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Unternehmensübernahme

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Eine Unternehmensübernahme wird definiert als das Erlangen von Kontrolle über ein Unternehmen. Unter Kontrolle kann die Befugnis zur Festlegung der Ziele und Bestimmung der Geschäftspolitik verstanden werden. Aus den marktwirtschaftlichen Prinzipien der Autonomie und des Privateigentums ergibt sich, dass die Kontrolle den Eigentümern zusteht. In den meisten Ländern gibt es klare rechtliche Rahmenbedingungen, wie eine Unternehmensübernahme abzulaufen hat. In der Europäischen Union enthält die EU-Übernahmerichtlinie grundsätzliche Regelungen hierüber.

Arten der Unternehmensübernahme

Für den Erwerb des Eigentums an einem Unternehmen sind grundsätzlich zwei juristische Wege gangbar. Zum einen kann der Eigentumsübergang durch Einzelübertragung aller Vermögensgegenstände und Schulden erfolgen. Diese Möglichkeit des Erwerbs wird in der Literatur auch als asset-deal bezeichnet. Daneben besteht die Möglichkeit, Beteiligungsrechte an dem Rechtsträger des Unternehmens zu erwerben. Das Unternehmen ist im deutschen Rechtssystem nicht selbständig rechtsfähig, kann also nicht selbst Träger von Rechten und Pflichten sein. Es bedarf hierfür eines Rechtsträgers, der Inhaber aller Vermögensgegenstände und Träger aller im Unternehmen begründeten Verpflichtungen ist. Rechtsträger können insbesondere Kapitalgesellschaften, aber auch Personengesellschaften sein. Für diese Form der Übertragung hat sich der Begriff share-deal eingebürgert. Im Gegensatz zum asset-deal, bei dem das Eigentum an den einzelnen Vermögensgegenständen wechselt, bleibt der Eigentümer an diesen Gegenständen beim share-deal also unverändert, nämlich beim Unternehmensträger. Lediglich die Eigentumsverhältnisse bezüglich des Unternehmensträgers ändern sich.

Damit eine Übernahme vorliegt, müssen die mit der Beteiligung am Träger verbundenen Rechte allerdings ausreichen, um sich bei Interessendivergenzen gegen die anderen Miteigentümer durchzusetzen.

Übernahme einer börsennotierten Aktiengesellschaft

Stimmrechtsquote

Grundsätzlich kann auch ein in der Rechtsform einer Aktiengesellschaft betriebenes Unternehmen mittels Einzelübertragung der Vermögensgegenstände übernommen werden, praktisch bedeutsam ist bei diesem Unternehmenstypus jedoch nur der share deal. Bei einer Übernahme einer Aktiengesellschaft mittels Beteiligungserwerb stellt sich die Frage, wie hoch die quotale Beteiligung sein muss, damit ihr Inhaber die Kontrolle über die Gesellschaft erlangt. Da mit verschieden hohen Beteiligungsquoten ein jeweils unterschiedlicher Umfang von Einflussmöglichkeiten einhergeht, sind verschiedene Abstufungen denkbar. In der Literatur werden als Kontrollquoten etwa die hundertprozentige Beteiligung, die Eingliederungsbeteiligung (95%), die Dreiviertelmehrheit (75%), die Mehrheitsbeteiligung (> 50%) oder die Sperrminorität (> 25%) genannt.

