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Wärmebildkamera

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Wärmebildkamera
Eine Wärmebildkamera an einem Polizeihubschrauber

Eine Wärmebildkamera (auch als Thermografie-, Thermal-, oder Infrarotkamera, oder beim Militär Wärmebildgerät (dort oftmals als FLIR für Forward Looking Infrared) bezeichnet) ist ein bildgebendes Gerät ähnlich einer herkömmlichen Kamera, das jedoch Infrarotstrahlung empfängt. Die Infrarotstrahlung liegt im Wellenlängenbereich von ca. 0,7 µm bis 1000 µm. Wärmebildkameras nutzen allerdings aufgrund der typischen Emissionswellenlängen in der Nähe der Umgebungstemperatur (Wiensches Verschiebungsgesetz) den Spektralbereich von ca. 3,5 bis 15 µm (mittleres und langwelliges Infrarot). Dieser Bereich ist auch für die Messung und bildliche Darstellung von Temperaturen im Umgebungstemperaturbereich geeignet, wenn der Emissionsgrad bekannt ist. Dieser streut allerdings materialabhängig sehr zwischen 0,012 und 0,98 – entsprechend ungenau kann die Temperaturzuordnung ausfallen.

Da die normale Atmosphäre in diesem Bereich weitgehend transparent ist, stört die seitliche Einstrahlung der Sonne sowie künstlicher Lichtquellen kaum, solange die Distanz nur einige Meter beträgt. Bei größeren Entfernungen kann die Eigenstrahlung der Luft das Ergebnis verfälschen.

Theorie

Thermografie ist ein berührungsloses bildgebendes Verfahren, das die für das menschliche Auge unsichtbare Wärmestrahlung (mittleres Infrarot) eines Objektes oder Körpers sichtbar macht. Bei der Thermografie werden Temperaturverteilungen auf Flächen und Gegenständen erfasst und dargestellt. Zusätzlich zur passiven Temperaturmessung kann auch eine aktive Bestrahlung durch Infrarotstrahler erfolgen. Darauf basieren beispielsweise Verfahren zur Materialprüfung.

Die Wärmebildkamera wertet nur Unterschiede der empfangenen Leistung aus, weshalb Objekte mit stark unterschiedlichem Emissionsfaktor einen großen Messfehler (scheinbaren Temperaturunterschied) ergeben können. An jeder Wärmebildkamera lässt sich der vermutete Emissionsfaktor vorwählen. Strahlungsmessungen sind also mit Vorsicht zu betrachten.

Technik

Graustufenbild
Falschfarben-Wärmebild eines Hundes
Infrarot-Film eines schlafenden Neugeborenen

Bilder, die von Infrarotkameras erzeugt werden, liegen zunächst als Intensitätsinformation vor. Wärmebildkameras stellen diese üblicherweise in Graustufen dar, gängige Kameramodelle sind in der Lage, bis zu 256 (8 bit) Graustufen aufzulösen. Allerdings ist es für den menschlichen Betrachter nicht möglich, derart feine Graustufungen aufzulösen; es ist daher nützlich, Bilder in Falschfarben-Darstellung zu erzeugen, wozu fast alle Wärmebild-Kameras in der Lage sind. Der komplette sichtbare Farbraum des Auges bietet mehr Unterscheidung als reine (Grau-)Helligkeitsunterschiede. Im so eingefärbten Bild ist die „Helligkeit“, die auf eine thermische Anomalie hinweist, durch eine Änderung der angezeigten Farbe repräsentiert anstatt durch unterschiedliche Graustufen. Für die Einfärbung der Grauwert-Bilder stehen gewöhnlich verschiedene Farbpaletten zur Verfügung. Oft wird der hellste (wärmste) Teil des Bildes weiß, die Zwischentemperaturen werden in Gelb- und Rottönen und die dunklen (gleich kälteren) Teile des Bildes in Blautönen dargestellt. In der militärischen Anwendung wird normalerweise eine Falschfarbendarstellung nicht verwendet, da die Erkennbarkeit des Bildgegenstands für den menschlichen Betrachter hierdurch reduziert wird.

