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Scharfrichter

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Der Scharfrichter (der mit der Schärfe des Schwertes richtende) vollstreckte vom Mittelalter bis in das 20. Jahrhundert die Todesstrafe.

Ursprünglich wurde die Hinrichtung durch den Richter oder den Ankläger vollzogen. Ab dem 13. Jahrhundert trennte sich nach und nach die Rechtsprechung vom Vollzug. Da zu Beginn vielfach freigelassene bzw. begnadigte Schwerverbrecher zu der Ausübung des Amtes eines Scharfrichters gleichsam gezwungen wurde, hing von Anfang an diesem Beruf die Aura des Grauenvollen an, was natürlich die Art der Tätigkeit noch verstärkt wurde. Als Folge dessen wurde der Scharfrichter, auch Henker, Nachrichter oder Meister Hans genannt, allmählich von der Gesellschaft geächtet. Später gehörte er zu den unehrlichen Berufen.

Zu den direkten Aufgaben des Scharfrichters gehörte die eigentliche Hinrichtung und die Folter zur Geständniserzwingung als Teil des Gerichtsverfahrens. Daneben musste er auch oft weitere unangenehme und geächtete Aufgaben übernehmen: Kloakenreinigung, Bestattung von Selbstmördern oder die Aufsicht über Frauenhäuser (Bordelle). Oft wurde das Amt des Henkers aus praktischen Gründen mit dem des Abdeckers (= Schinder oder auch als Wasenmeister bezeichnet) zusammengelegt: Die Tierkörperverwertung sorgte für das finanzielle Auskommen des Scharfrichters und die Abdecker-Gehilfen konnten bei einer Hinrichtung assistieren.

Die Aufgaben des Scharfrichters gliedern sich für die Zeit des späten Mittelalters und der Frühen Neuzeit wie folgt:

  • Durchführung von Körper- und Ehrenstrafen
  • Anwendung der Folter
  • Hinrichtungen
  • Entsorgung der Hingerichteten und Selbstmörder
  • Wasenmeisterei / Abdeckerei

Scharfrichter überließen die Tötung durch die Guillotine und Folter oft auch ihren Gehilfen und übernahmen nur die Aufsicht. Die Enthauptung mit dem Schwert oder der Axt wurde jedoch vom Scharfrichter selbst durchgeführt, da hierfür Geschick notwendig war. Der Kopf sollte nach Möglichkeit mit nur einem Schlag vom Rumpf getrennt werden. Gelang das nicht, konnte der Scharfrichter selbst zum Opfer von Lynchjustiz werden.

Den Söhnen von Scharfrichtern stand praktisch kein anderer Berufsweg offen. So bildeten sich Scharfrichterdynastien.

Eine der bekanntesten war die der Sansons, die über 4 Generationen die Henker von Paris und einigen anderen französischen Städten stellten.

Da die Scharfrichter aufgrund ihrer Tätigkeit gute medizinische, vor allem anatomische Kenntnisse hatten, nutzten dies viele, um sich durch chirurgische Tätigkeiten (z.B. das Einrenken von Schultern oder Knochenbrüchen) oder die Verabreichung von Heilmitteln aller Art (darunter nicht selten Salben aus Menschenfett) einen Nebenverdienst zu sichern.

Dies mag auch der Grund sein, warum viele aus ehemaligen Scharfrichterdynastien Stammende seit dem 17. / 18. Jahrhundert, als im Zuge der Humanisierung des Strafvollzugs immer weniger Scharfrichter benötigt wurden, auf verwandte Berufszweige wie Medizin oder Pharmazie auswichen.

Der letzte Scharfrichter Deutschlands war Johann Reichhart (1893-1972). In der Weimarer Republik und im Dritten Reich vollzog er etwas über 3000 Hinrichtungen mit der Guillotine, darunter auch die von Hans und Sophie Scholl, Mitgliedern der Widerstandsgruppe Weiße Rose. 156 verurteilte Nazigrößen henkte er im Auftrag der amerikanischen Militärregierung am Galgen.

Siehe auch: Todesstrafe, Nachrichter