Baptisten
Die Baptistenkirchen sind eine Familie von Freikirchen in evangelikaler Tradition, deren besonderes Merkmal die strikte Ablehnung der Kindertaufe ist..
Synonyme und andere Sprachen
Weltweit sind die Baptistenkirchen vereinigt in der Baptist World Alliance (BWA), in Europa und dem Nahen Osten in der Europäischen Baptistischen Föderation (EBF).
Der offizielle Name der Baptistenkirchen in Deutschland lautet heute Bund Evangelisch-Freikirchlicher Gemeinden (Baptisten und Brüdergemeinden).
Verbreitung
Der Bund Evangelisch-Freikirchlicher Gemeinden in Deutschland (BEFG) bildet mit 86.100 Mitgliedern in 862 Gemeinden die größte Freikirche in Deutschland. Als Freikirche ist der BEFG unabhängig vom Staat. Es wird keine Kirchensteuer erhoben. Sämtliche Aufwendungen - von den Gehältern der Pastoren, über den Bau und Unterhalt der Kirchengebäude und Gemeindehäuser bis zur Unterstützung für Menschen in Not - werden aus Spenden und freiwilligen Beiträgen der Mitglieder bestritten (derzeit jährlich im Durchschnitt 960 € pro Mitglied). Viele Baptisten geben zehn Prozent ihres Einkommens und mehr. Verbindliche Richtschnur für alle Aktivitäten ist die Bibel.
Lehre
Ein wesentliches Merkmal der Baptisten ist nach wie vor ihre Ablehnung der Kindertaufe, welche nach ihrem Verständnis nicht dem biblischen Gebot entspricht. Stattdessen lassen sich Baptisten im entscheidungsfähigen Alter taufen. Getauft werden nicht nur Erwachsene, sondern auch Jugendliche. Daher lehnen die Baptisten den Begriff Erwachsenentaufe ab und sprechen lieber von Gläubigentaufe.
Die Theologie der Baptisten ist gewöhnlich evangelikal in calvinistischer Tradition, wobei es ziemliche Unterschiede zwischen den einzelnen Gemeinden geben kann.
Gottesdienst und Praxis
Die Gestaltung der Gottesdienste unterliegt keiner bestimmten Liturgie, wird also von jeder Gemeinde individuell gehandhabt. Die Verkündigung des Wortes Gottes steht aber klar im Vordergrund. Meistens teilt sich der Gottesdienst in einen Einleitungsteil, der von Gemeindemitgliedern oder -gruppen gestaltet wird und einen Predigtteil. Die Predigt kann durchaus auch von Laien gehalten werden. Die Musik ist oft modern. Viele Gemeinden sind charismatisch ausgerichtet. Ein wichtiges Element ist das offene Gebet der Gemeinde, bei dem jeder Gottesdienstbesucher die Möglichkeit hat laut mitzubeten. Vereinzelt wird dabei das Zungengebet praktiziert. Für Kinder wird parallel zum Gottesdienst die Sonntagsschule angeboten.
Die Taufe geschieht durch vollständiges Untertauchen. Für die Taufe gibt es in den meisten Baptistenkirchen ein Baptisterium (Taufbecken). Viele Baptistengemeinden taufen auch gerne in freien Gewässern. Im allgemeinen kann man nur durch eine Glaubenstaufe Mitglied einer Baptistengemeinde werden, sie muß jedoch nicht in einer Baptistengemeinde vollzogen worden sein.
Das Abendmahl betont die Gemeinschaft der Gläubigen untereinander und mit Jesus Christus. Eingeladen sind alle, die sich mit Gott und Menschen durch Jesus Christus versöhnt wissen Es gilt die biblische Mahnung: "Darum prüfe sich ein jeder selbst und esse so von diesem Brot und trinke aus diesem Kelch!" (1. Kor 11) Meistens werden Teller mit gebrochenem Brot sowie Kelche durch die Reihen gereicht. Häufig wird mit Rücksicht auf Suchtkranke Traubensaft statt Wein gereicht. Auch andere Abendmahlsformen werden praktiziert.
Baptisten kommt es nicht so sehr auf die äussere Form des Gottesdienstes an, als vielmehr der intensiven Gemeinschaft mit den anderen Gemeindemitgliedern und Jesus. Deshalb ist in vielen Gemeinden das anschließende Kirchencafé oder sogar ein gemeinsames Mittagessen inzwischen obligatorisch.
Gäste sind abgesehen von den Gemeindeversammlungen, wo über alle wichtigen Fragen des Gemeindelebens entschieden wird, zu allen Veranstaltungen willkommen.
Organisation
Die Baptistenkirchen sind kongregationalistisch organisiert, d.h. die einzelnen Gemeinden sind weitgehend selbständig, jedoch in einen deutschen und internationalen Bund integriert. Der deutsche Bund unterhält neben diakonischen Einrichtungen auch ein theologisches Seminar in Wustermark-Elstal bei Berlin, in dem eigene Pastoren ausgebildet werden. Auch Absolventen eines evangelischen oder katholischen Theologiestudiums können (nach einem Aufbaustudium) als Pastoren in den Gemeinden tätig werden.
