Hrodna
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Hrodna bzw. Grodno (belarussisch Гродна/Hrodna; russisch Гродно/Grodno; polnisch Grodno; litauisch Gardinas; älter weißruss. Горадня/Horadnja oder Гародня/Harodnja; ) ist eine Stadt in Weißrussland an der Memel, nahe dem Dreiländereck mit Polen und Litauen. Es ist der Verwaltungssitz der Hrodsenskaja Woblasz und des Rajon Hrodna.
Die Stadt hat heute 328.000 Einwohner (2009) und ist die fünftgrößte Stadt Weißrusslands. 1919 bis 1939 gehörte Hrodna zu Polen und hatte eine aus Juden und Polen bestehende polnischsprachige Mehrheitsbevölkerung. Durch die von Stalin angeregten Grenzverschiebungen fiel die Stadt an die Sowjetunion, große Teile der polnischen Bevölkerung wurden vertrieben, stattdessen wurden Russen und Weißrussen aus anderen Landesteilen angesiedelt. Seit 1991 ist die Stadt Teil des unabhängigen Weißrusslands, bis heute findet sich dort aber noch eine starke polnische Minderheit. Hrodna ist Partnerstadt von Minden in Westfalen, von Breslau in Polen sowie von Alytus in Litauen.[1]
Wappen
Beschreibung: In Blau springt ein brauner Hirsch mit einem goldenen lateinischen Kreuz zwischen dem Geweih über einen silbernen Flechtzaun.
Geschichte
Hrodna wurde 1128 zum ersten Mal als eine Burg im russischen Fürstentum Polozk erwähnt. Einige Zeit später wurde sie zum Zentrum eines eigenständigen Fürstentums, das in der Folgezeit seine Unabhängigkeit an das Großfürstentum Litauen verlor. Die Stadtrechte erhielt Hrodna 1391 vom litauischen Fürsten Vytautas. Der Fürst stiftete der Stadt die Pfarrkirche und ließ sich zwei von drei hier befindlichen Schlössern ausbauen.

Nach der Schlacht bei Tannenberg (1410) erlebte die Stadt schnell eine Blütezeit, in der sie sich auch territorial erweiterte. Hrodna wurde von zwei Bürgermeistern regiert, einem katholischen und einem orthodoxen. Ihre goldene Zeit erlebte die Stadt während der Herrschaft der Jagiellonen- und Wasa-Dynastie. Während der Zeit von Stefan Batory wurde Hrodna de facto zur Hauptstadt des polnisch-litauischen Reiches. Das alte Schloss wurde damals ausgebaut, es entstand auch eine bekannte Jesuiten-Schule. Auch war Hrodna Sitz des Litauischen Tribunals, des höchsten Gerichts für die Gebiete des Großfürstentums Litauen. Schlechte Zeiten für Hblablablarodna brachen mit der sog. „Schwedenflut“ an. 1705 wurden die Russen bei Grodno von den schwedischen Truppen eingeschlossen, konnten sich aber im März 1706 erfolgreich absetzen, ohne dass es zu einem militärischen Aufeinandertreffen kam. Unter König August III. entstand 1737–1742 das Neue Schloss als Tagungsort für den Polnisch-Litauischen Sejm. Unter der Herrschaft von Stanisław August Poniatowski entstand das erste Schauspielhaus Litauens, der letzte polnische König gründete auch mehrere Schulen. Seit 1776 erschien die Wochenzeitung „Gazeta Grodzieńska“ (Grodnoer Zeitung) und „Rocznik Gospodarczy“ (Wirtschaftsjahrbuch).
Im Jahre 1793 fand in Grodno der letzte polnische Sejm statt, auf dem die zweite Teilung Polens ratifiziert wurde. Zwei Jahre später kam die Stadt unter russische Herrschaft und wurde 1802 zum Sitz eines russischen Gouverneurs. 1812 von napoleonischen Truppen besetzt, fiel sie einige Monate später wieder unter russische Kontrolle. Größeren Repressionen wurden die Bewohner der Stadt (mehrheitlich Polen und Juden) erst nach 1831 ausgesetzt. Der Zar ließ den griechisch-katholischen Ritus verbieten, römisch-katholische Klöster wurden Schritt für Schritt liquidiert. Die öffentliche Verwendung der polnischen Sprache wurde verboten.
