Seetaler Winterbräuche
Das Seetal befindet sich in der Schweiz zwischen Lenzburg im Norden und Luzern im Süden. Im nördlichen Teil, im Bezirk Lenzburg, werden verschiedene Winterbraüche praktiziert. Vor allem Hallwil ist für seine Erhaltung alter Traditionen bekannt.
Chlauschlöpfen
Von Anfang November bis zum zweiten Sonntag im Dezember wird in der Region Lenzburg mit Geisseln geknallt. Mehr dazu gibt es im Artikel über das Chlauschlöpfen.
Samichlaus
In der näheren Umgebung von Lenzburg kommt der Samichlaus nicht wie gewohnt am 6. Dezember, sondern am zweiten Donnerstag im Dezember. An diesem Tag findet in den Gassen der Stadt Lenzburg der traditionelle Chlausmärt statt.
Chlausjagen
1. Rund um den Chlaus 1.1. Der Name des Brauchs Der Chlaus- oder Samichlaustag ist der Namenstag des Heiligen Bischofs Nikolaus von Myra aus dem Orient, der als besonders mildtätig und bescheiden galt. Nach Kirchenkalender feiert man am 6. Dezember St. Nikolaustag, oder eben „Samichlaus“. In einigen ländlichen Gebieten wird der Samichlaus auch an leicht verschobenen Daten verehrt. Wenn vom „Chlausjage“ gesprochen wird, so kann es so verstanden werden, dass der Chlaus selbst durch die Gegend „jagt“, oder aber, dass er selbst gejagt oder verjagt wird.
1.2. Der Chlaustag Seit dem Mittelalter kennt man den Myra-Kult, der aus dem vorderen Orient, der Heimat des berühmten Bischofs, zu uns drang. Als Bischof mit einem ganzen Tross an Dienern und „Schmutzli“ kommt der Samichlaus, der den Kindern Geschenke bringt, bei den Katholiken heute noch in die Stuben. Die Reformation versuchte, die pompöse Gestalt mitsamt der Heiligenverehrung zu verdrängen. Immerhin entwickelte sich aus dem Kleriker ein volksnäherer, „reformierter“ Samichlaus. Ein Alter in rotem Kapuzenmantel , der mit dem Schmutzli aus dem tiefen Wald kommt, um Geschenke und Ruten zu verteilen, existiert neben dem traditionell-katholischen, so dass wir heute - je nach Region - zwei Formen vorfinden. Der Samichlaus ist jedoch stets belehrend und gutmütig; der schwarze, oft glockenbehangene Schmutzli hingegen ist eine mahnende oder gar strafende Figur.
Der christlich anmutende Samichlaus kann ausser dem Schmutzli noch andere unchristliche Begleiter haben, die lärmend, mit Peitschen, Glocken oder Hörnern - den Chlaus jagend - umherziehen. Oft weicht ihr Auftreten datumsmässig von dem des Samichlaus ab. Vielfach werden solche Horden selbst als Chlausen bezeichnet; diese wiederum findet man von Ende November bis tief in den Januar hinein. Das „Chlausjage“ muss demnach ursprünglich nicht zwingend an ein Datum fixiert gewesen sein, sondern hat lediglich den Namen des Heiligen übernommen.
Die Hallwiler Chlausen haben ihren Auftritt am zweiten Donnerstag im Dezember, dem Tag des Lenzburger Chlausmarktes . Immer dann nämlich locken knallende Peitschen den Samichlaus und alle anderen Chlaus-Gestalten der Region aus dem Goffersberg – zumindest der Sage nach. Hier und dort wurden an diesem Datum Festmähler abgehalten; die „Wurstwegge“ schien zu diesem Anlass besonders beliebt, da Fleisch nach der grossen „Metzgete“ reichlich vorhanden war.
Denkbar ist auch, dass die heutigen Chlausen sich vor langer Zeit einem Samichlaus angeschlossen oder aber sich aus diesem entwickelt und ihn verdrängt haben. In Hallwil selbst hörte man nie etwas von einem traditionellen Samichlaus. Es sind die lärmenden Gestalten, die die schenkende wie auch die rügende Funktion des Samichlaus übernommen haben.
Um 1930 traten ähnlichen Gestalten wie in Hallwil noch in etlichen Gemeinden des Bezirks Lenzburg auf . Der Samichlaus hat sie heute fast überall verdrängt; das „Weltdatum“ 6. Dezember anstelle des zweiten Donnerstags im Monat scheint sich ebenfalls durchgesetzt zu haben. Hier hatte die Vermischung der Bevölkerung einen entscheidenden Einfluss, was regionale Bräuche wie die schellenden Chlausen an den meisten Orten verschwinden liess.
1.3. Verbreitung ähnlicher Bräuche
Der Nikolaus-Brauch, wie er bei uns allgemein bekannt ist, wird nur in deutschstämmigen Gebieten der Erde gepflegt , also weder in der welschen Schweiz noch im Tessin. In anderen christlichen Ländern hat sich der Gabenbringer zum Weihnachtsmann entwickelt. Bei uns ist das Christ- oder Weihnachtskind heute der entscheidendere Gabenbringer als der Samichlaus.
Heute drehen „Weisse“ und „Schwarze“, die man der Spur nach mit den Hallwiler Chlausen vergleichen könnte, noch in Niederlenz, Ammerswil und Brunegg am Chlaustag ihre Runden. Die schellenbehangenen Urnäscher „Silvesterchläuse“ treten am 13. Januar auf.
Oft ist der Nikolaus nur noch Namensgeber für älteres Brauchtum nicht christlichen Ursprungs, das unter dessen Deckmantel vor allem in ländlichen Regionen überlebte, somit also kirchlichen und amtlichen Verboten entging.