Die genannten Quoten stellen aktienrechtlich fixierte Grenzen dar, die für bestimmte wesentliche Entscheidungen der Hauptversammlung mindestens notwendig sind. Dabei ist allerdings zu beachten, dass es für eine Reihe von Entscheidungen bereits genügt, wenn der genannte Prozentsatz am bei der Beschlussfassung vertretenen Kapital erreicht wird, so dass im Einzelfall auch schon ein geringerer Anteil am gesamten Grundkapital ausreicht, um eine geplante Maßnahme durchzusetzen. So eröffnet z.B. eine Mehrheit von ¾ des bei der Beschlussfassung vertretenen Kapitals die Möglichkeit des Abschlusses eines Beherrschungsvertrages, mit dem die Aktiengesellschaft einem anderen Unternehmen weisungsgebunden unterstellt wird. Die einfache Mehrheit in der Hauptversammlung ermöglicht u. a. die Besetzung des Aufsichtsrates, welcher wiederum den Vorstand bestellt. Daneben ist zu berücksichtigen, dass für zahlreiche Hauptversammlungsentscheidungen in der Satzung abweichende Kapitalmehrheiten bestimmt werden können. Das Vorliegen von Kontrolle stellt im betrachteten Fall also keinen binären Zustand dar, sondern ein Kontinuum an mehr oder minder starken Einflussmöglichkeiten des Kontrollinhabers. Welche Quote erreicht sein muss, damit von Übernahme gesprochen werden kann, ist nicht allgemeingültig zu beantworten, sondern ist vom Zweck der Betrachtung abhängig.

Das Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetz z. B. definiert Kontrolle als das Halten von 30% am Grundkapital. Begründet wird dies unter anderem damit, dass bei dieser Beteiligungsquote unter Berücksichtigung der üblichen Hauptversammlungspräsenzen börsennotierter deutscher Unternehmen in den meisten Fällen eine Hauptversammlungsmehrheit bestehe. Als ausschlaggebende Kontrollintensität wird also offenbar für alle denkbaren Fälle diejenige angesehen, die durch eine Hauptversammlungsmehrheit vermittelt wird, und auch die Umsetzung der Kontrollintensität in eine Quote am Grundkapital erfolgt durch eine Pauschalbetrachtung.

Technik des Beteiligungserwerbs

Hinsichtlich der Technik des Beteiligungserwerbs an einer börsennotierten Aktiengesellschaft kann zunächst danach differenziert werden, ob die Aktien an der Börse oder außerbörslich erworben werden. Für den Fall des außerbörslichen Erwerbs wird zwischen individuell ausgehandelten Käufen und öffentlichen (Übernahme-)Angeboten unterschieden.

Der Beteiligungerwerb im Rahmen des Börsenhandels setzt ein entsprechendes Angebot von Aktien an den Wertpapierbörsen voraus. Da die im üblichen Verkehr börsentäglich umgesetzten Aktien nur einen geringen Bruchteil des gesamten Aktienbestandes ausmachen, wird man davon ausgehen können, dass der Aufbau einer größeren Beteiligung nur über einen längeren Zeitraum möglich ist. Dies wird insbesondere dann der Fall sein, wenn der Erwerb stillschweigend erfolgen soll. So wird in der möglichen Geheimhaltung der Erwerbsabsicht bei gleichzeitigem sukzessiven Erwerb häufig ein Mittel zur Bewältigung von möglichen Widerständen gegen die geplante Übernahme gesehen (sog. creeping-takeover). Denkbar ist jedoch auch die öffentliche Mitteilung eines Erwerbsplanes.

Ein zweiter grundsätzlicher Weg für den Beteiligungserwerb besteht in Individualvereinbarungen mit den derzeitigen Aktionären. Wegen der damit verbundenen Informations- und Verhandlungskosten erscheint dieser Weg nur dann sinnvoll, wenn hierdurch größere Beteiligungen von einzelnen Großaktionären oder Aktionärsgruppen erworben werden können (Paketkauf). Dabei sind mitunter deutlich über dem aktuellen Börsenwert liegende Preise zu zahlen. Die Differenz zum Börsenwert wird in der Literatur vielfach als Paketzuschlag oder Kontrollprämie bezeichnet. Sofern das zu erwerbende Paket groß genug ist, kann allein durch den Paketkauf die Kontrolle erworben werden.