1862 wurde die Warschau-Petersburger Eisenbahn gebaut, die auch Hrodna berührte. 1863 nahm die Mehrheit der Bewohner am Januaraufstand gegen Zar Alexander II. teil.
Die Stadt war ein bedeutendes jüdisches Zentrum, um 1900 waren rund 50 % der Einwohner Juden.[2]
Von 1915 bis 1919 war die Stadt von deutschen Truppen besetzt, im Frühling 1919 wurde sie dem wiedererrichteten Polen angeschlossen und zur Kreisstadt in der Woiwodschaft Białystok. Die Mehrheit der Stadtbevölkerung bildeten Juden. Weiterhin lebten katholische und orthodoxe Christen in der Stadt, von denen sich die Mehrheit als Polen verstand. In den Dörfern der Umgebung wohnten sowohl Polen als auch Weißrussen, im Norden auch Litauer.
In der Zwischenkriegszeit wurde die Stadt trotz wirtschaftlicher Schwierigkeiten zum kulturellen Mittelpunkt der Region: das Schauspielhaus, benannt nach Eliza Orzeszkowa, wurde eröffnet, es entstanden auch historische und geologische Museen und ein Zoo. Grodno war Sitz einer großen Militärgarnison. Ab 1930 wurden in Grodno wieder neue Häuser im Stil des Konstruktivismus errichtet. Viele von ihnen wurden in regionaler Holzbauweise in neuen Vierteln an der Peripherie der Stadt gebaut und sind heute vom Abriss bedroht. [3]
Am 21. September 1939 fiel die Stadt dem sowjetischen Einmarsch in Polen zum Opfer. Grodno war die einzige Ortschaft im damaligen Ostpolen, die Widerstand gegen die Rote Armee leistete. Am 2. November wurde die Stadt an Weißrussland angeschlossen und wurde zur Rajonstadt in Oblast Białystok. Im Februar, April, Juni 1940 und Februar 1941 wurden viele Bewohner Hrodnas, die als Klassenfeinde eingestuft wurden, von der sowjetischen Besatzung nach Sibirien und Kasachstan verschleppt.
Von Juni 1941 bis Juli 1944 war die Stadt von der deutschen Wehrmacht besetzt. Formal wurde der Bezirk Bialystok an Ostpreußen angegliedert, er verblieb aber eine eigene Verwaltungseinheit. Von Allenstein aus wurden in Bialystok Gestapo-Strukturen gegründet, die auch in Grodno die Überwachung der Bevölkerung sowie den Mord an den Grodnoer Juden organisierten. Die Juden der Stadt wurden ab dem 1. November 1941 in zwei Ghettos ins Zentrum der Stadt verbracht, von wo mehr als 20.000 Menschen in das Zwischenlager oder direkt in die Vernichtungslager Treblinka oder Auschwitz-Birkenau deportiert wurden, wo fast alle von ihnen ermordet wurden.[4]
Im Vertrag von 16. August 1945 akzeptierte die polnische kommunistische Regierung die neue Grenze entlang der Curzon-Linie. Der Großteil der polnischen Bevölkerung Hrodnas wurde nach Polen ausgesiedelt, wo sie sich in den neuen Westgebieten, im ehemaligen Ostpreußen aber auch in Zentralpolen ansiedelten. Nach 1945 migrierten neben sowjetischen Kadern aus dem Osten der BSSR und dem Inneren der Sowjetunion auch orthodoxe und katholische Bauern aus der Umgebung nach Hrodna. Dadurch lebten bereits seit Ende der 1950er Jahre offiziell mehr Polen und Belarussen in Grodno als vor 1939.[5]
Seit der Auflösung der Sowjetunion gehört die Stadt seit 1991 zum unabhängigen Weißrussland und ist Verwaltungssitz der Hrodsenskaja Woblasz. Am 19. Dezember 2008 teilte Vizeregierungschef Wladimir Semaschko in Minsk mit, dass auf dem Gebiet der Hrodsenskaja Woblasz der Standort des ersten weißrussischen Kernkraftwerks liegen werde. Der Bau sollte bereits 2009 beginnen. Derzeit befindet sich das Objekt noch in der Planungsphase.[6] Im September 2012 wurde der 2008 begonnene Bau des größten weißrussischen Wasserkraftwerks in Grodno fertiggestellt.[7]


Bauwerke
- Altes Schloss
- Neues Schloss
- 254 Meter hoher Sendeturm
- St. Franz Xaver Kathedrale
- St. Boris u. Gleb (Kalozha) Kirche
Die Altstadt von Hrodna sowie die St. Boris und Gleb Kirche aus dem 12. Jahrhundert werden wahrscheinlich in die UNESCO-Welterbe-Liste aufgenommen.
