Videojournalist
Ein Videojournalist konzipiert Filme selbst, dreht sie im Alleingang mit einer DV-Kamera und schneidet sie anschließend am Computer. Der Beruf des Videojournalisten ist durch die Einführung der DV-Technologie möglich geworden. Mit DV-Kameras und Homecomputer-Schnittplätzen wird es auch für Einzelmenschen nach überschaubarer Einlernzeit möglich, Filme in Fernsehqualität zu produzieren.
Als Guru der amerikanischen Videojournalisten-Bewegung gilt Michael Rosenblum. In Europa hat Rosenblum unter anderem bei der BBC in Großbritannien und beim Hessischen Rundfunk Videojournalisten ausgebildet.
Sein Konzept ist auch Grundlage der Videojournalisten-Ausbildung von rheinmaintv. Der regionale Fernsehsender für das Rhein-Main-Gebiet ist der einzige Sender in Europa, der ausschließlich auf die neue Berufsgruppe VJ setzt. Dort arbeiten 17 solcher Einmann-Teams, die jeden Tag neue Berichte aus Politik, Sport, Kultur und Unterhaltung produzieren. Jeder VJ besitzt dort seine eigene Kamera, einen PC mit Schnittsystem und ein Mischpult zum Vertonen der Beiträge. rheinmaintv ist durch diese neue Produktionsform in der Lage, sein Programm kostengünstig herzustellen.
Mit DV-Technologie ist nicht bloß billigere Filmproduktion möglich - wenn auch die Kostenersparnis für Sender und Produktionsanstalten große Motivation ist, Videojournalisten einzusetzen. Mit DV-Technologie können Geschichten auch anders, oft besser, erzählt werden. Die kleine DV-Kamera wirkt weniger einschüchternd auf Protagonisten als eine geschulterte professionelle Beta-Kamera. Statt Kameramann, Redakteur und Ton-Assistent ist nur noch ein Mensch vor Ort. So kann eine persönlichere Atmosphäre entstehen. Der Videojournalist ist räumlich und zeitlich weniger gebunden. Es kann flexibler auf das Geschehen eingehen. Was mit großen Teams die Ausnahme ist - das persönliche Gespräch, bei dem alle die Kamera vergessen, wird für Videojournalisten zur Regel.
Wie jede Technik stößt auch DV-Technik und der darauf aufbauende Beruf des Videojournalisten auf Widerstand der Benutzer bisheriger Werkzeuge. Häufigste Kritikpunkte: "Gröbere und teils verwackelte Bilder und schlechterer Ton." Mögliche Entgegnung: "Ja, diesem kann (und muss) aber entgegengearbeitet werden. Zuerst interessiert den Zuschauer aber ein gut erzählte Geschichte mit nahen, emotionalen Bilder. Das ist mit DV-Kameras einfacher zu bekommen."
Es gibt jedoch auch gravierende Nachteile des Videojournalismus, die seitens der Journalistik-Forscher bemängelt werden. So wird vor allem kritisiert, dass der "VJ" aufgrund seines vielfältigen Aufgabenbereichs, im Gegensatz zum spezialisierten Redakteur, nicht mehr die Zeit und die Muße hat, auf Kriterien der journalistschen Sorgfalt zu achten (z.B. Überprüfung von Fakten, Vorrecherche vor Interviews, Ausgewogenheit der Informationsquellennach nach den Kriterien Pro und Kontra). Dies trifft weniger auf idealistische Reportagefilmer zu als auf die vielen VJs, die bei privaten TV-Sendern aus Kostengründen an die Stelle von EB-Teams incl. Redakteur treten. Zusammenfassen könnte man dies alles dazu, das der Videojournalist keinen Kopf mehr hat, sein eigenes Tun im Bezug auf ethische, fachliche und profesionelle Grundsätze zu reflektieren. Dieses Manko bemängelt die Journalistik-Forschung allerdings auch bei anderen Bereichen der journalistischen Aussagenentstehung. Eine wissenschaftliche Erforschung der Berufsgruppe der Videojournalisten hat bislang in erster Linie in den USA und der Schweiz stattgefunden, nicht aber in Deutschland.
Von dieser Diskussion abgesehen setzt sich der Einsatz von Videojournalisten in immer mehr Produktionsfirmen durch, teilweise in gemischtem Einsatz mit konventiellen Produktionsweisen.
Literatur
- Dushan Wegner: Der Videojournalist. Mediabook-Verlag Reil, 2004, ISBN 3932972163
- Andre Zalbertus / Rosenblum, Michael: Videojournalismus. Uni Edition, 2003, ISBN 3937151109
- Ruedi Studer: Videojournalisten - Alleskönner für das Fernsehen? Die VideojournalistInnen beim Privatfernsehen in der Schweiz. gazette Medientexte, 2004, ISBN 3-033-00107-6