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Wort des Jahres (Deutschland)

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Das Wort des Jahres wurde in Deutschland erstmals 1971 und regelmäßig seit 1977 von der Gesellschaft für deutsche Sprache (GfdS) in Wiesbaden als sprachlicher Jahresrückblick herausgegeben und seit 1978 in der Zeitschrift Der Sprachdienst publiziert.[1] Seit 1991 wird zudem jährlich ein Unwort gewählt; in unregelmäßigen Abständen auch ein Satz des Jahres. Seit 2008 existiert zudem eine Wahl zum Jugendwort des Jahres.

Zwischen 1977 und 1999 war das deutsche Wort des Jahres gleichwohl das deutschsprachige Wort des Jahres; da aber immer häufiger Worte gewählt wurden, die einen reinen Deutschlandbezug hatten, begannen die anderen Länder des deutschsprachigen Raumes, ihre eigenen Wörter des Jahres zu wählen. In Österreich geschieht dies seit 1999, in Liechtenstein seit 2002 und in der Schweiz seit 2003.

1999 wurden die für das 20. Jahrhundert als besonders bezeichnend angesehenen 100 Wörter des Jahrhunderts in verschiedenen Medien vorgestellt.

Gesamtübersicht

Jahr Wort des Jahres Unwort des Jahres Satz des Jahres Jugendwort des Jahres
1971 aufmüpfig
1977 Szene
1978 konspirative Wohnung
1979 Holocaust
1980 Rasterfahndung
1981 Nulllösung
1982 Ellenbogengesellschaft
1983 Heißer Herbst
1984 Umweltauto
1985 Glykol
1986 Tschernobyl
1987 AIDS, Kondom
1988 Gesundheitsreform
1989 Reisefreiheit
1990 Die neuen Bundesländer
1991 Besserwessi ausländerfrei
1992 Politikverdrossenheit ethnische Säuberung
1993 Sozialabbau Überfremdung
1994 Superwahljahr Peanuts
1995 Multimedia Diätenanpassung
1996 Sparpaket Rentnerschwemme
1997 Reformstau Wohlstandsmüll
1998 Rot-Grün sozialverträgliches Frühableben
1999 Millennium Kollateralschaden
2000 Schwarzgeldaffäre national befreite Zone
2001 Der 11. September Gotteskrieger „Und das ist (auch) gut so!“
2002 Teuro Ich-AG „Es gibt nur ein’ Rudi Völler!“
2003 Das alte Europa Tätervolk „Deutschland sucht den Superstar.“
2004 Hartz IV Humankapital
2005 Bundeskanzlerin Entlassungsproduktivität
2006 Fanmeile Freiwillige Ausreise
2007 Klimakatastrophe Herdprämie
2008 Finanzkrise notleidende Banken Gammelfleischparty
2009 Abwrackprämie betriebsratsverseucht „Das steht mir zu.“ hartzen
2010 Wutbürger alternativlos „Die Zeit der Basta-Politik ist vorbei.“ Niveaulimbo
2011 Stresstest Döner-Morde[2] „Fukushima hat meine Haltung zur Kernenergie verändert.“ Swag
2012 Rettungsroutine[3] Opfer-Abo „Mir fehlte das Fingerspitzengefühl.“ YOLO

