Koran
Der Koran (arabisch qur'an, قران = "Rezitation") ist das Heilige Buch der Muslime. Nach islamischen Glauben ist er die unmittelbare Offenbarung Allahs. Der Koran besteht aus 114 mit Namen versehenen, in Reimprosa verfassten Suren, die nach ihrem Entstehungsort in mekkanische und medinensische unterteilt werden. Die Suren bestehen aus einer unterschiedlichen Anzahl an Versen (ayat, ايات).
Nach islamischer Tradition hat der Prophet Muhammad den Koran in direkter Offenbarung durch den Erzengel Gabriel (arab: Dschibril, جبريل) von Allah erhalten. Der in arabischer Sprache überlieferte Text gilt als 'Wort Gottes'. Dabei ist der Koran für Nicht-Muslime oft nicht leicht zu erschließen. Der Leser, der zum ersten Mal einen Koran in die Hand nimmt und " vorne " anfängt zu lesen, gerät gleich in eine erste Schwierigkeit. Da die Suren des Koran grob der Länge nach geordnet wurden, die frühen mekkanischen Suren, in denen in bildgewaltiger poetischer Sprache gesprochen wird, in der Regel aber nur wenige Zeilen umfassen, stößt der Leser zu Anfang auf die längeren medinensischen späteren Suren. In diesen werden eher Fragen des alltäglichen Zusammenlebens wie zum Beispiel Erbschaftsangelegenheiten oder das Verhalten bei Geschäften untereinander geregelt. Deswegen empfiehlt es sich beim ersten Studium den Koran "von hinten" zu lesen.
Für Goethe ist der Koran ein Buch, "das uns, so oft wir auch daran gehen, immer von neuem anwidert, dann aber anzieht, in Erstaunen setzt und am Ende Verehrung abnötigt."
Der Koran ist neben der Sunna die Hauptquelle des islamischen Gesetzes, der Scharia.
Textgeschichte
Nachdem der Koran zunächst v.a. mündlich weitergegeben wurde (siehe Hafiz), entstand auf Anordnung des Kalifen Uthman ibn Affan (644-656) die erste offizielle Niederschrift des Konsonantentexts, die endgültige vokalisierte Textfassung wurde vermutlich im frühen 10. Jahrhundert niedergeschrieben.
Bis heute existieren mehrere anerkannte Lesarten (qira'at) des Korantextes. Die Authenzität des Textes selber wird fast ausnahmslos auch von der westlichen Islamwissenschaft nicht mehr in Frage gestellt.
Wirkung
Der Koran bildete die Grundlage für zahlreiche Zweige der arabischen Wissenschaft. Aus dem Bedürfnis nach Auslegung des oft rätselhaften Stils und Vokabulars des Korans entwickelte sich die ilm at-tafsir, die Wissenschaft der (Koran)-Auslegung. Ausführliche, oft Dutzende Bände füllende Kommentarwerke entstanden, zu den berühmtesten zählen die von Tabari, Qurtubi oder Ibn Kathir.
Seine Sprache beeinflusste stark die Entwicklung der arabischen Grammatik - neben den erhaltenen Fragmenten der vorislamischen Dichter galt das koranische Arabisch als Richtschnur für die Korrektheit sprachlicher Ausdrücke.
Nach einem islamischen Weisheitsspruch ist der Koran ein sprechendes Universum und das Universum ein schweigender Koran.
Christoph Luxenberg (ein deutscher Philologe, der zum Schutz gegen islamistische Attentäter unter diesem Pseudonym schreibt; sein wirklicher Name ist bisher nicht veröffentlicht worden) betrachet die sprachgeschichtliche Situation der Entstehung des Korans und das religionsgeschichtliche Umfeld in einem neuen Blickwinkel, um so zahlreiche Stellen entgegen der Tradition zu lesen. Nach Luxenbergs Ansicht verwendet der Koran häufig Wörter aramäischen Ursprungs, die von Muhammads Gefährten falsch oder gar nicht verstanden wurden, wodurch eine Bedeutungsverfälschung stattfand. Folgt man dieser Analyse ändert sich auch das Bild, das im Koran vom Jenseits entworfen wird: den Gläubigen werden nach Luxenbergs Meinung in den Suren 44 und 52 nicht "Jungfrauen", sondern "weiße, kristallklare Trauben" versprochen. Luxenberg geht auch von einer großen persönlichen Nähe Muhammads zum Christentum der Altorientalischen Kirchen aus, anders aus als im allgemeinen angenommen wird. Muhammad habe den Koran nur als Zusatz und eine Art Predigtsammlung zur Bibel verstanden, die erst von seinen Nachfolgern abgelehnt worden sei. Diese Sichtweise ist allerdings auch unter westlichen Islamwissenschaftlern sehr umstritten. Dass viele Textstellen auch schon den frühen Kommentatoren, arabischen Muttersprachlern, erhebliches Kopfzerbrechen bereitet haben und bis heute nicht wirklich verstanden werden ist allerdings unstrittig
Inhalt
Name, Verszahl und Offenbarungsort werden gewöhnlich als Titel der Suren gedruckt. Danach folgt (außer in Sure 9) jeweils die Eröffnungsformel "Bismillah ir-Rahman ir-Rahim" ("Im Namen Allahs, des Barmherzigen, des Erbarmers"), die so genannte Bismillah. Diese wird gewöhnlich nicht als Vers mitgezählt.
