Täufer
Bezeichnung einer vielschichtigen reformatorischen Bewegung des 16. Jahrhunderts, die in der Schweiz, Tirol und in Ostfriesland ihre geografischen Ausgangspunkte hatte, sich aber schnell über ganz Zentraleuropa ausbreitete. Fälschlicherweise wurden die Täufer als "Wiedertäufer" (Anabaptisten) bezeichnet. Da die Täufer die Taufe unmündiger Kinder als unbiblisch und deshalb als ungültig verwarfen, wurden Mündige aufgrund ihres persönlichen Glaubensbekenntnisses getauft, auch wenn sie bereits als Säuglinge "besprengt" worden waren. In den Augen der Täufer war (und ist) die Glaubenstaufe die gültige. Sie wird nicht wiederholt.
Die Täuferbewegung der Reformationszeit ist eine der Wurzeln der heutigen Hutterer, Mennoniten und der Amischen sowie im gewissen Sinne auch der Baptisten.
Entstehung:
Die Täufer sind ursprünglich wohl in Zürich entstanden und zwar als Abspaltung der von Zwingli dort eingeleiteten und durchgeführten Reformation. Im Zuge der 2. Züricher Disputation im Herbst 1523 hatte der Rat der Stadt im Einvernehmen mit Zwingli beschlossen, den reformatorischen Massnahmen erst ausführliche evangelische Predigten vorangehen zu lassen, um die Bevölkerung angemessen auf die bevorstehenden Wandlungen vorzubereiten. Einer Gruppe um Felix Manz und Konrad Grebel war dieser Reformationsprozess nicht durchgreifend genug. Sie bildeten ein Gemeinschaft, die sich von der Welt abschied und die sich als "Gemeinschaft der Glaubenden" verstand. Erst im Jahr 1524 rückte die Taufe während des Taufstreit in den Mittelpunkt. Die Gruppe weigerte sich ihre Kinder taufen zu lassen. Der Rat erlies einen Taufbefehl, den die Gruppe 1525 widerwillig umsetzte. Sowohl die Kinder als auch die Erwachsenen tauften sich aus einem einfachen Wasserkübel. Da die Erwachsenen als Kind schon getauft wurden, wurden sie so zu Wiedertäufern. Da es sich der Rat der Stadt nicht gefallen lassen wollte, dass der seit 1525 geltende Zwang zur Kindertaufe von den Täufern missachtet wurde, kam es zu heftigen Auseinandersetzungen an deren Ende 1527 die Hinrichtung von Felix Manz - durch Ertränken in der Limmat - stand. Auch ausgelöst durch die Vertreibung aus Zürich, breiteten sie sich schnell in das Alpengebiet, nach Norddeutschland, in die heutigen Niederlande und nach Mähren aus. Auch in den protestantischen Territorien Südwestdeutschlands aus, beispielsweise in Württemberg und angrenzenden Herrschaften, ließen sich Erwachsene taufen. Dort verzichtete die Obrigkeit auf allzu grausame Sanktionen.
In Wittenberg sympathisierte der Martin Luther nahe stehenden Theologe Thomas Müntzer mit täuferischen Ideen, der sich zunehmend von Luther abwandte und im Deutschen Bauernkrieg 1525 hingerichtet wurde. Man kann das Täufertum als "linken Flügel der Reformation" (Heinold Fast) verstehen. Anhänger Luthers waren enttäuscht, dass der Reformator das "landesherrliche Kirchenregiment" befürwortete, die Reformation aus der Gemeinde heraus also gescheitert war. Deshalb radikalisierte sich ein Flügel der Reformation.
Bekannt wurden die von Michael Sattler verfassten "Schleitheimer Artikel" (Schleitheim, Kanton Schaffhausen - Schweiz) von 1527, in denen die Lehre der Täufer programmatisch zusammengefasst wurde. Wichtigste Punkte in diesen Artikeln waren: - Ablehnung der Kindertaufe - Ablehnung von Eid, Kriegsdienst und Steuern - Ablehnung der Wahrnehmung weltlicher Obrigkeit durch Täufer - Bildung einer Gemeinschaft der wahrhaft Gläubigen (in Ablehnung der Idee von der "Volkskirche")
Das Täuferreich in Münster
In den 1530ern herrschten radikale Wiedertäufer in Münster (Westfalen). Einer der theologischen Wegbereiter des münsterschen Täuferrreichs war Melchior Hofmann. Zahlreiche Täufer aus den Niederlanden waren in die Bischofsstadt geströmt und hatten dort ihre Lehren verbreitet. Nachdem sie in der Bürgerschaft ein lebhaftes Echo fanden, übernahmen die Täufer, die die gemäßigte Reformation des Martin Luther ablehnten, 1534 die Stadt Münster und gründeten dort das "Reich Zion". Der Bischof von Münster, Franz von Waldeck, der mit Anna Pohlmann in eheähnlichem Verhältnis lebte und acht Kinder hatte, und auch Bischof von Osnabrück war, belagerte umgehend die Stadt. Als "König" setzten die Wiedertäufer Jan van Leiden ein, der innerhalb kurzer Zeit eine Theokratie errichtete und oppositionelle Regungen brutal unterdrückte, aber im Gegensatz zu anderen die Folter vor der Vollstreckung eines Todesurteils abschafften. In der Stadt wurden die Gütergemeinschaft eingeführt und, unter Berufung auf das Alte Testament, die Polygamie. Letzteres als v.a. "pragmatische" Antwort auf den großen Frauenüberhang, den es in der Stadt gab (ca. 5000 Frauen, 2000 Männer und 1000 Kinder. Dieser "Frauenüberschuss" ergab sich aus der damaligen Sitte, Töchter in Klöster zu geben, damit Höfe nicht geteilt und belastet wurden).
Die Militanz der münsterschen Wiedertäufer folgte aus der Überreaktion gegen die pazifistische Gesinnung der Wiedertäufer, die allein deswegen schon mit dem Tode bestraft wurden. Nach anderthalb Jahren wurde Münster am 25. Juni 1535 eingenommen. Die betroffenen Täufer wurden für ihre Abtrünnigkeit grausam zu Tode gefoltert: Im Januar 1536 wurden Jan van Leiden, Bernd Krechting und Bernd Knipperdolling auf dem Prinzipalmarkt mit glühenden Zangen gerissen und schließlich erdolcht. Ihre Leiber wurden in eigens angefertigten Körben an den Turm der Lambertikirche gehängt, wo sie noch heute zu sehen sind.
Glaubensüberzeugungen/Charakteristika
- Mißtrauen gegenüber Staat und Staatskirchentum
- starker Bezug auf die Sittlichkeitsgebote der Bergpredigt
- Friedensliebe / Erdulden von Unrecht und Gewalt (siehe auch: Amischen); das Täufertum in Münster repräsentierte dagegen eine radikal-fundamentalistische Minderheit mit militanter Gewalt.
- Glaube an prophetische Erleuchtungen ("inneres Licht"), daraus gewonnene Erfahrungen wurden z. T. über die Aussagen der Bibel gestellt
- Gläubigentaufe / Ungültigkeit der Kindertaufe
- Heiligung des Lebens
Literatur
- Claus-Peter Clasen: Die Wiedertäufer im Herzogtum Württemberg und in benachbarten Herrschaften. Stuttgart 1965.