Juniorprofessur
Eine Juniorprofessur war eine in Deutschland 2002 aufgenommene gesetzliche Regelung in das Hochschulrahmengesetz, die junge Wissenschaftler mit herausragender Promotionsleistung ohne die in Deutschland bisher übliche Habilitation direkt unabhängige Hochschul-Professuren ermöglichen sollten. Der Zweite Senat des Bundesverfassungsgerichts erklärte das Gesetz am 27. Juli 2004 in einer 5:3 Mehrheitsentscheidung für verfassungswidrig und damit nichtig.
Der korrekte Ausdruck und damit Titel für entsprechende Personen für die umgangssprachliche Juniorprofessur ist LeiterIn einer wissenschaftlichen Nachwuchsgruppe.
Zielsetzung
Die Beobachtung, dass deutscher Professoren-Nachwuchs durchschnittlich deutlich älter war als in den meisten vergleichbaren Nationen, veranlasste das Bundesforschungsministerium, die Initiative zu ergreifen, das mit der "Fünften Novelle des HRG" ab Februar 2002 rahmengesetzlich zu ändern. Als Ursache ließ sich die häufig sechs Jahre beanspruchende traditionelle Habilitationsprozedur mit abschließender Prüfungsprozedur feststellen, die im westlichen Ausland unüblich ist. Zusätzlicher Druck entstand durch die Thematisierung der Abwanderung hervorragender junger Wissenschaftler aus Deutschland u.a. an US-amerikanische Universitäten unter dem Stichwort „Brain Drain“. Diese Emigration hängt nicht zuletzt mit der Umgehung der mehrjährigen Hürde sowie den insgesamt unbürokratischeren Forschungsbedingungen dort zusammen. Auch dieses Problem sollte mit der Juniorprofessur gelöst werden.
Entwicklung
Innerhalb zweieinhalb Jahren, seit das Rahmengesetz gilt, sind in Deutschland rund 450 Juniorprofessorinnen und -professoren ernannt worden. Im Dezember 2003 gründeten sechs von ihnen in Clausthal-Zellerfeld den "Förderverein Juniorprofessur", der am 1. Juli 2004 zum bundesweit ersten "Symposium zur Juniorprofessur" sechzig Mitstreiter zum Gedankenaustausch versammelte. Kritisiert wurde dort, dass
- die Grundausstattung von je 76.000 Euro aus Bundesmitteln für Naturwissenschaftler allzu "dürftig" sei
- die Überprüfung der Juniorprofessoren bereits nach drei Jahren zu früh sei
Strittigkeit
Die verfassungsrechtlich bedingte Zuständigkeitsverteilung in Deutschland, nach der den Bundesländern die Kulturhoheit zukommt, und dem Bund, der im Bildungsbereich lediglich die Gesetzgebungszuständigkeit für ein Hochschulrechtsrahmengesetz hat, führte auch beim neugeschaffenen Sachverhalt Juniorprofessur zur Verfassungsklage. Die mit absoluter CDU/CSU-Mehrheit geführten Bundesländer Sachsen, Thüringen und Bayern hatten in einem Verfahren der abstrakten Normenkontrolle beantragt, das Gesetz müsse als verfassungswidrig verworfen werden. Am 27. Juli 2004 erklärte der Zweite Senat des Bundesverfassungsgerichtes das Gesetz wegen Überschreitung der Rahmengesetzgebungskompetenz des Bundes mit Artikel 70, Artikel 75 in Verbindung mit Artikel 72 Absatz 2 des Grundgesetzes für unvereinbar und nichtig. Mit dieser Entscheidung ist aber die Juniorprofessur nicht ohne weiteres abgeschafft. Das Bundesverfassungsgericht hat nur den bundesgesetzlichen Zwang zur Einführung im Hochschulrahmengesetz kassiert. Soweit die Bundesländer bereits landesgesetzliche Grundlagen geschaffen haben (dies soll bei neun Bundesländern der Fall sein), steht der Weiterführung der Juniorprofessur nichts entgegen.
Wenn nun jedes Bundesland eigene, inkompatible gesetzliche Regelungen festlegt, wäre ein Wechsel von Juniorprofessoren von einem Land ins nächste nicht eben einfach. Der Präsident der Hochschulrektorenkonferenz, Peter Gaehtgens, forderte die Länder am 27. Juli 2004 auf, sich auf einheitliche Regeln zu einigen.
In vielen Fachbereichen wird allerdings die Habilitation, welche heute normalerweise im Rahmen eines Dienstverhältnisses als Akademischer Rat auf Zeit oder eines Angestelltenverhältnisses als Wissenschaftlicher Mitarbeiter angefertigt wird, die Regelqualifikation bleiben, da dort große Skepsis von Seiten der Wissenschaft gegenüber der Juniorprofessur vorherrscht.
siehe auch: Rahmengesetz, Bildungspolitik
Weblinks
- Urteil des Bundesverfassungsgerichtes samt Minderheitenvotum
- Bericht des Deutschlandfunks: Karlsruhe kippt die Juniorprofessur
- Erstes Symposium zur Juniorprofessur in Clausthal-Zellerfeld
- Die Juniorprofessur aus Sicht der Betroffenen
- Schwerer Stand der freien Promovenden
- Akademische Auswanderer
- Kulturhoheit versus Europäisierung?
- Centrum für Hochschulentwicklung in Gütersloh (CHE) untersucht Erfahrungen mit Juniorprofessur
- Manuel J. Hartung: Immer Ärger mit dem Junior. In: Die Zeit. 33/2004
- Studie des DIW Berlin zur Juniorprofessur vom 22.9.2004: Pressemitteilung und Volltext
- Juniorprof - quo vadis? Studie der Deutschen Physikalischen Gesellschaft (DPG) zur Juniorprofessur vom 28.4.2005: Pressemitteilung und Volltext