Die im Arabischen übliche Zitierweise des Korans ist "<Name der Sure>, <Versnummer>"; im Westen ist dagegen "Koran, Sure <Surennummer>:<Versnummer>" üblich.
Anordnung der Suren
Die Zusammenstellung der einzelnen Verse zu Suren und deren Anordnung geht auf den Propheten Mohammed zurück, der jährlich gemeinsam mit seinen Anhängern den jeweils bis dahin offenbarten Text komplett auswendig rezitierte. Die Suren sind, mit Ausnahme der ersten, grob (aber nicht genau) nach abnehmender Länge geordnet, nicht etwa chronologisch. Thematisch springen die meisten längeren Suren häufig zwischen verschiedenen Themen hin und her, ohne dass ein direkter Zusammenhang offensichtlich wäre.
Viele kurze Erzählungen (oft biblischer Herkunft) erscheinen im Koran wieder und wieder, leicht variiert, in verschiedensten Zusammenhängen; die häufigste ist die von Moses' Konfrontation mit dem Pharao und dessen Hofzauberern.
Auch manche Lehrthemen erscheinen extrem häufig; etwa die Lehre dass Menschen, welche Allah "Partner beigesellen", in die Hölle verbannt werden.
Die geheimnisvollen Buchstaben
Ein bisher ungeklärtes Rätsel ist der Sinn der so genannten geheimnisvollen Buchstaben. Es handelt sich um Gruppen von ein bis fünf einzelnen arabischen Buchstaben, die jeweils am Anfang von 29 Suren nach der Bismillah stehen (am häufigsten erscheint "alif lam mim": A-L-M). Eine mögliche, aber wenig wahrscheinliche Deutung ist, dass es sich um Initialen der ursprünglichen ersten Niederschreiber handelt. Aber auch diverse esoterische und numerologische Deutungen sind über die Jahrhunderte schon vorgeschlagen worden. Die islamischen Mystiker, die Sufis, haben eine eigene Erklärung für diese Buchstaben.
Im Jahr 1974 (nach islamischem Kalender das Jahr 1393) will Dr. Rashad Khalifa, ein damals in den Vereinigten Staaten von Amerika lebender Ägypter und namhafter Autor einer Koranübersetzung ins Englische in der Schrift den Code 19 entdeckt haben. Zahlreiche Websites befassen sich mit dem Phänomen, daß die achte Primzahl 19 weit über das wahrscheinliche Maß von Zufälligkeit hinaus in etlichen numerologischen Analysen des Koran auftaucht, auf die Eingangssure verweist ebenso wie auf die Bismillah. Anhänger der These sehen darin den Beweis für die göttliche Herkunft des Koran und eine Art Prüfsummenschlüssel, der ihn vor einer Verfäschung schützt. Nebenbei finden damit die merkwürdigen Unstimmigkeiten wie die geheimnisvollen Schriftzeichen eine Erklärung. Die meisten Muslime akzeptieren Khalifas Analyse jedoch nicht. Damit dessen Zahlenanalysen funktionieren, erklärte er zwei ansonsten unumstrittene Verse des Korans (Sure 9:128-129), in denen Muhammad in besonders hohen Tönen gelobt wird, als nachträgliche, personenkultische Fälschung. Die Muslime können eine solche Erklärung in keiner Weise mit ihrem Verständnis von der Irrtumslosigkeit des Korans in Übereinstimmung bringen. Auch in der sonstigen Koranforschung sind diese zwei Verse nicht umstritten.
