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Neues Steuerungsmodell

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Der Begriff Neues Steuerungsmodell (NSM) bezeichnet in der Organisationslehre öffentlicher Verwaltungen ein Modell zur strategischen Steuerung von Verwaltungen, insbesondere im kommunalen Bereich. In Ergänzung dazu beschreibt das Neue Kommunale Finanzmanagement die finanzwirtschaftlichen Instrumente und Verfahren, die dem zukünftigen Einsatz der Doppelten Buchführung in den öffentlichen Verwaltungen dienen. Beiden Modellen ist gleich, dass eine Steuerung der Leistungserstellung öffentlicher Verwaltungen über die Produkte stattfindet, die sich am Markt ausrichten.

Ausgangssituation und Geschichte

Die Steuerung der öffentlichen Verwaltung richtete sich schon seit jeher an der Erfüllung öffentlicher Aufgaben aus. Ergänzt wurde diese Ausrichtung durch eine überwiegend juristisch orientierte Sichtweise der Aufgabenerledigung. Grundlage des Verwaltungshandelns in Kommunalverwaltungen war so u.a. der Aufgabengliederungsplan der KGSt (Kommunale Gemeinschaftsstelle für Verwaltungsvereinfachung, ab Oktober 2005 Kommunale Gemeinschaftsstelle für Verwaltungsmanagement).

Diese Sichtweise vernachlässigte aber jegliche betriebswirtschaftlichen Instrumente, sowohl im Führungs- als auch im Finanzmanagement. Dies führte zu finanziellen Problemen, da der echte Ressourcenverbrauch nicht gemessen wurde und die Steuerung der Verwaltungen sich auf juristische Aspekte beschränkte. Ende der 80er Jahre kumulierten die daraus resultierenden Probleme schlagartig aufgrund folgender Probleme:

  • Die Finanzprobleme öffentlicher Verwaltungen wurden aufgrund geänderter wirtschaftlicher Rahmenbedigungen zu strukturellen Problemen.
  • Die Bürger drängten immer mehr auf Kundenorientierung.
  • Die Kosten der Deutschen Einheit verstärkten die finanziellen Probleme öffentlicher Verwaltungen deutlich.
  • Den Verwaltungen wurde zunehmend ökologisches und ökonomisches Handeln abverlangt.

In dieser Ausgangssituation gewann die Verwaltungsreform der niederländischen Stadt Tilburg an Aufmerksamkeit. Im hoch verschuldeten Tilburg wurden Instrumente der Betriebswirtschaft eingesetzt und aus einer Ämterstruktur eine "Konzernstruktur" geformt. Davon ausgehend schuf die KGSt ein eigenes Modell, das Neue Steuerungsmodell, und veröffentlichte seit 1991 die ersten Berichte.

Das Neue Steuerungsmodelll entspricht in weiten Teilen, insbesondere was die Binnenorganisation betrifft, dem internationalen Trend des New Public Management. Gegenüber dem im internatioenl Bereich, vorwiegend in angelsächischen Ländern, probagierten New Public Management grenzt sich das Neue Steuerungsmodell allerdings dahingehend ab, dass es nur die kommunale Ebene betrifft und sich auch eher als Alternative zu Privatisierung und Rückführung des Staates begreift.

Abgrenzung

Das NSM war zunächst nur als Organisationsreform konzipiert, wobei aber mit der Orientierung an Produkten und daraus resultierenden Produktbeschreibungen auch rudimentäre finanztechnische Ansätze schon erkennbar waren. Eine finanztechnische Ergänzung fand das NSM erst sehr spät durch das Neue Kommunale Finanzmanagement. In Hessen wird die Bezeichnung NKRS (Neues Kommunales Rechnungs- und Steuerungssystem) verwendet. Die inhaltliche Ausgestaltung ist im Kern identisch mit dem nordrhein-westfälischen NKF (Neues Kommunales Finanzmanagement), weicht aber in einigen Details wie etwa der Finanzrechnung ab.

