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Burgergemeinde Bern

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Wappenlogo der Burgergemeinde Bern, 1932 durch Paul Boesch gestaltet.
Die geflammte Bernerfahne wird von der Burgergemeinde als offizielle Fahne verwendet.

Die Burgergemeinde Bern ist die Bürgergemeinde der Stadt Bern in der Schweiz.

Sie ist eine durch die Verfassung des Kantons Bern garantierte öffentlich-rechtliche Körperschaft und besteht als so genannte Personengemeinde aus ca. 17'300 Angehörigen der 13 Gesellschaften und Zünfte und den Burgerinnen und Burgern ohne Zunftangehörigkeit.

Geschichte

Der Grosse Rat von Bern 1735

Die historischen Wurzeln der Burgergemeinde Bern gehen bis ins Mittelalter und die anschliessende Herrschaft des Patriziats zurück. In ihrer heutigen Form existiert die Gemeinde seit der Neuordnung des Gemeindewesens im Jahre 1833 im Zuge der Reformen nach der Abschaffung der Aristokratie durch die liberale Staatsverfassung von 1831. Ihre heutige Form, die Aufgaben und der Besitz wurden ihr durch den Ausscheidungsvertrag von 1852 zugewiesen, in welchem der dem heutigen Kanton Bern entsprechende Teil der Stadt und Republik Bern in die Rechtsnachfolger Kanton, Stadt und Burgergemeinde Bern aufgeteilt wurde.

Besitzungen und Gliederung

Innenhof des Burgerspitals

Die Burgergemeinde Bern verfügt über einen weitläufigen Grundbesitz, zu dem etwa die St. Petersinsel im Bielersee gehört. Sie unterhält in Bern wirtschaftliche, soziale und kulturelle Institutionen:

Gesellschaften und Zünfte

Die burgerlichen Gesellschaften Berns sind – im Gegensatz zu den meisten anderen Zünften der Schweiz (vgl. besonders Zürich) – Körperschaften des öffentlichen Rechts geblieben. Organisatorisch sind sie den politischen Gemeinden des Kantons Bern gleichgestellt, und ihnen obliegt vor allem die soziale Fürsorge für ihre Mitglieder. Die Namen der 13 Gesellschaften lauten (offizielle Rangfolge):

Nebst den 13 öffentlich-rechtlichen Gesellschaften existieren weitere privatrechtliche burgerliche Gesellschaften und Vereine (Aufzählung unvollständig):

Kritik

Die Burgergemeinde steht seit ihrer Entstehung Mitte des 19. Jahrhunderts unter Kritik. Ansatzpunkte sind der grosse Reichtum der Personalgemeinde, das Netzwerk und das soziokulturelle Verhalten innerhalb der Burgerschaft sowie die Personalpolitik innerhalb der burgerlichen Verwaltung. Die Historikerin Katrin Rieder hat in ihrer 2008 erschienenen Dissertation Netzwerke des Konservatismus. Berner Burgergemeinde und Patriziat im 19. und 20. Jahrhundert versucht, die Burgergemeinde sozialgeschichtlich zu analysieren. Die Verstrickungen einzelner Bernburger in der Nationalen Front, insbesondere die Rolle als Gauleiter des Kantons Bern des späteren Burgergemeindepräsidenten Georges Thormann haben für Gesprächsstoff gesorgt.

Rieders umfangreich dargestellten Ansätze kratzen indes nur an der Oberfläche und zeigen auf, dass das Funktionieren der Burgergemeinde Bern für Aussenstehende kaum zu erfassen ist. Der Zusammenhalt der patrizischen Familien Berns hat seit den beiden Weltkriegen stark abgenommen und spielt in der Burgergemeinde nur noch eine untergeordnete Rolle. Vom Zweiten Weltkrieg bis Ende des 20. Jahrhunderts hat die Zugehörigkeit zur Reismusketen-Schützengesellschaft bei der Verteilung von Ämtern eine Rolle gespielt, doch längst haben Netzwerke wie die Freimaurerei, Odd Fellows, Service-Clubs und Studentenverbindungen das Wirken im Hintergrund übernommen. Die Burgergemeinde ist zu einer wichtigen Klientin ihrer Angehörigen aus dem Baugewerbe, Anwälten und Notaren geworden. Die vordergründig «ehrenamtlich» tätigen Kommissions- und Behördemitglieder teilen Aufträge und Mandate unter sich auf. Dieser Aspekt wurde bisher von der Forschung nicht beleuchtet, eine Analyse steht noch aus. Insgesamt ist eine breite Kritik verstummt, da sich die Burgergemeinde durch geschicktes Marketing und Sponsoring im sozialen und kulturellen Bereich ein lupenreines Image verschaffen konnte. Insgesamt wandelte sich die Rolle der Burgergemeinde im 20. Jahrhundert von der institutionellen Bewahrerin altbernischer Traditionen und Privilegien hin zu einer «Milchkuh» des vermeintlich öffentlichen, burgerlichen Beschaffungswesens.

Siehe auch

Literatur

  • Die Burgergemeinde Bern : Gegenwart und Geschichte, Hrsg. von der Burgergemeinde Bern. 2. Auflage. Bern 1993, ISBN 3-7272-9081-1 (PDF-Datei; 60 MB)
  • Rundgang durch die Burgergemeinde, Hrsg. von der Burgergemeinde Bern. Bern 2009
  • Burgergemeinde Bern (Hrsg.): Wappenbuch der burgerlichen Geschlechter der Stadt Bern, (Wappen: Paul Boesch und Bernhard von Rodt, Text: Hans Bloesch), Bern 1932.
  • Verwaltungsbericht 2010
  • Quellenbericht 1930 - 1945
  • Katrin Rieder: Netzwerke des Konservatismus. Berner Burgergemeinde und Patriziat im 19. und 20. Jahrhundert. Chronos, Zürich 2008, ISBN 978-3-0340-0905-8.[6][7][8]
Commons: Burgergemeinde Bern – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. www.derburgerspittel.ch
  2. http://www.vbbern.ch/
  3. http://www.burgerverband.ch/
  4. http://www.burgergesellschaft.ch/
  5. http://burgerinnen-forum-bern.ch/
  6. Vgl. Hans-Ulrich Jost: Rezension zu: Rieder, Katrin: Netzwerke des Konservatismus. Berner Burgergemeinde und Patriziat im 19. und 20. Jahrhundert. In: Berner Zeitschrift für Geschichte und Heimatkunde 70 (2008), H. 4, S. 63–67
  7. Vgl. Kerstin Brunner: Rezension zu: Rieder, Katrin: Netzwerke des Konservatismus. Berner Burgergemeinde und Patriziat im 19. und 20. Jahrhundert. Zürich 2008. In: H-Soz-u-Kult, 16. März 2010; und Medienspiegel 14. August 2008. In: reitschule.ch, mit Beiträgen zur Diskussion um das Buch.
  8. Vgl. Christophe von Werdt: Der Ausscheidungsvertrag zwischen Burger- und Einwohnergemeinde Bern von 1852 – Quellenanalyse statt Verschwörungstheorie. In: Berner Zeitschrift für Geschichte 71(2009), H. 3, S. 57-97