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Emotionale Intelligenz

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Gegenwärtiger Stand des psychologischen Konzepts

Emotionale Intelligenz ist ein Sammelbegriff für Persönlichkeitseigenschaften, bzw. Fähigkeiten, welche den Umgang mit eigenen und fremden Gefühlen betreffen. Der Begriff wurde 1990 durch Salovey und Mayer eingeführt. Die Abkürzung "EQ" ist missverständlich, da es sich bei emotionaler Intelligenz, genauso wie beim heutigen IQ, nicht um einen Quotienten handelt.

Manche Autoren stellen die emotionale Intelligenz in Opposition zum klassischen Intelligenzbegriff IQ und betrachten sie als ein Element der ganzheitlichen so genannten "Erfolgsintelligenz". Nach Prof. Howard Gardner, Havard-University schließt der Einbezug der Emotionalen Intelligenz eine Lücke, die in der klassischen Intelligenzforschung übersehen worden ist: Die Verarbeitung von inter- und intrapersonellen Informationen, also den bewussten Umgang mit der Kommunikaton zwischen Menschen und des Menschen mit sich selbst.

Der Begriff "Emotionale Intelligenz" ist durch das gleichnamige Buch des amerikanischen Psychologen Daniel Goleman populär geworden. Goleman stellte in rund 300 Untersuchungen fest, dass Firmen, die stark auf emotional intelligente Mitarbeiter setzen, ein höheres Betriebsergebnis erzielen. Goleman sieht die Emotionale Intelligenz als eine übergeordnete Fähigkeit, von der es abhängt, wie gut wir unsere sonstigen Fähigkeiten, darunter auch den Verstand, zu nutzen verstehen.

Nach Goleman setzt sich Emotionale Intelligenz aus fünf Teilkonstrukten zusammen:

  • Selbstbewusstheit (Fähigkeit eines Menschen, seine Stimmungen, Gefühle und Bedürfnisse zu akzeptieren und zu verstehen, und die Fähigkeit, deren Wirkung auf andere einzuschätzen)
  • Selbstmotivation (Begeisterungsfähigkeit für die Arbeit, sich selbst unabhängig von finanziellen Anreizen oder Status anfeuern zu können)
  • Selbststeuerung (planvolles Handeln in Bezug auf Zeit und Ressourcen)
  • Soziale Kompetenz (Fähigkeit, Kontakte zu knüpfen und tragfähige Beziehungen aufzubauen, gutes Beziehungsmanagement und Netzwerkpflege)
  • Empathie (Fähigkeit, emotionale Befindlichkeiten anderer Menschen zu verstehen und angemessen darauf zu reagieren)


Nicht das bloße Vorhandensein von Gefühlen, Emotionen, Stimmungen und Affekten, sondern der bewusste Umgang mit ihnen machen eine hohe emotionale Intelligenz aus. Darüber hinaus zählen hierzu Eigenschaften wie Vertrauenswürdigkeit und Innovationsfreude oder die Motivationsfähigkeit und das Vermögen, Gefühle und Bedürfnisse anderer wahrzunehmen. Dabei werden Befähigungen wie Teamführung, Selbstvertrauen, die Fähigkeit, sich selbst und andere aufzubauen sowie politisches Bewusstsein betrachtet. Goleman verwendet den Begriff emotionale Intelligenz also für eine Vielzahl von Konstrukten, die nur bedingt als eine Einheit angesehen werden können. In dieser Hinsicht ist Emotionale Intelligenz dem Intelligenzquotienten sehr ähnlich.

Die hier zu Tage tretende konzeptuelle Unschärfe des Begriffs der Emotionalen Intelligenz soll nicht darüber hinwegtäuschen, dass der Begriff auch in der psychologischen Grundlagenforschung gebräuchlich und dort meist mit größerer konzeptueller Vorsicht benutzt wird. Der Theorie wird jedoch von vielen ein hohes Entwicklungspotential zugeschrieben.

Zur Erfassung der Emotionalen Intelligenz bedient sich der Psychologe der Eignungsdiagnostik. Gemessen werden erfasste Verhaltensweisen im Verhältnis zum optimalen Verhalten. Diese Testverfahren sind derzeit (Stand 07/03) noch nicht validiert, können jedoch als Teilbetrachtung innerhalb fundiert angelegter Persönlichkeitstests oder zur begleitenden Beratung eingesetzt werden.

Eine Studie des israelischen Psychologen Moshe Zeidner und seines australischen Kollegen Richard D. Roberts wirft jedoch das Konzept der Emotionalen Intelligenz, bzw. deren Aussagekraft über die beruflichen Eignungen, über den Haufen. Die Untersuchung, welche unter anderem auch alle bisherigen Studien zur Emotionalen Intelligenz mit einbezog, konnte beispielsweise unter 224 britischen Managern keinen nennenswerten Zusammenhang zwischen Emotionaler Intelligenz und den beruflichen Fähigkeiten der Probanden nachweisen. Zeidner und Roberts halten deshalb die Emotionale Intelligenz eines Bewerbers für ein ungeeignetes Auswahlkriterium.