Elemente

Im wesentlichen besteht das Neue Steuerungsmodell, das bereits Anfang der 90er Jahre von der KGSt (Kommunale Gemeinschaftsstelle für Verwaltungsvereinfachung) als Modell vorgestellt wurde, aus folgenden Elementen:


Strategische Steuerung der Verwaltung durch Politik und Verwaltungsführung

Bisher wurde die Verwaltung durch den Gemeinderat und die Verwaltungsspitze aufgrund von Einzelfallentscheidungen gesteuert. Im NSM sollen nun Zielvereinbarungen zwischen den Ämtern/Fachbereichen und der Führung vereinbart werden, sogenanntes Kontraktmanagement. Um dieses Ziel erreichen zu können, wird dem Fachbereich ein Budget zur Verfügung gestellt. Die Zielerreichung wird am Ende des Haushaltsjahres überprüft.


Einführung moderner Instrumente des Personalmanagements

Mit diesem Element sollte eine zunehmende Delegation von Verantwortung und zusätzliche Qualifizierung des Personals erfolgen. Führungskräfte werden nicht mehr nach Proporz oder Dienstalter ausgesucht, sondern nach Führungsqualifikation. Zusätzlich werden diese Führungskräfte auf entsprechende Seminare geschickt, um ihnen das erforderliche Wissen beizubringen (Es gab zu Beginn der 90er Jahre in den Verwaltungen einen beliebten Spruch: "Wer glaubt, dass ein Amtsleiter ein Amt leitet, glaubt auch, dass Zitronenfalter Zitronen falten".).


Budgetierung

In Abkehr zu der vorherigen, einzelfallorientierten Zuteilung von Mitteln durch die Zentrale Finanzverwaltung (Kämmerei o.ä.) soll im Neuen Steuerungsmodell jedem Fachbereich ein eigenes Budget zugeteilt werden. Die Verwendung des Budgets muss nicht mehr für jeden Fall vorher genehmigt werden, sondern kann eigenverantwortlich erfolgen. Wichtig dabei ist aber das Erreichen der vorher vereinbarten Ziele.


Dezentrale Ressourcenverantwortung

Eng verbunden mit der Budgetierung ist die Verantwortung für die Ressourcen durch den Fachbereich. Im alten Modell teilten Personalamt, Hauptamt und Kämmerei die Ressourcen Personal, Material und Finanzen dem jeweiligen Fachbereich zu. Dies bedeutete, dass Amtsleiter ihr Personal nicht selbst aussuchen konnten und um Mittel kämpfen mussten. Im NSM wird Ihnen das Recht, die Ressourcen selbst zu bewirtschaften, zugestanden. Dies führt häufig zu einer deutlichen Effizienzsteigerung und Senkung der Kosten.


Outputorientierte Steuerung auf der Grundlage von Produktbeschreibungen

Bisher stand im Fokus der Verwaltung die rein juristisch orientierte Aufgabenerledigung, von der dann in aller Regel behauptet wurde, dass sie nicht wirtschaftlich erledigt werden könne. Das NSM stellt das Produkt in den Vordergrund, dessen optimale Erbringung sich nicht nur am Gesetz, sondern vor allem an den damit verbundenen Kosten und an der Erfüllung der Erwartungen des Bürgers orientiert. Dies führt häufig zu einem Kreativitätsschub bei den Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen, wodurch die Qualität der Produkte stieg und die Kosten oft sanken. Um diese Produkte erbringen zu können, ist natürlich deren vorherige Definition erforderlich. Der Produktkatalog ersetzt insofern den Aufgabengliederungsplan.


Berichtswesen und Controlling

Wie beim Element der "Strategischen Steuerung" beschrieben, werden zwischen der Verwaltungsführung und den Fachbereichen Zielvereinbarungen geschlossen. Um den Grad der Zielerfüllung zu messen und um auch im laufenden Haushaltsjahr auf gravierende Abweichungen steuernd eingreifen zu können, wird ein Berichtswesen eingeführt. Dieses Berichtswesen liefert in periodischen Abständen (Monate, Quartale) eine Übersicht über die Entwicklung vorher festgelegter Kennzahlen an die Entscheidungsträger (Ausschüsse, Bürgermeister usw.). Parallel dazu wird durch strategisches und operatives Controlling eine unterstützende Ebene durch die Verwaltung selber eingebaut.