Wort des Jahres

Jahr Wort des Jahres Erklärung
1971 aufmüpfig
1977 Szene
1978 konspirative Wohnung Im Zusammenhang mit der Entführung Hanns Martin Schleyers durch die Rote Armee Fraktion.
1979 Holocaust Etablierung des Begriffs nach der Ausstrahlung der Fernsehserie Holocaust – Die Geschichte der Familie Weiss.
1980 Rasterfahndung Einführung der Fahndungsmethode aufgrund der terroristischen Bedrohung der 1970er-Jahre.
1981 Nulllösung Im Zusammenhang mit der Debatte um den NATO-Doppelbeschluss.
1982 Ellenbogengesellschaft
1983 Heißer Herbst Beschreibung der Proteste der Friedensbewegung gegen die Nachrüstung im Rahmen des NATO-Doppelbeschlusses.
1984 Umweltauto
1985 Glykol Infolge des Glykolwein-Skandals.
1986 Tschernobyl Nach der Reaktorkatastrophe am 26. April.
1987 AIDS, Kondom
1988 Gesundheitsreform
1989 Reisefreiheit Einführung derselben in der DDR.
1990 Die neuen Bundesländer Aufgrund der Wiedervereinigung.
1991 Besserwessi
1992 Politikverdrossenheit
1993 Sozialabbau
1994 Superwahljahr Aufgrund der Bundestagswahl, der Europawahl, acht Landtagswahlen und zehn Kommunalwahlen.
1995 Multimedia
1996 Sparpaket
1997 Reformstau
1998 Rot-Grün Erstmaliges Auftauchen dieser Koalition auf Bundesebene nach der Bundestagswahl 1998.
1999 Millennium Aufgrund des kommenden Jahres 2000.
2000 Schwarzgeldaffäre Aufdeckung der illegalen Spendenpraxis der CDU in den 1990er-Jahren unter dem früheren Bundeskanzler Helmut Kohl.
2001 Der 11. September Aufgrund der Terroranschläge in den USA.
2002 Teuro Gefühlte Preissteigerungen nach der Euro-Einführung.
2003 Das alte Europa Aussage des US-amerikanischen Verteidigungsministers Donald Rumsfeld.
2004 Hartz IV
2005 Bundeskanzlerin Nach der Bundestagswahl 2005 wurde mit Angela Merkel erstmals eine Frau in das Amt des Bundeskanzlers gewählt.
2006 Fanmeile Im Zusammenhang mit der Fußball-Weltmeisterschaft 2006.
2007 Klimakatastrophe
2008 Finanzkrise
2009 Abwrackprämie
2010 Wutbürger Aufkommen einer Protestkultur aus Enttäuschung über bestimmte politische Entscheidungen.
2011 Stresstest Durchführung zahlreicher derartiger Tests in verschiedenen Bereichen (v. a. Banken, Atomkraftwerke, Stuttgart 21).
2012 Rettungsroutine Das Wort wurde nahezu nie verwendet, soll aber beschreiben, dass „alle paar Wochen (...) neue (Rettungs-)Pakete geschnürt” wurden.[4]

Unwort des Jahres

Das Unwort des Jahres wird seit 1994 von der Jury der „Sprachkritischen Aktion Unwort des Jahres“ an der Universität Frankfurt am Main bestimmt.

Satz des Jahres

Jahr Satz des Jahres Erklärung
2001 Und das ist (auch) gut so! Der Berliner SPD-Vorsitzende Klaus Wowereit in Verbindung mit seinem Outing als Homosexueller.
2002 Es gibt nur ein’ Rudi Völler! Feiergesang auf Bundestrainer Rudi Völler nach dem Erreichen des Finales bei der Fußball-Weltmeisterschaft 2002.
2003 Deutschland sucht den Superstar.“ Nach der ersten Staffel der Castingshow.
2009 „Das steht mir zu.“ Die damalige Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt im Zusammenhang mit übermäßiger privater Nutzung ihres Dienstwagens.
2010 „Die Zeit der Basta-Politik ist vorbei.“ Heiner Geißler im Zusammenhang mit der Schlichtung von der Problematik um Stuttgart 21.
2011 „Fukushima hat meine Haltung zur Kernenergie verändert.“ Festlegung Angela Merkels in ihrer Regierungserklärung auf den Ausstieg Deutschlands aus der Atomenergie.
2012 „Mir fehlte das Fingerspitzengefühl.“ Peer Steinbrück im Zusammenhang mit der Annahme eines Honorars in der Höhe von 25.000 Euro von den Stadtwerken Bochum.
2013 „Das Internet ist für uns alle Neuland.“ Angela Merkel im Zusammenhang mit dem Besuch von Präsident Barack Obama auf der Pressekonferenz.