2. Organisation und Ablauf des Hallwiler Chlaus heute
Die Chlausen bestehen aus sechs Maskenfiguren, die von Knaben der siebten und achten Klasse dargestellt werden, welche die Kunst des Chlauschlöpfens beherrschen müssen. Der älteste Vierzehnjährige, der voriges Jahr bereits am Brauch mitgewirkt hat, ist Chef der Chlaushorde. Er stellt die Gruppe zusammen und ist derjenige, der am Chlaustag die Gruppe auf einer von ihm bestimmten Route führt. Er wird in seiner Tätigkeit von zwei Mitgliedern der Brauchtumskommission der Gemeinde Hallwil überwacht. Auch ist er dafür verantwortlich, dass zu verteilende Süssigkeiten und Ruten an den verschieden Depots verteilt sind. Gemeinsam wird über die Verteilung der Larven gesprochen und auch darüber, wann die Ruten hergestellt werden. Larven und Kostüme, welche der Kommission gehören, werden einige Wochen vorher im Gemeindehaus abgeholt.
Zur Maskengesellschaft gehören der weissgekleidete Herr mit einer Krone auf dem Haupt, die ebenfalls in unschuldigem Weiss auftretende Jompfere, der trottelige Joggeli in Knechtentracht, de Wächter als Ordnungshüter in Polizeiuniform, de Möörech erscheint ganz in traurigem Schwarz, de Root in dämonischem, rotem Gewand. Jeder Chlaus trägt eine sein Wesen charakterisierende Larve, ist mit einem Rossstäuber ausgerüstet und trägt um die Brust gehängt vier bis fünf Pferdegeschelle: Herr und Jompfere ein helles, Joggeli und Wächter ein dunkler gestimmtes, Möörech und Root ein ganz grobes Geschell. Die Geschellgrösse wird durch die Hierarchie innerhalb der Gruppe festgelegt. Einer unter ihnen waltet als Kassier. Der Wächter ist mit Säbel, Horn und einem Tornister voller Ruten, die Jompfere mit einem Sack voll mit Mandarinen, Äpfeln, Lebkuchen und Nüssen ausgestattet.
Bei Einbruch der Dunkelheit beginnen die Chlausen, jedes Jahr ihre Route wechselnd, ihren rasselnden Lauf durch das Dorf. Mit ihnen geht der Dorfpolizist und zwei erwachsene Begleiter. Vor jedem Haus kündigt der Wächter die Ankunft der Chlausen mit einem Hornsignal an, um die Bewohner aus dem Haus zu locken. Unter der Türschwelle hüpfen die Chlausen, einen Höllenlärm veranstaltend, unermüdlich auf und ab und traktieren die Leute mit den Rossstäubern; dies solange, bis sich die Opfer erweichen und einen Obolus springen lassen. Dann nämlich erhalten die Spender von den beiden Weissen eine Handvoll Süsses, die unartigen Kindern zudem eine Rute. Und fort ist die wilde Schar. An zwei Rastorten erhalten die erschöpften Gäste eine kleine Stärkung, denn die Jagd quer durchs Dorf dauert nicht selten bis um 11 Uhr nachts. Chlauschlöpfer treffen sich gegen sieben Uhr abends auf dem Bahnhofplatz. Zum letzten Mal in diesem Jahr erschallen an diesem Abend die Chlausgeisseln. Die Brauchtumskommission lädt anschliessend zu einem Chlöpferimbiss in die Dorbeiz.
Wenn die Chlausen ihren rund fünfstündigen Rundgang beendigt haben, treffen sie sich im Heim des Anführers zu einem Nachtessen. Hier wird die gemachte Beute gezählt. Ein festgelegter Betrag wandert in die Brauchtumskasse, den Rest verteilen sie unter sich.
3. Geschichte und Veränderung des Chlaus in Hallwil
3.1. Der Chlaus in früherer Zeit
Das Hallwiler „Chlausjage“ ist in einem Verbot 1828 zum ersten Mal bezeugt:
„Dem ärgerlichen Unfug ein für alle Mal abzuhelfen, welcher mit dem sogenannten Chlausjagen, durch allerhand ungebührlichen Maskereyen und elende Verkleiderei geschieht, wodurch Kinder vorsetzlich (!) in Furcht und Schrecken versetzt werden, deren Folgen oft sehr traurig sein können, werden hiermit bey einer Busse von Fr. 10, wovon dem Verleider die Hälfte zugesichert wird, verboten...“
Früher tauchte am Chlausabend an einigen Orten die „Sträggele“ als Vorbotin der Chlausen auf. In Lumpen gekleidet und mit einer zerlöcherten Pfanne auf dem Kopf erschien die garstige Hexe in den Stuben. Sie drohte lautlos, freche Kinder und faule Spinnerinnen im Sack mitzunehmen. Kaum war sie aufgetaucht, verschwand die hässliche Alte wieder in der Dunkelheit.
Trotz all dieser furchterregenden Gestalten dachten die Bauernkinder, obwohl sie keinen Samichlaus kannten, an den Chlausesel, der angeblich draussen mit dem Karren wartete, und legten ihm vor der Scheune ein Bündel Heu bereit.
3.2. Der Chlaus bis 1948 Damals wurden die Ähren noch mit dem Flegel gedroschen. Nach eingebrachter Ernte versammelte sich die Dreschergesellschaft beim Bauern zu einem Festmahl, das normalerweise am Chlausabend über die Bühne ging. Wein vom eigenen Rebberg („Äigegwächs“) gehörte zu diesem festmässigen „Buureznacht“ ebenso wie ein Tanz zu später Stunde. Dort, wo heiratsfähige Töchter wohnten, rundeten die alten Chlausen mit ihrem nächtlichen Auftritt den Abend ab.
Im Schaufenster stellte der Beck schon eine Woche zuvor Lebkuchen, „Gritibänze“ und andere Chlausspezialitäten aus; am Leiblichen wurde nie gespart am Claustag, war doch die nicht gerade leichtverdauliche “Wurstwegge“ das Chlausmahl schlechthin.
