Blutsaugende Insekten
Blut saugende Insekten sind eine große Zahl von Insektenarten aus ganz verschiedenen Ordnungen und Familien, deren Nahrung auch, mehrheitlich, hauptsächlich oder ausschließlich aus Blut anderer Lebewesen besteht. Sie bilden keine systematische Einheit, sondern eine Gruppe, deren Gemeinsamkeiten Ergebnis ähnlicher Lebensweise ist (Konvergenz). Zu den Nahrungsopfern zählen überwiegend Säugetiere und damit auch der Mensch.
Bei dieser Insektengruppe nehmen jeweils ganz verschieden entweder die Männchen und Weibchen, mehrheitlich Weibchen oder ausschließlich weibliche Tiere in regelmäßigen Abständen oder einmalig Blut als Nahrung zu sich.
Diese Nahrungsaufnahme findet auch abhängig von der jeweiligen Art zu den unterschiedlichsten Tageszeiten statt, meist jedoch abseits einer intensiven Sonneneinstrahlung während der Morgen- bzw. Abenddämmerung oder in den Nachtstunden.
Insgesamt werden die Blut saugenden Insekten daher schon seit langem als Parasiten angesehen und haben bei ihrer Nahrungsaufnahme demzufolge auch für Tier und Mensch als biologische und mechanische Überträger (Vektoren) von Viren, Bakterien, Einzellern und Mehrzellern und den durch sie ausgelösten Infektionskrankheiten eine besondere Bedeutung.
Für alle diese Erreger sind die Blut saugenden Insekten oft nicht der Hauptwirt, meist übertragen sie als Vektoren bzw. Zwischenwirt oder Transportwirt die Krankheitserreger unter den Hauptwirten des Erregerreservoirs und auf andere Nebenwirte.
Zu den Blut saugenden Insekten gehören:
Zecken saugen zwar ebenfalls Blut, gehören jedoch nicht zu den Insekten (Insecta), sondern zu den Spinnentieren.
Blut saugende Insekten als Krankheitsüberträger
Blut saugende Insekten können als Vektoren auf zwei unterschiedlichen Wegen Krankheitserreger übertragen:
- 1. Epidemiologisch bedeutsam und sofort auffällig ist der spezifische Weg der biologischen Übertragung
Eine einzige, bestimmte Erregerart (manchmal auch mehrere) überlebt/en nach der Nahrungsaufnahme nur einer speziellen Insektenart bei einer infizierten Person innerhalb des Insektenkörpers im aktiven Zustand, kann sich möglicherweise noch zusätzlich vermehren und/oder wandeln und infiziert bei der nächsten Nahrungsaufnahme des selben Insekts bei einer noch nicht infizierten Person dieses neue Opfer. Grundsätzlich gilt also auf diesem Wege, daß Blut saugende Insekten nur jeweils ihre speziellen Erreger übertragen können.
Beispiele: Das FSME- und RSSE-Virus, das Louping-ill-Virus, Powassan-Virus, Kyasanur-forest-virus, Omsk-hämorrhagisches-Fieber-Virus und das Colorado-tick-Virus werden durch den Zeckenbiss übertragen. Per Mückenstich übertragene Viren sind in Europa das Sandfliegen-Virus und das Sindbis-Fieber-Virus. In Nordamerika ist die gemeine kleine Hausmücke = Culex pipiens als biologischer Überträger = Vektor des West-Nil-Virus festgestellt. In den Tropen sind jedoch jeweils verschiedene Stechmücken/Moskitos als biologische Überträger diverser Erreger und der von ihnen ausgelösten Erkrankungen bei Mensch (und Tier) bekannt.
- 2. unspezifische mechanische Übertragung
Potentiell ist, wie bei allen Vektoren, auch eine mechanische Übertragung aller möglichen Erreger hier durch die äußere und innere Kontamination der Proboscis (des Stech-, Saugrüssels) Blut saugender Insekten möglich, wenn das Insekt während der Nahrungsaufnahme bei einer infizierten Person gestört wird und alsbald auf einer anderen nicht infizierten Person weitersaugt. Nach heutigem Kenntnisstand ist zu erwarten, dass diese Übertragungsmöglichkeit wenn überhaupt nur in Populationen mit sehr hoher Erregerverbreitung gelegentlich auftreten kann. [1], [2] Dieser Übertragungsweg entspricht dem der Infektion per Nadelstichverletzung bzw. mehrfach hintereinander genutzter Injektionskanülen ohne zwischenzeitliche Sterilisation, jedoch in einer anderen Größenordnung. Rein theoretisch kann die Übertragung eines einzigen Erregers auf diesem Wege eine Infizierung bewirken. In der Praxis ist jedoch eine ausreichende Mindestmenge von Erregern für eine Infektion erforderlich. Ob diese Mindestmenge z.B. bei einer Kontamination der Moskitoproboscis allein erreicht werden kann, ist fraglich.
Ausreichende Größenverhältnisse für eine mechanische Übertragung diverser Erreger sind jedoch bei den nachtaktiven, Blut saugenden Schmetterlings-, Falterarten Calyptra eustrigata, Calyptra minuticornis, Calyptra orthograpta und Calyptra labilis der Familie Noctuidae und Ordnung Lepidoptera aus Süd-Ost-Asien durchaus gegeben. Mit seiner vom Saug- zum Stechrüssel umgeformten Proboscis dringen diese Falter bis zu 7 mm tief in die Haut von Säugetieren, auch Menschen, ein und saugen danach bis maximal 1 Stunde lang das Blut. Sie sind bei Abwehrbewegungen jederzeit bereit, noch vor Erreichen der Sättigung ihr Opfer zu verlassen, um alsbald bei einem neuen die Nahrungsaufnahme fortzusetzen [3], [4], [5]. Andere Schmetterlingsarten wie Lobocraspis griseifulva, Arcyophora spp. und Filodes fulvidorsalis der Familien Pyralidae, Noctuidae und Geometridae aus Afrika, Brasilien und Süd-Ost-Asien nehmen Tränenflüssigkeit bei Säugetieren und Menschen auf. Mit ihrer an der Außenseite rauen Saugproboscis reiben sie am Augapfel, um ein Ansteigen der Tränenproduktion hervorzurufen und können dem Augapfel dabei auch leichte Verletzungen zufügen. Alle diese Falterarten sind damit eindeutig auch als mechanische Überträger diverser Erreger erkannt. Selbst eine Übertragungsmöglichkeit von HIV wird diskutiert.
Weiterhin wurde schon 1965 von Luedke et al. eine rein mechanische Übertragung des Blue-Tonge-Virus durch Arthropoden wie z.B. durch die Schaflausfliege (Melophagus ovinus) nachgewiesen. [6]
Kenneth Gage et al. vom National Center for Infectious Diseases haben beim Menschenfloh (Pulex irritans) die gelegentliche mechanische Übertragung des Beulenpesterregers, das Bakterium Yersinia pestis, aufgezeigt. [7]
Nicht nur in Afrika sind Bremsen durch ihren Stich auch für die mechanische Übertragung von Milzbrand, Weilsche Krankheit und Tularämie auf den Menschen verantwortlich [8].