Geschichte
Wie alle evangelischen Kirchen sind auch die Baptisten ein Produkt der Reformationsbewegung des 16. Jahrhunderts (Martin Luther, Johannes Calvin, Ulrich Zwingli, Thomas Müntzer u.a.). Auch sie sind in ihrer Geschichte vielen Einflüssen unterlegen, die sich nicht immer historisch fassen lassen. Die Hauptentwicklungslinie lässt sich unbestritten folgendermaßen darstellen:
1529 kam es in England unter Heinrich VIII. zur Abspaltung der katholischen Kirche von Rom und der Gründung der nationalen anglikanischen Kirche. Nach Heinrichs Tod machten sich auch hier die Auswirkungen der kontinentalen Reformation bemerkbar – unter anderem in der Entwicklung des calvinistisch geprägten "Puritanismus". Die englischen Könige waren jedoch immer darauf bedacht, die Einheit der anglikanischen Kirche zu erhalten. So gründeten Auswanderer 1609 in Amsterdam eine erste eigenständige puritanische Gemeinde.
Den Namen Baptisten (aus dem Griechischen = "taufen") erhielten sie als Spottnamen, da sie Menschen nur aufgrund einer freiwilligen Entscheidung tauften und damit in die Gemeinde aufnahmen (das schließt eine Kindertaufe aus). Hierbei gibt es durchaus theologische Parallelen zu der deutschen Wiedertäuferbewegung, die im Gegensatz zum Puritanismus teilweise fanatisch-sektiererische Ausprägungen hatte (Münster 1534/35). Ob ein Austausch zwischen den beiden Bewegungen bestand, kann allerdings nicht nachgewiesen werden.
Wie viele andere Anhänger reformatorisch geprägter Glaubensbewegungen zogen es es schließlich auch die Puritaner vor, in die USA auszuwandern. Dort wurde 1611 eine erste Gemeinde gegründet. Vor allem im 18. Jahrhundert erlebten die dortigen Gemeinden einen großen Aufschwung, u.a. wegen ihrer kompromisslosen Haltung gegen den Sklavenhandel.
Im 19. Jahrhundert kehrte der Baptismus wieder nach Europa zurück. Der Hamburger Kaufmann Johann Gerhard Oncken hatte sich zunächst auf einer Englandreise in einer methodistischen Gemeinde bekehrt. Nach Deutschland zurückgekehrt, kam er in Kontakt mit einem amerikanischen baptistischen Theologen, der die Glaubentaufe an ihm vollzog. Oncken gründete am 23. April 1834 die erste Gemeinde in Hamburg.
Weitere Daten
- 1837 Gottfried Wilhelm Lehmann in Berlin getauft
- 1849 Gründung des Bundes der vereinigten Gemeinden getaufter Christen
- 1880 Errichtung des ersten Predigerseminars in Hamburg
- 1887 erstes Bapt. Diakonissenmutterhaus in Berlin (1899 Hamburg)
- 1888 Bund der Baptistengemeinden / Predigerseminar Hamburg-Horn
- 1891 Erster Baptisten-Missionar nach Kamerun
- 1908 1. Europäischer Baptistenkongress in Berlin
- 1930 Körperschaft des öffentlichen Rechts (KdöR)
- 1937 Gründung des BfC; Beitritt der Offenen Brüder
- 1938 Anschluss der Elim-Gemeinden
- 1941 Zusammenschluß von BfC und Baptisten zum Bund Evangelisch-Freikirchlicher Gemeinden
- 1969 Bund Evangelisch-Freikirchlicher Gemeinden in der DDR
- 1977 Das neue Glaubensbekenntnis der Baptisten, die "Rechenschaft vom Glauben" erscheint
Bedeutende Baptisten
- John Bunyan, Verfasser von The Pilgrim’s Progresss (deutsch: Pilgerreise)
- Charles Haddon Spurgeon, englischer Baptistenprediger und Schriftsteller
- Martin Luther King, US-amerikanischer Bürgerrrechtler
- Jimmy Carter, US-amerikanischer Präsident
- Billy Graham, weltweit bekannter Evangelist
- Mahalia Jackson, Gospelinterpretin
- Harvey Cox, Theologe
- Peter C. Dienel, Theologe und Soziologe, Erfinder des Bürgerbeteiligungsverfahrens "Planungszelle"
Grundsätzlich sind die Evangelisch-Freikirchlichen Gemeinden auf allen Ebenen in der ökumenischen Bewegung sehr aktiv. Sie sind Mitglied in der Deutschen Evangelischen Allianz und Gründungsmitglied der Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen.
Die Baptisten unterhalten viele Kontakte zu anderen Kirchen, Freikirchen und internationalen Organisationen. "Jesus Christus baut seine Gemeinde in verschiedenen Kirchen und Gemeinschaften", heißt es in einer BEFG-Bekenntnisschrift. Sie engagieren sich in der Deutschen Evangelischen Allianz und gehören zu den Gründungsmitgliedern der Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen. Sie arbeiten auch in der Vereinigung Evangelischer Freikirchen mit.
Literatur
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