Die sechs Hallwiler Chlausen wurden von einem Geheimbund gestellt, dem Knaben der 6., 7., oder 8. Klasse beitreten konnten. Neulinge mussten einen Eintrittsbeitrag von einem Franken leisten, die Ältesten kassierten das Geld und den Gewinn aus den Hausbesuchen. Die in jenem Jahr bereits Ausgetretenen dienten als Beschützer, die unverkleidet mit den Chlausen mitgingen und für Ordnung sorgten, indem einer das Horn zur Sammlung blies, ein anderer als Kassier waltete.
Zur ursprünglichen Chlausgesellschaft gehörten Herr, Dame , Joggeli , Wächter, Schwarzer und Roter. Der Herr erschien in weissen Hosen und mit einer Krone auf dem Kopf, die Dame in weissem Kleid und Strohhut. Diese zwei Figuren waren für diejenigen vorgesehen, die das erste Mal dabei waren. Der Joggeli trug Knechtenskleidung , der Wächter Polizeiuniform samt Säbel, einem Tornister voller Ruten und einem Horn, mit dem die Ankunft der Chlausen vor jedem Haus angekündigt wurde. Die „Zweitjährler“ mussten mit diesen beiden Posten vorlieb nehmen. Der Schwarze erschien in altmodischem Kleid und eingedrücktem Zylinderhut, der Rote in rotem Clown-Anzug und -Mütze. Den Ältesten fiel die Ehre zu, Letztere zwei zu mimen . Die Kleider wurden jeweils vom nächstjährig Ältesten gehortet. Alle sechs trugen ein Pferdegeschell und Rossstäuber, welche jedes Jahr bei den Bauern der Umgebung eingetrieben und wieder zurückgebracht werden mussten. Papierlarven, die zum einmaligen Gebrauch dienten, holte man sich für ca. 90 Rp. im dorfeigenen Kolonialwarenladen .
Am Tag des Lenzburger Chlausmarktes, dem zweiten Donnerstag im Dezember, zogen die Chlausen, in einer Scheune beginnend, ab Einbruch der Dunkelheit durch die Strassen Hallwils. Kein Haus blieb von ihrem abendlichen Besuch verschont. Die Dorfchronik berichtet folgendermassen über den dramatischen Ablauf der Chlausfeier:
„Beim Eintritt der Kläuse in eine Wohnung verkriecht sich, wenn’s möglich ist, die kleine Rustig (!), während andere in Vaters oder Mutters Nähe Schutz suchen oder ausnahmsweise die Mutigen spielen möchten.
Sind ganz kleine Kinder oder gar folgsame da, so will es die Regel, dass nur Herr und Dame die Stube betreten. Hegen die Kläuse Zweifel in das ständige gute Verhalten der zu besuchenden Kinder, oder wird ihnen von den Eltern direkt über Unfolgsamkeit einzelner geklagt, so treten neben den zweien auch noch Wächter und Joggeli auf. Für die hartnäckigsten Sünder und Tunichtgute aber treten zu den genannten auch noch die gefürchtetsten Kläuse auf, der Rote und der Schwarze, die den Betreffenden durch ihr Erscheinen und Benehmen es verstehen, die Hölle so heiss als möglich zu machen. Ist das übliche Examen über Folgsamkeit gut ausgefallen, so bringt der Herr aus dem Hintergrunde eine Schüssel mit Nüssen, Äpfeln, Klauskrämen, dürren Birnen, Feigen, Orangen etc., die auf ganz unauffällige Art den Weg aus der Küche in den Hausgang gefunden hatten; andernfalls eine „Räb“ (Weissrübe) samt solid gebundener Rute. An einigen Orten werden die Chlausen mit Tee oder Most bewirtet. Bei ihrem Spiel verstellen die Kläuse ihre Stimme, tun lustig bis übermütig, schellen und machen auch etwa Miene, ein widerspenstiges Büblein oder Mägdlein mitzunehmen, bis Vater oder Mutter sich der Bedrängten annehmen. – Und fort ist die wilde Schar.“
Die Chlausen jagten oft bis um Mitternacht unermüdlich von Haus zu Haus, von einem Dorfende zum andern, begleitet von peitschenknallenden Chlauschlöpfern, bis der Abend in einem gemütlichen Mahl in der Dorfbeiz seinen Anschluss fand, wo die ältere Generation den Chlausjass klopfte.
Die 17- bis 20-Jährigen besuchten nach einem anderen Brauch in einer Nachfeier die gleichaltrigen Mädchen. Die sogenannten alten Chlausen traten als „Aut“, „Auti“ oder „Polizescht“ auf. Es wurde gefeiert, gegessen und getanzt bis in die frühen Morgenstunden.
3.3. Die Erneuerung 1949 Jetzt trat Hansjakob Suter auf. Begeistert von der Strassenfasnacht, kehrte er 1948 von Basel nach Hallwil zurück. Er erfuhr vom Betreuer des Chlausjagens Alois Urech , dass bei den Chlausen nur noch fünf anstelle der bisherigen sechs gehen wollten, weil der einzelne Chlaus mehr verdienen wollte. Auch war seit einigen Jahren ein Samichlaus mit dabei, der den traditionellen Möörech ersetzt hatte.
Suter schloss sich mit Eugen Hunziker und Willy Urech zusammen, um den Brauch zu retten, und 1949 wurde eine „Vereinigung zur Erhaltung alter Volksbräuche“ gegründet. Suter und Hunziker besuchten zudem einen Kurs beim Zürcher Theaterregisseur Oskar Eberle zum Thema „dramatisches Volkstheater“. Suter erfuhr von anderen Bräuchen, die Ähnlichkeiten mit denjenigen in Hallwil hatten. Er sprach Eberle darauf an, welcher ihn bat, die Hallwiler Bräuche zu retten. Suter befragte die alten Dorfbewohner über den ursprünglichen Chlausbrauch.