Als dritte elementare Möglichkeit des Beteiligungserwerbs ist ein öffentliches Angebot zu sehen. Hierunter soll die öffentliche Offerte eines Bieters an die Aktionäre des zu übernehmenden Unternehmens verstanden werden, deren Aktien zu festgelegten Konditionen außerhalb des Börsenhandels innerhalb einer gewissen Frist zu erwerben. Als öffentlich ist das Angebot anzusehen, wenn es sich an eine Vielzahl von potenziellen Verkäufern wendet. Wenn die angestrebte Beteiligung zum Kontrollerwerb ausreicht, kann auch von Übernahmeangebot gesprochen werden. Auch bei Übernahmeangeboten ist davon auszugehen, dass ein über dem aktuellen Aktienkurs liegender Preis geboten bzw. bezahlt werden muss. Die Differenz kann wiederum als Kontrollprämie interpretiert werden.

Die drei beschriebenen Formen des Aktienerwerbs können auch in vielfacher Weise miteinander kombiniert werden. So ist zum Beispiel denkbar, dass ein Übernehmer zunächst anonym Käufe an der Börse tätigt und erst nach Erreichen einer kleineren Beteiligung oder wenn die Übernahmeabsicht ruchbar wird, ein öffentliches Übernahmeangebot macht. Parallel dazu könnten – sofern vorhanden – Pakete von einzelnen Großaktionären außerhalb der Börse gekauft werden.

„Feindliche“ Übernahme

Häufig werden Übernahmen danach unterschieden, ob sie „freundlich“ oder „feindlich“ durchgeführt werden. Unter einer „feindlichen Übernahme“ (auch „unfriendly takeover“, „hostile takeover“) versteht man eine solche, die nicht im Einvernehmen mit dem Management der Zielgesellschaft verwirklicht wird, entweder weil eine Verständigung nicht erreicht werden konnte oder weil dies gar nicht erst versucht wurde. Als „freundlich“ wird eine Übernahme demgegenüber bezeichnet, wenn sie in Abstimmung mit dem Management der zu übernehmenden Gesellschaft, gegebenenfalls sogar mit dessen Hilfe, durchgeführt wird. Diese gängige Begriffsverwendung ist als ausgesprochen problematisch zu bezeichnen. Die im allgemeinen Sprachgebrauch negative Belegung des Begriffes „feindlich“ ordnet eine Übernahme ohne Beteiligung oder gegen den Willen des Vorstandes der Zielgesellschaft von vornherein als etwas Unerwünschtes oder Schädliches ein. Dabei ist es insbesondere fraglich, ob die Interessen des Managements für eine derartige Einordnung ausschlaggebend sein können. Für eine ablehnende Haltung dieser Personengruppe können vielerlei eigene Interessen ausschlaggebend sein, insbesondere wohl die Angst vor dem Verlust der eigenen Position. Dass eine derartige nicht mit dem Management konsentierte Übernahme gegenüber den Aktionären, also den Unternehmenseignern, als „feindlich“ einzustufen ist, kann jedenfalls nicht pauschal gesagt werden. Aus diesem Grund sprechen Teile der Literatur in diesem Zusammenhang auch statt von „feindlicher“ von einer „unkoordinierten“ Übernahme.

Eine besonders häufig angewendete, und zugleich öffentlichkeitswirksame, Strategie bei "feindlichen" oder "unkoordinierten" Übernahmen ist auch das öffentliche Angebot (siehe oben unter "Technik des Beteiligungserwerbs") an Aktionäre, Wertpapiere des zu übernehmenden Unternehmens zu einem Festpreis zu kaufen. Wenn auf diese Weise die absolute Mehrheit der Aktien erworben wird, reicht dies aus, die Kontrolle über das Unternehmen zu erlangen (vergleiche: Mannesmann-Übernahme von Vodafone im Jahr 2000).

Literatur

  • Wirtz, Harald: Die Übernahme börsennotierter Aktiengesellschaften, Monsenstein & Vannerdat, Münster 2004.