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Philipp Lengsfeld

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Philipp Lengsfeld 2012

Philipp David Lengsfeld (* 21. März 1972 in Ost-Berlin) ist ein deutscher Physiker. Er war einer der vier relegierten Schüler der Ossietzky-Affäre 1988 in Berlin-Pankow. Lengsfeld ist Bundestagsabgeordneter der Berliner CDU.

Werdegang

Philipp Lengsfeld ist der älteste Sohn der Bürgerrechtlerin Vera Lengsfeld und von Sebastian Kleinschmidt, ehemaliger Chefredakteur der Kulturzeitschrift „Sinn und Form“. Aufgewachsen bei seiner Mutter besuchte Philipp Lengsfeld zunächst die POSWilhelm-Pieck-Oberschule“ in Pankow in einer Klasse mit erweitertem Russischunterricht. Im Sommer 1988 schloss er die POS ab und wechselte an die EOS „Carl von Ossietzky“ in Pankow. Durch das Aufwachsen im Umfeld der DDR-Bürgerrechtsbewegung war er als Schüler Zeitzeuge der Ereignisse um die Umweltbibliothek und die Zionskirche 1987 und der Liebknecht-Luxemburg-Affäre im Januar/Februar 1988, bei der seine Mutter zunächst verhaftet, dann wegen „Versuchter Zusammenrottung“ zu einer sechsmonatigen Gefängnisstrafe verurteilt und schließlich Anfang Februar 1988 nach Protesten im In- und Ausland zu einem Studienaufenthalt nach England entlassen wurde. Da dieser Studienaufenthalt für zunächst ein Jahr geplant war und Philipp Lengsfeld in der Abschlussprüfung der 10. Klasse steckte, blieb er in der DDR.

Ossietzkyschulaffäre

Kurz nach Schulbeginn im September 1988 geriet Lengsfeld zusammen mit anderen Schülern in den Strudel der Ossietzky-Affäre. Durch das Verfassen von kritischen Wandzeitungsartikeln und einem offenen Brief mit Unterschriftensammlung wurde eine Spirale in Gang gesetzt, die schnell außerhalb der Kontrolle der Schule war.[1] Auf direkte Anweisung der DDR-Bildungsministerin Margot Honecker wurde dann ein Exempel statuiert. Letztlich wurden am 30. September 1988 vier Schüler vor versammelter Gesamtschülerschaft der Schule verwiesen und vier weitere mit schweren Schulstrafen, inklusive zwei sofortiger Schulversetzungen, bestraft.[2] Als eine Art Pseudolegitimation der Schulstrafen mussten die jeweiligen Klassen die vier zu relegierenden Schüler am 29. September aus der FDJ ausschließen.[3] Die notwendige 23-Mehrheit wurde aber nur bei den drei Schülern der 11. Klasse erreicht, die FDJ-Ausschlussversammlung bei dem Schüler der 12. Klasse scheiterte. Trotz massiver Proteste innerhalb und außerhalb der DDR erfolgte die Rehabilitierung der vier Ossietzkyschüler erst im Zuge der Wende im November 1989. Jens Reich benannte in dieser Zeit die „mutigen Ossietzky-Schüler“ „Pioniere“ der 89er-Bewegung in der DDR.[4]

Weiterer Lebensweg

Philipp Lengsfeld verließ die DDR im November 1988 mit einem einjährigen Dauervisum und folgte seiner Mutter nach England. In Cambridge, Vereinigtes Königreich, besuchte er 1988/89 ein staatliches Sixth Form College.[5][4] Nach Rehabilitierung der Ossietzkyschüler am 1. November 1989 kehrte Lengsfeld am 9. November 1989 nach Berlin zurück und lernte nach seiner Rückkehr ab dem 12. November 1989 erneut an der Ossietzky-Schule.[6][4] 1990 wurde er deren erster frei gewählter Schulsprecher.[7]

Lengsfeld studierte Physik an der TU Berlin. Diplomarbeit und Promotion erfolgten im Institutsteil Berlin-Adlershof des Hahn-Meitner-Instituts. 2002 wechselte Lengsfeld zu Bayer HealthCare Pharmaceuticals.[8][7]

Philipp Lengsfeld ist seit 1995 ehrenamtlich politisch aktiv. Zunächst bei Bündnis 90/Die Grünen, wechselte er 2001 mit Antritt des rot-roten Senates in Berlin zur CDU. Philipp Lengsfeld war 1995–1999 Mitglied der BVV Prenzlauer Berg sowie 2001 und 2006–2011 Mitglied der BVV Pankow.[7] Im Jahr 2013 wurde Philipp Lengsfeld als Kandidat der CDU Mitte für den Wahlkreis 75 (Berlin-Mitte) über die Landesliste in den Deutschen Bundestag gewählt.[9][10][11]