Die geometrische Auflösung von kommerziellen Thermografiekameras ist beträchtlich niedriger als bei Kameras für den sichtbaren Spektralbereich. Sie liegt typischerweise bei 160 × 120, 320 × 240 oder 384 × 288 Bildpunkten (Pixel). Neuerdings werden auch Detektoren mit 640 × 480 Pixeln eingesetzt. Durch Micro Scanning kann die Kameraauflösung auf bis zu 1280 × 960 verbessert werden. Die Auflösung bestimmt im Zusammenspiel mit den eingesetzten Objektiven beziehungsweise dem Gesichtsfeld (Field of View) der Kamera den kleinsten definierbaren Messfleck des Thermografiesystems.

Wandler-Materialien

Es existieren verschiedene Verfahren, nach denen infrarote Bildsensoren funktionieren.

  • Bei sehr kurzen Wellenlängen um 800 nm kommen Siliciumsensoren zum Einsatz. Sie wandeln die Photonen über den photoelektrischen Effekt direkt in einen Photostrom um.
  • Für Wellenlängen von 1 bis 2 µm (SWIR) verwendet man Indium-Gallium-Arsenid-Sensoren (InGaAs) oder Bleisulfid-Sensoren.
  • Im Wellenlängenbereich 3-5 µm (MWIR) verwendet man hauptsächlich Indium-Antimon-Detektoren (InSb) und Cadmium-Quecksilber-Tellurid-Detektoren (MCT). Ein Kaltfilter begrenzt dabei die Wellenlänge nach unten. Indium-Antimon-Detektoren mit entsprechenden Kaltfiltern bieten einen empfindlichen Spektralbereich von 1 bis 5 µm.
  • Für den langwelligen Bereich von 8 bis 14 µm (LWIR) werden häufig Gallium-Arsenid-Quantentopf-Detektoren (QWIP) sowie Cadmium-Quecksilber-Tellurid-Detektoren verwendet. Mikrobolometerarrays, die die Strahlung über eine Erwärmung eines Sensorelements detektieren, sind für diesen Wellenlängenbereich ebenfalls gut geeignet. Gängige Materialien für Mikrobolometerarrays sind Vanadiumoxid (VOx) oder amorphes Silizium (a-Si).

Die Objektiv-Linsen von Thermografiekameras bestehen aus einkristallinen Halbleitermaterialien (Germanium, Zinkselenid).

Kühlung

Damit die Eigenstrahlung der Kamera und des Detektors die Messung nicht beeinflusst, werden die nach dem photoelektrischen Effekt arbeitenden Detektoren auf Temperaturen im Bereich um 70K gekühlt. Früher wurde für die Kühlung oft flüssiger Stickstoff oder Kohlenstoffdioxid verwendet, moderne Kameras arbeiten meist mit Peltierelementen, sehr genaue Modelle für wissenschaftliche Anwendung dagegen auch mit Stirlingkühlern.

Typen

Thermografiekameras können in zwei Arten unterteilt werden:

Gekühlte Infrarotdetektoren

Gekühlte Infrarotdetektoren arbeiten nach dem inneren Fotoeffekt, das heißt, sie bestehen aus einem Array aus Fotoempfängern. Die Detektoren sind gewöhnlich in einem vakuumversiegelten Gehäuse untergebracht und werden kryogenisch gekühlt. Die Arbeitstemperatur der Detektoren liegt dabei typischerweise zwischen 4 K und 110 K, wobei ein üblicher Wert bei rund 80 K (etwas über der Siedetemperatur von Stickstoff) liegt. Damit sind die Detektoren in der Regel viel kälter als die zu beobachtenden Objekte, wodurch sich die thermische Empfindlichkeit (Temperaturauflösung) des Thermografiesystems gegenüber den ungekühlten Systemen entscheidend erhöht. Ein Nachteil dieser Methode: Fällt die Kühlung des Detektors aus, ist das Thermografiesystem „blind“.