Dies führte zu einigen Veränderungen Der Samichlaus wurde durch den Möörech ersetzt, den Joggeli beliess man im grünen Narrenkleid. Frau Eberle zeichnete Skizzen der Figuren und schneiderte schliesslich die Kleider . Man liess Papiermaché-Larven bei Hans Schmid anschaffen, die Frau Eberle bemalte und die nun für die nächsten 35 Jahre dienen sollten. Das nötige Geld wurde in der Bevölkerung zusammengetrieben.
Am Ablauf des Brauches wurde vorerst nichts geändert, ausser dass die Jompfere jetzt einen Sack voller Süssigkeiten mit sich trug, damit die Kinder, deren Eltern nichts für ihre Kinder bereithielten, nicht leer ausgingen. Organisatorisch war der Chlaus der Vereinigung und Suter unterstellt, der die Burschen jeweils über die Tradition unterrichtete. Beim Brauch durfte nur mitmachen, wer die siebte oder achte Klasse besuchte und das Chlauschlöpfen unter den prüfenden Augen Suters beherrschte - dies mit dem Zweck, diesen Brauch zu retten. Von seinem Chalet in der Weid aus starteten die Chlausen fast vierzig Jahre lang ihren nächtlichen Rundgang.
An der Generalversammlung der „Historischen Vereinigung Seetal“, die in jenem Jahr in Hallwil stattfand, wurden dem zahlreichen Publikum die fünf Hallwiler Mittwinterbräuche mit Bravour präsentiert. Die Chlausen traten im selben Jahr im neuen Outfit, das sich in den folgenden 35 Jahren kaum veränderte, auch am Chlaustag auf – seit nunmehr 54 Jahren ohne Unterbruch.
3.4. Veränderungen bis in die siebziger Jahre Bald waren es nicht mehr die im Vorjahr konfirmierten Burschen, die als Begleiter mitliefen, sondern zwei erwachsene Beschützer. Die Kasse übernahm der Möörech. Der einmalige Beitrag von einem Franken wurde fallengelassen, da die nötigen Mittel aus der Kasse der Vereinigung vorhanden waren. Die Vereinigung kaufte Rossstäuber und Pferdegeschell, da diese nur mehr mühsam bei den Bauern aufzutreiben waren. Die Chlausen bringen heute keine „Räb“ zur Rüge mehr mit, sondern nur noch Ruten.
3.5. Der grosse Larvenwechsel 1984
Nachdem die alten Larven 35 Jahre gedient und gelitten hatten und Suter mit neuesten Forschungsergebnissen zum Schluss gekommen war, dass die Larven nicht der ursprünglichen Bedeutung der Figur entsprachen, wurde ein neuer Larvensatz angeschafft sowie ein Teil der Kostüme ersetzt. Zwei Figuren veränderte man grundlegend. Der bisher verschmitzt dreinblickende, grüne Joggeli sollte eigentlich - wie einst der Fuhrmann - einen Knecht repräsentieren. Man verpasste ihm eine entsprechende Tracht und eine passendere Larve. Der Möörech hatte bisher die lächelnde Maske eines wahrhaftigen „Negers“ mit dicken Lippen und Kraushaarperücke. Er sollte aber den Tod darstellen. Man verpasste ihm eine düstere Totenmaske; das Gewand beliess man in der Farbe des Todes. Die restlichen drei Figuren wurden kaum verändert.
3.6. Der Chlaus nach Suter Markus Urech wurde von Suter selbst in den Chlausbrauch eingeführt und wurde nach dessen Tod sein Nachfolger als Betreuer dieses Brauches. Bei der Gründung der Brauchtumskommission auf Initiative des Gemeinderates Manfred Urech wurden 1989 die Chlausutensilien, die bisher bei Suter zu Hause untergebracht waren, ins Schulhaus gebracht, von wo aus der Rundgang der Chlausen seit dann seinen Anfang findet.
Weil mehr und mehr Leute die Chlausen nicht mehr ins Haus liessen - teils aus Unkenntnis über den Brauch, teils wegen deren ungestümem Verhalten -, werden Hausbesuche seit Suters Tod 1990 unterlassen. Die Chlausen werden vor der Tür empfangen, wo sie die Gabe erhalten und „Chrömli“ und Rute verteilen. So tragen die Chlausen nicht mehr die Funktion des Samichlaus, der heute sowieso am 6. Dezember kommt; beide Bräuche bestehen nebeneinander.
1995, als das Westschweizer Fernsehen TSR einen Film über die Bräuche drehte, beschloss die Brauchtumskommission unter Gemeinderätin Sonja Werz im Einverständnis mit Urech, die bisherigen Larven von Möörech, Root und Joggeli durch die alten zu ersetzen, da diese ihnen besser gefielen. Man dachte dabei nicht daran, den Bedeutungen der einzelnen Figuren Rechnung zu tragen.
Seit dem Jahr 2000 führen Andreas Fey und Markus Urech in straffer, korrekter Organisation den Brauch. Sie holten mit ihrem Amtsantritt den neueren Larvensatz hervor, um den Bedeutungen der Figuren, wie sie Suter sah, gerecht zu werden. Im Jahr 2002 brachten die Chlausen - im Rahmen einer Neuorientierung der Bräuche - erstmals Nüsse, Lebkuchen und Mandarinen in die Haushaltungen anstelle der bisherigen „Chrömli“. Dies, weil erstens das Wiehnechtchend „Chrömli“ bringt, und weil zweitens Nüsse und Mandarinen zum Chlaustag gehören. Im Jahr 2003 werden neue Rossstäuber angeschafft. Herr und Jompfere sollen wieder weisse erhalten, wie dies früher der Fall war.