Söhne und Töchter der Stadt
- Zygmunt Wróblewski (1845–1888), polnischer Physiker, Professor der Jagiellonen Universität
- Wilfrid Michael Voynich (1865–1930), amerikanischer Büchersammler und Antiquar polnischer Abstammung
- Robert Wartenberg (1886–1956), deutscher Professor für Neurologie in den USA
- Lejb Najdus (1890–1918), jiddischer Dichter
- Meyer Lansky (1902–1983), amerikanischer Mafioso
- Nathan Yellin-Mor, (1913–1980), zionistischer Aktivist und israelischer Politiker
- Chasia Bornstein-Bielicka (* 1921), beteiligte sich während der Besetzung Polens in der Zeit des Nationalsozialismus am jüdischen Widerstand in den Ghettos Grodno und Białystok als Partisanin.
- Wiktor Woroszylski (1927–1996), polnischer Dichter
- Marek Skwarnicki (* 1930), polnischer Dichter
- Jerzy Maksymiuk (* 1936), polnischer Dirigent
- Aljaksandr Milinkewitsch (* 1947), Präsidentschafts-Kandidat der Opposition für die Wahlen 2006
- Olga Korbut (* 1955), weißrussische Kunstturnerin und Olympiasiegerin
- Juri Gumenjuk (1969–2013), weißrussischer Poet und Journalist
- Waleri Lewonewski (* 1963), weißrussischer politischer und gesellschaftlicher Aktivist, Vorsitzender eines Streikkomitees der Marktverkäufer und ehemaliger politischer Häftling.
- Aksana Papko (* 1988), weißrussische Radrennfahrerin
Sport
Der FK Njoman Hrodna ist ein Fußballverein, der in der Wyschejschaja Liha spielt. HK Njoman Hrodna ist mehrfacher Weißrussischer Meister im Eishockey.
Literatur
- Felix Ackermann: Palimpsest Grodno, Nationalisierung, Nivellierung und Sowjetisierung einer mitteleuropäischen Stadt 1919-1991. Harrassowitz Verlag, Wiesbaden 2010, ISBN 978-3-447-06425-5. (Deutsches Historisches Institut Warschau Quellen und Studien 23)
- The Beate Klarsfeld Foundation (Hrsg.): Documents concerning the destruction of the Jews of Grodno 1941–1944. 6 Bände & 1 Erg.-Band New York. (Band 6 erschien 1991)
Weblinks
- Offizielle Website der Stadt (russisch, weißrussisch, englisch)
- Grodno Das Ghetto (englisch)
- Grodno Das Festival der nationalen Kulturen
- Illustration von Daniel Meisner von 1625: Grodna. Longinquitas Redargui Non Potest (Digitalisat)
- Hrodna Region: The Land Of Catholics And Smugglers
Einzelnachweise
- ↑ Liste der Partnerstädte von Alytus, Litauen (abgerufen am 2. September 2010)
- ↑ P. R. Magocsi: Historical Atlas of Central Europe. University of Washington Press, Seattle 2002, S. 109.
- ↑ – Belarus Forum Grodnoer Konstruktivismus?
- ↑ Serge Klarsfeld: Documents concerning the destruction of the Jews of Grodno 1941–1944. Ghetto and Deportations to Death Camps. Cologne and Bielefeld Trials, 6 Bände; New York, Paris: Beate Klarsfeld Foundation, 1987–1992; DNB 552121444
- ↑ Felix Ackermann: Palimpsest Grodno, Nationalisierung, Nivellierung und Sowjetisierung einer mitteleuropäischen Stadt 1919-1991; Wiesbaden: Harrassowitz, 2010; ISBN 978-3-447-06425-5; S. 249–260
- ↑ RIA Novosti – 19. Dezember 2008 – Erstes Atomkraftwerk Weißrusslands wird bei Grodno gebaut
- ↑ [1]