Weitere Nachteile gekühlter Systeme sind die erhöhten Anschaffungs- und Betriebskosten sowie die mitunter langen Anlaufzeiten, bis das System den Detektor auf Betriebstemperatur herunter gekühlt hat. Dem gegenüber steht die herausragende Bildqualität im Vergleich zu ungekühlten Systemen.

Die Infrarotdetektoren gekühlter Systeme bestehen meist aus speziellen Halbleiter-Materialien.

Die gängigste Kühlmethode arbeitet mit kleinen Stirling-Kältemaschinen.

Ungekühlte Infrarotdetektoren

Ungekühlte Thermografiekameras nutzen Detektoren, die bei Umgebungstemperatur arbeiten und meist nahe der Umgebungstemperatur thermostatiert werden. Alle modernen ungekühlten Systeme arbeiten nach dem Prinzip der Änderung von Widerstand, Spannung oder Stromstärke bei Aufheizung des Detektors durch die Infrarotstrahlung. Diese Änderungen werden gemessen und mit den Werten bei Betriebstemperatur verglichen. Hieraus ermittelt man aufgenommene Strahlungsmenge und errechnet – unter Zuhilfenahme eines voreingestellten Emissionsfaktors – eine Temperatur.

Ungekühlte Infrarot-Sensoren werden durch thermoelektrische Kühler, die Peltierelemente, auf konstanter Temperatur gehalten, um Signaldrift der Empfänger-Elemente zu verringern. Solche Systeme kommen ohne kostspielige, unhandliche Kühlvorrichtungen aus. Damit sind diese Thermografiesysteme deutlich kleiner und kostengünstiger als gekühlte Systeme. Sie liefern aber ein vergleichsweise schlechteres Ergebnis.

Ungekühlte Detektoren verwenden pyroelektrische oder Mikrobolometer-Arrays.

Typische Anwendungsgebiete

Bauthermografie: ungedämmte Außenwand
defekter Kabelanschluss an einem Relais

Ursprünglich für den Militärgebrauch während des Korea-Krieges entwickelt, sind Thermografiekameras heute in vielen Einsatzgebieten zu finden. Die Entwicklung neuer Technologien und der damit verbundene Preisverfall bei den Thermografiesystemen hat wesentlich zur Verbreitung dieser Technologie geführt. Die Verbesserung der eingesetzten Objektive und die Entwicklung professioneller Software für Analyse und Berichtserstellung erweitern die Einsatzmöglichkeiten der Infrarot-Thermografie fortlaufend.

Zivile Anwendung

Ein Feuerwehrmann sucht mit einer Wärmebildkamera nach Glutnestern

Im zivilen Bereich werden vorwiegend ungekühlte Infrarotdetektoren verwendet. Es gibt Handgeräte, welche zum Beispiel den Temperaturbereich von −20 °C bis 900 °C abdecken und eine Temperaturauflösung von 0,025 K liefern. Oft können Objektive mit unterschiedlichen Öffnungswinkeln verwendet werden; die Bilder können gespeichert oder an einen PC übertragen werden.