In der Kontroverse um die Benennung des Großbezirks Pankow nach der Bezirksfusion 2001 (Zusammenschluss der Alt-Bezirke Weißensee, Pankow, Prenzlauer Berg) war Philipp Lengsfeld ein Gegner der Versuche, die durch die BVV 2001 getroffene Entscheidung für den Namen Pankow rückgängig zu machen. Der Namenstreit wurde letztlich zu Beginn der Legislaturperiode 2006–2011 beigelegt.[12]

Philipp Lengsfeld ist evangelisch, verheiratet und Vater zweier Kinder.[7]

Werke

Literatur

  • Jörn Kalkbrenner: Margot Honecker gegen Ossietzky-Schüler. Urteil ohne Prozess, Berlin 1990.
  • Lars-Broder Keil: Das Risiko, eine eigene Meinung zu haben: zur Relegation von Schülern der Berliner EOS „Carl von Ossietzky“ im Herbst 1988. Deutschland-Archiv 41 (2008), Band 4, S. 684–690
  • Ehrhart Neubert: Geschichte der Opposition in der DDR: 1949-1989. Band 346 von Schriftenreihe Forschungen zur DDR-Gesellschaft: Bundeszentrale für Politische Bildung 1998, ISBN 978-3-86153-163-0, Seite 774 ff: Die Ossietzky-Affäre.
  • Gerhard Besier: Der SED-Staat und die Kirche 1983–1991: Hohenflüg und Absturz. SED-Staat und die Kirche. Propyläen-Verlag, 1995, ISBN 978-3-549-05455-0
  • Vera Lengsfeld: Von nun an ging’s bergauf…: Mein Weg Zur Freiheit. Langen Müller, 2002, ISBN 3-7844-2857-6, Seite 273 ff.
  • Ilko-Sascha Kowalczuk: Endspiel. Die Revolution von 1989 in der DDR. S. 291–297, Beck, München 2009, ISBN 978-3-406-58357-5

Einzelnachweise

  1. Ilko-Sascha Kowalczuk: Endspiel: Die Revolution von 1989 in der DDR. C.H.Beck, 2011, ISBN 978-3-406-61854-3, Seite 291 f.
  2. Gerhard Besier: Der SED-Staat und die Kirche 1983–1991: Hohenflüg und Absturz. SED-Staat und die Kirche. Propyläen-Verlag, 1995, ISBN 978-3-549-05455-0, Seite 34.
  3. Vera Lengsfeld: Von nun an ging’s bergauf…: Mein Weg Zur Freiheit. Langen Müller, 2002, ISBN 3-7844-2857-6, Seite 280.
  4. a b c Ilko-Sascha Kowalczuk: Endspiel. Die Revolution von 1989 in der DDR. Seiten 291–297, C. H. Beck, München 2009, ISBN 978-3-406-58357-5, Seite 297.
  5. Siehe in der englischsprachigen Wikipedia unter en:Sixth form college
  6. Lars-Broder Keil: Das Risiko, eine eigene Meinung zu haben: zur Relegation von Schülern der Berliner EOS „Carl von Ossietzky“ im Herbst 1988. Deutschland-Archiv 41 (2008), Band 4, Seite 690.
  7. a b c d Dr. Philipp Lengsfeld - Direkt. Für Mitte. In: lengsfeld-mitte.de. Abgerufen am 20. Juli 2013.
  8. Christiane Pering; Philipp Lengsfeld; Peter Seidensticker: Iso- versus Low-Osmolar Contrast Media and Contrast Medium–induced Nephropathy. In: Radiology: Volume 250: Number 1—January 2009, Seite 298 f.
  9. Interaktive Grafik: Berlins Direktkandidaten für die Bundestagswahl. In: tagesspiegel.de. 2013, archiviert vom Original am 20. Juli 2013; abgerufen am 20. Juli 2013.
  10. Andreas Fritsche: Liberal, neoliberal, CDU. Warum Vera Lengsfelds Sohn Philipp Chancen hat, in den Bundestag einzuziehen, in: Neues Deutschland vom 13. September 2013, abgerufen am 25. September 2013
  11. Der Bundeswahlleiter: Ergebnisse der Wahl zum Deutschen Bundestag 2013 (gewählte Bewerber), abgerufen am 23. September 2013
  12. Pankow Namensstreit endgültig beendet. (PDF; 51 kB) Fraktion der CDU Pankow, 14. Dezember 2006, abgerufen am 23. Juli 2013 (Pressemitteilung).