Volksgemeinschaft
Die Volksgemeinschaft bezeichnet innerhalb der nationalsozialistischen Ideologie das deutsche Volk als eine Gemeinschaft aller der "arischen Rasse" als dem Volkstum Angehörigen, politisch Gleichgeschalteten. Der Begriff fand eine häufige Verwendung in der NS-Propaganda.
Die Zugehörigkeit zur arischen Rasse war zwar eine notwendige Bedingung für die Zugehörigkeit zur deutschen Volksgemeinschaft, aber sie war nicht hinreichend. Volksgemeinschaft war eine Gesinnungsgemeinschaft, die das Bekenntnis zur nationalsozialistischen Weltanschauung erforderte.
Merkmale des nationalsozialistischen Ideals der Volksgemeinschaft
- Bekenntnis zur völkische "Glaubens- und Kampfgemeinschaft": Erst wenn der ideale Drang nach Unabhängigkeit in den Formen militärischer Machtmittel die kampfesmäßige Organisation erhält, kann der drängende Wunsch eines Volkes in herrliche Wirklichkeit umgesetzt werden. (Adolf Hitler, Mein Kampf)
- der völkische Staat: Wir haben schärfstens zu unterscheiden zwischen dem Staat als einem Gefäß und der Rasse als dem Inhalt. (Adolf Hitler, Mein Kampf)
- "Germanisierung" und "Verteidigung" des "Deutschtums" und der "deutschen Volksgruppen" durch "Eroberungskrieg"
- "Arisierung," die Enteignung der jüdischen Bevölkerung
- Propagandistische Ausklammerung aller Unterschiede in Stand, Vermögen, Bildung und Wissen (dem allerdings später von Goebbels widersprochen wurde)
- Bedingungsloser Gehorsam dem Führer gegenüber, Führerprinzip
- Konsequente nationalsozialistische Erziehung
- Rechtfertigung zur Verfolgung und Ausgrenzung anderer, was Judenverfolgung und -deportation sowie Verfolgung von Zigeunern, Homosexueller, Kommunisten und Sozialisten, Euthanasie und Zwangsterilisation Behinderter und Verbot von Gewerkschaften zufolge hatte
- Quasi-religiöse Gemeinschaft mit Ritualen wie Eintopfsonntag, Nachtkundgebungen und Straßensammlungen für das Winterhilfswerk
- Suggestion eines "Herrenvolks" in Massenaufmärschen
- Ehrung der Mutter, Mutterkult
Durch die Deutsche Arbeitsfront (DAF) wurden Arbeitnehmer stärker in diese Volksgemeinschaft eingebunden und Nicht-Anpassungswillige kurzerhand als "Volksschädlinge" in Erziehungslager deportiert. Die Unterorganisation Kraft durch Freude (KdF) erlaubte der Regierung, Macht auf die Freizeitgestaltung der Deutschen auszuüben. Ebenso ermöglichte die Organisation der Hitler-Jugend und dem Bund deutscher Mädel dem nationalsozialistischen Regime Einflussnahme auf das Denken und Handeln der deutschen Jugend.
Geschichte des Begriffs
"Volksgemeinschaft" war bereits um 1900 ein häufig gebrauchter Begriff. Als Gegenbild zur modernen von Konflikten und sozialen Gegensätzen geprägten Gesellschaft, war er für die verschiedensten politischen Gruppierungen und konservativen, aber auch liberalen, nationalbolschiwistischen und christlichen attraktiv. Das hier zugrundeliegende völkische Denken war tragender Konsens und bestimmend für die nach Armin Mohler so benannte Konservative Revolution, bestehend aus Völkische Bewegung, Jungkonservative, Nationalrevolutionäre, Landvolkbewegung und Jugendbewegung (Bündische).
Die romantisch geprägten Jugendbewegung des Wandervogels und besonders des Jungdeutscher Ordens wurde die Volksgemeinschaft aufbauend auf kleine überschaubare Räume (Nachbarschaft) als Ideal der künftigen Gesellschaft propagiert. Gegen die vermeintlich anonyme, von ökonomischen Nutzenüberlegungen, egoistischem Individualismus und Parteienstreit (das Parlament galt als Schwatzbude) bestimmte "Gesellschaft", sollte eine wahre demokratische Gemeinschaft des Volks verwirklicht werden. Mohler: "Nehmen wir beispielsweise das Individuum. In der ‘Konservativen Revolution’ verliert es seinen unbedingten Wert und wird zum Teil eines Ganzen – zu einem Teil allerdings, der seine besondere Würde dadurch erhält, dass er Teil eben dieses Ganzen ist." Nach Kellershohn gehört " der Primat des Ganzen, des Volkes, der Volksgemeinschaft" zu den "Grundprinzipien des völkischen Denkens und bildet sicherlich nicht eine Grenze zwischen dem, was Mohler unter Konservativer Revolution versteht, und der NS-Ideologie."
Der Begriff der "Volksgemeinschaft" vermittelte die Illusion, persönliche enge Verbindungen ließen sich auf den Status einer gesamten modernen Gesellschaft übertragen.
Literatur zur Ideengeschichte völkisch nationalen Denkens
- Heiko Kauffmann, Helmut Kellershohn, Jobst Paul (Hg.): Völkische Bande. Dekadenz und Wiedergeburt – Analysen rechter Ideologie. Münster, 2005. ISBN 3-89771-737-9
Weblinks
- [1] Der Adorno-Schüler Helmut Dahmer über den Materialismus der Volksgemeinschaft.
- Der Historiker Bernd Kleinhans zum Thema Volksgemeinschaft
- [2] Antisemitismus nach Horkheimer/Adorno