Rolle des Korans im islamischen Leben
Der Koran wird von Muslimen extrem hochgeschätzt. In den regelmäßigen Gebeten ist die erste Sure Al-Fatiha fester Bestandteil, andere Suren oder Teile davon werden den ersten beiden Gebetseinheiten hinzugefügt. Darüber hinaus wird der Koran auch privat studiert, rezitiert, und angehört. Heute wird er zunehmend, von im ganzen arabischen Raum bekannten Rezitatoren gesprochen, über Tonbandkassetten und CDs genutzt. Die schöne Rezitation des Koran ist eine eigene Kunstform, die in zwei Variationen (klar und mit wenigen Verzierungen bzw. stark verziert) gepflegt wird. Koran-Rezitation ist eine typische Domäne der Blinden in einer islamischen Gemeinschaft.
Übersetzungen
Der Orientalist Friedrich Rückert hat in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts weite Teile des Koran in gebundener Sprache ins Deutsche übertragen. Rückerts Übersetzung ist für ihre sprachliche Ausdrucksstärke berühmt, die so viel wie möglich vom Klang des koranischen Arabisch ins Deutsche hinüberzuretten versucht. Sehr viel trockener und schwerer lesbar, dafür häufig näher am Text bleibt die moderne wissenschaftliche Übersetzung von Rudi Paret. Daneben zirkulieren der so genannte Ahmadiya-Koran (eine zweisprachige Ausgabe mit dem arabischen Originaltext auf jeder geraden Buchseite), sowie Übersetzungen von Adel Khoury (traditionsgebunden, vom Islamischen Weltkongress unterstützt), Lazarus Goldschmidt, Ahmad von Denffer und Max Henning (Reclam). Eine der besten neuen deutschsprachigen Übersetzungen, die auch den arabischen Text und gleichzeitig zu jedem Vers eine Auswahl aus wichtigen, auf Deutsch übersetzten Kommentaren bringt, wurde von einer Gruppe deutschsprachiger Musliminnen unter Leitung von Fatima Grimm unter dem Titel Die Bedeutung des Koran herausgegeben.
- Die Bedeutung des Koran. SKD Bavaria Verlag, München, 2.Aufl. 1998 (5 Bände). ISBN 3-926575-40-9.
- Der Koran. Übersetzung von Max Henning. Stuttgart 1960. Überarbeitet, islamisiert und leicht kommentiert von Murad Wilfried Hofmann, Diederichs 3.Aufl. 2001.
- Der Koran. Übersetzung von Adel Khoury. Gütersloh 1987.
- Der Koran. Übersetzung von Rudi Paret. Stuttgart 1966.
- Hartmut Bobzin (Hg.): Der Koran in der Übersetzung von Friedrich Rückert, 4. Aufl., Würzburg 2001.
- Der Heilige Koran. Übersetzung der Ahmadiyya Muslim Jamaat, Verlag der Islam
Literatur
- Koran, in: Meyers Konversationslexikon, 4.Aufl. 1888, Bd.10, S.80.
- Theodor Nöldeke: Geschichte des Qorans.
- Über den Ursprung des Qorans. Leipzig 1909
- Die Sammlung des Qorans. Leipzig 1919
- Die Geschichte des Qorantextes. Leipzig 1938
- William Montgomery Watt: Companion to the Qur'an, based on the Arberry translation. London 1967
- Tilman Nagel: Der Koran. Einführung - Texte - Erläuterungen, München 1983 ISBN 3-406-43886-5
- Hartmut Bobzin: Der Koran. Eine Einführung. München 1999 (Beck) ISBN 3-406-43309-X
- Christoph Luxenberg: Die syro-aramäische Lesart des Koran, Berlin: Verlag Das Arabische Buch 2000. ISBN 3-89930-028-9
- Murad Hoffmann: Koran, München 2002, Diederichs. ISBN 3-7205-2316-0
- Ahmadiyya Muslim Jamaat: Einführung in den Heiligen Koran
Weblinks
- Projekt Gutenberg: Der heilige Koran
- http://cwis.usc.edu:80/dept/MSA/quran/ - Online-Fassung des Koran
- http://www.theholyquran.org/ - Koran in verschiedenen Übersetzungen
- http://www.sub.uni-goettingen.de/ebene_1/orient/quran-text.htm - Rüdiger Lohlker, Der Koran im Internet
- Mona Naggar: Wie aramäisch ist der Koran? Ein provokatives Buch zur Deutung «unklarer» Stellen, in: NZZ Online, 3. Februar 2001 (2003-05-17 eingesehen)
- http://zeus.zeit.de/text/2003/21/Koran - Die Zeit: Jörg Lau, Keine Huris im Paradies am 14. Mai 2003, 47
- http://www.publik-forum.de/aktuell/SUB_AKT3.HTM - Publik-Forum: Die Weintrauben des Paradieses - Kritische Analyse des Koran...