Technikunterstützte Informationsverarbeitung

In bewußter Abkehr von bis dahin existierenden Insellösungen soll die Informationsverarbeitung, mit der in aller Regel EDV gemeint ist, als ganzheitliches, unterstützendes System eingeführt werden. Zu Beginn der 90er bedeutete dies die umfassende Einführung grafisch orientierter Systeme wie Windows, Office und insbesondere die Mail-Funktion innerhalb der Verwaltung. Mit zunehmendem Einsatz wandelte sich aber der Anspruch von einer software-seitigen Orientierung zu einer geschäftsprozessunterstützenden Funktion. Integrierte Systeme, die Information auf verschiedensten Eben anbieten und auch Frühwarnfunktionen besitzen, werden zunehmend angestrebt.


Einführung von künstlichen Wettbewerb zur Erhöhung der Produkt- und Dienstleistungsqualität

Eines der größten Probleme bei der Einführung von Produkten in Verwaltungen ist die Monopol-Stellung, die eine Verwaltung in vielen Bereichen besitzt. Diese Monopolstellung zwingt, anders als im Wettbewerb, nicht zu einer kontinuierlichen Verbesserung der Produkte (wie das Beispiel des autos "Trabant" zeigt). Um diesen innovativen Druck zu erzeugen, wird im NSM künstlicher Wettbewerb eingeführt. Kommunen vergleichen anhand vorher festgelegter Kennzahlen die erbrachten Leistungen, was die teuer produzierenden Gemeinden dazu zwingt, ihre Leistungserstellung zu überdenken. Es gibt aber neben interkommunalen Vergleichen auch Beispiele für den echten Vergleich mit dem Markt, wie z.B. bei den kommunalen Gebäudemanagement-Organisationen, die sich mit Immobileinbetrieben über Mieten u.ä. vergleichen können.

Bewertung

Das neue Steuerungsmodell hat Anfang der 90er Jahre grundsätzlich den Ansatz eines praktikablen und zukunftsweisenden Modells gehabt. Der ganzheitliche Ansatz dieses Modells hat sich jedoch nie richtig durchsetzen können. Dies liegt zum einen sicher an der Unverbindlichkeit, da es nie als Verpflichtung in Form eines Gesetzes o.ä. erlassen wurde. Viele Gemeinden haben jedoch einzelne Elemente eingesetzt oder auf dem NSM aufbauend umfassende Reformen eingeleitet, die im Endeffekt aber nur zu rudimentären Verbesserungen führten.

Das größte Problem des Neuen Steuerungsmodells war aber seine einseitige Orientierung an der inneren Organisation. Grund dafür war sicher die Urheberschaft durch die KGSt, die sich auch in erster Linie als Organisationsberater ansieht. Dies führte dazu, dass finanzwirtschaftliche Instrumente nur sehr vage oder gar nicht im NSM enthalten sind. Deutlich wird dies an der Budgetierung, die nur sehr vage beschrieben wird, oder an der Produktdefinition, die zwar ausführlich beschrieben wird, aber keine kostenmäßige Definition erfuhr. Leistungen werden so nur vage definiert werden. Was beispielsweise ist genau die Leistung einer Schule? Und vor allem: Wie kann man die Qualität messen? Wichtig ist daher oftmals ein Qualitätsindikator, der sich auch an Kosten orientieren muss.

Um den Weg von einer Verwaltung im herkömmlichen Stil zu einem modernen Dienstleistungsbetrieb zu gehen, bedarf es finanzwirtschaftlicher Instrumente, die den tatsächlichen Ressourcenverbrauch und die Kosten eines Produktes darstellen. Diese hat das NSM nie abgebildet, so dass sein Scheitern als flächendeckendes Modell vorprogrammiert war. Dieser unterlassene Schritt wird nun mit dem Neuen Kommunalen Finanzmanagement gegangen, das durch seine relativ stringente Orientierung an Instrumenten, wie sie in der Privatwirtschaft üblich sind (doppelte Buchführung, Finanzrechnung, Kosten- und Leistungsrechnung), einen hoffentlich erfolgreicheren Weg gehen wird. Und dem Neuen Steurungsmodell durch seinen immanenten Zwang zum Handeln vielleicht zu neuer Blüte verhilft.