  • In der Bauthermografie wird das Verfahren zur Prüfung der Wärmedämmung von Häusern, zur Gebäudediagnostik/Energieausweis und Kontrolle von Flachdächern, zur Strukturanalyse des Mauerwerks, zur Feuchte-Detektion in Wänden und Dächern und zur Lokalisierung von Rissen in Rohrleitungen eingesetzt.
  • In der Industrie und Fertigung werden Wärmebildkameras beispielsweise zur Messung der Verteilung der Verlustleistung an elektronischen Baugruppen und zur Prüfung elektrischer Anlagen und mechanischer Systeme verwendet.
  • Bei der Feuerwehr unterstützen die Wärmebildkameras das Aufspüren von Glutnestern bei Bränden sowie die Suche von Personen in verrauchten Gebäuden oder weitläufigem Gelände bei Dunkelheit. In diesem Bereich kommen Graustufen-Bilder zum Einsatz, die die heißeste Stelle ab einer bestimmten Temperatur rot einfärben. Da die verwendeten Geräte sehr teuer sind (mehrere tausend Euro), ist es kleineren Freiwillige Feuerwehren fast unmöglich, eine Kamera anzuschaffen. Manchmal „teilen“ sich mehrere Feuerwehren eine Wärmebildkamera.
Mobile Wärmebildkamera
  • Die Bundespolizei überwacht mit Hilfe von stationären und mobilen Wärmebildkameras Grenzabschnitte. Illegale Grenzübertritte können erkannt werden: Menschen und Tiere sowie ihre vor kurzem verlassenen Lagerstellen sind aufgrund der erhöhten Temperatur auch im Dunklen aus der Ferne sichtbar.
  • In der Medizin werden Wärmebildkameras zur Entdeckung lokaler Entzündungsherde eingesetzt.
  • In jüngster Zeit findet die Wärmebildkamera auch immer mehr Anklang bei Fotokünstlern, die Wärmebilder als Ausdrucksmedium nutzen. Weitere Beispiele finden sich im Artikel Infrarotfotografie.
  • Die neuste Entwicklung sind Wärmebildkameras beinhaltende Fahrerassistenzsysteme, zum Beispiel das bei BMW verbaute System der Firma Autoliv Inc., welches Menschen und Tiere aufgrund ihrer Wärmestrahlung besser erkennen kann als gängige Kameras im nahen Infrarot, die lediglich Nebel besser durchdringen können.

Militärische Anwendung

Im militärischen Bereich werden Wärmebildgeräte (WBG) zum Beobachten und Aufklären bei Dunkelheit oder schlechter Sicht genutzt. Das WBG des Kampfpanzers Leopard 2 basiert beispielsweise auf einem Detektor aus Quecksilber-Cadmium-Tellurid (engl.: mercury cadmium tellurid, MCT), der auf ca. −190 °C gekühlt wird, was eine Vorlaufzeit von ungefähr 15 Minuten verlangt. Die Anzeige ist grün-monochrom mit einer wählbaren Polarität von schwarz oder weiß, so dass Wärmequellen besonders hell oder dunkel erscheinen. Bei ausreichendem Temperaturunterschied einzelner Objekte kann man einen beobachteten Geländeabschnitt sehr gut erkennen.

Wärmebildgeräte haben gegenüber Nachtsichtgeräten den Vorteil, dass weder Restlicht vorhanden sein, noch ein Infrarotscheinwerfer eingesetzt werden muss. Weiter können auch tagsüber optisch gut getarnte Objekte in vielen Fällen aufgrund der Wärmesignatur leicht erkannt werden. Ein Verstecken von Wärmequellen ist – vor allem bei niedrigen Außentemperaturen – nur mit sehr großem Aufwand möglich.

Grenzen sind der Anwendung von WBG allerdings bei starkem Regen, Nebel oder Schneetreiben gesetzt.

Zielsuchsysteme selbstlenkender Raketen-Waffen können teilweise die Wärmequellen eines Flugzeugtriebwerkes von denjenigen abgeworfener Täuschkörper unterscheiden.

Literatur

  • Werner Brügel: Physik und Technik der Ultrarotstrahlung. Vincentz, Hannover 1961, 448 S.
  • Helmut Israel: Messen und Orten mit Infrarot. Franzis, München 1988, 127 S.
  • Thomas Zimmermann: Lehrbuch der Infrarotthermografie. Fraunhofer IRB, Stuttgart 2012, 170 S.
  • Keller, Maass, Reichard, Witte: WBK-Ausbilderhandbuch Feuerwehr. Köln 2012
Commons: Thermografie – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien