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Gähnen

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
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gähnende Katze

Das Gähnen ist eine Tätigkeit, die ausdrückt, dass man sich kurz vor oder kurz nach einem Wechsel des Schlaf- beziehungsweise Wachzustandes befindet. Daher kommt es vor, dass man besonders nach dem Aufstehen und kurz vor dem Schlafengehen gähnt. Es kommt vor, dass das menschliche Gruppenverhalten Gähnen auslöst. Das bedeutet, dass jemand, der in Sicht- oder Hörkontakt mit anderen Personen oder Tieren ist, auch zu gähnen beginnt. Daher spricht man auch oft davon, dass Gähnen ansteckend sei.

Ein weiterer Grund für das Gähnen kann Langeweile sein, welche wegen ihrer Ähnlichkeit zum oben erwähnten Schlafzustand zum Gähnen animiert.

Wortherkunft

Gähnen kommt aus dem Mittelhochdeutschen genen, ginen; dieses geht wiederum auf das Althochdeutsche ginēn „den Mund aufsperren, gähnen“ zurück. Alle, der germanischen Wortgruppe angehörenden Worte kommen aus der indogermanischen Wurzel ĝhē- „gähnen, klaffen“ und ahmten ursprünglich den Gähnlaut nach.

Verwandt sind auch das griechische cháskein –chásma „klaffende Öffnung, cháos leerer Raum, Luftraum, Kluft“ (siehe auch Chaos und Glas) auf diesen Stamm geht auch Gier zurück.

Geschichte des wissenschaftlichen Gähnens

"Jeder kennt es, jeder tut es und keiner weiß, wozu es gut ist."

Die wenigen wissenschaftlichen Untersuchungen zu diesem Thema beschäftigten sich hauptsächlich mit der "Ansteckung" beim Gähnen: Ich gähne, der andere gähnt mit. Es handelt sich hier also um eine kausale Betrachtungsweise, die nach den Ursachen des Gähnens fragt.

1942 publizierte der Amerikaner Joseph Moore als erster über Experimente zum Thema Gähnen. Er hatte mit seinen Versuchen nach visuellen und auditiven Stimuli gesucht, die Gähnen auslösen. Damals war es eine Revolution, unter kontrollierten Bedingungen Versuche durchzuführen. Trainierte Studenten gähnten „kontrolliert“ während der Vorlesungen, des Gottesdienstes und im Lesesaal einer Bibliothek. Am häufigsten wurde bei der Morgenandacht mitgegähnt. Außerdem ließ Moore Probanden Gähnen sehen oder hören. Methodisch wies seine Experimentenreihe viele Schwächen auf – so fehlte beispielsweise eine Kontrollgruppe. Ihre Stärke liegt hauptsächlich in der quantitativen Herangehensweise.

Erst 40 Jahre später trat sein Landmann Robert Provine in seine Fußspuren. Dieser Wissenschaftler untersuchte auch das Lachen. Bei Probanden, die ans Gähnen denken mussten, dauerte ein „Gähner“ durchschnittlich 5,9 Sekunden, trat 0,9 Mal pro Minute auf und es konnte absolut keine Verbindung zwischen Gähndauer und Gähnfrequenz festgestellt werden. Die Kiefer aufeinander gepresst zu halten konnte das Gähnen nicht verhindern und wurde von den Versuchspersonen als unangenehm erfahren. Beim Schauen eines Videos von fünf Minuten Länge mit gähnenden Personen gähnten 23 von 42 Versuchspersonen mit (40–60 %). Bei lächelnden Personen im Video waren es nur fünf. Gähnen in einem Text produziert viel mehr Gähnen als ein schriftlich beschriebener Schluckauf.

Provine konnte auch die Hypothese entkräften, dass Gähnen etwas mit einem erhöhten Kohlendioxid- bzw. erniedrigtem Sauerstoffgehalt im Blut zu tun hat. Studenten, die reinen Sauerstoff oder Luft mit 3 bis 5 % erhöhtem Kohlendioxidgehalt zum Atmen erhielten, gähnten nicht signifikant anders oder mehr.

Eine funktionale Betrachtungsweise kann entsprechend einer phänomenologischen Unterscheidung des Gähnens z.B. in Einschlaf-, Aufwach-, Langeweile- und Protestgähnen gewisse Finalitäten erkennen, die entweder bewußt intendiert sind (z.B. Protest) oder einer teils unbewußt gesteuerten Kundgabe psychischer Zustände oder Interessen dienen (z.B. Langeweile), die aber auch eine organische Funktion haben können (das sog. Aufwachgähnen ermöglicht die Umstellung des Organismus von der Schlaf- auf die Wachatmung und dient so der Stabilisierung organischer Vorgänge, während das Einschlafgähnen ein Signal des Organismus darstellt, dass der Mensch nun eigentlich des Schlafes bedürfe).

Tiere gähnen – aber welche Tiere?

1949 wurde von Julian Huxley beschrieben, dass Ameisen nach dem Aufwachen erst ihren Kopf, danach ihre sechs Beine strecken und dann ihre Kiefer auf eine Art und Weise aufsperren, die an Gähnen erinnert. Beobachtungen von „gähnenden Fischen“ leiden am selben Übel wie andere Geschichten dieser Art: sie haben alle eher beiläufigen Anekdotencharakter und nur wenig bis nichts von wissenschaftlicher Untersuchung.

Konrad Lorenz behauptete noch 1963, dass Vögel und Reptilien nicht gähnen. Diese Meinung wurde 1967 widerlegt, nachdem ein südafrikanischer Strauß beim Gähnen erwischt worden war (soviel zum Popperschen falsifizieren). Bei Säugetieren gähnen Raubtiere mehr als Pflanzenfresser. Bis jetzt wird davon ausgegangen, dass Giraffen, Wale und Delfine nicht gähnen. Affen um so mehr. Paviane und Makaken unterscheiden zwischen echtem Gähnen (mit geschlossen Augen) und einem Gähnen aus Affekt oder emotionaler Spannung (mit offenen Augen). Letzteres kann drohend sein oder eine sexuelle Komponente beinhalten. Ältere Affen, vor allem dominante, gähnen mehr als jüngere.

Neuere Arbeiten

Dazu würde eine neue Literaturstudie von Wolter Seuntjens passen, die eine erotische Seite des Gähnens vermuten lässt. Andere (Frans Leeuw) lehnen seine Hypothese allerdings als zu wenig untermauert ab.

Bei Untersuchungen von Feten im Mutterleib konnte von Wissenschaftlern in South Carolina schon ab der 11. Woche Gähnen beobachtet werden. Es ist sehr wahrscheinlich, dass hier nicht Langeweile die Ursache ist, sondern andere Gründe vorliegen müssen. Der Druck in der Lunge wird vermindert und Gewebefetzen und abgesondertes Sekret wird ausgeschieden, damit wird einer Erweiterung (Dilatation) der Atemwege und der Lunge entgegengewirkt. Somit hat das, nach der Geburt anscheinend unnütze Gähnen, vor der Geburt durchaus einen Sinn. Dass es sich dennoch entwicklungsgeschichtlich halten konnte lässt vermuten, dass das Gähnen vielleicht in sozialer Hinsicht eine Funktion übernommen hat.

Alle physiologischen Auffassungen, wie beispielsweise Sauerstoffmangel und Schläfrigkeit konnten experimentell nicht nachgewiesen werden. Ebenso die soziale Synchronisation der Schlafzyklen konnte experimentell nicht bewiesen werden. Steven Platek konnte allerdings einen Zusammenhang zwischen der Empathie einer Person und dem Nachahmungverhalten finden, welchem das Gähnen zugerechnet wird. Siehe hierzu auch Lippsches Konzept und Chamäleon-Effekt. Somit ist es möglich, dass Personen die sich nicht oder nur schwer vom Gähnen anderer anstecken lassen eine geringere Fähigkeit haben sich in andere Menschen hineinzuversetzen. Diese These konnte von Marco Iacabonu insofern bestätigt werden, dass Beobachten und Nachahmen von Emotionen von anderen fast dieselben Erregungsmuster im Gehirn wachrufen. Bei Schimpansen konnte beobachtet werden, dass sie sich ebenso vom Gähnen ihrer Artgenossen anstecken lassen. Britische und japanische Wissenschaftler sehen darin einen Beleg, dass Schimpansen ebenfalls über Einfühlungsvermögen verfügen.

Zitate

Della Casa bemerkte Mitte des 16. Jahrhunderts: „Gelehrte hörte ich oft sagen, dass ,Gähner‘ im Lateinischen soviel bedeutet wie ,Faulenzer‘ oder ,Nichtstuer‘. Vermeide also diese Unsitte, die das Ohr, die Augen und den guten Geschmack beleidigt; schließlich zeigt das Gähnen nicht nur, dass wir der anwesenden Gesellschaft wenig gewogen sind, sondern es wirft auch ein schlechtes Licht auf uns selber. Es sieht aus, als wären wir schläfrig und müden Geistes, was uns nicht eben liebenswürdig macht für diejenigen, mit denen wir umgehen.“

Siehe auch

Vorlage:Wiktionary1

Untersuchungen zum Gähnen

  • Lehmann, (1979), YAWNING A homeostatic reflex and itspsychological significance
  • Baenninger, (1987), Some comparative aspects of yawning in Betta sleepnes, Homo Sapiens, Pantera leo and Papio sphinx
  • Smith, (1999),Yawning: an evolutionary perspective
  • Anderson and Meno, (2004), Psychological influences on yawning in children
  • Platek et al, (2003), Contagious yawning: the role of self-awareness and mental state attribution
  • Seuntjens, (2004), On Yawning or The Hidden Sexuality of the Human Yawn.