Jugendwort des Jahres

Das Jugendwort des Jahres wird seit 2008 jährlich von einer Jury unter Leitung des Langenscheidt-Verlags aus denjenigen Jugendwörtern ausgewählt, die in einer Internet-Abstimmung zu den fünfzehn Meistgewählten gehörten.[5][6] Kooperationspartner der Wahl sind das Jugendmagazin Spiesser und die Internet-Community Myspace.[7] Dadurch soll die sich immer wieder wandelnde Jugendsprache dokumentiert werden.

Jahr Platzierung Jugendwort des Jahres Erklärung
2008 1. Platz Gammelfleischparty Party für Menschen über 30 Jahren, Ü30-Party.
2. Platz Bildschirmbräune Blässe von Computerfreaks.
3. Platz unterhopft sein Lust auf Bier zu haben.
2009 1. Platz hartzen Arbeitslos sein, „rumhängen“.
2. Platz bam Variante von „cool“.
3. Platz Bankster Kombination aus Banker und Gangster.
2010[8] 1. Platz Niveaulimbo Ständiges Absinken des Niveaus, aus dem Ruder laufende Partys und sinnlose Gespräche unter Jugendlichen.
2. Platz Arschfax Unterhosenetikett, das hinten aus der Hose hängt.
3. Platz Egosurfen Seinen eigenen Namen in Suchmaschinen im Internet eingeben.
2011[9] 1. Platz Swag Beneidenswerte, lässig-coole Ausstrahlung.
2. Platz (epic) Fail Grober Fehler, misslungenes Vorhaben, Versagen.
3. Platz guttenbergen Abschreiben.
2012[10][11] 1. Platz YOLO Abkürzung von „you only live once“; Aufforderung eine Chance zu nutzen.
2. Platz Fu! 1. Scheiße, 2. Fick dich!
3. Platz Yalla! Beeil dich!

Anglizismus des Jahres

Der Anglizismus des Jahres wird seit 2010 jährlich von der „Aktion Anglizismus des Jahres“ aus Vorschlägen ausgewählt, die Leser auf der Webseite der Aktion einreichen können. Das Siegerwort muss dabei ganz oder teilweise aus dem Englischen stammen, im jeweiligen Jahr erstmals im allgemeinen Sprachgebrauch zu beobachten sein und in den Augen der Jury eine wichtige Lücke im deutschen Wortschatz füllen.[12] Die Aktion will damit zum besseren Verständnis von Lehnwörtern beitragen. Sie fand auch internationale Beachtung.[13]

Jahr Platzierung Anglizismus des Jahres Erklärung
2010[14] 1. Platz leaken anonymes Veröffentlichen geheimer Informationen zum Wohle der Öffentlichkeit.
2. Platz entfreunden Löschen einer Person aus den Facebook-Kontakten.
3. Platz Whistleblower Person, die interne Missstände in einer Organisation öffentlich macht.
2011[15] 1. Platz Shitstorm Welle der Entrüstung im Internet, besonders in sozialen Netzwerken.
2. Platz Stresstest Test, bei dem die Reaktion eines Systems auf Belastung gemessen wird.
3. Platz circeln jemanden im sozialen Netzwerk Google+ zu einer Kontaktliste hinzufügen.
2012[16] 1. Platz Crowdfunding Kapitalbeschaffung durch viele kleine Einzelbeträge über das Internet.
2. Platz Hipster Person, die sich bewusst dem kulturellen Mainstream verweigert und dies bewusst zeigt "HIPPSTER SIND MAINSTREAM".
3. Platz Fracking Technik zur Gewinnung von Erdgas und Erdöl.

