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Fritz Koch-Gotha

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Fritz Koch-Gotha (* 5. Januar 1877 als Friedrich Robert William Koch in Eberstädt bei Gotha; † 16. Juni 1956 in Rostock) war ein deutscher Grafiker, Zeichner, Karikaturist, Illustrator und Schriftsteller.

Leben

Friedrich „Fritz“ Koch wurde als Sohn des Reserveleutnants und Gutsinspektors William Koch und dessen Frau Emma, geb. Arnoldi, geboren. 1880 zog die Familie nach Breslau, kehrte jedoch schon vier Jahre später nach Gotha zurück, wo Koch Grundschule und Gymnasium absolvierte. 1895 schloss er hier die kaufmännische Berufsschule ab. Da ihm die vom Vater gewünschte militärische Karriere durch einen Unfall (ein Sturz beim Turnen mit nachfolgender Schwerhörigkeit) verwehrt blieb, folgte er seinen künstlerischen Neigungen und studierte von 1895 bis 1899 an der Hochschule für Grafik und Buchkunst Leipzig und der Kunstakademie Karlsruhe Malerei.

Ab 1902 arbeitete er in Berlin als freischaffender Illustrator und Pressezeichner, 1904 übersiedelte er dauerhaft in die Reichshauptstadt, wo er ständiger Mitarbeiter der renommierten Berliner Illustrirten des Ullstein Verlages wurde. Zahlreiche seiner Werke erschienen auch in den Ullstein-Zeitschriften Lustige Blätter und Die Woche. In den Jahren vor dem Ersten Weltkrieg avancierte Koch zum beliebtesten Zeichner und Karikaturisten Deutschlands. 1908 und 1909 unternahm er Studienreisen nach Russland, Paris und in die Türkei, deren Eindrücke er in zahlreichen Skizzen festhielt.

Um sich von den zahlreichen Berliner Künstlern gleichen Namens abzuheben, fügte er in dieser Zeit seinem Nachnamen den Zusatz -Gotha bei – in Erinnerung an die Stadt, in der er den Großteil seiner Kindheit und Jugend verbracht hatte. Er selbst begründete diesen Schritt mit dem launigen Satz: „Es gibt viele Köche, aber nur einen Koch-Gotha!“ Etliche seiner Zeichnungen und Karikaturen, die Kleinstadtszenen zeigen, sind erkennbar von Motiven aus Gotha inspiriert und lassen sich zuweilen örtlich sehr genau zuordnen. 1917 gestaltete er für seine Heimatstadt auch einige Kriegs-Notgeldscheine.

1914 veröffentlichte der Ullstein-Verlag das Koch-Gotha-Album, das aufgrund seiner humoristischen Milieuschilderungen der wilhelminischen Epoche zeitgeschichtlichen Wert besitzt. Koch-Gothas bekanntestes Werk ist jedoch bis heute Die Häschenschule, eine Geschichte von Albert Sixtus, mit der 1924 seine Karriere als Kinderbuchautor und -illustrator begann. Der unbeschreibliche Erfolg dieses Bilderbuches, von dem bereits ein Jahr später eine Ausgabe den Vermerk 60.–62. Auflage – 243. Tausend trägt, mag in der Parodie auf den damaligen Schulbetrieb und seiner Pädagogik liegen:

„Fritz Koch-Gotha verstand es, dem trivialen Sujet Schule, den konventionell erstarrten Darstellungsschemata der Fibeln... über die zu erwartenden Szenen im Malen, Sport, der Musik und Pflanzenkunde hinaus eine unerwartete Wendung zu geben. Diese besteht in der überraschenden Andersartigkeit, anstelle von Kindern Hasen in einem kinderähnlichen Hasenmilieu darzustellen... Noch im gleichen Jahr versucht der Illustrator..., den unerwartet hohen Erfolg durch... weitere Hasengeschichten... zu nutzen, ehe andere Illustratoren das Thema aufgreifen.“

Ulrich Hann[1]

„Und auch die Unterrichtsinhalte waren früher einfacher nachvollziehbar, so wie die Hasen mit Eier-Malen und Kohlgemüse-Ernten gut bedient waren... der Traum von der „Häschenschule“ ist fatal..., da helfen auch die schönen bunten Bilder nicht... Wir nehmen es als das, was es ist: Trash! Vergesst die „Häschenschule“ einfach!“

1933 beendete er seine Pressearbeit, nachdem die Nationalsozialisten den berühmten Zeichner für ihre Propagandazwecke einspannen wollten. Einen Vertreter Goebbels’ fragte er seinerzeit: „Können Sie sich einen von Koch-Gotha gezeichneten SA-Mann vorstellen?“

1940 publizierte der Künstler das Bilderbuch Mit Säbel und Gewehr:

„Zur militaristischen Erziehung unter der Hakenkreuzfahne gehört ‚Mit Säbel und Gewehr‘ von Fritz Koch-Gotha (Stuttgart 1940). Ich erwähne es, weil es ausnahmsweise einmal von einer Könnerhand gezeichnet, voll Leben und Atmosphäre, witzig beobachtet und offensichtlich das Werk eines Sympathisanten ist, der es versteht, für die Sache, die er schildert, Begeisterung zu wecken. Aber es ist ein Bilderbuch vom Soldatenspiel. Es führt in die Knabenwelt und nicht in das Militär der Männer oder den Krieg der Soldaten... Doch das Militär zu zeigen, ist noch keine Propagierung nationalsozialistischer Ideologie. Es geschah und geschieht außerhalb des Nationalsozialismus.“

Hans Ries[3]

Nach der Zerstörung seiner Berliner Wohnung 1944, bei der fast sein gesamter Bestand an Zeichnungen verloren ging, übersiedelte Koch-Gotha mit seiner Frau Dora endgültig nach Althagen (heute ein Ortsteil von Ahrenshoop), wo das Ehepaar bereits seit 1927 ein Haus als Sommersitz besaß. Nach dem Krieg zeichnete er unter anderem für die Satirezeitung Frischer Wind, den späteren Eulenspiegel.

Ehrungen

1910 erhielt Koch-Gotha den Menzelpreis für seine künstlerischen Leistungen. 1947 wurde er Ehrenbürger der Stadt Rostock, in der heute noch eine Straße nach ihm benannt ist. Während es u. a. in Ribnitz-Damgarten und Karlsruhe einen Koch-Gotha-Platz gibt, erinnert in seiner einstigen Heimatstadt Gotha eine Gedenktafel an seinem einstigen Wohnhaus in der Uelleber Str. 4 an den Zeichner. Darüber hinaus zählt Koch-Gotha zu den 36 Verdienten Bürgern der Stadt.[4]

Rezeption

„Der Koch ist eine ulkige Nummer: er kann zeichnen wie Anton von Werner, glatt, richtig, photographisch richtig. Aber er bleibt nicht dabei wie der Stiefelmaler: er hat den Berliner Mittelstand ganz richtig gesehen und lacht. Eigentlich mehr mit ihm als über ihn, er hat kein hartes Herz, er freut sich nur, weil das alles so ulkig ist [...] und dann hat er schon gesehen und gezeigt, wo diese Berliner von 1912 stehen, die ja so gerne noch von 1875 sein möchten. Er hat das Klischee scharf gesehen. Hier ist der Berliner in Reinkultur [...] Allzu tief geht es nicht bei Koch. Durfte es vielleicht nicht gehen, weil eine vorsichtige Redaktion den gutmütigen Mann noch mehr dämpfte.“

Kurt Tucholsky[5]

Familie

Koch-Gotha war seit 1917 verheiratet mit der Malerin Dora Koch-Stetter, die dem Malerkreis der Künstlerkolonie Ahrenshoop angehörte. Die Ehe blieb kinderlos.

Sonstiges

Auf dem Gothaer Hauptfriedhof befindet sich bis heute das Grab von Koch-Gothas Vater William Koch (1845–1918), das von einem großen, naturbelassenen Steinblock geziert wird. Da unter William Kochs Namen und Lebensdaten zum Gedenken auch Name und Lebensdaten seines Sohnes eingemeißelt wurden, wird fälschlicherweise oft angenommen, dass der Maler ebenfalls hier begraben liege. Tatsächlich fand Koch-Gotha jedoch auf dem Friedhof des Ostseebads Wustrow auf dem Fischland seine letzte Ruhestätte.

Werke (Auswahl)

  • Die Häschenschule. Ein lustiges Bilderbuch. Hahn's Verlag, Hamburg 2001, ISBN 3-87286-032-1.
  • Alle meine Häschen - Ein lustiges Hasenbilderbuch, Hahn's Verlag, Leipzig 1924
  • "Waldi": Ein lustiges Dackelbuch
  • Hühnchen Sabinchen
  • Fix und Fax
  • Koch-Gotha-Album. Ullstein, Berlin 1914
  • Das Schildbürgerbuch von 1598. Hinstorff Verlag, Rostock 1954 (Neuauflage: ISBN 3-356-00052-7)
  • Die Bremer Stadtmusikanten (zusammen mit Wilhelm M. Busch)
  • Liederbuch der Luftwaffe (Klavierausgabe) Vieweg, Berlin 1940
  • Mit Säbel und Gewehr, Stuttgart 1940

Literatur

  • Ulrich Hann: Die Entwicklungsgeschichte des deutschsprachigen Bilderbuches im 20. Jahrhundert. Eine Untersuchung der Konstitution der Welt im Bilderbuch und der Versuch ihrer kunst- und sozialgeschichtlichen Einordnung, Göttingen 1977 (unveröffentlichte Dissertation)
  • Hans Ries: Versuch über deutsche Bilderbücher, in: Amélie Zech (Hrsg.): Bilderbuch – Begleiter der Kindheit: Katalog zur Ausstellung über die Entwicklung des Bilderbuches in drei Jahrhunderten, München: Museum Villa Stuck 1986, S. 10–52
  • Kurzbiografie zu: Koch-Gotha, Fritz. In: Wer war wer in der DDR? 5. AusgabeBand 1. Ch. Links, Berlin 2010, ISBN 978-3-86153-561-4.

Einzelnachweise

  1. Hann 1977, S. 487 f
  2. Nicht kaufen! "Die Häschenschule" ist Trash, taz, 27. März 2013, S. 18. (Zitat gekürzt)
  3. Ries 1986, S. 48 f
  4. Verdiente Bürger der Stadt Gotha
  5. Kurt Tucholsky: Der Berliner Busch. In: Vorwärts vom 11. November 1913, Berlin 1913