Kritik des Begriffs der Emotionalen Intelligenz

Nach Golemans Definition handelt es sich bei Emotionaler Intelligenz um "die Fähigkeit, unsere eigenen Gefühle und die anderer zu erkennen, uns selbst zu motivieren und gut mit Emotionen in uns selbst und in unseren Beziehungen umzugehen." (Daniel Goleman: EQ2. Der Erfolgsquotient, München 1999, S. 387). Doch was heißt es eigentlich, "gut" mit Emotionen umzugehen? Anders als der gewöhnliche Intelligenzbegriff ("IQ") ist der Begriff der Emotionalen Intelligenz ("EQ") viel stärker von der Definition des Wertbegriffs abhängig (vergl. Wert). IQ lässt sich zum Beispiel auf eine bestimmte Aufgabenlösung hin definieren, wobei es relativ irrelevant bleibt, welchen Stellenwert das Individuum diesem Zweck in seinem Leben tatsächlich zubilligt.

Im engeren Sinne wird unter Emotionaler Intelligenz meist verstanden, Menschen im eigenen Sinne zu beeinflussen und vor allem in der Arbeitswelt Mitarbeiter durch Ansprechen von Gefühlen zu motivieren und gegebenenfalls auch zu manipulieren, um höhere Profite und ein produktives Arbeitsklima zu erreichen. Im Grunde handelt es sich hierbei lediglich um eine Variante des normalen Intelligenzbegriffs, wobei versucht wird, Ziele verstärkt durch Einbeziehung von Gefühlen zu verwirklichen.

Emotionale Intelligenz im allgemeinen Sinne

ist dagegen nur definierbar durch Wertmaßstäbe. Dabei wird nicht nur der begrenzte Rahmen z.B. der Familie oder des Arbeitsplatzes einbezogen, sondern die Gesellschaft insgesamt als interaktives "emotionales System" mit allen seinen emotionalen Facetten berücksichtigt. Dieser Unterschied wurde bisher in der Psychologie weitgehend übersehen. Es ist aber ein offenes Geheimnis, dass weder Philosophie noch Psychologie oder Soziologie gegenwärtig über einen konsensfähigen Wertbegriff verfügen. Auch Goleman und seinen Vorgängern lag diese Begriffbestimmung fern. Aus der Vagheit des Ziels Emotionaler Intelligenz im Allgemeinen entsteht so folgerichtig auch die zu Recht kritisierte Vagheit des Begriffs überhaupt.

Diese konzeptuelle Unschärfe des Begriffs der Emotionalen Intelligenz war in den letzten Jahren Ausgangspunkt neuer Definitionsversuche. Dabei zeigte sich, dass die Unklarheit vor allem auf einem zu vagen Verständnis des Gefühlsbegriffs beruhte. Neue Analysen zeigen, dass die einzigen notwendigen Eigenschaften des Fühlens Angenehm- und Unangenehmsein sind (Peter Schmidt 1999, 2001, 2002, 2005). Nur diese beiden Komponenten vermögen die ganze Skala positiver und negativer Gefühle abzudecken. Gefühle begründen aber nach dem letzten Stand der Werttheorie alle Werterfahrungen. Ohne Fühlen erleben wir nur gedachte Werte. Werte, die nicht gefühlt werden, sind lediglich Nützlichkeitswerte (z.B. Geld, Werkzeug) und bedürfen zur Wertbegründung immer des gefühlten Endwerts. Bloße Sinneserfahrungen, Empfindungen, Gedanken und Vorstellungen oder Wollensintentionen haben dagegen keine Wertqualitäten. Das Fragen nach dem Wert führt bei diesen Erfahrungskategorien immer zum unendlichen Regress des Hinterfragens, warum etwas ein Wert sei. Danach sind Gefühle gleichzusetzen mit "Attractio" und "Aversio".

Wenn Gefühle aber alle Wert- und Sinnerfahrungen begründen, besteht Emotionale Intelligenz präziser gefasst in der Verwirklichung von Attractio und der Vermeidung von Aversio innerhalb des emotionalen Systems, in dem wir mit anderen Menschen leben.

Siehe auch

Literatur

  • Daniel Goleman: Emotionale Intelligenz. Hanser-Verlag München 1996. ISBN 3-446-18526-7
  • Salovey, P. & Mayer, J. D.: Emotional Intelligence. Imagination, Cognition, and Personality, 9, 185-211.
  • Peter Schmidt: Scanning. BELUGA-NEW-MEDIA Herten 2005. ISBN: 3-938152-01-X