3.7. Hallwiler Chlausen an Umzügen und Ausstellungen 1951 liefen die Chlausen mit den anderen Hallwiler Bräuchen am Nachtumzug anlässlich des Eidgenössischen Trachtenfests in Luzern mit. Die nächsten Auftritte auf Nicht-Hallwiler Boden erfolgten 1961 und 1976 an den Trachtenfesten in Basel und Zürich sowie 1991 anlässlich der 700-Jahr-Feier der Schweiz in Aarau.
In einer Vereinbarung zwischen dem Gemeinderat Hallwil und der Vereinigung zur Erhaltung alter Volksbräuche wurde 1959 abgemacht, die Bräuche nur noch an Kantonalen und Eidgenössischen Festen aufzutreten zu lassen, um einerseits eine Überlastung der Brauchdarsteller selbst, andererseits eine Verfälschung des Brauches zu verhindern.
4. Die Maskengesellschaft heute
4.1. Herr (König)
Geschichte: De Herr war seit jeher beim Hallwiler Chlaus dabei. Er erhielt wie die anderen Maskentypen 1949 eine Papiermaché-Larve. 1984 machte Schmid ihm eine neue, ähnliche, die heute wieder getragen wird.
Kostüm: weisse Hose, weisses Hemd, Larve mit Krone, 4 kleine Pferdegeschelle
Requisit: Rossstäuber
Andere Bräuche: Beim Haubuer Bärzeli tritt ebenfalls ein Herr auf. Beim Eierleset finden wir an vielen Orten ein „Hochziitspäärli“, natürlich mit einem Bräutigam. Zwei Weisse erscheinen beim Chlaus in Niederlenz.
Deutung: Er trägt eine Krone als Zeichen der Macht. Weiss ist die Farbe des Herr-schers und der Unfehlbarkeit des Fürsten. Er könnte einen Gutsherrn (z.B. Herr vom Schloss Hallwil) darstellen. Das Sprichwort „der Herr im Haus“ ist auch auf diesen Maskentyp übertragbar, als Symbol des befehlenden Hausherrn. Die Weissen haben in Hallwil die Funktion des Schenkens (der Herr teilt die Ruten aus).
4.2. Jompfere (Dame, Wiibli) Geschichte: Die Jompfere, früher die Dame genannt, gehörte schon immer zu den Chlausen. Man verpasste ihr 1949 eine fix bleibende Papiermaché-Larve, die 1984 durch eine ähnliche ersetzt wurde. Kostüm: weisse Jupe, weisse Bluse, Larve mit Strohhut, 4 kleine Pferdegeschelle Requisiten: Rossstäuber, Sack voller Süssigkeiten Andere Bräuche: Beim Haubuer Bärzeli tritt eine Jompfere auf. Beim Eierleset gibt es vielfach ein Hochziitspäärli, bei dem eine junge Braut mitgeht. Das Paar verteilt dort fruchtbarkeitsspendende Eier. Weisse gibt es beim Chlaus in Niederlenz und Bru-negg. Deutung: Weiss entspricht bei dieser Figur der Unschuld, Unbeflecktheit und so auch der Jugend und Schönheit. Der Strohhut lässt sie – ähnlich einer Magd – bäuerlich wirken. Zusammen mit dem Herrn schenkt sie Süssigkeiten, was dem Ausspruch „Die Weissen schenken, die andern schrecken“ nahe kommt.
4.3. Joggeli (Fuhrmann) Geschichte: Der Joggeli ist eine neuere Erfindung. Ursprünglich gehörte der sechsköpfigen Chlausgruppe ein knechtähnlicher Fuhrmann an. Dies war bis in die Zwanziger Jahre der Fall. Danach hiess die Figur Joggeli, die bis 1948 Züge eines Clowns trug. Ab 1949 erschien er mit einer verschmitzten, bauernschlauen Papiermaché-Larve in grüner Kleidung. Ab 1984 hatte er zwar noch den Namen Joggeli, dem Äussern nach kam er dem Fuhrmann wieder näher. Die damals geschaffene Larve wird heute wieder getragen. Kostüm: Knechtenstracht (Hose und Oberteil), Larve mit Perücke, 4 mittelgrosse Pferdegeschelle Requisit: Rossstäuber Andere Bräuche: Der Joggeli tritt leider fast nirgends mehr auf. Früher war er ein gern gesehener Maskentyp auf dem Land, der „Buure-Joggi“. Deutung: Der Joggeli sollte ursprünglich wohl bei den Chlausen das Bauerntum vertreten. Er bringt eine Bauernschläue zum Ausdruck, die teilweise etwas unbeholfen wirkt.
4.4. Wächter Geschichte: Der Wächter war schon immer beim Chlaus mit von der Partie. 1949 verpasste Schmid ihm eine Papiermaché-Larve, die 1984 durch ein neues Modell ersetzt wurde. Kostüm: Polizeiuniform, Larve mit Hut, 5 mittelgrosse Pferdegeschelle aus Glocken. Requisiten: Rossstäuber, Horn, Säbel, Tornister mit Ruten Andere Bräuche: Polizisten sind berühmte Maskenfiguren beim Eieraufleset. Sie schauen, dass die Spielregeln eingehalten werden; so z.B. in Effingen. Deutung: Der Wächter ist der Hüter der Ordnung, wobei die Polizeiuniform passend ist (eher als eine Militäruniform, wonach die momentan getragene anmutet). Einen Nachtwächter gab es früher in jedem Dorf. Er machte in der Nacht - mit Laterne ausgerüstet - seinen Rundgang.