Schönstes bedrohtes Wort

Im Dezember 2006 rief der Journalist und Herausgeber des Lexikons der bedrohten Wörter, Bodo Mrozek, den Wettbewerb zur Wahl des schönsten bedrohten Wortes aus. Eine Jury mit Persönlichkeiten aus Deutschland, Österreich und der Schweiz, die mit der deutschen Sprache verbunden sind, vergibt – offenbar in ironischer Absicht – den ‚Käseigel‘, eine von der Künstlerin Laura Kikauka als Unikat gestaltete Plastik. Mit dieser Initiative wollte Mrozek vor allem solchen Wörtern zu mehr Aufmerksamkeit verhelfen, denen sonst drohe, endgültig in Vergessenheit zu geraten.[17]

Das beste eingewanderte Wort

Im Jahr 2008 kürte eine Jury auf Initiative des Goethe-Instituts und des Deutschen Sprachrats hin das Wort „Tollpatsch“ zum besten eingewanderten Wort in der deutschen Sprache.[18] Es wurden über 3.500 Wort-Vorschläge aus 42 Sprachen eingesandt. Die Initiative fand in der deutschen Presse durchweg eine positive Resonanz.[19] Das Jury-Mitglied und der Leiter der Dudenredaktion Matthias Wermke äußerte, dass trotz dieser Importwörter „sich das Deutsche in 50 Jahren [nicht] von der heute gesprochenen Sprache deutlich unterscheiden wird.“[20] Das Klagen über den Verfall der deutschen Sprache sei so alt wie die deutsche Sprache selbst.

Siehe auch

Einzelnachweise

  1. Wort des Jahres
  2. Prof. Dr. Nina Janich: Unwort des Jahres 2011: Döner-Morde. (pdf, 457 KB) Sprachkritische Aktion UNWORT DES JAHRES, 17. Januar 2012, abgerufen am 17. Januar 2012.
  3. http://www.faz.net/aktuell/gesellschaft/gesellschaft-fuer-deutsche-sprache-rettungsroutine-ist-wort-des-jahres-2012-11993227.html
  4. Krisenrhetorik - "Rettungsroutine" ist Wort des Jahres; in SPON vom 14. Dezember 2012, online
  5. Jugendsprache unplugged www.jugendwort.de
  6. Jugendwort des Jahres „Gammelfleischparty“ und „Computerbräune“, Süddeutsche Zeitung, 12. Dezember 2008
  7. „Hartzen“ ist Jugendwort des Jahres Focus-online 1. Dezember 2009.
  8. „Niveaulimbo“ ist Jugendwort des Jahres in Spiegel Online vom 29. November 2010.
  9. Das Jugendwort des Jahres ist gewählt! jugendwort.de, abgerufen am 5. Dezember 2011.
  10. Das Jugendwort des Jahres 2012. jugendwort.de, abgerufen am 26. November 2012.
  11. Das Jugendwort des Jahres ist gewählt! jugendwort.de, abgerufen am 10. Dezember 2012.
  12. Webseite der Aktion Anglizismus des Jahres
  13. German language finds English voice, The_Guardian vom 1. Februar 2011.
  14. „Leaken“ fühlt sich im Deutschen wohl, Tagesspiegel vom 1. Februar 2011.
  15. „Shitstorm“ ist Anglizismus des Jahres, Handelsblatt vom 13. Februar 2012.
  16. „Crowdfunding“ ist Anglizismus des Jahres, Tagesspiegel vom 5. März 2013.
  17. Ergebnisse des Wettbewerbs „Das bedrohte Wort“. , abgerufen am 25. September 2009.
  18. Wörter mit Migrationshintergrund, Goethe-Institut, 2008
  19. Zum Beispiel: Frisch preisgekrönt: Das beste eingewanderte Wort, Spiegel Online, 25. April 2008
  20. „Tohuwabohu“ ist Kandidat für bestes „Import-Wort“, Tagesspiegel, 22. April 2008