Mythos Braun Buchverlag, Karlsruhe 2009
- ↑ Manfred Rommel: 1944 – das Jahr der Entscheidung Hohenheim Verlag, Stuttgart 2010. Der Wortlaut ist nach dem Buch des Hauses der Geschichte Baden-Württemberg etwas anders. Rommel fragte demnach, ob Dietrich die Befehle auch ausführe „wenn sie im Widerspruch zu denen Hitlers ständen.“ Dietrich: „Sie, Feldmarschall, sind mein Oberbefehlshaber; ich gehorche nur Ihnen, was Sie auch vorhaben wollen.“
- ↑ Kriegsverbrecher-Aufmarsch „Nazideutschland ist auferstanden“, stuttgarter-zeitung.de, 21. September 2012
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Personendaten | |
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NAME | Dietrich, Josef |
ALTERNATIVNAMEN | Dietrich, Sepp (Rufname); Dietrich, Joseph |
KURZBESCHREIBUNG | deutscher Politiker (NSDAP), MdR, SS-Oberst-Gruppenführer und Generaloberst der Waffen-SS |
GEBURTSDATUM | 28. Mai 1892 |
GEBURTSORT | Hawangen, Allgäu |
STERBEDATUM | 21. April 1966 |
STERBEORT | Ludwigsburg |
- Militärperson (Bayern)
- Polizist (Deutsches Reich)
- Freikorps-Mitglied
- NSDAP-Mitglied
- Träger des Goldenen Parteiabzeichens der NSDAP
- SS-Mitglied
- Angehöriger der Waffen-SS
- Träger des Ritterkreuzes des Eisernen Kreuzes
- Träger des Bayerischen Militärverdienstordens
- Reichstagsabgeordneter (Weimarer Republik)
- Reichstagsabgeordneter (Deutsches Reich 1933–1945)
- Verurteilte Person (Dachauer Prozesse)
- Deutscher
- Geboren 1892
- Gestorben 1966
- Mann