4.5. Möörech (Schwarz, Aut) Geschichte: Der Möörech wurde Mitte der vierziger Jahre plötzlich zu einem Samichlaus umfunktioniert. Suter machte die Ausartung 1949 wieder rückgängig und liess fortan einen waschechten, kraushaarigen „Mohren“ mit auftreten. 1984 wurden der Figur die afrikanischen Züge genommen und eine passendere Totenlarve geschaffen. Kostüm: schwarze Hose, schwarzes Oberteil, Halskrause, Larve mit schwarzem Tuch, 5 grosse Pferdegeschelle aus Glocken Requisiten: Rossstäuber, Kasse Andere Bräuche: Einen Möörech in dieser Form habe ich nirgends gefunden. Seine zweite Benennung „Aut“ bringt ihn jedoch mit dem Bärzeli oder dem Eierleset in Ef-fingen in Verbindung. Deutung: Der Möörech kann als Symbol des Todes gesehen werden: Er steht zudem für Alter und Bosheit (er erschreckt die Kinder besonders zusammen mit dem Root); Schwarz ist Farbe der Trauer und des Todes.
4.6. Root Geschichte: Der Root war über die Jahre hinweg konstant geblieben. Als ursprünglicher Chlaus war er clownähnlich. 1949 machte man aus ihm einen bösartigen Wotan mit einer charakteristischen Papiermaché-Larve. Er erhielt 1984 eine neue Larve. Kostüm: rote Hose, rotes Oberteil, Larve mit Tuch, 5 grosse Pferdegeschelle aus Glocken Requisit: Rossstäuber Andere Bräuche: Einen Roten habe ich bei keinem Brauch gefunden. Teufelmasken sind zwar häufig, haben aber nicht das Geringste mit dem Root zu tun. Deutung: Die Tatsache, dass der Root früher einen Clown darstellte, verbindet ihn aufs engste mit dem Arlecchino, einer italienischen Komödienfigur, die sich aus dem Harlekin oder „hareloking“ (=Heerkönig) ableitet. Dieser war kein geringerer als der Anführer des Wilden Heeres, der germanische Gott Wotan. Dies wird durch die Tatsache gestützt, dass der Root heute noch die Chlausgruppe anführt. Der Root ist eine furchteinflössende, dämonische Figur (rot=Farbe des Dämonenhaften), welche die Lebenden heimsucht und sie bestraft.
5. Ursprung und Sinn des Chlausbrauchs 5.1. Deutung des Brauchs volkskundlich Jahreszeitliche Eingliederung Der Hallwiler Chlausbrauch fällt zwar nicht in die Zeit der Zwölften , also der kürzesten Tage, doch lassen andere, ähnliche Bräuche, die in den Raunächten stattfinden , darauf schliessen, dass unser Chlaus früher auch einmal in diese Zeit fiel oder zumindest einen Bezug zu dieser hatte. Wenn man nämlich die Verschiebung des Julianischen zum Gregorianischen Kalender betrachtet, so wird klar, dass 12 Nächte fehlten, also sich die kürzesten Tage während Jahrhunderten um den 10. und nicht um den 20. Dezember herum befanden, wobei dann die Platzierung des Chlausjagens am zweiten Donnerstag im Dezember um die kürzesten Tage herum gar nicht mehr so fehl am Platz gewesen war.
Volkslegende Das Heer der Toten, auch Türst genannt, zog in den dunklen Nächten durch die Lüfte. Es raubte sich, was nicht artig war, und jagte mit einem lauten Getöse durch die Lande und die Häuser. Diesen Glauben erkennt man darin, dass die Bauern früher über Nacht das Scheunentor offen stehen liessen, um das Heer durchziehen zu lassen. In einer Egliswiler Sage heisst es, dass ein Knabe, der das Wilde Heer zu sehr verdrossen hatte, am anderen Morgen zerschellt an einem Baum aufgefunden wurde.
In einer anderen Seetaler Sage wird berichtet, dass der Wilde Jäger seinen Lauf von der Bampf her über das Dorf Hallwil gegen die vordere Schlattwaldecke nahm, von dort zum Schloss Hallwil, dann den Burgweg hinauf und über den Rügel bis nach Sarmenstorf.
In der Volksmundart kennt man die Abwandlungen „Muetiseel“ oder „Wuetisheer“, was auf Wotan hindeutet. Er stammt aus der germanischen Mythologie und war der Anführer des Totenheeres. Dass die Kinder dem Chlaus früher ein Bündel Heu bereitlegten, wird von Volkskundlern gar als Heuopfer für das Wotansross interpretiert.
Eine weitere vielseitige Maskengestalt der alten Schweiz ist der Scrato, der eine Vielzahl von Abwandlungen in Name (wie „Schrättlig“, „Schrat“ oder „Sträggele“) und Gestalt (Ziege, Hexe, Chlaus, etc.) aufweist. Er hat viele Verbindungen zum Wotansheer.
Fruchtbarkeits- und Totenkult Verschiedenste Kulte zur Abschreckung der Toten, zu deren Besänftigung oder gar deren Darstellung haben sich bei unseren germanischen Vorfahren entwickelt. Einerseits wird der Dämon imitiert, andererseits hervorgelockt oder aber gar verjagt. Parallel dazu steht mit der Wintersonnenwende auch ein neues Jahr vor der Türe: Der Bauer bittet um Segen für eine gute Ernte. Erstere lassen sich als Totenkulte, letzterer als Fruchtbarkeitskult bezeichnen. Teile beider Kultgruppen haben sich ineinander vermischt, da sie vom Datum her stets ineinander flossen, und sind kaum mehr auseinander zu halten. Nur wenige Elemente in den Volksbräuchen lassen sich eindeutig einem der beiden Sinnkomplexe zuordnen.
Brauchelemente Die Chlausen heischen. Sie treiben ihren Tribut ein, was ihr Recht ist. Sie könnten alte Totendämonen darstellen, die - legitimiert durch das Maskenrecht - ihre Gabe einfordern. Bei den Chlausen waren es früher die konfirmierten Burschen, heute ist es eine Maskengestalt, nämlich der Möörech, der eine Kasse trägt.
Ein weiteres vorchristliches Element ist das Lärmen. Ausgerüstet mit Glocken und Schellen rasseln die Chlausen durchs Dorf; der Wächter bläst dabei ins Horn. Dies kann entweder als Vertreiben der dunklen Mächte und als Wecken der Fruchtbarkeit , oder aber als Imitierung der Dämonengestalten selbst interpretiert werden, wenn wir davon ausgehen, dass die Chlausen tatsächlich mit dem Totenheer in Verbindung stehen.
Die Chlausen werden dazu von peitschenknallenden Männern begleitet. Auch das Peitschen wird dem Zweck zugeschrieben, Dämonen zu verjagen und die Fruchtbarkeit zu wecken. Entweder wirken sie als „Verstärker“ der Chlausen gegen das Böse, oder sie jagen diese, je nach dem, wie man die Chlausen nun deutet.
Die Chlausen schenken und schrecken gleichzeitig. Schon die Römer überreichten einander zum Jahresanfang „Strenae“. Herr und Jompfere, falls sie entsprechend mit einer Gabe versöhnt worden sind, haben die Aufgabe übernommen, den braven Kindern Süssigkeiten zu verteilen, den unartigen hingegen eine Rute zu verabreichen. Sie soll als Rüge dienen, vielleicht aber auch als Drohung, nächstes Mal von den wilden Gestalten mitgenommen zu werden.
Die Chlausen schlagen ihre „Opfer“ mit ihren Rossstäubern, was als glücksbringender Akt gilt, was aber nicht von allen so empfunden wird.
Anscheinend überwiegen beim Chlaus eindeutig Elemente, die aus dem Totenkult unserer Ahnen heraus entstanden sind.
Figuren Die Chlausgesellschaft zählt insgesamt sechs Figuren. Da der Brauch in der Krisenzeit vor 1949 keinen Unterbruch erlebte, ist der Hallwiler Chlaus vom Ablauf her mehr oder minder in seiner ursprünglichen Form geblieben. Auch wenn einige Figuren in ihrem Auftritt geändert haben, waren es stets deren sechs. Ich will an dieser Stelle Figur für Figur darzustellen versuchen.
Herr und Jompfere treten wie beim Bärzeli in Weiss auf, nur haben sie hier die Funktion des Schenkens übernommen. Der Herr gibt an die Unfolgsamen eine Rute ab, die Jompfere verteilt feine Süssigkeiten. Beide Figuren stehen für Tugend, Jugend, Schönheit, der Herr mit Krone ist dazu noch Symbol für Macht und Wohlstand. Die beiden als Paar anzusehen, ist zu gewagt. Die Jompfere in ihrem Strohhut stammt eher aus der unteren Klasse, im Gegensatz zum edlen Herrn. Er könnte möglicherweise mit den Herren von Hallwil oder einer anderen Obrigkeit in Verbindung stehen. Fest steht, dass beide positive Eigenschaften besitzen.
Anstelle des Joggeli war ursprünglich ein Fuhrmann dabei. Zwischenzeitlich wurde dieser durch eine Clownfigur ersetzt. Der 1949 eingeführte Grüne entsprach vielmehr einer Figur, die den Namen Joggeli zwar verdient hatte, nicht aber dem einstigen Fuhrmann. Ein Joggeli könnte missverständlicherweise als verschmitzt und klug betrachtet werden, dabei muss ein bäuerlicher, gutmütiger Knecht als Vertreter des Bauernstandes eher dumm sein. Suter handelte richtig und verpasste ihm eine Knechtenstracht samt dazu passender Larve. Wir haben zwar heute dem Aussehen nach einen Fuhrmann als Chlaus; der Name Joggeli kann leicht in die Irre führen.
Der Wächter mit seinem Horn, wie es ihn einst in jedem Dorf gab, ist der Hüter der Ordnung. Es kann durchaus sein, dass er bei Bedrohung des Rechts zu seinem Säbel greift. Er hat somit rügende wie ordnende Eigenschaften.
Man sieht, dass die ersten vier Figuren Menschen darstellen und dem Alltagsleben entnommen werden konnten. Der Möörech und der Root fallen schon den Namen nach deutlich aus diesem Schema.
Der Möörech, zeitweise durch einen Samichlaus ersetzt, ist in seiner schwarzen Kleidung eine erschreckende Gestalt. Als man bei der Braucherneuerung dieser Figur eine „Neger“-Larve verpasste, wurde das Wort Möörech anscheinend zu „Mohr“ umgewandelt. Die Namensbezeichnung Aut oder Schwarz ist eindeutiger. Sie bezieht sich auf die Farbe des Kostüms. Schwarz bedeutet etwas Negatives, Trauriges, ist die Farbe des Todes und weit entfernt von einem kraushaarigen, lächelnden Neger. So handelte Suter richtig als er dem Möörech 1984 eine Totenlarve gab.
Der Root schliesslich ist die spannendste, vieldeutigste aller Figuren. Als Anführer der Chlaushorde ist der Link zu Wotan, dem Leiter des Totenheeres, nicht weit. Rot ist die Farbe des Dämonischen. Er ist der gefürchtetste aller sechs Chlausen. Wenn man diese Gestalt vor sich stehen sieht, wird einem schon anders zumute.
Eine ergänzende siebte Figur bringt den Bezug zum Wilden Heer wieder hoch: In Hallwil war früher eine alte, garstige Hexe an Heilig Abend und am Chlaustag präsent: die Sträggele. Auch volkskundlich ist sie als Begleiterin des Türst bekannt; erneut also ein Indiz dafür, dass die Chlausen möglicherweise die Wilde Jagd nachahmen. Aus Hallwil wird berichtet, dass die Sträggele die Hausmutter mitzunehmen drohte, wenn sie das in der Nebenstube aufgehängte Bündelchen Garn zu klein fand. Weiter erzählt man, dass die Waldfrau im Rieme-Wald auf kleine Kinder lauerte, um diese zu entführen und zu zerfleischen. Es finden sich hier äusserst verblüffende Parallelen zwischen Sage und Brauch. Die Sträggele raubt auch nach Meuli kleine Kinder und bestraft faule Spinnerinnen. Sie wird als bösartige Dämonengestalt gedeutet, die sich von „Scrato“ ableitet.
Wir sehen, dass vier Chlausfiguren auf Menschen zurückgeführt werden können, zwei etwas Übermenschliches, Dämonisches an sich haben. Ihrer drei haben je gute und je eher negative Charakterzüge. Auch lässt sich innerhalb der Gruppe eine deutliche Hierarchie bezüglich Alter der Darsteller und Charakter der Figur aussagen: Je höher die Figur gestellt ist, desto älter ist deren Darsteller und desto bösartiger wirkt sie.
5.2. Deutung des Brauchs volkstümlich Motive der Brauchträger Bräuche haben in den meisten Fällen eine Sinnentleerung durchgemacht, weshalb die Frage nach dem „Warum“ der Brauchdurchführung nicht mehr so einfach beantwortet werden kann: Der ursprüngliche Sinn ist verlorengegangen.
Man macht mit, weil es Leute braucht, um den Brauch am Leben zu erhalten. Dann gibt es welche, die mehr Initiative zeigen, den Brauch mitgestalten und versuchen, ihn zu wahren. Weitere Faktoren, die zählen: sich verkleiden, einmal aus sich herauskommen, jemand anders sein, unerkannt bleiben, anderen etwas heimzahlen können, und nicht zuletzt das Vergnügen.
Knabenschaften Kinder und Arme nutzten früher die Gelegenheit, in sogenannten Heischumzügen maskiert Naturalien oder Geld einzusammeln; so, wie es die Hallwiler Chlausen heute noch tun. Gruppierungen von Kindern treten in Form von Knabenschaften auf. So wird der Brauch als Handlung aus der Gemeinschaft heraus und nicht mehr als Einzelritus betrachtet.
Gemeinschaft Die Gemeinschaft ist ein wichtiges Element für die Durchführung von Bräuchen. Wir werden nicht zuletzt durch unsere Erziehung und die Gemeinschaft gezwungen, am Brauchgeschehen teilzunehmen und Traditionen zu wahren. In der kalten Jahreszeit entwickelt sich besonders das Bedürfnis nach Geborgenheit und Wärme besonders, die man eben in der Gemeinschaft, in jeglicher Aktivität im Dorf, fand. Die Gemeinschaft gibt uns Halt und Mut. Wir sehen uns im Dorf als Teil des Ganzen; jedem kommt hier seine Aufgabe zu.
Schwarze und Weisse in Niederlenz
In Niederlenz werden am Abend des Lenzburger Chlausmärts die Kinder ebenfalls von kostümierten Figuren besucht. Das Spektakel besteht aus zwei Gruppen mit je einem Schwarzen und aus zwei Weissen Chläusen. Auch in Niederlenz werden die Chläuse von den besten Chlauschlöpfern begleitet.
Haubuer Wiehnachtschind
In Hallwil werden die Familien traditionsgemäss an Heiligabend vom Wiehnachtschind besucht. Sieben Mädchen im alter von 13 und 14 Jahren tun sich zusammen um der Bevölkerung eine Freude zu machen. Das älteste Mädchen übernimmt die Rolle des Wiehnachtschindes, es wird weiss gekleidet und mit einem Schleier verhüllt. Die sechs Begleiterinnen kleiden sich in rosafarbenen Gewändern. Sie tragen in der Stube einer Familie ein eingeübtes Lied vor, während das Wiehnachtschind selbst gebackene Weihnachtsguetzli verteilt.
Silvesterfeuer in Staufen
Auf dem Staufberg oberhalb von Staufen errichten in der Altjahreswoche die Jugendlichen, die die letzte Klasse der Volksschule besuchen, ein hohes Holzgerüst. Am Morgen des 31. Dezembers sammeln die Schulkinder im Dorf die dürren Weihnachtsbäume, Reiswellen und Strohballen ein. Das Material wird den Hügel hinaufgeschafft und auf dem Gerüst aufgeschichtet. Punkt Mitternacht wird mit den Glockenschlägen der Staufbergkirche das Feuer vor vielen Schaulustigen entzündet.
Silvesterglöggeln in Seengen
Am Silvesterabend versammeln sich kurz vor Mitternacht Kinder und Jugendliche, um gemeinsam mit ihren Betreuern das neue Jahr einzuläuten. Dabei wird mit verschieden grossen Glocken geklingelt. Treichlen sind nicht dabei.
Bärzeli in Hallwil
Am zweiten Januar (Bärzelitag) wird die Bevölkerung von Hallwil durch den Krach der Bärzelibuben auf die Strasse gerufen. Die 13 Bärzelifiguren sind in verschiedene Gewänder eingekleidet und mit Söiblootere (Schweinsblasen) und Rären (Lärminstrument) bewaffnet. Sie wünschen allen Zuschauern ein gutes neues Jahr indem sie diese umarmen. Wer vom Stächpaumig oder vom Tannreesig umarmt wird, kann von den stacheligen Kleidern auch gestochen werden. Mit der Söiblootere werden vor allem Mädchen "geschlagen".
Die Figuren:
- de Stächpaumig
- de Tannreesig
- de Straumaa
- de Hobuspönig
- de Herr
- d'Jompfere
- dr Alt
- d'Löörtsch
- de Lompig
- de Speeuchärtler
- s'Kamel mit Führer und Treiber